• Keine Ergebnisse gefunden

Von Scherstress abhängige Thrombozyten-Aktivierung im Modell der Flusskammer

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Von Scherstress abhängige Thrombozyten-Aktivierung im Modell der Flusskammer"

Copied!
83
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aus der

Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation

der Medizinischen Hochschule Hannover

Von Scherstress abhängige

Thrombozyten-Aktivierung im Modell der Flusskammer

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von

Elise Marie Rosalie Désirée Stemmer aus Everswinkel Hannover 2018

(2)

Angenommen vom Senat am: 11.09.2019

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. Andreas Tiede, PhD 1. Referent: Prof. Dr. med. Andreas Schäfer

2. Referent: Prof. Dr. med. Karl-Walter Sykora Tag der mündlichen Prüfung: 11.09.2019

Prüfungsausschuss

Vorsitz: Prof. Dr. med. Constantin von Kaisenberg 1. Prüfer Prof.’in Dr. med. Anette Melk

2. Prüfer Prof. Dr. med. Hossein Tezval

(3)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Abkürzungsverzeichnis... 1

2 Einleitung ... 3

2.1 Primäre Hämostase ... 3

2.2 Der Thrombozyt ... 4

2.3 Aktivierung, Adhäsion und Aggregation... 5

2.4 CD62P (P-Selektin) ... 7

2.5 Annexin V ... 8

2.6 Kollagen ... 9

2.7 Scherstress ... 10

2.8 Der von-Willebrand-Faktor ... 12

2.9 Das von-Willebrand-Syndrom ... 13

2.10 Diagnostik der primären Hämostase ... 15

2.11 Das Modell der Flusskammer ... 17

2.12 Zielsetzung dieser Arbeit ... 19

3 Material und Methoden ... 21

3.1 Material ... 21

3.1.1 Reagenzien und Medien ... 21

3.1.2 Medien und Puffer ... 22

3.1.3 Antikörper ... 22

3.1.4 Kollagen ... 23

3.1.5 Verbrauchsmaterialien ... 23

3.1.6 Geräte ... 24

3.1.7 Blutproben ... 25

3.1.8 Software ... 25

3.2 Methoden ... 26

3.2.1 Blutentnahme ... 26

3.2.2 Plättchen-reiches-Plasma (PRP)... 26

3.2.3 Plättchen-freies-Plasma (PFP) ... 26

3.2.4 Thrombozytenzahl ... 26

3.2.5 Fluoreszenzmarkierung ... 27

3.2.6 Von-Willebrand-Faktor ... 27

3.2.7 BioFlux® 200 Flusskammer ... 27

3.2.8 Scherstress ... 29

3.2.9 Beschichtung der Flusskammer mit Kollagen ... 29

3.2.10 Start des Experiments ... 30

3.2.11 Bildaufnahme ... 30

3.2.12 Entnahme der Thrombozyten ... 30

3.2.13 Konjugation der Thrombozyten mit den Antikörpern ... 30

3.2.14 Durchflusszytometrie ... 31

3.2.15 Durchflusszytometrische Analyse ... 31

3.2.16 Bilder von Thrombozyten-Aggregaten ... 32

3.2.17 Statistiken ... 33

3.2.18 Protokolle ... 33

4 Ergebnisse ... 34

4.1 Thrombozyten-Verbrauch in der Flusskammer ... 34

4.1.1 Verbrauch bei 2 dyn/cm² ... 34

4.1.2 Verbrauch bei 10 dyn/cm² ... 35

4.2 Entstehung von Thrombozyten-Aggregaten ... 37

4.2.1 Morphologie bei 2 dyn/cm² ... 37

4.2.2 Thrombozyten-Aggregate bei 2 dyn/cm² ... 38

4.2.3 Morphologie bei 10 dyn/cm² ... 39

4.2.4 Thrombozyten-Aggregate bei 10 dyn/cm² ... 40

4.3 Aktivierungsmarker CD62P (P-Selektin) ... 42

4.3.1 CD62P bei 2 dyn/cm² ... 42

(4)

4.3.2 CD62P bei 10 dyn/cm² ... 44

4.4 Aktivierungsmarker Annexin V ... 45

4.4.1 Annexin V bei 2 dyn/cm² ... 45

4.4.2 Annexin V 10 dyn/cm² ... 47

4.5 Weiterführende Auswertungen ... 48

4.6 Anwendung beim von-Willebrand-Syndrom Typ 3 ... 50

5 Diskussion ... 52

5.1 Flusskammer als Globaltest ... 52

5.2 Einflussfaktoren auf die Ergebnisse ... 53

5.2.1 Kollagen ... 53

5.2.2 Scherstress ... 54

5.2.3 Thrombozytenzahl ... 54

5.2.4 Dauer ... 55

5.2.5 Probenart ... 55

5.2.6 Antikoagulation ... 55

5.3 Read-out-Parameter ... 56

5.3.1 Aktivierungsparameter CD62P und Annexin V ... 56

5.3.2 Thrombozyten-Aggregate ... 57

5.3.3 Thrombozyten-Verbrauch ... 58

5.4 Vor- und Nachteile der BioFlux® ... 58

5.5 Relevanz für das von-Willebrand-Syndrom ... 59

6 Zusammenfassung ... 61

7 Veröffentlichungen ... 62

8 Literaturverzeichnis ... 63

9 Abbildungsverzeichnis ... 76

10 Tabellenverzeichnis ... 77

11 Lebenslauf ... 78

12 Danksagung ... 79

13 Erklärung selbständige Erarbeitung ... 80

(5)

Abkürzungsverzeichnis

1

1 Abkürzungsverzeichnis

µl Mikroliter

µm Mikrometer

µM Mikromolar

ADAM A desintegrin and metalloproteinase

ADAMTS13 A disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif, member 13

ADP Adenosindiphosphat

Ag Antigen

APC Allophycocyanin

aPTT Aktivierte partielle Thromboplastinzeit ATP Adenosintriphosphat

BSA Bovines Serum Albumin CD Cluster of differentiation

cm Zentimeter

cP Centipoise

CY5 Cyanine 5

dyn Altgriechisch dynamis (Kraft) EZM Extrazelluläre Matrix

F Gerinnungsfaktor

FACS Fluorescence-activated cell sorting FITC Fluoresceinisothiocyanat

fl Femtoliter

FSC Forward scatter

g Schleuderziffer, x-fach der Erdbeschleunigung

GP Glykoprotein

ISTH International Society of Thrombosis and Haemostasis KB Kollagenbindungsaktivität

kDa Kilodalton

MA Multimeranalyse

Min. Minuten

PBS Phosphate Buffered Saline

PE Phycoerythrin

PFA Platelet function analyzer PFP Plättchen-freies-Plasma

(6)

2 PRP Plättchen-reiches-Plasma

PS Phosphatidylserine

PSGL-1 P-Selektin-Glykoprotein-Ligand 1 psi Pound-force per square inch

Sek. Sekunde

SSC Side scatter; Scientific and Standardization Committee TTP Thrombotisch-Thrombozytopenische-Purpura

VWF Von-Willebrand-Faktor VWS Von-Willebrand-Syndrom

(7)

Einleitung

3

2 Einleitung

2.1 Primäre Hämostase

Ein kleines Kreiskrankenhaus; die Leitstelle gibt durch: „In 5 Minuten bringen wir einen Patienten mit Verdacht auf obere gastrointestinale Blutung, Kreislaufparameter stabil.“. Herr B. wird auf einer Trage in den Behandlungsraum gebracht. Sein T-Shirt ist blutverschmiert, immer wieder erbricht er schwallartig rötliches bis schwärzlich gefärbtes Blut. Die Enkelin berichtet aufgeregt, dass ein von-Willebrand-Syndrom Typ 3 bekannt ist. Blutungen hätten bereits mehrfach bestanden. Aber vor 7 Tagen sei er doch erst in der Gerinnungsambulanz gewesen und dort sei der von-Willebrand-Faktor auf einem guten Niveau gewesen. Herr B.

erhält zügig ein von-Willebrand-Faktor/Faktor-VIII-Konzentrat intravenös und wird folgend in die Endoskopie zur weiteren Diagnostik und Therapie gebracht. Die Enkelin studiert Medizin im 8. Semester. Sie befragt die diensthabende Internistin: „Warum blutet mein Großvater wieder? Hätte man eine Blutung nicht besser voraussagen können?“.

Das von-Willebrand-Syndrom (VWS) ist die häufigste Blutungskrankheit in Deutschland.

Beim VWS Typ 3 liegt ein komplettes Fehlen des von-Willebrand-Faktor (VWF) und somit auch ein niedriger Blutgerinnungsfaktor-VIII vor. Um die PatientInnen zu betreuen werden aktuell statische Labormethoden wie etwa die Analyse des VWF-Antigen, die VWF-Aktivität und die Faktor-VIII Aktivität genutzt (1).

Dabei wird außer Acht gelassen, dass die primäre Hämostase im fließenden Blut stattfindet.

Die Strömung beeinflusst die morphologische Konformation des VWF und hat je nach Höhe des Scherstresses deutlichen Einfluss auf die primäre Hämostase (2, 3). Ein weiteres Problem ist, dass die bekannten statischen Labormethoden von den Akute-Phase- Reaktionen abhängig sind. Stress, Infektion, entzündliche Erkrankungen, aber auch Schwangerschaft können die bekannten Laborwerte beeinflussen. Eine Blutungsneigung ist in einigen Fällen schwer vorauszusagen (4).

Eine Methode, die den physiologischen Flussbedingungen des menschlichen Körpers nahe kommt, ist daher von Relevanz und könnte die Diagnose und die Betreuung der VWS PatientInnen erleichtern und verbessern (5). Dies könnte auch bei HerzinfarktpatientInnen relevant werden, denn auch hier liegt eine Störung der primären Hämostase vor (6). Die Etablierung einer standardisierten Flusskammer zur Untersuchung der primären Hämostase erscheint sinnvoll. Thrombozyten stellen den zellulären Hauptbestandteil der primären Hämostase dar.

(8)

4

2.2 Der Thrombozyt

Der Thrombozyt – oder auch Gerinnungsplättchen genannt – ist Teil des fließenden Blutes.

