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Archiv "Bronchopulmonale Dysplasie bei Frühgeborenen" (20.04.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erkrankungen der Lunge (15)

Bronchopulmonale Dysplasie bei Frühgeborenen

Hermann Manzke

Die bronchopulmonale Dysplasie (Respiratorlunge) ist der Folgezustand eines mit Überdruck behandelten hyalinen Membransyndroms beim Frühgeborenen. Die Häufigkeit des Krankheitsbildes steigt mit der Zahl sehr kleiner überle- bender Frühgeborener.

eit Einführung der PEEP-Beatmung (po- sitive endexpiratory pres- sure) in die neonatale In- tensivmedizin hat die Zahl der sehr unreifen Frühgebore- nen, die ein Atemnotsyndrom über- leben, stark zugenommen. Der Preis dieser wirksamen, aber unphysiologi- schen Beatmungstechnik ist bei Langzeitanwendung (über drei Ta- ge) in vielen Fällen die Ausbildung einer bronchopulmonalen Dysplasie (Respiratorlunge). Frühgeborene mit Atemnotsyndrom, die nicht mit PEEP-Beatmung behandelt werden und überleben, zeigen diesen Um- bauprozeß der Lunge nicht. Das hyaline Membransyndrom heilt bei ihnen folgenlos aus (4). Lediglich in wenigen Fällen entwickelt sich bei ihnen ein Krankheitsbild, dessen Pathogenese unklar ist und das in seinem Verlauf und röntgenologi- schen Bild der bronchopulmonalen Dysplasie ähnelt (Wilson-Mikity- Syndrom). Bei beiden Krankheits- bildern kann ein persistierender Ductus apertus Botalli mitbeteiligt sein.

Die bronchopulmonale Dyspla- sie ist jedoch, was Ursache, Sympto- me, Pathophysiologie und Verlauf betrifft, ein eigenständiges Krank- heitsbild und kann als Folgezustand eines mit Überdruck behandelten hyalinen Membransyndroms beim Frühgeborenen definiert werden.

Der Krankheitsbegriff wurde 1967 von Northway et al. (9) erstmals geprägt und entspricht nach deren röntgenologischer Stadieneinteilung dem Stadium vier. Pathologisch-ana- tomisch handelt es sich um eine chronische Lungenumbauerkran- kung mit unterschiedlicher Pro- gnose.

Daneben gibt es eine Form der bronchopulmonalen Dysplasie, die sich nicht auf dem Boden eines hya- linen Membransyndroms entwickelt, sondern bei sehr kleinen Frühgebo- renen vorkommt, die sofort nach der Geburt intubiert und langzeitbeat- met werden (2). Situationsabhängig sind diese Kinder nur mit leichtem Überdruck und geringer künstlicher

Sauerstoffzufuhr beatmet worden;

in manchen Fällen erfolgte sogar keine Sauerstoffbehandlung. Inho- mogene Lungentrübungen (Ödeme) können bei ihnen flüchtig auftreten oder über längere Zeit bestehen.

Sind die röntgenologischen Lungen- veränderungen noch jenseits der fünften Lebenswoche nachweisbar, spricht man definitionsgemäß eben- Kinderkrankenhaus Seehospiz

„Kaiserin Friedrich" Norderney (Ärztlicher Direktor:

Professor Dr. med. Hermann Manzke)

falls von einer bronchopulmonalen Dysplasie.

Die Zahl der Kinder mit dieser leichten Form der bronchopulmona- len Dysplasie steigt mit der Zunah- me der Sofortintubation und Beat- mung kleiner Frühgeborener. Sie umfaßt etwa ein Drittel aller lang- zeitbeatmeten immaturen Kinder (unter 1500 g Geburtsgewicht).

Röntgenologische Stadieneinteilung

der bronchopulmonalen Dysplasie

Nach dem Zeitpunkt ihres Auf- tretens und dem Schweregrad der röntgenologisch nachweisbaren Lun- genveränderungen lassen sich vier Stadien unterscheiden:

Im Stadium eins findet sich das typische Bild eines Atemnotsyn- droms mit diffuser retikulo-granulä- rer Lungenzeichnung und positivem Aerobronchogramm, das heißt, die Bronchien lassen sich innerhalb des verdichteten Lungengewebes bis weit in die Peripherie verfolgen. Die Herz- und Zwerchfellgrenzen sind verwischt.

