• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Auf dem Weg zur Mindestrente für alle" (20.09.1979)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Auf dem Weg zur Mindestrente für alle" (20.09.1979)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Redaktion:

Haedenkampstraße 5

Postfach 41 02 47, 5000 Köln 41 Telefon: (02 21) 40 04-1

Fernschreiber: 8 882 308 daeb d Verlag und Anzeigenabteilung:

Dieselstraße 2, Postfach 40 04 40 5000 Köln 40 (Lövenich) Telefon: (0 22 34) 70 11-1 Fernschreiber: 8 89 168 daev d

DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Auf dem Weg

zur Mindestrente für alle

Pressemeldungen, in denen be- richtet wurde, die SPD erwäge eine Besteuerung der Renten, wurden zwar dementiert. Das hindert nicht, daß auch solche Gedankenspiele zu den Bonner Überlegungen über eine grund- legende Umgestaltung des Ren- tensystems gehören. Die Vorstel- lungen in SPD und FDP zeich- nen sich jetzt in Umrissen ab.

Die bis 1984 fällige Rentenreform und der Wahlkampf des nächsten Jahres werfen ihre Schatten voraus. Die Parteien beziehen ihre Positionen. Die FDP hat im Juni ihr Rentenprogramm beschlossen, nachdem die Renten künftig den Netto-Verdiensten der Arbeitneh- mer und nicht mehr den Brutto-Verdiensten folgen sollen. Eine Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion hat jetzt erste Anhalts- punkte für die Richtung gegeben, in der die SPD unter Herbert Wehners Führung Anleitung geben will:

Es gibt Pläne für eine Art Mindestrente. Die Ausweitung der Versi- cherungspflicht auf alle Selbständigen wird erwogen. Die Systeme der Rentenversicherung und der Beamtenversorgung sollen einan- der angeglichen werden. Den Müttern mit Kindern sollen „Baby- jahre" angerechnet werden, wodurch sich der Rentenanspruch der

Frau je Kind um etwa 20 DM erhöhen würde. Zur Diskussion steht auch die Besteuerung der Renten. Nachdrücklich haben sich Bun- desarbeitsminister Ehrenberg und dessen Staatssekretärin Anke Fuchs dafür ausgesprochen, daß sich der Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung künftig nicht mehr an der Lohnsumme, sondern an der Wertschöpfung der Unternehmen orientiert.

Offensichtlich war Herbert Wehner ziemlich böse, in den Zeitungen recht genau zu lesen, was Anke Fuchs der SPD-Fraktion über die Arbeiten an der Rentenreform berichtet hatte. Bislang hatte er in der von ihm geleiteten Partei-Kommission abseits jeder Publizität an den Plänen zur Rentenreform arbeiten können. Damit ist es nun vorbei.

Zwar nahm Wehner Anke Fuchs in die Pflicht und veranlaßte sie, sich selbst zu dementieren. Ein zweites Dementi schickte der parlamen- tarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Jahn, der Erklärung von Frau Fuchs nach. Doppelt dementiert, wirke glaubhafter, mochte hier die Devise sein. Aber dieser Eifer beim Dementieren konnte nur verdächtig sein. Und tatsächlich kann man die Dementis nicht als Dementi werten. Die nahezu wortgleichen Erklärungen von Frau Fuchs und von Jahn bezogen sich allein auf die Frage der Rentenbe- steuerung. Dieses Thema sei von Frau Fuchs lediglich im Zusam- menhang mit dem bald zu erwartenden Urteil über die Verfassungs- mäßigkeit der Besteuerung der Beamtenpensionen angesprochen worden.

Heft 38 vom 20. September 1979 2381

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Rentenreform

Tatsächlich hatte Frau Fuchs das Verfahren vor dem Verfassungs- gericht zum Anlaß genommen, um einige Bermerkungen zur Be- steuerung der Renten zu machen.

Sinngemäß stellte Frau Fuchs die Frage, was denn eigentlich dage- gen spreche, die Rentner wie die Beamtenpensionäre zu besteuern.