Er stellt einen wichtigen Teil der primären Hämostase des Menschen dar (7, 8). Gebildet werden die kleinen anukleären Zellen in den Megakaryozyten des Knochenmarks und gelangen so in die Blutbahn. Sie stellen die kleinsten Zellen des fließenden Blutes dar und sind zwischen ca. 2 und 5 µm groß. Ihr Volumen beträgt circa 10-13 fl. Die Überlebensdauer liegt bei circa 7-10 Tagen im peripheren Blut. Jeder Mensch besitzt etwa 150-350 x 109 /l Thrombozyten. Abgebaut werden die diskoiden Zellen im retikulohistiozytären System der Leber und Milz (9).

Kommt es zu Verletzungen der Gefäßwand, so führt dies zum Aufeinandertreffen der Thrombozyten mit der extrazellulären Matrix (EZM). Dieser kurze Kontakt leitet eine biochemische Signalkaskade innerhalb und im Verlauf auch zwischen den Thrombozyten ein (7, 10). Es kommt zur Aktin-Polymerisation, Protein-Phosphorylierung, Hydrolyse von zytoplasmatischen Proteinen und Interaktion der zytoskelettalen Proteine mit der Membranoberfläche und schließlich zum Ausschütten von sekretorischer Granula (11, 12).

Der Kontakt mit der EZM führt also zur Aktivierung, Adhäsion, Aggregation und Sekretion der Thrombozyten (vgl. Abb. 1).

Schließlich führen diese in kürzester Zeit ablaufenden, biochemischen Veränderungen zu einer eindrucksvollen morphologischen Umwandlung des Thrombozyten. Die initiale diskoide Form der Zelle verwandelt sich in eine mit langen Pseudopodien (lipidreiche Zellmembranausläufer) ausgestattete, sphärische Zelle (13, 14). Der Thrombozyt ähnelt dann eher einem flach liegenden Oktopus (15).

Die Sekretion der Granula stellt den Startpunkt der Kommunikation zwischen den Zellen dar.

Die Entleerung der Inhaltsstoffe, wie Adenosindiphosphat (ADP) und Adenosintriphosphat (ATP), führt zu einer kaskadenartigen Anlockung und Veränderung von vielen weiteren Thrombozyten (16). Zudem werden aus den α-Granula auch Gerinnungsfaktoren wie Faktor- V, -IX und -XIII frei, welche die sekundäre Hämostase verstärken (17).

Ein Gerinnsel entsteht und die Leckage im Gefäß wird verschlossen. Der Verlust von sauerstoffbeladenen Erythrozyten wird gestoppt.

Dies ist ein lebensnotwendiger Prozess. Menschen bei denen die Thrombozyten-Aktivierung, -adhäsion oder -sekretion fehlerhaft ist, leiden unter schweren Symptomen, wie starker Epistaxis, Menorrhagien oder lebensbedrohlichen postoperativen Hämorrhagien.

PatientInnen, die an dem von-Willebrand-Syndrom leiden, sind klinische Beispiele für die Wichtigkeit der Funktionalität von Thrombozyten und deren Proteinen (18).

(9)

Einleitung

5 Aber nicht nur für die Thrombogenese sind Thrombozyten relevant. Aktuelle Forschungen ergaben einen erheblichen Einfluss von Thrombozyten in diversen Bereichen. Durch Kommunikation mit verschiedenen Zelltypen, wie neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten und mit metastatischen Zellen, ist ihr Wirkungsspektrum groß (19). Thrombozyten nehmen aktiv an der Immunantwort des Körpers (immunothrombosis) teil, scheinen aber auch in Kommunikation mit metastatischen Zellen das Eindringen von Krebszellen in krebsferne Organe zu erleichtern (20). Zudem haben sie eine Funktion in der bakteriellen und viralen Abwehr. Die Granula der Thrombozyten enthalten bspw. antimikrobielle Substanzen (21, 22). Hauptaufgabe der Thrombozyten ist jedoch die Aktivierung, Adhäsion und Aggregation.

Abbildung 1: Primäre Hämostase

Eigene Abb., orientiert an den Arbeiten von Jurk et al.(7) und Gibbins et al. (8).

2.3 Aktivierung, Adhäsion und Aggregation

Die Aktivierung von Thrombozyten ist unter anderem vom Scherstress abhängig. So kann bereits hoher Scherstress, ohne den üblichen Kontakt zur EZM oder zu Agonisten, über den VWF zur Aktivierung von Thrombozyten führen (23). Bei venösen Flussbedingungen stellt die Interaktion des Thrombozyten mit der EZM allerdings den Startpunkt der primären Hämostase dar.

(10)

6 Die Dynamik der Thrombozyten auf der EZM kann als schwankende rotierende Bewegung beschrieben werden. Ursächlich für diese spezifische Bewegung ist die diskoide Form der Thrombozyten (24). Die erste Phase der Aggregation ist reversibel und vor allem durch die Ausbildung von Membranverbindungen charakterisiert (25). In der zweiten Phase kommt es zu stabilen Thrombozyten-Thrombozyten-Verbindungen mit Veränderung der morphologischen Gestalt. Die Pseudopodien können bis zu 10-mal so lang wie die Zelle selbst werden. Diese scheinen eine entscheidende Rolle für die Thrombozyten-Kohäsion zu spielen. Die unregelmäßige Bewegung der Thrombozyten auf der EZM reduziert den mechanischen Widerstand auf gebildete Membranverbindungen und ist die Voraussetzung für eine stabile Aggregation (26).

Die Membranverbindungen werden hauptsächlich durch Glykoproteine (GP) vermittelt. GPIb- IX-V-Komplex ist einer der wichtigsten Rezeptoren, der für die Aggregation und Adhäsion der Thrombozyten sorgt. Der Komplex ist in vielfachen Kopien auf der Oberfläche der Thrombozyten vorhanden. GPIb-IX-V-Komplex vermittelt unter venösen, aber auch unter arteriellen Flussbedingungen, die Thrombozyten-Adhäsion an das verletzte Endothel bzw.

die EZM (9). Dies funktioniert hauptsächlich über den VWF, der vom Hauptteil des Komplexes, dem GPIbα, stark gebunden wird. GPIbα bindet jedoch nicht nur VWF, sondern auch Thrombospondin, Kiniogen, Faktor-XI, Faktor-XII und Thrombin. Der Komplex vermittelt also nicht nur die Thrombozyten-Adhäsion, sondern verlinkt auch den Weg in die sekundäre Hämostase, welche die Stabilisierung der bereits begonnen Gerinnselbildung darstellt (27).

Durch das Binden an CD62P sorgt der Komplex zudem für Thrombozyten-Thrombozyten- Interaktionen und die Rekrutierung von Leukozyten (28).

GPVI ist der Hauptrezeptor für die Interaktion mit Kollagen. Allerdings stellt die Aktivierung von GPIb-IX-V-Rezeptor-Komplex die Voraussetzung zur Aktivierung von GPVI dar. Der Rezeptor scheint zunächst eine niedrige Bindungsaffinität aufzuweisen. Bindet der Rezeptor allerdings Kollagen, kommt es, durch intrazelluläre Signalwege mithilfe von Kalzium, zur Aktivierung von Integrinen, wie α2β1 und αIIbβ3 (=GPIIb-IIIa). Aber auch die Bindungsaffinität von GPVI wird verstärkt (29, 30). Im Folgenden kommt es wiederum zu einer vermehrten Agonisten-Ausschüttung. ADP und Thromboxan verstärken die Bindung von GPVI an Kollagen. Die Thrombozyten-Aggregation stabilisiert sich somit GPVI-abhängig (31). Interessanterweise leiden Menschen ohne GPVI-Rezeptor nur an milden Blutungssymptomen (32). Es ist anzunehmen, dass die Kollagenbindung nicht die einzige Aufgabe des GPVI darstellt.

Integrin αIIbβ3 ist mit bis zu 100.000 Kopien pro Thrombozyt ein quantitativ stark verbreitetes Transmembranprotein (33). Jedoch befindet es sich nicht nur auf der Oberfläche der Thrombozyten, sondern auch in den α-Granula. Auf ruhenden Thrombozyten haben die

(11)

Einleitung

7 meisten Integrine eine schwache Bindungsaffinität. Stimuli aktivieren den Thrombozyten und durch interne Signalwege (inside out signaling) wird die Bindungsaffinität verstärkt. Sie vermitteln nun stabile Thrombozyten-Thrombozyten-Verbindungen über Kontakt zu VWF und Fibrinogen. Das Integrin αIIbβ3 verstärkt die Aggregation der Thrombozyten und begünstigt die Gerinnselbildung (27, 34).

Die GP-Aktivierungsmechanismen unterliegen immer einem Gleichgewicht. So kommt es durch die Aktivierung der GP auch zu deren vermehrtem proteolytischen Abbau auf der Oberfläche der Thrombozyten, das sogenannte shedding. Dies passiert durch Metalloproteasen aus der Familie der a disintegrin and metalloproteinase (ADAM), welche auch für den Abbau des VWF zuständig sind (35) (vgl. Kapitel 2.8).

Ein weiteres Protein für die thrombozytären Zellkontakte stellt das Transmembranprotein CD62P dar.

2.4 CD62P (P-Selektin)

CD62P oder P-Selektin wird in der α-Granula des ruhenden Thrombozyten und in den Weibel-Palade-Körperchen der Endothelzellen gespeichert. Es gehört in die Familie der Transmembranproteine bzw. der Lektine, die kalziumabhängig Adhäsionen und Signaltransduktionen zwischen verschiedenen Zelltypen vermitteln. CD62P wird auf Thrombozyten und Endothelzellen exprimiert (36-39).

Im ruhenden Zustand befindet sich kein CD62P auf der Oberfläche der Thrombozyten.

Wechselt aber der Thrombozyt, z.B. durch den Kontakt zu Kollagen, in den aktivierten Funktionszustand, fusioniert die α-Granula mit der Zelloberfläche. CD62P wird in die Oberfläche der aktivierten Thrombozyten integriert und ist nun in vielfachen Kopien auf dem Thrombozyten vorhanden (40). Aber auch andere Stimuli wie etwa Thrombin, Histamin, Komplement und Fibrinogen sorgen für die Neuverteilung von CD62P auf die Oberfläche von Thrombozyten (41).

Die Stimuli für eine solche Translokation des Proteins auf die Oberfläche des Thrombozyten sind sehr variabel, unter anderem können Entzündungen hierzu führen (42).

