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(1)

NEUE UNTERSUCHUNGEN IN DER MOSCHEE VON

TINMAL (MAROKKO): MASZE UND PROPORTIONEN'

Von Jens-Peter Wisshak, Sachsenheim

Die großmaßstäbhche Bauauftiahme der almohadischen Moschee^ bot

die ideale Gelegenheit zum Studium von Maßen und Proportionen.

Die Gnindfiguren (Abb. 1)

Die immer wiederkehrenden Grundfiguren sind das Quadrat und das

gleichseitige Dreieck. Das Quadrat tritt häufig mit einem um 45° ver¬

schwenkten Gegenstück zum achtstrahligen Stern ergänzt auf, das Dreieck

bildet mit dem auf der Spitze stehenden Gegenstück einen sechsstrahligen

Stem. Rechtecke werden häufig aus zwei aufeinanderstehenden Quadraten

Abb. 1

' In diesem Kurzreferat kann nur eine enge Auswahl wesentlicher Untersu¬

chungsergebnisse gerafft dargestellt werden. Eingehende Darlegung der geome¬

trisch-metrologischen Untersuchung in: C. Ewebt und J.-P. Wisshak: Forschun¬

gen zur almohadischen Moschee. Lieferung 2: Die Moschee von Tinmal (Marokko).

Mainz 1984. (Madrider Beiträge. 10.) Abschnitt 2, S. 80ff. In den folgenden

Anmerkungen für diese Monographie verwendetes Sigel: MB 10.

^ S. o. Beitrag Ewebt, S. 373.

(2)

oder zwei sich mit der Spitze berührenden Dreiecken gebildet. Derartige

Figuren sind uns auch aus anderen Kulturkreisen geläufig, die Überlage¬

rung beider Systeme macht das Besondere des Entwurfes von Tinmal aus.

Da das Verhältnis von Breite zu Höhe im Quadrat rational ist (1:1), im

Dreieck dagegen irrational (1: i/S), lassen sich beide Systeme nicht genau

zur Deckung bringen; Ausmittelungen, jedoch nur im Bereich von wenigen

Zentimetern, mußten vorgenommen werden.

Dreieck, Quadrat und Fünfeck sind die Oberflächenelemente der fiinf

Platonischen Körper, d. h. der regelmäßigen Körper, die sich einer Kugel

einbeschreiben lassend Das Fünfeck tritt in Tinmal nicht direkt auf, in der

Mihräbfassade sind aber wahrscheinlich seine Maßverhältnisse gegeben,

die dem Goldenen Schnitt entsprechen.

Für die Verwendung derartiger Figuren beim Entwoarf eines Bauwerkes

sprechen einerseits praktische Gründe, wie die Übertragung des Risses auf

den Bauplatz oder die Vereinheitlichung von Maßen. Bestimmt entsprang

ihre Anwendung aber auch dem Wunsch, die im Kosmos erkannte Harmo¬

nie mit ihrer Hilfe auf das Bauwerk zu übertragen.

Die Maßeinheit*

Der Mihräbfassade (Abb. 4) läßt sich ein Raster unterlegen, dessen Ein¬

heit (von uns mit e bezeichnet) 64 cm^ beträgt. An den Orthogonalseiten

des Gebäudes ließ sich kein rundes Vielfaches dieser Einheit finden,

jedoch, analog zu Untersuchungsbefunden von P. Grünauer' an umaiya¬

dischen Wüstenschlössern, auf den Diagonalen des Baus: deren Länge

beträgt genau lOOe (Abb. 3). In genauer Verzehnfachung finden wir die

Einheit e in der Diagonalen des normalen Pfeilergeviertes (Abb. 3), in der

axialen Breite des Mittelschiffes (Abb. 3) und in der Diagonale der O-Kup-

pel (Abb. 3; 5 a). Die Breite der Torrisalite beträgt 8e, entsprechend der

Breite der Mihräbfassade (Abb. 3; 4). Das charakteristische Maß von 10 e

tritt auch als Höhenmaß auf, als Scheitelhöhe der meisten Bögen (Abb. 8).

Die geometrische Anlage des Grundrisses^ (Abb. 3)

Eine Analyse der Formen des Grundrisses zeigt, daß alle seine Elemente

in klaren geometrischen Beziehungen zueinander stehen, und seine Pro¬

portionen sowohl auf dem Quadrat, als auch auf dem gleichseitigen Dreieck

als Grundfiguren beruhen.