Natürlich müsse es einen hohen Freibetrag geben. Aber es sei doch nicht unvernünftig, Rentenein- kommen von mehr als 2000 DM zu besteuern. Jedenfalls wäre eine solche Lösung sozial gerechter als die von der FDP angestrebte Kopplung der Renten an die Netto- Löhne. Unklar blieb, ob Frau Fuchs die Rentenbesteuerung auch als Beitrag zur langfristigen finanziellen Sicherung der Ren- tenversicherung ansieht.

Auf den ersten Blick mag man es für unwichtig halten, ob nun der Anstieg der Renten durch den Übergang zur Netto-Bemessung oder durch die Besteuerung ge- bremst wird. Bei einer Netto-Be- messung wird der Anpassungssatz für alle Rentner gleichmäßig ge- kürzt, was häufig als eine Benach- teiligung der Kleinrentner angese- hen wird. Bei der Besteuerung werden die höheren Rentenein- kommen überdurchschnittlich stark beschnitten. Die Rentenbe- steuerung hätte also eine nivellie- rende Wirkung. Grundsätzlich läßt sich gegen die Besteuerung der Renten einwenden, daß die klei- nen Renten durchweg auf Bei- tragszahlungen beruhen, die von der Besteuerung freigestellt wa- ren, während die Bezieher hoher Renten ihre Beiträge zu einem beachtlichen Teil aus progressiv versteuertem Einkommen leisten mußten. Wer die Renten besteuert, muß zugleich alle Beitragsleistun- gen steuerlich berücksichtigen.

Die Absicht Ehrenbergs, die Ar- beitgeberbeiträge zur Rentenver- sicherung nicht mehr nach der Lohnhöhe, sondern nach der Wertschöpfung der Unternehmen zu bemessen, kann für die künfti- ge Entwicklung der Rentenversi- cherung von weit größerer Bedeu-

tung sein als die Frage der Ren- tenbesteuerung. Strukturelle Ver- änderungen auf der Finanzie- rungsseite eines Alterssicherungs- systems führen in der Regel früher oder später auch zu Veränderun- gen auf der Leistungsseite. An der Umstellung des Arbeitgeberanteils wird nach Ehrenbergs Darstellung seit längerem gearbeitet. Auch der SPD-Parteitag im Dezember 1979 soll sich mit diesem Thema be- schäftigen.

„Ein Teil der Beitragslast soll künftig von den Maschinen aufgebracht werden"

Ehrenberg meint, daß man auf Dauer nicht daran vorbeikommen werde, die schädlichen Folgen der Technisierung und Rationalisie- rung zu vermeiden. Bei dem im- mer stärkeren Ersatz menschli- cher Arbeitskraft durch Maschinen ergebe sich gleichzeitig auch eine ständige Verschiebung der finan- ziellen Lasten für die soziale Si- cherung von den kapitalintensiven zu den lohnintensiven, von den hochtechnisierten großen zu den kleinen Betrieben des Mittelstan- des und des Handwerks. Er wolle dafür sorgen, daß künftig ein Teil der Beitragslast von den Maschi- nen aufgebracht werde, sagte Eh- renberg. der diese Pläne im Rah- men der Rentenreform bis 1984 durchsetzen will.

Ehrenberg greift auf Überlegun- gen zurück, die Anfang der sechzi- ger Jahre eine bedeutsame Rolle gespielt haben. Damals hatte sich vor allem das Handwerk immer wieder gegen die Bemessung der Sozialbeiträge nach dem Lohn ge- wehrt. Nach mehrjährigen inter- nen Beratungen und unter Be- rücksichtigung eines Gutachtens des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln hat dann 1965 die Regierung Erhard end- gültig einen Wechsel der Bemes- sungsgrundlage für die Sozialbei- träge abgelehnt. Damals war dar- an gedacht worden, die Arbeitge- berbeiträge an die Wertschöp- fung, den Kapital- und den Ener-

gieeinsatz zu koppeln. Dabei ging es allein um die Frage, wie Wettbe- werbsnachteile kleinerer und mitt- lerer Betriebe vermieden werden könnten. Auch Ehrenberg weist auf dieses Problem hin. Die Sozial- demokraten wollen durch eine Umstellung des Arbeitgeberanteils den Faktor Lohn entlasten und den Faktor Kapital belasten. Damit hofft man den Rationalisierungs- druck vermindern und den Ar- beitsmarkt entlasten zu können.