Der Hauptligand für CD62P ist P-Selektin-Glykoprotein-Ligand 1 (PSGL-1). PSGL-1 vermittelt den Kontakt zu verschiedenen hämatopoetischen Zellen wie etwa Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten. Dies geschieht in Bereichen von Gewebsschäden, Thrombosen oder Entzündungen (43). Die Interaktion zwischen PSGL-1 und CD62P vermittelt also die Adhäsion von Thrombozyten auf dem Endothel von Gefäßen, Bindung von Leukozyten an Thrombozyten-Aggregate, aber auch die Thrombozyten-Thrombozyten-

(12)

8 Interaktion. Es ist mittlerweile bekannt, dass auch der GPIb-IX-V-Rezeptor-Komplex über den GPIbα Teil CD62P bindet und so zur Stabilität des entstehenden Gerinnsels beitragen kann (28).

CD62P wird in der experimentellen Forschung als thrombozytärer Aktivierungsmarker genutzt. Er zeigt den aktivierten und stimulierten Zustand von Gerinnungsplättchen an (44- 46). Dies wird auch in Patientenstudien deutlich. PatientInnen mit beispielsweise Herzinsuffizienz (47) oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (48) weisen erhöhte CD62P-Expressionen auf der Oberfläche ihrer Thrombozyten auf. Darüber hinaus kann lösliches CD62P ein Marker für Sepsis und tiefe Venenthrombose sein (49).

Die vertieften Erkenntnisse über die Funktion von CD62P führten zur intensivierten Forschung nach CD62P-Inhibitoren bei Krankheiten, wie bspw. Sichelzellanämie und kardiovaskulären Störungen (50). Es besteht die Hoffnung, dass Crizanlizumab, ein CD62P- Inhibitor, eine effektive klinische Strategie gegen diverse kardiovaskuläre Erkrankungen darstellen könnte (51).

CD62P-Liganden befinden sich aber auch auf metastatischen Zellen. Über CD62P interagieren die Thrombozyten mit zirkulierenden Tumorzellen und bilden Aggregate. Die Interaktionen zwischen Tumorzellen und Thrombozyten zu blockieren (bspw. durch den CD62P-Antikörper), könnte eine effektive Krebstherapie darstellen (52).

CD62P wird als Marker von aktivierten Thrombozyten genutzt, ein weiterer solcher Marker ist Annexin V.

2.5 Annexin V

Annexin V bzw. Annexin A5 gehört zu einer Superfamilie von membranbindenden Proteinen, die in Organismen von Säugetieren, Insekten, Nematoden und Pflanzen vorkommen. Die Bezeichnung „A“ steht hier für humane Proteine (53-55).

Annexine übernehmen verschiedenste zelluläre Aufgaben. Sie sind unter anderem beteiligt an Endo- und Exozytose, Membran-Zytoskelett-Interaktionen, Kalzium-Kanal-Aktivitäten und Signaltransduktionen. Insbesondere haben die Annexin-Proteine die Eigenschaft kalziumabhängig Phospholipide und Phosphatidylserine (PS) zu binden (56, 57).

PS sind Teil der physiologischen doppelschichtigen Zellmembran von Thrombozyten. In ruhendem Zustand sorgt das Enzym Flippase energieabhängig dafür, dass sich PS hauptsächlich im inneren Membranblatt befinden. Wenn der Thrombozyt in den aktiven Funktionszustand wechselt, werden die PS durch das Enzym scramblase vom inneren

(13)

Einleitung

9 Membranblatt in das äußere transportiert und sind jetzt auf der Membranoberfläche vertreten. Auf aktivierten Thrombozyten bilden die PS ein Gerüst für die Gerinnungsfaktoren und den Ablauf der plasmatischen Gerinnung (58). Die PS besitzen also ein stark prokoagulatorisches Potential (59). Die Darstellung von PS auf Zellmembranoberflächen stellen aber auch eat-me-Signale für Phagozyten dar und leiten die Apoptose des Thrombozyten ein (60). Dabei wird aber angenommen, dass die Aktivierungs-scramblase und die Apoptose-scramblase auf zwei unterschiedliche Arten aktiviert werden (61, 62).

Menschen, deren Thrombozyten nicht in der Lage sind, PS auf der Oberfläche von Thrombozyten zu präsentieren, leiden unter Blutungen. Klinisch ist dieses Phänomen als Scott-Syndrom bekannt (63).

Annexin V im Speziellen ist ein 35 kDa großes Protein, das starkes antikoagulatorisches Potential aufweist. In vivo lagert sich Annexin V an die PS des Thrombozyten an und verhindert, durch die Bildung einer Art „Schild“, den Kontakt zu Gerinnungsfaktoren.

In der Transfusionsmedizin wird Annexin V genutzt um aktivierte und damit für den Zweck der Transfusion unbrauchbare Thrombozyten zu detektieren. Hier stellt die PS-Bestimmung mittels Annexin V ein Qualitätsmerkmal der Thrombozyten-Konzentrate dar (64).

In vitro kann Annexin V mittels Durchflusszytometrie sehr gut als später Aktivierungsmarker bzw. früher Apoptosemarker genutzt werden (65, 66). In den Aktivierungszustand gelangen die Thrombozyten durch verschiedene Substanzen der EZM, z.B. Kollagen.

2.6 Kollagen

Ein großer struktureller Bestandteil der EZM und des Bindegewebes ist Kollagen. Kollagen garantiert die Zugfestigkeit und strukturelle Integrität der EZM. Es reguliert die Zelladhäsion und -migration, ist beteiligt an Chemotaxis und eines der stärksten bekannten Aktivatoren von Thrombozyten (67). Durch Interaktion mit den Megakaryozyten beeinflusst das Kollagen sogar die Produktion von Pro-Thrombozyten (68).

Aktuell sind mehr als 28 verschiedene Kollagentypen bekannt. Kollagene werden von Fibroblasten produziert und organisiert. Die Struktur der Kollagene besteht aus drei α-Ketten in einer Tripel-Helix-Anordnung. Die Kollagene sind in Fibrillen organisiert. Mehrere solcher Fibrillen ergeben Kollagenfasern, welche die Grundstruktur für die EZM darstellen. Meist liegt in Gefäßwänden ein Mix verschiedener Kollagentypen vor.

(14)

10 Kollagen Typ I ist der am häufigsten vertretene Typ unter den 28 Kollagenarten. 60 % des vaskulären Kollagens besteht aus Kollagen Typ I. Aber Kollagen Typ I kommt auch in der Haut, Leber, Lunge und Darm vor (67).

Es sind bisher drei wichtige Kollagen-Rezeptoren auf Thrombozyten bekannt. Dazu zählen GPVI (vgl. Kapitel 2.3), der VWF (vgl. Kapitel 2.8) und Integrin α2β1 (früher auch GPIa/IIa genannt).

Initial bindet der VWF über seine A3-Domäne an das Kollagen. Eine gestörte VWF-Kollagen Interaktion hat Auswirkungen auf die primäre Hämostase. Das VWS Typ 2M ist ein klinisches Beispiel für den Effekt der ineffizienten VWF-Kollagen-Interaktion (69). Denn bei hohem Scherstress kommt es zu einer Konformitätsänderung des hochmolekularen VWF Proteins und die A1-Domäne des VWF wird frei. Hier kann nun der GPIb-IX-V-Komplex binden (vgl.

Kapitel 2.3) (70, 71).

Die VWF-Kollagen-Interaktion ist also abhängig von dem Scherstress des fließenden Blutes.

2.7 Scherstress

Das Blut wird durch den Druck des Herzens durch den Körper gepumpt. Die Elastizität der Gefäße begünstigt den Fluss des Blutes im Körper. Es wird angenommen, dass es in der Mitte der fließenden „Blutsäule“ zu einer Akkumulation der Erythrozyten kommt und durch laterale Migration die Leukozyten und Thrombozyten gen Gefäßwand „gedrückt“ werden.

Somit befinden die Thrombozyten sich bereits in unmittelbarer Nähe zu möglichen Gefäßleckagen (72).

In zylindrischen Gefäßen kann die fließende Blutsäule als Fluss mehrerer laminarer Schichten beschrieben werden. Dieses theoretische Modell setzt einen Fluss nach dem Gesetz von Hagen-Poiseuille voraus. Das Gesetz von Hagen-Poiseuille beschreibt den Volumenstrom einer laminar fließenden Newton‘schen Flüssigkeit. Es wird ein laminarer nicht turbulenter Fluss mit einer reynoldschen Zahl von < 2300 angenommen, welche in fast allen Gefäßen des menschlichen Körpers vorkommt (73).

Im Modell ist die Geschwindigkeit des Flusses in der Mitte des Gefäßes am höchsten und nimmt zum Rand hin ab. Der unterschiedlich schnelle Fluss der Flüssigkeitsschichten erzeugt Reibungskräfte zwischen den Schichten.

Diese Reibungskräfte werden als Scherrate oder Schergeschwindigkeit beschrieben. Die Scherrate beschreibt also die mechanische Belastung, die in einer Flüssigkeit, bzw.

(15)

Einleitung

11 zwischen den erdachten laminaren Schichten der Flüssigkeit, herrscht. Die Scherrate ist am Rand des Gefäßes am höchsten und nimmt zur Mitte des Gefäßes hin ab (23, 74).

Der Scherstress, auch Schubspannung genannt, ist die entstehende tangentiale Kraft zwischen den laminaren Schichten der Flüssigkeit und wird in dyn/cm² (CGS Einheit) angegeben. In der SI Einheit bedeutet dies Newton/m² = 1 Pascal. 1 Pascal entspricht 10 dyn/cm² (75, 76).

Die Scherrate ist direkt proportional zum Scherstress und indirekt proportional zur Viskosität der Flüssigkeit:

Scherrate = Scherstress Viskosität

Im Körper herrscht unterschiedlicher Scherstress. In Venolen und der Aorta sind mechanische Belastungen bis zu circa 8 dyn/cm² zu finden. In Arteriolen herrscht Scherstress von ungefähr 60 dyn/cm². In stenosierten Arterien, also unter pathologischen Bedingungen, kann der Scherstress sogar bis zu ca. 500 dyn/cm² erreichen. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht von Scherraten und Scherstress im menschlichen Körper.

Scherrate (/Sek.) Scherstress (dyn/cm²)

Physiologisch 20-1800. 0,8-72

Venös <200 8

Aorta ascendens 50-300 2-12

Femoral Arterie 325 13

Arterien >500 >20

Arteriolen 1000-1800 40-72

Pathologisch bspw.

Stenosen

>5000 >200

Tabelle 1: Scherstress und Scherrate

Der Scherstress wurde mit oben beschriebener Formel errechnet, bei einer Annahme von 0,04 Poise Viskosität. Die Scherraten wurden bekannter Literatur entnommen (77-79).

