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Gottfried Keller. Dietegen. Novelle

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Gottfried Keller

Dietegen

Novelle

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Gottfried Keller

Dietegen

Novelle

Überarbeitung und Korrekturen: Null Papier Verlag Herausgeber: Jürgen Schulze Published by Null Papier Verlag, Deutschland

Copyright © 2017 by Null Papier Verlag 1. Auflage, ISBN 978-3-962812-92-8

null-papier.de/558

Das hier veröffentlichte Werk ist eine kommentierte, überarbeitete und digitalisierte Fassung und unterliegt somit dem Urheberrecht. Verstöße werden juristisch verfolgt. Eine

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Dietegen

A

n den Nordabhängen jener Hügel und Wälder, an welchen südlich Seldwyla liegt, florierte noch ge- gen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts die Stadt Ruechenstein im kühlen Schatten. Grau und finster war das gedrängte Korpus ihrer Mauern und Türme, schlecht und recht die Rät und Bürger der Stadt, aber streng und mürrisch, und ihre National- beschäftigung bestand in Ausübung der obrigkeitli- chen Autorität, in Handhabung von Recht und Ge- setz, Mandat und Verordnung, in Erlass und Voll- zug. Ihr höchster Stolz war der Besitz eines eigenen Blutbannes, groß und dick, den sie im Verlauf der Zeiten aus verschiedenen zerstreuten Blutgerichten von Kaiser und Reich so eifrig und opferfreudig an sich gebracht und abgerundet hatten, wie andere Städte ihre Seelenfreiheit und irdisches Gut. Auf den Felsvorsprüngen rings um die Stadt ragten Gal- gen, Räder und Richtstätten mannigfacher Art, das Rathaus hing voll eiserner Ketten mit Halsringen, ei-

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serne Käfige hingen auf den Türmen, und hölzerne Drehmaschinen, worin die Weiber gedrillt wurden, gab es an allen Straßenecken. Selbst an dem dunkel- blauen Flusse, der die Stadt bespülte, waren ver- schiedene Stationen errichtet, wo die Übeltäter er- tränkt oder geschwemmt wurden, mit zusammenge- bundenen Füßen oder in Säcken, je nach der feine- ren Unterscheidung des Urteils.

Die Ruechensteiner waren nun nicht etwa ei- serne, robuste und schreckhafte Gestalten, wie man aus ihren Neigungen hätte schließen können; son- dern es war ein Schlag Leute von ganz gewöhnli- chem, philisterhaftem Aussehen, mit runden Bäu- chen und dünnen Beinen, nur dass sie durchweg lange gelbe Nasen zeigten, eben dieselben, mit de- nen sie sich gegenseitig das Jahr hindurch beschn- archten und anherrschten. Niemand hätte ihrem kümmelspalterischen Leiblichen, wie es erschien, so derbe Nerven zugetraut, als zum Anschaun der un- aufhörlichen Hochnotpeinlichkeit erforderlich wa- ren. Allein sie hatten’s in sich verborgen.

So hielten sie ihre Gerichtsbarkeit über ihrem Weichbilde ausgespannt gleich einem Netz, immer auf einen Fang begierig; und in der Tat gab es nir- gends so originelle und seltsame Verbrechen zu stra- fen wie zu Ruechenstein. Ihre unerschöpfliche Erfin-

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dungsgabe in neuen Strafen schien diejenige der Sünder ordentlich zu reizen und zum Wetteifer an- zuspornen; aber wenn dennoch ein Mangel an Übel- tätern eintrat, so waren sie darum nicht verlegen, sondern fingen und bestraften die Schelmen ande- rer Städte; und es musste einer ein gutes Gewissen haben, wenn er über ihr Gebiet gehen wollte. Denn sobald sie von irgendeinem Verbrechen, in weiter Ferne begangen, hörten, so fingen sie den ersten besten Landläufer und spannten ihn auf die Folter, bis er bekannte oder bis es sich zufällig erwies, dass jenes Verbrechen gar nicht verübt worden. Sie la- gen wegen ihren Kompetenzkonflikten auch immer im Streit mit dem Bunde und den Orten und muss- ten öfter zurechtgewiesen werden.