Gegen die Umstellung werden vor allem folgende Argumente vorge- bracht: Die Belastung der Investi- tionen müßte langfristig die Wett- bewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen und damit das Wirt- schaftswachstum beeinträchtigen.

Sozialkosten sind dem Faktor Ar- beit zuzurechnen. Wenn die Hälfte der Beitragseinnahmen nicht mehr nach dem Lohn bemessen wird, wie will man es dann recht- fertigen, die Leistungen weiterhin nach dem Lohn zu bemessen. Dies würde erst recht dann gelten, wenn nicht mehr an der Parität von Arbeitnehmer- und Arbeitge- berbeiträgen festgehalten würde.

Ehrenberg hat dazu nichts gesagt.

Seiner politischen Interessenlage entspräche es jedoch, auf längere Sicht zusätzliche Finanzmittel durch die Erhöhung des Arbeitge- beranteils zu mobilisieren: Denn eins ist sicher: die „Reform 84" ist nicht kostenneutral zu verwirkli- chen. Ehrenberg weiß aber, daß die Beitragsbelastung der Arbeit- nehmer kaum noch zu erhöhen ist;

der politische Widerstand wäre zu groß.

Die Wertschöpfung der Unterneh- men ist heute wesentlich leichter als Anfang der sechziger Jahre zu erfassen: Seit der Umsatzsteuerre- form 1967 wird der Mehrwert be- steuert; die Sozialbeiträge müßten nur an die Mehrwertsteuer ange- hängt werden. Freilich wären dann die Verfassungsprobleme nicht mehr zu übersehen. Wäre es zu- lässig, eine zweckgebundene So- zialsteuer zu erheben, und zwar auch von Pflichtigen, die mit dem Sozialsystem nichts zu tun haben?

2382 Heft 38 vom 20. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Kommission '84: Die Renten-Vorschläge

Zur Neuordnung der Hinterbliebenen-Versorgung hat die von der Bundes- regierung eingesetzte "Kommission '84" mehrere Vorschläge vorgelegt.

Hier einige Berechnungs- beispiele (in D-Mark)

Beispiel 1 Mann Frau

Beispiel 2 Mann Frau

Beispiel 3 Mann Frau

Ausgangsbasis:

Renten zu Lebzeiten beider Ehepartner

Hinterbliebenenrenten nach geltendem Recht

(Mann: eigene Rente;

Frau: eigene Rente

und 60 Prozent der Mannesrente)

Die Kommissions-Vorschläge: Der überlebende Ehepartner erhält . . . Variante 1

... 75 Prozent der Renten.

ansprüche beider Ehepartner aus der Ehezeit und 100 Prozent der eigenen vorehelichen Ansprüche Beispiel: voreheliche Ansprüche des Mannes 25 Prozent, der Frau 35 Prozent)

Variante 2 ... 75 Prozent aller Renten- ansprüche beider Ehepartner (vor und in der Ehe erworben)

Variante 3 .. 70 Prozent aller Renten- ansprüche beider Ehepartner (vor und in der Ehe erworben), aber mindestens die eigene Rente

... alternativ 65 Prozent

23/1979 Deucscher Verlag Quelle: Gutachten der „Kommission ee., IW-Berechnungen

Die „Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen" hat sich in ihrem Gutachten im Prinzip dafür ausge- sprochen, die heutige Regelung der Witwen- und Witwerrenten durch die

„Teilhabe-Rente" zu ersetzen. Zur konkreten Ausgestaltung dieser Renten- form haben die Sachverständigen jedoch gleich drei in ihren Auswirkungen höchst unterschiedliche Vorschläge zur Diskussion gestellt. Die größten Chancen dürfte der Vorschlag 3 haben (dazu auch Leitartikel In Heft 25/

1979) iwd/DÄ

Die Information:

Bericht und Meinung

Schon in dem wissenschaftlichen Gutachten von Watrin aus dem Jahre 1963 waren Zweifel geäußert worden, ob das gegliederte ge- setzliche Sozialsystem mit seiner paritätischen Selbstverwaltung aufrechterhalten werden könne, wenn auf den Lohn als Bemes- sungsgrundlage verzichtet werde.