Der im Blutgefäß herrschende Scherstress nimmt Einfluss auf den VWF.

(16)

12

2.8 Der von-Willebrand-Faktor

Der VWF ist essentiell für die primäre Hämostase. Das multimere Adhäsivprotein befindet sich in den α-Granula der Thrombozyten, in den Weibel-Palade-Körperchen der Endothelzellen, der EZM der Gefäße, aber auch frei gelöst im Plasma.

Der VWF besteht aus identischen Untereinheiten, die als Multimere arrangiert sind. Die molekulare Masse dieser Polymere kann im zirkulierenden Blut >10.000 kDa einnehmen.

Der VWF ist ein beeindruckendes Mosaik-Protein, bestehend aus verschiedenen Domänen.

Diese Domänen bedingen die einzigartigen vielseitigen Funktionen des VWF. Die A1- und A3-Domäne binden an Kollagen. Die A1-Domäne bindet zudem den GPIb-IX-V-Komplex. Die D‘- und D3-Domäne binden den Gerinnungsfaktor-VIII. Der VWF fungiert als „molekularer Bus“ und transportiert den Faktor-VIII, aber auch verschiedene andere Proteine (80, 81).

Die Multimere des VWF können ultralange Moleküle bilden, die bis zu 1000 µm lang werden können. Die Metalloprotease ADAMTS13 (a disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif, member 13) spaltet den VWF an der A2-Domäne in ca. 15 µm lange Moleküle. Forschung zeigte, dass diese Spaltung abhängig vom Scherstress ist und ein bestimmter Schwellenwert überschritten werden muss, damit die A2-Domäne für ADAMTS13 zugänglich wird (82).

Fehlt das Enzym oder ist es in seiner Funktion deutlich reduziert, kommt es, ausgelöst durch eine hohe Quantität an ultralangen VWF-Molekülen, zu thrombotischer Mikroangiopathie und hämolytischer Anämie, die zu schweren Organausfällen führen können. Das klinische Bild ist bekannt als Thrombotisch-Thrombozytopenische-Purpura (TTP). Aktuell befindet sich ein Anti-VWF-Immunglobulin in der Phase-Zwei-Studie zur Therapie der TTP (83).

Die nach dem Stand der Forschung wichtigste Funktion des VWF ist die Bindung von Thrombozyten unter hohem Scherstress (vgl. Kapitel 2.3). Dabei ist es erstaunlich, wie exakt das Protein Veränderungen des Scherstress wahrnimmt. Dehnströmung, entstehend an Stenosen oder Vasokonstriktionen, führen zu einer Konformitätsänderung des Proteins.

Unter niedrigem Scherstress liegt das Protein als globuläre, kollabierte Struktur vor. An Stenosen oder Wunden verändert es sich schlagartig und liegt nun gestreckt vor. Durch diesen Entfaltungsprozess werden mehr A1-Domänen frei und Kollagen kann an den VWF binden. Der Hauptligand des VWF ist der GPIb-IX-V-Komplex. Durch diese Verbindung werden weitere Thrombozyten-Ligand-Verbindungen möglich, die Interaktion mit dem GPIb- Komplex stellt die Voraussetzung für weitere Bindungen dar (vgl. Kapitel 2.3) (84, 85). Unter hohem Scherstress (>200 dyn/cm²) scheint der VWF von essentieller Funktion für die Bildung von Thrombozyten-Aggregaten zu sein. Der VWF könnte also auch ein

(17)

Einleitung

13 therapeutisches Ziel bei Krankheiten, die mit Thrombozyten-Aggregation einhergehen, sein, wie bspw. beim Myokardinfarkt oder zerebralen Ischämien. Eine Alternative zur heutigen plättchenhemmenden Therapie ist denkbar (86).

Neueste Forschungen lassen erkennen, dass der VWF aber noch weitere – größtenteils unerforschte – Funktionen hat. So scheint er die Angiogenese herunter zu regulieren, er spielt eine proinflammatorische Rolle in Arteriosklerose und Schlaganfall, er scheint aber auch apoptose-induzierend auf Thrombozyten und Krebszellen zu wirken (87). Ist die Quantität, Qualität oder Funktion des VWF beeinträchtigt kommt es klinisch zum VWS.

2.9 Das von-Willebrand-Syndrom

Das VWS ist die häufigste hereditäre hämorrhagische Diathese. Die Prävalenz des VWS beträgt circa 1 % in der normalen Population, wobei nicht alle PatientInnen unter klinisch relevanten Symptomen leiden. Eingeteilt wird das VWS in quantitative Defekte (VWS Typ 1 und 3) und qualitative Defekte (VWS Typ 2A, 2B, 2N und 2M) (siehe Tabelle 2).

Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen, wobei Blutungen auf Grund von Menorrhagie und Geburten bei Frauen oft ausgeprägter und klinisch relevanter sind. Es werden auch erworbene VWS beschrieben. Sie werden mit einem Anteil von 1-5 % aller VWS geschätzt. Hier werden Antikörper gebildet, die sich gegen den VWF richten. Typisch für diese Patientengruppe ist die fehlende Familienanamnese und das höhere Alter bei Diagnose (88).

Das häufigste Symptom des VWS sind Schleimhautblutungen, wie etwa Epistaxis oder Nachbluten aus einer Wunde, nach Zahnextraktion oder Tonsillektomie, wobei je nach Schwere des VWS auch gravierende Gelenkblutungen oder gastrointestinale Blutungen möglich sind. Schwere Anämien und hämorrhagischer Schock können Folgen sein. VWS 1 und 2N gehen meist mit milden Symptomen einher. Der Schweregrad nimmt von VWS Typ 2M über 2B und 2A bis 3 zu (1).

Mit ca. 85 % macht der VWS Typ 1 den Großteil des Patientenkollektivs aus. Diese PatientInnen werden oft erst in späteren Lebensjahren klinisch manifest. Typischerweise kommt es zu längeren Nachblutungen nach Zahnextraktion, nach Operationen oder Entbindungen. Bei den VWS-Typ 1-PatientInnen kann eine Gabe von Desmopressin vor größeren Eingriffen bereits ausreichend sein. Desmopressin triggert die Sekretion des VWF aus Endothelzellen und Thrombozyten (89).

(18)

14 Typ Pathophysiologie Symptome Erbgang Therapie

1 quantitativ

Partielle quantitative Reduktion des VWF

Schleimhautblutungen HNO-Bereich, Nachbluten

bei Zahnextraktion oder Operation, Menorrhagie

Meist autosomal

dominant

Desmopressin meist ausreichend

2A qualitativ

Mangel an hoch- molekularen VWF-

Multimeren, reduzierte Affinität zu

Thrombozyten

Siehe 1, gastrointestinale Blutungen möglich bei

gehäuften Angiodysplasien

Meist autosomal

dominant

VWF/F-VIII- Konzentrat oder Desmopressin

2B qualitativ

VWF mit erhöhter Affinität zu GPIb-

Komplex

Siehe 1 Autosomal

dominant

VWF/F-VIII- Konzentrat, Desmopressin Kontraindikation

2M qualitativ

Defekte VWF abhängige Thrombozyten-

Adhäsion

Siehe 1 Autosomal

dominant

VWF/F-VIII- Konzentrat

2N qualitativ

Reduzierte Bindungsaffinität zu

Faktor-VIII, Differentialdiagnose

Hämophilie A

Siehe 1, Gelenkblutungen möglich

Autosomal rezessiv

VWF/F-VIII- Konzentrat

3 quantitativ

Komplettes Fehlen des VWF und starke

Reduktion Faktor- VIII

Starke Blutungen, Hämophilie-ähnlich,

muskuloskelettale Blutungen und Gelenkblutungen möglich

Autosomal rezessiv

VWF/F-VIII- Konzentrat

Tabelle 2: Einteilung des von-Willebrand-Syndrom

Erweiterte, modifizierte Tabelle basierend auf Arbeiten von Sadler et al. (90) sowie Federici et al. (91).

Das VWS Typ 3 macht mit ca. 3 % nur einen geringen Teil der VWS PatientInnen aus. Es liegt ein komplettes Fehlen des VWF vor, welches auch mit einer deutlichen Reduktion des Faktor-VIII einhergeht. Bei diesen PatientInnen liegen konsekutiv auch Störungen der

(19)

Einleitung

15 sekundären Hämostase vor. Die Blutungssymptomatik der PatientInnen ist deswegen ähnlicher einer Hämophilie. Manche PatientInnen benötigen zur Prävention und Therapie von schweren muskuloskelettalen Einblutungen, Gelenkblutungen und Menorrhagien dauerhaft VWF/Faktor-VIII-Konzentrate intravenös. Oft erfolgt die Diagnose solcher PatientInnen bereits im Kindesalter, da diese PatientInnen früh symptomatisch werden (92).

Die Diagnose des VWS wird mittels spezifischer Labortest gestellt.

2.10 Diagnostik der primären Hämostase

Für die Diagnose des VWS ist die Blutungshistorie relevant. Eine systematische Erfassung der Vorgeschichte und der Familienanamnese ist über Fragebögen mit bleeding scores als Ergebnis möglich, welche bereits Hinweise für das Vorliegen eines VWS liefern (93, 94).

Um die Diagnose des VWS zu stellen sollten zunächst Basiswerte bestimmt werden. Level 1 der Diagnostik: Thrombozytenzahl, aPTT (aktivierte Partielle Thromboplastinzeit) und die Blutungszeit. Die aPTT ist allerdings nur bei starkem Faktor-VIII-Mangel (Typ 3 und Typ 2N) verlängert und in den meisten Fällen normal. Die Blutungszeit kann bei nur geringem Mangel (z.B. VWS Typ 1) noch normal sein und ist beispielsweise bei Kindern aufgrund der Praktikabilität obsolet (91).

Eine gute Alternative stellt der platelet function analyzer (PFA100) dar. Die Sensitivität dieser Labormethode für das VWS soll bis zu 90 % betragen. Bei dieser Labormethode kann die VWF abhängige Aktivität der Thrombozyten unter hohem Scherstress bestimmt werden.

Aber auch im PFA kann es bei einem milden VWS Typ 1 und immer beim Typ 2N zu normalen Werten kommen. Daher sollte im zweiten Schritt die Bestimmung der Werte in Tabelle 3 erfolgen (Level 2 der Diagnostik) (95).