' Tetraeder; Hexaeder (Würfel); Oktaeder, Dodekaeder; Ikosaeder.

" MB 10, Abschn. 2.3, S. 89-91.

^ Zur Genauigkeit s. MB 10, Anm. 459; zu ährüichen Maßeirüieiten a. 0.

Anm. 467; zu einer eventuellen Beziehung zur Erweiterung al-Hakams II. der

Moschee von Cördoba a. 0. S. 90.

Entwurfsprinzip und Metrologie umayyadischer Wüstenschlösser. In: Koldewey- GeseUschaft, Bericht über die 28. Tagung (1975), S. 19-23.

' Zu dieser Figur s. u. S. 386.

* MB 10, Abschn. 2.4, S. 92-106; Beü. 2.

(3)

Tiefe des Baus, einschließlich des Mihräb-Minarett-Blockes, und Breite

der Qibla sind gleich groß konzipiert, man ermittelt jeweils ca. 47,50 m'.

Dem Bauwerk kann also ein Quadrat umschrieben werden, über das nur die

Torrisalite als untergeordnete Glieder hinausragen. Verbindet man die bei¬

den nördlichen Ecken des Baus über Kreuz nit den beiden südlichen Ecken

des Mihräb-Minarett-Blockes, erhält man zwei sich mit den Spitzen berüh¬

rende, fast genau gleichseitige Dreiecke'", deren Seiten sich genau wie 1 :5

verhalten. Dieses Verhältnis schließt also die Breitseite des Minaretts und

die Gesamtlänge der N-Wand der Moschee ein. Der Berührungspunkt bei¬

der Dreiecke (E) liegt genau im Zentrum des Vormihräb-Kompartimentes;

mit anderen Worten, er ist identisch mit dem Schnittpunkt der Achsen des

Mittelschiffes und des Querschiffes vor der Qibla. Diese geometrische

Figur ist also ganz unmittelbar auf den T-Typ bezogen, ihr (einziger)

Schnittpunkt fällt in den Durchdringungsbereich derjenigen beiden Schiffe,

die das T bilden. Quadrat und gleichseitiges Dreieck sind so mit gleicher

Wertigkeit zur Grundrißbildung herangezogen, beide definieren im Zusam¬

menspiel Größe und Proportion des T.

Schrittweise können wir die geometrische Anlage des Baus verfolgen.

Die Abmessungen der Doppelfigur aus zwei gleichseitigen Dreiecken erge¬

ben sich, vom Durchmesser der Mihräbnische ausgehend, aus einer Folge

von Zirkelschlägen' '. Aufder Tiefenachse des Baus bestimmt ein Kreis von

3 e Durchmesser Lage und Größe der Mihräbnische, deren lichte Weite also

gleich ihrer Tiefe bis zur Innenflucht ihres Zugangsbogens ist. Die

Querachse durch den Kreismittelpunkt bildet fast genau die Außenflucht

der Qibla, deren Innenflucht durch die Spitze (A) eines gleichseitigen

Dreiecks markiert wird, das über dem Durchmesser des Kreises mit Zir¬

kelschlägen errichtet wird'^. Ein Kreisbogen um A, dessen Radius der

Distanz von diesem Punkt bis zum südlichen Scheitel der Mihräbnische (F)

gleicht, bestimmt fast genau die Breite des Kernes des Mihräb-Minarett-

Blockes zwischen den dem Mihräb zugekehrten Wandungen der die Qibla

durchbrechenden Schmalgänge (B-B') : Zirkelschläge um B und B', mit der

Distanz zwischen diesen beiden Punkten, ergeben die Tiefe des Mihräb-

Minarett-Blockes. Schließlich bestimmt ein Kreis um das Zentrum der S-

Front des Minaretts (C), mit dessen Distanz von der Innenkante des Mih-

räbbogens als Radius, die Breite des Turmes'^. Kreisschläge um die südli-

' Es handelt sich um den annähernden Mittelwert: Breite der Qibla: ca. 47,65 m;

Gebäudetiefe: ca. 47,35 m. An der Qibla mit dem vorspringenden Mihräb-Minarett- Block bzw. in der Tiefenachse des Gebäudes konnten die Maße nicht direkt am Bau ermittelt werden, sondern mußten in der Bauaufnahme (M. 1:50) abgegriffen wer¬

den.