Dies gelte wohl um so mehr, je stärker der Sozialbeitrag den Cha- rakter einer Steuer erhielte. Wenn die Beitragsbemessung in der

Rentenreform

Rentenversicherung geändert würde — was könnte die gesetzge- bende Mehrheit dann noch davon abhalten, dieselbe Operation in der Krankenversicherung vorzu- nehmen?

Wohin man auch blickt, Fragen über Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt, die es aber gera- ten erscheinen lassen, Ehrenbergs Initiative skeptisch und kritisch zu begleiten. wst

NACHRICHTEN

Mutterschaftsgeld vom Bundesversicherungsamt

Frauen, die in einem privatrechtli- chen Arbeitsverhältnis stehen und nicht selbst in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert sind, erhalten nach Einführung des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs (ab 1. Juli 1979) Mutterschaftsgeld für die Zeit der Schutzfristen und des anschließenden Mutterschaftsur- laubs nicht mehr von den Allge- meinen Ortskrankenkassen, son- dern vom Bundesversicherungs- amt, Berlin. Sofern die Schutzfri- sten nach dem 30. Juni beginnen, müssen sich die betroffenen Müt- ter an das Bundesversicherungs- amt, Reichpietschufer 72-76,1000 Berlin 30, wenden. Die laufenden Zahlungen werden noch von der Allgemeinen Ortskrankenkasse

abgewickelt. WZ

Neue Ausbildungsordnung

„Pharmakant"

Ende Juli 1979 trat unmittelbar nach Verkündigung die Ausbil- dungsordnung für den „Pharma- kanten" in Kraft. Im Mittelpunkt der Ausbildung steht die fachge- rechte, sterile Herstellung von Arz- neimitteln bei gleichbleibender Qualität und deren sachgemäße Verpackung und Lagerung. Die Ausbildungszeit in diesem phar- mazeutisch-technologischen Be- ruf beträgt drei Jahre; sie führt zu einem Abschluß als qualifizierter Facharbeiter für die Arzneimittel- fertigung. Die neue Ausbildung soll nicht nur den Umgang mit komplizierten modernen Maschi- nen und Geräten fördern, sondern auch das Verantwortungsgefühl für sachgemäße Produktion, Ver- packung und Lagerung der Medi- kamente stärken. Das unmittelba- re Inkrafttreten der Verordnung nach der Veröffentlichung ist eine Ausnahme; es soll bei zukünfti- gen Ausbildungsordnungen nicht mehr praktiziert werden. KND/DÄ

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 38 vom 20. September 1979 2383

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Einen plausiblen Grund für ihre Flucht beim Anblick des KVDs konnten sie nicht nennen. Sie zeigten sich zum Teil uneinsichtig

Zuschreibungen wie die oben genannten werden auch Attributionen genannt und diese können von „außen“ kommen (z.B., wenn Lehrkräfte zu einem Schüler sagen „Sie hätten eine

seitigen Grabenkämpfe der verschiedenen Berufsgruppen und die Verteilungskämpfe innerhalb der Ärzteschaft dem durch Seehofers Ge- sundheitsstrukturgesetz mal- trätierten

Natürlich weiß auch er zu Beginn des Jahres (die Voraus- schätzung hat zum 15. Februar zu erfolgen) nicht, wie sich tatsäch- lich die beitragspflichtigen Ein- nahmen der

Heute wurde von 12.45 bis 13.20 die Petition „Bayernplan für eine soziale und ökologische Transformation“ im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie des

Broschüre »ratiopharm-Arzneimittel - Doku mentierte Bioäq ui- val enz« oder Einzelblatt Fachinformation (Gebrauchsinformation für Fachkreise) zu Vincamin retard-ratiopharm

müsse aber auch Gewißheit ha- ben, so heißt es dann, daß er vor existentieller Armut im Alter ge- schützt sei, wenn eigene und ge- meinschaftliche Vorsorge nicht ausreiche..

Eine Auf- stockung niedriger Renten auf das Niveau der Sozialhilfe — etwa 800 DM für Alleinstehende und 1200 DM für Verheiratete — wird aber auch von einflußreichen Politikern