(20)

16

Funktion Test Diagnose

Quantitative Bestimmung VWF:Ag (VWF-Antigen) <30 U/dl V.a. Typ 1

<3 U/dl V.a. Typ 3

VWF Funktionelle Aktivität VWF:GPIb (GPIb- Bindungstest)

VWF:GPIb/Ag und VWF:KB/Ag Ratio

bestimmen

VWF-Kollagen- Bindungsaktivität

VWF:KB (VWF- Kollagenbindung)

VWF:GPIb/Ag und VWF:KB/Ag Ratio

bestimmen

FaktorVIII-Aktivität FVIII:C

Wenn als einziger Wert erniedrigt Typ 2N oder milde

Hämophilie A Tabelle 3: VWS Diagnostik Level 2

Modifizierte und vereinfachte Tabelle basierend auf Arbeiten von Federici et al. (91) und Castaman et al. (95).

Beim VWS Typ 2 ist die Funktion des VWF deutlich reduziert im Vergleich zur Quantität des VWF. Zur Differenzierung zwischen Typ 1 und Typ 2 muss also eine Ratio gebildet werden.

Beim VWS Typ 1 sollte die VWF:GPIb/Ag und VWF:KB/Ag Ratio größer 0,6 sein. Ist VWF:GPIb/Ag oder KB/Ag kleiner 0,6 besteht der Verdacht auf ein VWS Typ 2 und das Level 3 der Diagnostik sollte durchgeführt werden (siehe Tabelle 4).

Funktion Test Diagnose

VWF-Interaktion mit Faktor-

VIII VWF:FVIII Gestört, VWS Typ 2N

Ristocetin induzierte

Plättchenaktivität RIPA Erniedrigt, VWS Typ 2B

Multimeranalyse des VWF VWF:MA Kaum hochmolekulare VWF VWS Typ 2A

Tabelle 4: VWS Diagnostik Level 3

Modifizierte und vereinfachte Tabelle basierend auf Arbeiten von Federici et al. (91) und Castaman et al. (95).

(21)

Einleitung

17 Das VWS Typ 2M ist charakterisiert durch eine niedrige VWF:GPIb/Ag und KB/Ag-Ratio, aber normaler VWF Multimeranalyse.

Genetische Analysen können genutzt werden, um ein VWS diagnostisch abzusichern und den Subtyp zu bestätigen, insbesondere in Zweifelsfällen oder widersprüchlichen Befunden (90, 95).

Die genannten diagnostischen Labormethoden berücksichtigen bisher nicht den Einfluss des Scherstresses auf den VWF. Das Modell der Flusskammer ermöglicht dies.

2.11 Das Modell der Flusskammer

Die Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten an die EZM ist stark vom Scherstress und damit der Konformationsänderung des VWF abhängig.

Schon Rudolf Virchow beschrieb mit den Virchow-Trias zur Entstehung der Thrombose die Relevanz der Rheologie des menschlichen Blutes.

Um die primäre Hämostase adäquat untersuchen zu können, sind also dynamische Bedingungen von Bedeutung. Unerlässlich ist dabei, den Einflussfaktor Scherstress auf die primäre Hämostase zu untersuchen. Die Flusskammer bietet hier ein Konstrukt, um den Bedingungen in vivo möglichst nahe zu kommen. Durch ihre Konstruktion und Eigenschaften ist es möglich, eine Thrombozyten-Gefäßwand/EZM Interaktion ex vivo zu simulieren (96, 97).

In den 1970er Jahren wurden in der Arbeitsgruppe um Baumgartner et al. erstmals fließende Versuchsaufbauten entwickelt. Hierbei handelte es sich zunächst um meist ringförmige Konstruktionen annular perfusion chamber (98). Im Verlauf wurden die Kammern verbessert und verfeinert. So entstanden durch Sakariassen et al. die parallel-plate perfusion chambers (99). Problematisch an diesen Perfusionskammern waren das große benötigte Probenvolumen und der komplizierte, zeitraubende Zusammenbau. Daraufhin wurden die microfluidic devices entwickelt. Diese Flusskammern brauchen weniger große Blutmengen und es sind meist mehrere Versuche gleichzeitig möglich (100).

Bisher konnten die Flusskammern noch nicht in den klinischen Diagnostik-Alltag aufgenommen werden. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der Heterogenität der entwickelten Flusskammern. Häufig sind die Flusskammern Sonderanfertigungen, welche zu enormer Intervariabilität der Kammern führen. Die Vergleichbarkeit von Versuchsergebnissen ist somit deutlich eingeschränkt. Eine Standardisierung erscheint

(22)

18 sinnvoll und wird vom Scientific and Standardization Committee (SSC) der International Society of Thrombosis and Haemostasis (ISTH) gefordert (101, 102).

Das methodisch genaue Arbeiten beim Beschichtungsprozess der Flusskammer, beim Auswerten der Bilder und die präzise Information der physikalischen Flussbedingungen in der Kammer sind von Bedeutung. Diese Bedingungen können Einfluss auf die Ergebnisse der Untersuchungen nehmen (103, 104). Der Aufbau der in dieser Arbeit genutzten Flusskammer ist in Abb. 2 dargestellt (105).

Abbildung 2: Schematische Abbildung Flusskammer BioFlux 200®

Flusskammer dargestellt in seitlicher Ansicht (modifiziert nach Fluxion Biosciences (105)), Flusskanal hier zur schematischen Darstellung deutlich verkürzt dargestellt. Die Größenverhältnisse sind zum Verständnis schematisch verändert dargestellt.

(23)

Einleitung

19

2.12 Zielsetzung dieser Arbeit

Um die Rolle von Thrombozyten und VWF in der menschlichen Hämostase besser zu charakterisieren, ist es notwendig, methodisch gut funktionierende Versuchsaufbauten zu entwickeln. Bisher gibt es nur unzureichend standardisierte, fließende Labormethoden, die klinisch genutzt werden, um die primäre Hämostase und Funktionsstörungen zu charakterisieren.

Die vorliegende Arbeit validiert ein Flusskammermodell in Hinsicht auf seine Durchführbarkeit und Praktikabilität zur Evaluierung von (teil-)aktivierten Thrombozyten (vgl.

Abb. 3).

Die Flusskammer dient hier als ex vivo Modell, um den dynamischen Flussbedingungen der menschlichen Blutbahn nahe zu kommen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Methode der Durchflusszytometrie von (teil-)aktivierten Thrombozyten in dem Flusskammermodell zu analysieren.

Die Fragestellung der Arbeit war, ob durch die Bestimmung des Aktivierungsgerades mithilfe ausgewählter Oberflächen-Rezeptoren (CD62P und Annexin V) auf den Thrombozyten in Zusammenschau mit den Faktoren Scherstress und Kollagenkonzentration eine Aussage über den Aktivierungsgrad der primären Hämostase getroffen werden kann. Dabei wurden jene Thrombozyten untersucht, die nicht Teil der Thrombozyten-Aggregate waren, sondern diese passierten und im Ausflusstrakt der Flusskammer wieder aufgefangen wurden.

Zur Validierung des erarbeiteten Flusskammermodells, in Kombination mit der Analyse der Thrombozyten in der Durchflusszytometrie und der Bestimmung der Größe der entstandenen Thrombozyten-Aggregate mittels Fluoreszenzmikroskopie, testeten wir den Versuchsaufbau in einer klinischen Anwendung am Beispiel des VWS Typ 3, also beim kompletten Fehlen des VWF.

Unser Anliegen war es, so zu erfahren, ob mithilfe des Modells eine Annäherung an klinische Defizite und Krankheiten möglich ist. Könnte die Flusskammer eine fließende Labormethode zur differenzierteren Therapiekontrolle von VWS PatientInnen darstellen.

(24)

20 Abbildung 3: Schematischer Aufbau und Zielsetzung

Eigene Abbildung.

(25)

Material und Methoden

21 Tabelle 5: Verwendete Reagenzien und Medien und deren Hersteller

Reagenz/Medium Firma

Adenosindiphosphat Fa. Rolf Greiner BioChemica, Flacht

Annexin V binding buffer Fa. Becton Dickinson Bioscience, Heidelberg Bovines Serumalbumin (BSA) Fa. Sigma-Aldrich, Steinheim

Calcein AM, 4 mM in Anhydrous Dimethylsulfoxid

Fa. Sigma-Aldrich, Schnelldorf

Celloclean Enzym, Reinigungslösung für Meßsystem

Fa. Mölab, Langenfeld

Celloton, Verdünnungslösung Fa. Mölab, Langenfeld Chrono-Par-Glucose Puffer Fa. Probe & Go, Osburg

Essigsäure Fa. Roth, Karlsruhe

Haemate P1000 Fa. CSL Behring, Hannover

Penicillin-Streptomyzin Fa. Life Technologies, Darmstadt Phosphate Buffered Saline (PBS) Fa. Life Technologies, Darmstadt Trypan Blue Stain 0,4% Fa. Life Technologies, Darmstadt Trypsin 0,25% Ethylendiamintetraessigsäure Fa. Life Technologies, Darmstadt

3 Material und Methoden

3.1 Material

3.1.1 Reagenzien und Medien

(26)
(27)

Material und Methoden

23

3.1.4 Kollagen

Tabelle 8: Verwendetes Kollagen und deren Hersteller

Kollagen Art Hersteller

Kollagen equin, Typ I, Pro Chrono Par, (1 mg/ml)

Fa. Probe & Go Labordiagnostica, Osburg

3.1.5 Verbrauchsmaterialien

Tabelle 9: Verbrauchsmaterialien und deren Hersteller Verbrauchsmaterialien Hersteller

Probengefäße 20 ml Fa. MöLab, Langenfeld

FACS (fluorescence-activated cell sorting) Röhrchen

Fa. Becton Dickinson, Heidelberg

BioFlux 200®, 48 Well Platten Fa. Fluxion Biosciences, South San Francisco, USA

S-Monovetten 9 NC, Inhalt: Tri-Natriumzitrat/

Citronensäure-Puffer Lösung 0,129 mol/l pH 5,5; 0,38 ml Zitrat-Puffer

Fa. Sarstedt, Nümbrecht

Safety-Multifly-Set, Punktionsnadel, 21 G Fa. Sarstedt, Nümbrecht Zentrifugalröhrchen, 15 ml u. 50 ml Fa. Sarstedt, Nümbrecht Pipettenspitzen, 10, 100 u. 1000 µl Fa. Sarstedt, Nümbrecht

(28)