'° Zu Maßabweichungen s. MB 10, S. 95 und Anm. 490.

" Als Instrument am Bau diente vermutlich der Schnurzirkel (s. MB 10, Anm.

481).

'^ Zu Maßabweichungen s. MB 10, Anm. 483.

Rechnerischen Idealwert und Maßabweichung in der Bauausführung s. MB

10, Anm. 486.

(4)

chen Ecken des Blockes (D, D') mit dem zuletzt gehindenen Maß fixieren

die Spitze (E) beider Dreiecke der triangulären Grundfigur, also den Mittel¬

punkt des Vormihräb-Kompartimentes, den Schnittpunkt der beiden Ach¬

sen des typenprägenden T. Wie man sieht, ist fiir das Aufreißen (bzw. für

das Abstecken auf dem Bauplatz) des Bereiches um den Mihräb nur ein

einziges Maß notwendig: der Radius des Kreises, aus dem das Grundrißpo¬

lygon des Mihräb durch Umschreiben gewonnen wurde. Alle anderen

wesentlichen Dimensionen lassen sich aus ihm ableiten, ohne nochmals

einen Maßstab zur Hand nehmen zu müssen. Diese Feststellung gilt auch

noch für den nächsten Schritt. Die Schrägseiten des ersten Dreiecks (DE

und D'E) werden über den Puiüit E hinaus verlängert, ihr Maß wird auf die¬

sen Strahlen 5 mal abgetragen. Damit ist grundsätzlich das große Dreieck

mit den nördlichen Gebäudeecken gewonnen. Die Tiefe des Baus, von der

S-Flucht des Mihräb-Minarett-Blockes bis zur N-Flucht des Mauerringes,

fällt bei exakter Konstruktion der Gesamthöhe des Dreieckpaares aber ca.

2,20 m größer als die Breite des großen Dreiecks aus (48,42 gegen

46,60 m)'". Diese beiden Werte kamen als Seiterüänge des einhüllenden

Grundquadrats in Frage, zwischen ihnen war zu wählen oder auszumitteln.

Die Entscheidung brachte eine weitere, der abzulesenden Maßgenauigkeit

nach zu urteilen, unumstößliche Forderung: Das Maß der längsten Gebäu¬

dediagonalen sollte lOOe betragen. Sie wird durch den fast genauen Mittel¬

wert erfüllt. Reduziert man die Gebäudetiefe auf 47,50 m, überträgt dieses

Maß auf die Qibla und schlägt nun von den so gewonnenen südlichen

Gebäudeecken (H.H') Kreisbögen mit dem Radius 100 e in Diagonalrich¬

tung, trifft man auf die um ca. 1 m nach S zurückgenommenen nördlichen

Gebäudeecken (J.J')'^. Auf die Idealbildung der beiden geometrischen

Grundfiguren hat man ausmittelnd verzichtet, aber - bei Erjullung der drit¬

ten, offenbar besonders wichtigen Grundgröße, der die Maßeinheit durch

genaue Verhundertfachung betonenden längsten Gebäudediagonalen -

ihre konstitutiven Maße am Bau ablesbar erhalten.

Erster Schritt der Gliederung in Langschiffe war vermutlich die Ardage

der axialen Breite des Mittelschiffes von genau 10 e. Die Schnittpunkte

seiner beiden senkrecht zur Qibla sich ergebenden Arkadenachsen mit den

Gebäudediagonalen von lOOe liegen in auffallender Nähe der Achse der

nördlichen Querarkade des Qibla-Riwäq (A5-K5), nur ca. 10-15 cm weiter

südlich, wir wagen aber rücht zu entscheiden, ob erst sie diese Transversale

bestimmt haben. Die gesamte Tiefenteilung der longitudinalen Arkaden,

die Flaiüienriwäqs eingeschlossen, könnte z.B. nach Eingrenzung des

Mauerringes sowie nach Festlegung der Qiblastärke und des Zentrums des

Vormihräb-Kompartimentes, die uns die Tiefe des Querschiffes vor der

Qibla liefern, mit den - zumindest in fast allen charakteristischen Details

bereits vor dem Bau von Tinmal normenhaft entwickelten - Pfeilerprofilen

vorgenommen worden sein: Man beachte den, von Bauungenauigkeiten

Berechnung s. MB 10, Anm. 488.