Das Stadium zwei stellt die Re- generationsphase des beatmeten Atemnotsyndroms dar, welche vom fünften bis zum zehnten Tag andau- ert. Diese Phase ist röntgenologisch durch eine subtotale Lungentrübung gekennzeichnet.

Kai

Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989 (45) A -1117

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Abbildung 1: Langzeitbeatmetes immatures Frühgeborenes in der zehnten Lebenswoche (Trachealtubus). Pseudozystische Strukturierung der Lungen. Ausgedehnte Dystelektasen im rechten Oberfeld. Stadium vier der bronchopulmonalen Dysplasie. Vollständige Rückbil- dung im zweiten Lebensjahr

Im Stadium drei, das den Zeit- raum zwischen dem elften und drei- ßigsten Tag umfaßt, kommt es rönt- genologisch zu groben netzig-wabi- gen Strukturveränderungen, die ei- nem Nebeneinander von fokalen ate- lektischen und emphysematösen Lungenbezirken entsprechen. Die multiplen Pseudozysten werden auch als Schwammuster der Lunge be- zeichnet. Sie können sich vollständig zurückbilden.

Erst das Stadium vier zeigt das typische Röntgenbild der broncho- pulmonalen Dysplasie. Die im Stadi- um drei entstandenen blasenartigen Aufhellungsfiguren stellen sich grö- ßer dar (Abbildung 1). Der Um- bauprozeß hat jetzt auch die großen Bronchien so weit deformiert, daß sie ihre stabilisierende Wirkung teil- weise verloren haben. Folgen sind die Ausbildung von Lobäremphysem und Segment- beziehungsweise Lo- bäratelektasen auf beiden Seiten (Abbildung 2), wobei die Unterlap- pen häufiger überbläht und die Oberlappen kollabiert sind (7). Die Atelektasenbildung kann wechseln.

Hinzu kommen rezidivierende Pneu- monien.

Das Stadium zwei wird nicht in allen Fällen durchschritten. Es tritt vor allem bei Kindern mit offenem Ductus Botalli oder mit zu hoher Flüssigkeitszufuhr auf. Die subtotale Eintrübung der Lungen ist dann als Zeichen eines Lungenödems zu wer- ten.

Bei den sofort intubierten und langzeitbeatmeten Frühgeborenen mit der leichten Form der broncho- pulmonalen Dysplasie finden sich als Röntgensymptome jenseits der fünf- ten Lebenswoche diffuse streifenför- mige Verdichtungen. Überblähte Lungenbezirke fehlen in der Regel.

Pathogenese

der bronchopulmonalen Dysplasie

Die Pathogenese des Krank- heitsbildes ist komplex und beruht auf der größeren Empfindlichkeit der unreifen Lunge auf die Neben- wirkungen der künstlichen Beat- mung. Als solche spielen insbe-

sondere das Barotrauma sowie die Sauerstofftoxizität, Sekretretention, mechanische Verletzung der Bron- chien beim intratrachealen Absau- gen, Lungenhämorrhagien und In- fektionen eine Rolle.

Im Mittelpunkt der Lungenun- reife steht der Surfactantmangel. Er führt zu einem Kollaps der Alveolen, wenn nicht die Lungen mit einem leichten Überdruck beatmet werden.

Außerdem ist der Surfactantfilm für den äußeren Schutz der Alveolarzel- len und der Bronchialepithelien (Gleitschicht des Mukus) wichtig.

Barotraumen wie interstitielles Em- physem, Pneumothorax, Pneumome- diastinum und Pneumoperikard kön- nen beim Frühgeborenen auch schon bei relativ niedrigen Beatmungs- drucken auftreten. Luftansammlun- gen im Interstitium behindern die Lymphdrainage, erzeugen dadurch ein pulmonales Odem und ver- schlechtern die Lungenkompliance.