24

3.1.6 Geräte

Tabelle 10: Verwendete Geräte und deren Hersteller

Gerät Hersteller

Lichtmikroskop, Leica Fa. Mueller Optronic, Erfurt

CCD Kamera für Lichtmikroskop Fa. Groß- und Einzelhandel Müller, Erfurt AL Cell-Counter Modell 2000 Fa. MöLab, Langenfeld

BioFlux 200® System Fa. Fluxion Biosciences, South San Francisco, USA

Durchflusszytometer, FACSCalibur Fa. Becton Dickinson, San Jose (USA) Eppendorf Pipetten, 10, 100 u 1000 µl Fa. Eppendorf, Hamburg

EVOS Fluoreszenz Mikroskop Fa. Peqlab, Erfurt

Laminar Flow-Werkbank Fa. BDK Luft- und Reinraumtechnik, Sonnenbühl-Genkingen

Leica DM IL inverses Mikroskop Fa. Leica, Wetzlar Neubauer Zählkammer Fa. Assistent, Sondheim Toshiba SAT. L 500-208, Windows 7, 64 bit

& 32 bit

Fa. Notebookbilliger AG, Sarstedt

PC Leasinggerät der Med. Hochschule

Hannover

Tischzentrifuge 5417C Fa. Eppendorf, Hamburg Waage GX 600- EC Fa. A & D Instruments LTD Zentrifuge, Varifuge 3.0 RS Fa. Haereus, Osterode

(29)

Material und Methoden

25

3.1.7 Blutproben

Die untersuchten Blutproben wurden von gesunden MitarbeiterInnen der Abteilung Hämostaseologie der Medizinischen Hochschule Hannover und weiteren Freiwilligen gespendet. Die SpenderInnen wurden über die Risiken einer Blutentnahme aufgeklärt und willigten in diese schriftlich ein.

Die Blutproben der VWS PatientInnen wurden zusätzlich zu einer Routineverlaufskontrolle entnommen. Die schriftliche Einwilligung der PatientInnen und die Genehmigung durch die Ethikkommission lagen vor.

3.1.8 Software

Tabelle 11: Verwendete Software und deren Hersteller

Software Hersteller

Summit 5.1 Fa. Beckman Coulter, Fullerton, USA

Image J Freeware-http://rsbweb.nih.gov/ij/

(zuletzt abgerufen 8.3.2018)

CellQuest Fa. Becton Dickinson, Heidelberg

Graph Pad Prism 7 Fa. GraphPad Software

La Jolla, CA, USA

BioFlux®-Software Fa. Fluxion Biosciences, South San Francisco, USA

(30)

26

3.2 Methoden

3.2.1 Blutentnahme

Das venöse Blut wurde durch ein möglichst atraumatisches Verfahren gewonnen. Zur Punktion wurde max. 30 Sek. lang ein Stauschlauch angelegt. Nach der Punktion wurde der Stauschlauch geöffnet und der Schlauch des Safety-Multifly-Sets durch Öffnen des Adapterteils entlüftet. Dann wurde das Blut in Monovetten der Firma Sarstedt mit enthaltenem Zitrat-Puffer durch sehr langsamen Zug gefüllt. Nach der Entnahme wurden die Monovetten vorsichtig geschwenkt. Im Folgenden wurden die Monovetten 30 Minuten bei Raumtemperatur liegend gelagert.

3.2.2 Plättchen-reiches-Plasma (PRP)

Das Blut wurde bei 90 g für 15 Min. mit geringster Abbremskraft zentrifugiert. Die oberste gelbliche Schicht – das PRP – wurde in ein neues Zentrifugalröhrchen überführt.

3.2.3 Plättchen-freies-Plasma (PFP)

Nach der Entnahme des PRP wurden die Monovetten nochmals bei 3000 g 10 Min. mit maximaler Abbremskraft zentrifugiert. Die entstandene gelbliche obere Phase, das PFP, wurde in ein neues Zentrifugalröhrchen überführt. Durch Hinzufügen des PFP zum PRP konnte das PRP auf die gewünschte Thrombozytenzahl verdünnt werden.

Dabei war es wichtig, die Proben nach dem Hinzufügen des PFP vorsichtig zu schwenken, um eine homogene Vermischung des PRP mit dem PFP zu gewährleisten.

3.2.4 Thrombozytenzahl

Die Thrombozytenzahl wurde mithilfe des AL Cell-Counter Modell 2000 bestimmt. Dafür wurde ein Probengefäße mit 20 ml Celloton (Verdünnungsflüssigkeit) gefüllt und 10 µl PRP- Probe hinzugefügt. Durch mehrfaches Schwenken wurde die homogene Verteilung der Thrombozyten in der Testlösung sichergestellt. Die Thrombozytenzahl wurde auf einen standardisierten Bereich von 200 000 bis 300 000 /µL verdünnt.

(31)

Material und Methoden

27

3.2.5 Fluoreszenzmarkierung

Zu dem verdünnten PRP wurde je nach Volumen der Probe die entsprechende Menge Calcein hinzugefügt, sodass final eine Verdünnung von 4 µM Calcein im PRP vorlag. Nach Hinzugabe des Calcein wurde das PRP abermals vorsichtig geschwenkt und dann für 30 Min. abgedunkelt bei Raumtemperatur inkubiert.

3.2.6 Von-Willebrand-Faktor

Für die klinische Anwendung des etablierten Versuchsaufbaus wurde Blut von VWS-Typ 3- PatientInnen gewonnen. Für die Kontrollen der Experimente wurde der VWF in vitro substituiert. Dafür wurde Haemate P 1000 eingesetzt.

Haemate P1000 enthält 160 I.E./ml VWF. Das VWF freie PRP wurde mit Haemate P versetzt, sodass 1 I.E./ml VWF enthalten war. Die Suffizienz der Substitution wurde anschließend im Routinelabor der Medizinischen Hochschule Hannover verifiziert.

3.2.7 BioFlux

®

200 Flusskammer

Für die Flusskammerversuche wurde die BioFlux® 200, ein industriell hergestelltes Mikrofluidik Experimentationskit der Firma Fluxion Biosciences verwendet.

Das System besteht aus einer 48-Well-Platte, einer auf die Well-Platte passenden aufsetzbaren Kontaktfläche (Interface), einem Filter, einem Druckgenerator und einer passenden Software (vgl. Abb. 4-7).

Abbildung 5: Filter der BioFlux® Abbildung 4: Druckgenerator der

BioFlux®

(32)
(33)
(34)

30

3.2.10 Start des Experiments

Für ein Experiment wurden jeweils 250-1000 µl des PRP in das Eingangsreservoir der Flusskammer gefüllt.

Zu beachten war dabei, dass der Zeitraum zwischen dem Einbringen der Thrombozyten in das Eingangsreservoir, mit Verschluss der Platte und dem Start des Flusses, so kurz wie möglich gehalten wurde, da auch schon durch den Volumenunterschied zwischen Ein- und Ausgangsreservoir ein Fluss bestand. Durch den Kontakt der Thrombozyten zum Kollagen bestand die Gefahr eines vorzeitigen Verschlusses des Kanals.

Bei der Durchführung der Experimente war darauf zu achten, Luftblasen frei zu pipettieren.

3.2.11 Bildaufnahme

Die Bilder wurden mit einem Leica Mikroskop in Kombination mit einer CCD Kamera oder dem EVOS Fluoreszenz Mikroskop aufgenommen.

Die Bildgröße entspricht dem Gesichtsfeld (vgl. Abb. 8). Aus diesem Bereich wurden jeweils ein bis drei Bilder aufgenommen. Bei der Aufnahme der Bilder eines jeden Versuchs wurde eine identische Lichtintensität, Vergrößerung und Belichtungszeit gewählt. Die Belichtungszeit betrug 30-60 ms, die Lichtintensität lag zwischen 30-80 %.

Die Bilder wurden kurz vor Ende der Flusslaufzeit aufgenommen. Bei 2 dyn/cm² wurden sie nach 30-35 Min. aufgenommen, bei 10 dyn/cm² nach 8-9 Min..

3.2.12 Entnahme der Thrombozyten

Unter 2 dyn/cm² wurden die Thrombozyten nach 35 Min. Flusszeit entnommen, unter 10 dyn/cm² wurden die Thrombozyten nach 9 Min. Fluss entnommen. Es wurden jeweils 10-20 µl des durchgelaufenen PRPs aus dem Ausgangsreservoir entnommen und in vorbereitete und beschriftete mit 50 µl PBS befüllte FACS-Röhrchen überführt. Für die Annexin V- Analyse wurde statt PBS 500 µl Annexin V-Binding-Buffer genutzt. Weitere 10 µl PRP wurden in mit Celloton gefüllte Probengefäße zur Thrombozytenzahlbestimmung überführt.

3.2.13 Konjugation der Thrombozyten mit den Antikörpern

In die FACS-Röhrchen mit der PRP-Probe wurde zügig jeweils 5 µl (Annexin V, CD62P, CD41) der konjugierten Antikörper pipettiert.

(35)

Material und Methoden

31 Die CD62P-Proben wurden bei 37° jeweils 10 Min. in Dunkelheit inkubiert. Im Anschluss wurden 500 µl PBS Lösung hinzugefügt und die Röhrchen bis zur Messung im Durchflusszytometer auf Eis gestellt.

Die PRP-Proben, die mit Annexin V konjugiert wurden, inkubierten 30 Min. in Dunkelheit, bei Raumtemperatur und wurden in Folge bis zur Messung auf Eis gestellt.

3.2.14 Durchflusszytometrie

Bestrahlt man Zellen mit einem Lichtstrahl, streuen die Zellen das Licht aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften (Größe, Granularität, Membraneigenschaften etc.) auf unterschiedliche Art und Weise. Die Lichtstreuung ist dabei nicht homogen. Das Durchflusszytometer nutzt dieses physikalische Phänomen. Hierbei werden die Zellen beschleunigt und hintereinander aufgereiht (hydrodynamische Fokussierung) und dann vom Laserstrahl des FACS getroffen.

Die größte Lichtstreuung erfolgt im Kleinwinkelbereich (0-10°) des einfallenden Lichtstrahls.

Dieses Streulicht nennt man Vorwärtsstreulicht oder Forward Scatter (FSC). Ein kleiner Teil streut dagegen in etwa 90° zum einfallenden Lichtstrahl, Seitwärtsstreulicht oder Side Scatter (SSC) genannt. So können Aussagen über die Größe (FSC) und Granularität (SSC) der Zellen getroffen werden. Es ist so z.B. möglich Thrombozyten von anderen, in der Probe enthaltenen Zellen, zu differenzieren.