Zu ihren Hinrichtungen, Verbrennungen und Schwemmungen liebten sie ein windstilles, freundli- ches Wetter, daher an recht schönen Sommertagen immer etwas vorging. Der Wanderer im fernen Felde sah dann in dem grauen Felsennest nicht sel- ten das Aufblitzen eines Richtschwertes, die Rauch- säule eines Scheiterhaufens, oder im Flusse wie das glänzende Springen eines Fisches, wenn etwa eine geschwemmte Hexe sich emporschnellte. Das Wort Gottes hätte ihnen übel geschmeckt ohne mindes- tens ein Liebespärchen mit Strohkränzen vor dem Al-

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tar und ohne Verlesen geschärfter Sittenmandate.

Sonstige Freuden, Festlichkeiten und Aufzüge gab es nicht, denn alles war verboten in unzähligen Man- daten.

Man kann sich leicht denken, dass diese Stadt keine widerwärtigeren Nachbaren haben konnte als die Leute von Seldwyla; auch saßen sie diesen hin- ter dem Walde im Nacken wie das böse Gewissen. Je- der Seldwyler, der sich auf Ruechensteiner Boden betreten ließ, wurde gefangen und auf den zuletzt gerade vorgefallenen Frevel inquiriert. Dafür pack- ten die Seldwyler jeden Ruechensteiner, der sich bei ihnen erwischen ließ, und gaben ihm auf dem Markt ohne weitere Untersuchung, bloß weil er ein Rue- chensteiner war, sechs Rutenstreiche auf den Hin- tern. Dies war das einzige Birkenreis, was sie ge- brauchten, da sie sich selbst untereinander nicht weh zu tun liebten. Dann färbten sie ihm mit einer höllischen Farbe die lange Nase schwarz und ließen ihn unter schallendem Jubelgelächter nach Hause laufen. Deshalb sah man zu Ruechenstein immer ei- nige besonders mürrische Leute mit geschwärzten, nur langsam verbleichenden Nasen herumgehen, welche wortkarg nach Armensünderblut schnupper- ten.

Die Seldwyler aber hielten jene Farbtunke stets

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bereit in einem eisernen Topfe, auf welchen das Rue- chensteiner Stadtwappen gemalt war und welchen sie den »freundlichen Nachbar« benannten und samt dem Pinsel im Bogen des nach Ruechenstein führenden Tores aufhängen. War die Beize aufge- trocknet oder verbraucht, so wurde sie unter närri- schem Aufzug und Gelage erneuert zum Schaber- nack der armen Nachbaren. Hierüber wurden diese einmal so ergrimmt, dass sie mit dem Banner auszo- gen, die Seldwyler zu züchtigen. Diese, noch recht- zeitig unterrichtet, zogen ihnen entgegen und grif- fen sie unerschrocken an. Allein die Ruechensteiner hatten ein Dutzend graubärtige verwitterte Stadt- knechte, welche neue Stricke an den Schwertgehän- gen trugen, ins Vordertreffen gestellt, worüber die Seldwyler eine solche Scheu ergriff, dass sie zurück- wichen und fast verloren waren, wenn nicht ein gu- ter Einfall sie gerettet hätte; denn sie führten spa- ßeshalber den »freundlichen Nachbar« mit sich und statt des Banners einen langen ungeheuren Pinsel.

Diesen tauchte der Träger voll Geistesgegenwart in die schwarze Wichse, sprang mutig den vordersten Feinden entgegen und bestrich blitzschnell ihre Ge- sichter, alsodass alle, die zunächst von der verab- scheuten Schwärze bedroht waren, Reißaus nahmen und keiner mehr der vorderste sein wollte. Darüber

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