Die Sauerstofftoxizität bewirkt vor allem eine diffuse Schädigung

der Alveolen. Im ersten Stadium kommt es zur exsudativen Ödembil- dung, Hämorrhexie der Kapillaren, entzündlichen Zellinfiltration und Alveolarzellnekrose. Im zweiten Sta- dium tritt eine fibroblastische Proli- feration (Abbildung 3) auf. Die ver- minderte antioxydative Abwehrkraft der fetalen Lunge begünstigt die Schädigung der Epithelien. Trotz häufiger bakteriologischer Untersu- chungen des Bronchialsekretes und gezielter antibiotischer Therapie las- sen sich Infektionen nicht immer vermeiden.

Pathologische Befunde Pathologisch-anatomisch finden sich als typische Symptome Bron- chuswanddeformationen mit un- gleichmäßiger Hyperplasie der Mus- kulatur, plattenepitheliale oder mu- zinöse beziehungsweise glanduläre Metaplasien der Bronchialschleim- haut mit und ohne Becherzellhyper- A-1118 (46) Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989

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Abbildung 2: Irreversibles Stadium vier der bronchopulmonalen Dysplasie. Dystelektase des rechten Ober- und Mittellappens. Segmentatelektasen im linken Oberlappen. Emphy- sematöse Überblähung beider Unterlappen

plasien, Sekretobstruktionen der kleinen Bronchien, Alveolarwand- rupturen (Emphysem), parenchyma- töse Blutungen sowie interstitielle Fibrose mit Rarefizierung der Kapil- laren. Weiterhin bestehen eine Skle- rose und Ektasie der mittelkalibrigen und peripheren Pulmonalarterien- äste (1:3) sowie eine Hypertrophie der rechten Herzkammer und des rechten Vorhofes (chronisches Cor pulmonale). Bei einigen Patienten entwickelt sich isoliert oder zugleich mit der Hypertrophie der rechten Herzkammer eine Hypertrophie der linken Kammer, deren Ursache un- klar ist (6).

Weniger bekannt ist auch das Auftreten von multiplen arteriellen und kapillären Embolien in der Lun- ge, die zu Lungeninfarkten und bei längerem Bestehen zum Bild der karnifizierenden Pneumonie führen (eigene Beobachtungen). Klinisch gehen diese Komplikationen mit plötzlichen Zyanoseanfällen oder Apnoezuständen einher.

Prognose

der bronchopulmonalen Dysplasie

Bei den sofort intubierten Kin- dern m:it der leichten Form der bron- chopulmonalen Dysplasie bilden sich die röntgenologisch sichtbaren Lun- genveränderungen bis zum Ende des ersten Lebensjahres vollständig zu- rück. Inwieweit bei diesen Kindern später häufiger ein hyperreagibles Bronchialsystem angetroffen wird, ist eine noch nicht geklärte Frage.

Bei den Kindern mit der schwe- ren Form der bronchopulmonalen Dysplasie treten später häufiger rezi- divierende obstruktive Bronchitiden oder ein Asthma-Syndrom auf (1).

Eigenartigerweise kommen auch in der Verwandtschaft der Kinder mit bronchopulmonaler Dysplasie häufi- ger Fälle von Asthma-Syndrom vor, so daß die Hypothese entwickelt wurde, daß bei der Entwicklung der bronchopulmonalen Dysplasie auch eine genetische Veranlagung eine Rolle mitspielt (8).

Die Letalität der Frühgebore- nen mit bronchopulmonaler Dyspla-

sie wird im ersten halben Lebensjahr mit bis zu 30 Prozent und nach dem sechsten Lebensmonat mit etwa fünf Prozent angegeben (10). Wir selbst beobachteten bei drei von zweiund- fünfzig Kindern (5,7 Prozent) mit bronchopulmonaler Dysplasie einen tödlichen Verlauf jenseits des sech- sten Lebensmonats.

Therapie

Eine spezifische Behandlung der bronchopulmonalen Dysplasie gibt es nicht. Um so wichtiger ist die Vor- beugung durch schonsame Beat- mung der ateminsuffizienten Früh- geborenen während der ersten Le- benstage und -wochen und eine bald- mögliche Entwöhnung vom Respira- tor. Fortlaufende transkutane p0 2

-Messungen sowie wiederholte Tho- raxaufnahmen sind zur Früherken- nung notwendig. Kurz zusammenge-

faßt seien die wichtigsten Behand- lungsprinzipien dargestellt.