Zudem können die zu untersuchenden Zellen mit spezifischen fluoreszierenden Antikörpern gegen bestimmte Proteine gekoppelt werden. Die Anregung der gebundenen Fluoreszenzstoffe mit einem Laserstrahl bewirkt eine Emission im spezifischen Wellenlängenbereich des fluoreszierenden Stoffs. So kann das Vorhandensein und die Häufigkeit von Proteinen auf der Oberfläche von Zellen bestimmt werden (106, 107).

3.2.15 Durchflusszytometrische Analyse

Die zu untersuchende konjugierte Zellsuspension wurde mittels Überdrucks in die Messkammer des Durchflusszytometers gepumpt. Die Zellen wurden nun mit einem Laserstrahl spezifischer Wellenlänge angeregt. Das für den Fluoreszenzfarbstoff spezifische Emissionsspektrum wurde detektiert. So genannte Photodetektoren konvertieren das optische Signal in elektrische Impulse. Diese Signale wurden dann in einem sog. dotplot graphisch dargestellt.

(36)

32 Die Thrombozyten wurden durch Setzen eines sog. gates für die Quantifizierung abgegrenzt.

So konnte die CD62P/Annexin V-Aktivierung bestimmt werden (vgl. Abb. 10).

Abbildung 10: Beispielhafte Probenanalyse Durchflusszytometrie

Scherstress von 2 dyn/cm² (A) und 10 dyn/cm² (B) für CD62P bei 50 µg/ml Kollagen.

3.2.16 Bilder von Thrombozyten-Aggregaten

Die Bilder wurden mit der opensource Software Image J (vgl. Tabelle 11) analysiert. Für die Analyse wurde im ersten Schritt der zu untersuchende Bildbereich markiert und über Image- Crop ausgeschnitten. Dann wurde dieser Bereich in eine binäre, schwarz-weiße Form konvertiert. Folgend wurde der Prozentanteil an schwarzer Fläche zum Gesamtbild errechnet.

Folgende Softwarebefehle wurden verwendet:

- Markieren des Bildbereichs - Image - Crop

- Process- Binary - Make binary - Analyze - Measure

Bilder mit isolierten Thrombozyten-Aggregaten waren gut zu analysieren. Bei konfluierenden Aggregaten musste noch ein Zwischenschritt eingefügt werden, da sonst die Fläche vermessen wurde, auf der kein Aggregat lagerte. In diesem Falle waren die Softwareschritte:

- Markieren des Bildbereichs

(37)

Material und Methoden

33 - Image – Crop- Process- binary- Make binary

- Edit- Invert

- Analyze – Measure

3.2.17 Statistiken

Die statistische Auswertung erfolgte mittels Graph Pad Prism 7 (vgl. Tabelle 11). Die Ergebnisse der durchgeführten Experimente wurden als Mittelwerte mit Standardfehler dargestellt. Die Anzahl der Versuche (n) ist in der Grafik oberhalb der Mittelwerte angegeben.

Zur Auswertung wurde eine Varianzanalyse (sog. one-way ANOVA) durchgeführt. Die Ergebnisse der Varianzanalyse des Kruskal-Wallis-Tests sind jeweils in den Beschriftungen der Grafiken dargestellt. Der Kruskal-Wallis-Test wurde verwendet, um Unterschiede zwischen Gruppen darzustellen.

Bei den Regressionsdarstellungen (vgl. Abb. 22) wurden nur die Datensätze verwendet, bei denen von jedem/r SpenderIn alle Parameter (Annexin V, Thrombozyten-Verbrauch, Aggregationsfläche, CD62P) vorhanden waren.

3.2.18 Protokolle

Bei den durchgeführten Experimenten handelt es sich um im Labor Hämostaseologie Arbeitsgemeinschaft Prof. Dr. med. Tiede und PD Dr. med. Trummer entwickelte Protokolle.

Die Protokolle wurden unter anderem von Dr. cand. med. G.K. Rausch entwickelt und genutzt. In dieser Arbeit wurden die erarbeiteten Protokolle zum Thrombozyten-Verbrauch unter 2 dyn/cm² (vgl. Abb. 11) und Thrombozyten-Aggregate (vgl. Abb. 18) unter 2 dyn/cm² validiert, wobei eine andere Laufzeit der Flusskammer gewählt wurde.

(38)

34

4 Ergebnisse

4.1 Thrombozyten-Verbrauch in der Flusskammer

4.1.1 Verbrauch bei 2 dyn/cm²

Die BioFlux® Flusskammer ermöglicht es in einem ex vivo Modell den Einfluss von Scherstress auf Thrombozyten zu untersuchen. Dabei wurde in dem vorliegenden Versuchsaufbau durch die Beschichtung der Kammer mit Kollagen eine Verletzung der Gefäßwand simuliert. Kamen die Thrombozyten in Kontakt mit dem Kollagen, entstanden Thrombozyten-Aggregate. Die Thrombozyten-Aggregate wurden mithilfe eines Fluoreszenzmikroskops dokumentiert und ausgewertet. Aufgrund der Thrombozytenaggregation in der Flusskammer verringerte sich die Anzahl der Thrombozyten, die das Ausgangsreservoir des Flusskammersystems erreichten.

Bei 2 dyn/cm² Scherstress zeigte sich ein steigender Verbrauch der Thrombozyten mit steigender Kollagenkonzentration (vgl. Abb. 11). Bereits der PBS-Kontrollwert zeigte Verluste von im Mittelwert 20 % der Thrombozyten.

Von 5-17,5 µg/ml Kollagen nahm der Verbrauch kontinuierlich und annähernd graduell zu.

Ab 30 µg/ml erreichten die Werte ein Plateau mit fast vollständigem Verbrauch von 98 % der Thrombozyten.

Die Standardfehler für 30, 50 und 80 µg/ml Kollagen waren deutlich kleiner als in den niedrigeren Kollagenkonzentrationen (5-20 µg/ml). In den niedrigeren Kollagenkonzentrationen zeigte sich also eine größere Varianz des Thrombozyten- Verbrauchs. In den hohen Konzentrationen war die Varianz kleiner.

(39)

Ergebnisse

35 Abbildung 11: Thrombozyten-Verbrauch bei 2 dyn/cm²

Die Anzahl der Thrombozyten wurde vor dem Fluss durch die Kammer und nach dem Fluss im Zellzähler bestimmt. Die prozentuale Abnahme wurde errechnet. Daten sind als Mittelwerte angegeben. Die Anzahl der Versuche ist über den Balken abgebildet. Der mittlere Standardfehler ist als Fehlerbalken dargestellt. Signifikanz für den Trend mit Kruskal-Wallis- Test: p<0,0001.

4.1.2 Verbrauch bei 10 dyn/cm²

Der Thrombozyten-Verbrauch zeigte bei einem Scherstress von 10 dyn/cm² für den PBS- Kontrollwert gleiche Ergebnisse wie für 2 dyn/cm² (vgl. Abb. 12). In den niedrigen Kollagenkonzentrationen (5-20 µg/ml) ließ sich ein geringerer Verbrauch ermitteln als bei 2 dyn/cm². Der Verbrauch blieb auf einem Plateau und lag etwa 10 % über dem PBS- Kontrollwert.

Ab 50 µg/ml Kollagen kam es zu einem sprunghaften, starken Anstieg des Verbrauchs. Im Vergleich zum Verbrauch bei 2 dyn/cm² zeigte sich kein gradueller Anstieg. Vielmehr war eine Art Schwellenwert zu beobachten. Oberhalb des Schwellenwertes, der zwischen 20 und 50 µg/ml Kollagen lag, kam es zu einem starken Verbrauch. Es zeigte sich eine große Varianz bei 50 µg/ml Kollagen, da ein Teil der Versuche mit geringem Verbrauch und ein Teil der Versuche mit vollständigem Verbrauch einhergingen. Dieses Phänomen spiegelte sich auch in dem großen Standardfehler für 50 µg/ml Kollagen wider. Bei 80 µg/ml Kollagen kam

(40)

36 es zu einem nahezu vollständigen Verbrauch der Thrombozyten. Der Standardfehler war hier wiederum sehr klein. Der Verbrauch bei 80 µg/ml Kollagen zeigte ähnliche Werte wie bei 2 dyn/cm².

Abbildung 12: Thrombozyten-Verbrauch bei 10 dyn/cm²

Die Anzahl der Thrombozyten wurde vor dem Fluss durch die Kammer und nach dem Fluss im Zellzähler bestimmt. Die prozentuale Abnahme wurde errechnet. Daten sind als Mittelwerte angegeben. Die Anzahl der Versuche ist über den Balken abgebildet. Der mittlere Standardfehler ist als Fehlerbalken dargestellt. Signifikanz für den Trend mit Kruskal-Wallis- Test: p<0,0001.

(41)

Ergebnisse

37

4.2 Entstehung von Thrombozyten-Aggregaten

4.2.1 Morphologie bei 2 dyn/cm²

Bei dem Fluss der Thrombozyten durch die Kammer entstanden Thrombozyten-Aggregate.

Bevor die Thrombozyten in Kontakt mit dem Kollagen kamen, wurden diese fluoreszierend gefärbt. So konnte die von Thrombozyten-Aggregaten bedeckte Fläche – Aggregationsfläche genannt – mit einem Fluoreszenzmikroskop in definierten Gesichtsfeldern dokumentiert werden. Diese Aggregationsfläche konnte dann mittels Software errechnet und in Zahlen ausgedrückt werden.

Repräsentative Beispielbilder zeigen die detaillierte Morphologie der entstandenen Thrombozyten-Aggregate (vgl. Abb. 13) im Vergleich zwischen Lichtmikroskopie (A), Fluoreszenzmikroskopie (B), binärem Fluoreszenzmodus (C) sowie mittels Software bearbeitetem Bild (D). Die einzelnen, aneinander gelagerten Thrombozyten-Aggregate waren gut sicht- und abtrennbar.

Abbildung 13: Morphologie der Thrombozyten-Aggregate

Repräsentative Bilder der gebildeten Thrombozyten-Aggregate bei 2 dyn/cm² und 50 µg/ml Kollagen in hoher Vergrößerung. Lichtmikroskopie (A), Fluoreszenzmikroskopie (B), binär konvertierter Fluoreszenzmodus (C), statistische Auswertung mittels Bildanalyse (D).

(42)
(43)

Ergebnisse

39 Zunahme der Aggregationsfläche erfolgte annähernd linear mit steigender Kollagenkonzentration.

In den hohen Kollagenkonzentrationen ergab sich ein höherer Schwankungsbereich, im Vergleich zum Thrombozyten-Verbrauch (vgl. Abb. 11). Dies zeigte sich auch in den größeren Standardfehlern (vgl. Abb. 15).

Die Zunahme der Aggregationsfläche war weniger gleichmäßig ansteigend als der Thrombozyten-Verbrauch und zeigte größere Varianzen. Bei 30 µg/ml Kollagen war ein nahezu vollständiger Verbrauch der Thrombozyten zu beobachten (vgl. Abb. 11). Es kam aber nur zu einer Aggregationsfläche von 48 %.

Abbildung 15: Thrombozyten-Aggregate bei 2 dyn/cm²

Die durch Thrombozyten-Aggregate bedeckte Fläche (Y-Achse) in definierten Gesichtsfeldern wurde mittels Fluoreszenzmikroskopie erfasst und prozentual dargestellt.

Daten sind als Mittelwerte angegeben. Die Anzahl der Versuche ist über den Balken angegeben. Der mittlere Standardfehler ist als Fehlerbalken dargestellt. Signifikanz für den Trend mit Kruskal-Wallis-Test: p<0,0001.

4.2.3 Morphologie bei 10 dyn/cm²

Die repräsentativen Bilder der Thrombozyten-Aggregate bei 10 dyn/cm² zeigten, ähnlich wie bei 2 dyn/cm², bei steigender Kollagenkonzentration eine Größenzunahme der Aggregationsfläche (vgl. Abb. 16A-F). Die Form der Thrombozyten-Aggregate ließ sich als

(44)
(45)

Ergebnisse

41 Beziehung zu der Kollagenkonzentration. Zunächst kam es von 5 auf 10 µg/ml Kollagen zu einer deutlichen Größenzunahme. Zwischen 10 µg/ml und 20 µg/ml Kollagen schwankte die Aggregationsfläche um circa 20 %. Es war kein eindeutiger Anstieg zu beobachten.

Ab 50 µg/ml Kollagen kam es zu einer starken sprunghaften Zunahme der Aggregationsfläche. Ähnlich wie bei dem Thrombozyten-Verbrauch bei 10 dyn/cm² (vgl. Abb.

12) war eine Art Schwellenwert zu beobachten, welcher ebenfalls zwischen 20 und 50 µg/ml lag. Nach überschreiten dieses Schwellenwertes kam es zu einem deutlichen Anstieg der Aggregationsfläche.

Die Standardfehler waren bei 50 und 80 µg/ml größer als in den niedrigeren Kollagenkonzentrationen. In den hohen Konzentrationen lag also eine größere Varianz der gebildeten Thrombozyten-Aggregate vor. Im Vergleich zu den Thrombozyten-Aggregaten unter 2 dyn/cm² (vgl. Abb. 15) war die Aggregationsfläche insgesamt kleiner.

Abbildung 17: Thrombozyten-Aggregate bei 10 dyn/cm²

Die durch Thrombozyten-Aggregate bedeckte Fläche (Y-Achse) in definierten Gesichtsfeldern wurde mittels Fluoreszenzmikroskopie erfasst und prozentual dargestellt.

Daten sind als Mittelwerte angegeben. Die Anzahl der Versuche ist über den Balken angegeben. Der mittlere Standardfehler ist als Fehlerbalken dargestellt. Signifikanz für den Trend mit Kruskal-Wallis-Test: p<0,0001.

(46)

42

4.3 Aktivierungsmarker CD62P (P-Selektin)

4.3.1 CD62P bei 2 dyn/cm²

Nicht alle Thrombozyten wurden beim Fluss durch das Kammersystem verbraucht. Deshalb könnte die Untersuchung von Thrombozyten, im Ausgangsreservoir der Flusskammer, eventuell als eine Methode zur Bestimmung der Aktivierung genutzt werden.

CD62P ist ein häufig verwendeter Marker für die Aktivierung von Thrombozyten. Dieser wurde auf den Thrombozyten, nach dem Fluss durch die Kammer, mittels Durchflusszytometrie bestimmt.

Mit zunehmender Kollagenkonzentration kam es zu einem konstanten Anstieg von CD62P (vgl. Abb. 18). Der PBS-Kontrollwert zeigte eine Grundaktivierung von etwa 3 %. Von 5 µg/ml bis 80 µg/ml Kollagen nahm die CD62P-Expression stetig zu. Die maximale Expression von CD62P betrug knapp 23 %. Ab 50 µg/ml Kollagen war ein Plateau erreicht. Es kam zu keinem weiteren Anstieg der Aktivierung.

Die Standardfehler waren vor allem in den mittleren und hohen Kollagenkonzentrationen hoch. Hier ergab sich ein Schwankungsbereich. In den niedrigen Kollagenkonzentrationen waren die Standardfehler klein. Alle untersuchten Thrombozyten zeigten ein ähnliches Aktivierungsniveau. Dies stand im Kontrast zum Thrombozyten-Verbrauch bei 2 dyn/cm² (vgl. Abb. 11). Vor allem in den kleinen Kollagenkonzentrationen konnte ein großer Standardfehler beobachtet worden.

Verglich man die ermittelten Aktivierungsmarker mit der Entstehung der Thrombozyten- Aggregate, zeigte sich eine deutliche Ähnlichkeit der beiden Grafiken (vgl. Abb. 15). Wie auch bei der Aggregationsfläche, nahm der Aktivierungsmarker CD62P graduell bei steigender Kollagenkonzentration zu.

(47)

Ergebnisse

43 Abbildung 18: Aktivierungsmarker CD62P bei 2 dyn/cm²

Durchflusszytometrische Analyse der Thrombozyten nach dem Fluss durch das Kammersystem bei 2 dyn/cm². Daten sind als Mittelwerte dargestellt. N ist über den Balken angegeben. Der mittlere Standardfehler ist als Fehlerbalken sichtbar. Signifikanz für den Trend mit Kruskal-Wallis-Test: p<0,0001.

(48)

44

4.3.2 CD62P bei 10 dyn/cm²

Bei 10 dyn/cm² Scherstress zeigte bereits der PBS-Kontrollwert eine deutlich höhere Grundaktivierung als bei 2 dyn/cm² (vgl. Abb. 19).

Von 5 µg/ml bis 20 µg/ml Kollagen kam es zu einer geringen Zunahme der Aktivierung. Das Aktivierungsausmaß in den niedrigen Kollagenkonzentrationen lag knapp über dem PBS- Kontrollwert.

Es kam im starken Gegensatz zu 2 dyn/cm² zu keinem linear-ähnlichen Anstieg der Aktivierung bei zunehmender Kollagenkonzentration (vgl. Abb. 18). Ab 50 µg/ml Kollagen kam es sprunghaft zu einem deutlichen Anstieg von CD62P. Ab 80 µg/ml Kollagen kam es zu einer Abnahme der CD62P-Expression.

Zwischen 20 und 50 µg/ml Kollagen gab es, wie bereits beim Thrombozyten-Verbrauch (vgl.

Abb. 12) und bei der Aggregationsfläche (vgl. Abb. 17) beobachtet, einen Schwellenwert. Vor dem Schwellenwert zeigte sich eine niedrige Aktivierung. Oberhalb des Schwellenwertes nahm die Aktivierung stark zu.

Die Standardfehler waren bei 50 und 80 µg/ml Kollagen, im Vergleich zu den niedrigen Kollagenkonzentrationen, hoch. Dies unterstreicht die Annahme von einem bestehenden Schwellenwert. Dies stand im Einklang mit der Entstehung von Thrombozyten-Aggregaten und dem Thrombozyten-Verbrauch. Insgesamt waren die Standardfehler allerdings deutlich niedriger als bei Aggregationsfläche und Thrombozyten-Verbrauch (vgl. Abb. 17 u. 12).

Betrachtet man insgesamt die Ergebnisse der CD62P-Expression bei 10 dyn/cm² waren deutliche Unterschiede zum Thrombozyten-Verbrauch und zur Aggregationsfläche sichtbar.

Der höchste Thrombozyten-Verbrauch und die größte Aggregationsfläche waren bei der höchsten Kollagenkonzentration zu beobachten. Die CD62P-Expression zeigte ihren höchsten Wert bereits bei 50 µg/ml Kollagen. Mehr Kollagen und größere Aggregationsfläche schienen nicht zu einer erhöhten Expression der (teil)-aktivierten Thrombozyten zu führen.

Dies stand im Kontrast zum niedrigeren Scherstress (vgl. Abb. 18). Hier zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen Thrombozyten-Verbrauch, Aggregationsfläche und Aktivierungsmarker CD62P. Das Aktivierungsniveau war insgesamt bei hohem Scherstress deutlich geringer als bei niedrigem Scherstress.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Zweite Teil der Arbeit von Herrn Khamassi unterscheidet sich in den Metho- den fundamental vom ersten Teil der Arbeit. Nun k¨ummert sich Herrn Khamassi um die Adh¨asion

Nein A1.. clopidogrel treatment to ticagrelor in patients with acute coronary syndrome. Laine Ticagrelor versus prasugrel in diabetic patients with an acute coronary

„Aspirin&#34;-Dilemma, welches darin besteht, daß durch hochdosierte Acetylsalicyslsäure (ASS)-Medika- tion (1000 mg/die) nicht nur die Plättchenaggregation gehemmt wird,

In der erweiterten Analyse mit einer Auswahl an 15 SH2-Domänen, die repräsentativ für eine globale Untersuchung der Tyrosinphosphorylierung in Thrombozyten sind (Abbildung 14),

Auch bei inflammatorischen Reaktionen von Leukozyten sind sie von Bedeutung (Gawaz, 1999). Nach Erkenntnissen von Frenette et al. Ruggeri, 2001) führt die Expression von

Während die Ergebnisse der in vitro-Studie keinen Hinweis auf einen Einfluss der HES im Sinne einer Aktivierung der Thrombozyten ergaben, sahen wir in der vivo-Studie mögliche

Durch krankhafte Pro- zesse können sich im Blut jedoch zu viele, zu wenige oder auch nicht funktionsfähige Thrombozyten be- finden.. Thrombozyten im Übermaß Fin- den sich zu

Es ist davon auszugehen, dass sowohl nach Stimulation mit Thrombin, als auch mit ADP in unterschiedlicher Konzentration keine Produkte einer de novo Synthese