Bei einseitigem interstitiellen Emphysem mit Verlagerung des Me- diastinums oder bei frisch entstande- nem Lobäremphysem erfolgt eine strenge zwei- bis dreitägige Seitenla- gerung des Kindes auf die emphyse- matöse Seite (12). Durch Kompres- sion der unten liegenden Lunge und wahrscheinlich durch Verschluß der tieferliegenden Bronchien mit nach- folgendem bronchoalveolären Kol- laps gelingt auf diese Weise in der Mehrzahl der Fälle eine Lösung des Spannungsemphysems.

Wegen der vermehrten Schleim- produktion (Becherzellhyperplasie) und -retention ist eine längerfristige antibiotische Therapie unumgäng- lich.

Nach Entlassung aus der Klinik muß eine konsequente Physiothera- pie weiter durchgeführt werden, et- wa in Form von heißen Wickeln und Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989 (49) A-1121

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Abbildung 3: An bronchopulmonaler Dysplasie im Alter von neun Monaten verstorbenes Frühgeborenes; dasselbe Kind wie in Abbildung 2.

Fortgeschrittene septale Lungenfibrose. Zahlreiche alveolare Makrophagen. Goldner, ca. 660fache Vergrößerung (Histologischer Befund: Prof. Dr. D. Harms, Pathologisches Institut der Universität Kiel)

Dehnungsübungen nach Keil (3) zur Förderung des Sekrettransports in den Bronchien. Hinzu kommen re- gelmäßige Inhalationen von physio- logischer Kochsalzlösung über eine Maske. Der Kochsalzlösung können in altersentsprechender Dosierung ein (32-Sympathikomimetikum (zum Beispiel ein Tropfen Sultanol® oder ein Tropfen Berotec®-Inhalationslö- sung und/oder ein Anticholinergi- kum, zum Beispiel zwei Tropfen Atrovent®) hinzugefügt werden.

Letzteres dient auch zur Verminde- rung der vermehrten Schleimbil- dung.

Im Gegensatz zu gesunden Kleinkindern, die eine schwach aus- gebildete Bronchialmuskulatur besit- zen und auf Bronchodilatoren nur eine geringe Wirkung zeigen, haben Kinder mit bronchopulmonaler Dys- plasie eine stellenweise stark ausge- prägte Peribronchialmuskulatur, und die Inhalation von Bronchodilatoren

erzeugt bei ihnen eine Verbesserung der Lungenfunktion um etwa 30 Pro- zent (5).

Bei schweren Verläufen ist eine passagere Gabe von Glukokortiko- iden (Prednisolon oral 1 bis 2 mg/kg KG) indiziert, durch deren permissi- ven Einfluß die 132-Sympathikomime- tika-Wirkung verstärkt und eine an- tiinflammatorische und antiprolife- rative Wirkung erreicht werden kann.

Ergänzend oder alternativ zur Inhalationsbehandlung mit Broncho- dilatoren bietet sich die Behandlung mit Theophyllin an (zum Beispiel Euphyllin®-Tropfenlösung). Die Ta- gesdosis ist niedriger als bei größe- ren Kindern und beträgt 6 bis 8 mg/

kg KG (optimaler Serumspiegel 12 mg/1).

Bei schlechten Blutgaswerten muß auf Atemhilfen (CPAP-At- mung) und eine kontinuierliche 0 2 -Zufuhr zurückgegriffen werden. Im

Gegensatz zu anderen Autoren (11) sind unsere eigenen Erfahrungen mit der häuslichen Pflege solcher Patien- ten schlecht. Deshalb können wir die Anwendung von intensivmedizini- schen Maßnahmen nur unter statio- närer Aufsicht befürworten. Eventu- ell empfiehlt sich eine Anschlußbe- handlung in physiotherapeutisch entsprechend eingerichteten Spe- zialkliniken.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hermann Manzke Ärztlicher Direktor des

Kinderkrankenhauses Seehospiz

„Kaiserin Friedrich"

Benekestraße 27 2982 Norderney A-1122 (50) Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989

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