Ob dieser Prozeß des Ausmitteins durch mehrfaches Probieren auf der Bau- stehe oder in nur einem Schritt erreicht wurde, können wir nicht entscheiden.

(5)

abgesehen, einheithchen hebten Pfeilerabstand in den Grenzarkaden der

äußersten Seitenschiffe, von der Transeptgrenze bis zur Innenflucht der N-

Mauer'^

Bei der Einteilung der normalen Seitenschiffe verdient das Viereck, das

vier normale, hier im almohadischen Betsaal von Tinmal rechteckige Stüt¬

zen abstecken, das also die Breite eines normalen Seitenschiffes und die

Tiefe eines Arkadenjoches erfaßt, besondere Aufmerksamkeit, da es sich

als geschlossenes geometrisches Gebilde in die Geometrie des Gesamt¬

grundrisses perfekt einfügt". Dem Geviert kann, ebenso wie dem gesamten

Baukörper, ein Quadrat umschrieben werden, das sich, um 45° ver¬

schwenkt, auch genau zwischen die vier Pfeiler einpaßt'* (Abb. 3,r.). Die

Länge seiner Diagonalen zwischen den Pfeilerzentren beträgt genau lOe.

Ablesbar wurde dieses Maß an den ursprünglich überall im Innenraum vor¬

handenen Halbsäulen". Zwei sich entsprechende, um ein Joch gegeneinan¬

der versetzte Halbsäulen eines Normalschiffes haben voneinander genau

den gleichen Abstand wie die auf gleicher Höhe sich gegenüberstehenden

Halbsäulen des Mittelschiffes. Betrat man vom Sahn her das Mittelschiff

des Betsaales und ließ den Blick nach links und rechts schweifen, dürfte

diese Aquidistanz durchaus wahmehmbar gewesen sein'^°.

Den Halbsäulen kommt nun eine wesentliche Bedeutung zu: Da man an

ihrer Stellung die Maßverhältnisse am klarsten abliest, kann man sie als

die primären, raumgliedernden Elemente betrachten, die Ziegelpfeiler

dagegen als die sekundären, nur statisch notwendigen Stützen. Für diese

Interpretation spricht auch die Schmucklosigkeit der Pfeiler selbst. Sie

bleiben unscheinbar, während die Halbsäulen mit ihren vegetabilisch

geschmückten Kapitellen den Blick auf sich ziehen^'. Die Halbsäulen sind

also keineswegs nur eine dekorative Zutat zu den Pfeilern, sondern müssen

die (nicht mehr zur Verfiigung stehenden) monolitischen Säulenschäfte

ersetzen, die in den großen verehmngsvrärdigen, ja mitunter modellhaften

Betsälen der Vorväter, wie z. B. den Hauptmoscheen von Damaskus, Qaira¬

wän und Cördoba^^, die Arkadenbögen tragen.

"■ Vgl. Maße in Beitrag EvraiRT, Abb. 1.

" Dieses quadratische bzw. quadratnahe Grundgeviert ist in vielen islamischen Betsälen, auch voralmohadischer Zeit, unabhängig von der Orientierung der Schiffe

und von der Stützenform, nachzuweisen (s. Tabelle in MB 10, Anm. 499).

'* S. MB 10, S. 102 und Abb. 12.

" S. Beitrag Ewert, Abb. 1 (Grundriß-Rekonstruktion).

In der Erweiterung al-Hakams II. der Moschee von Cördoba wurde in das

gestalterische Konzept ganz bewußt der Schrägblick durch den Betsaal einbezogen (C. EvraiRT und J.-P. Wisshak: Forschungen zur almohadischen Moschee. Lieferung 1: Vorstufen. Mainz 1981. (Madrider Beiträge. 9.), S. 75 f; Abb. 35-37; MB 10, Anm. 501.

^' In dem so stark verwandten, praktisch intakten Innenraum der zweiten Kutu¬

biya-Moschee in Marrakesch können wir diese Wirkung noch wahrnehmen (s. MB

10, Taf 16; 17; 25; 27; 28d.f ; 29b.d.f; 33d.

Zu verwandten Dispositionen in der Erweiterung al-Hakams II. der Moschee

von Cördoba s. MB 10, Anm. 503.

(6)

Eine erstaunliche geometrische Beziehung zwischen Längs- und Querar¬

kaden ist festzustellen: Abstrahiert man den Grundriß zu einem in 9x9 Fel¬

der unterteilten Quadrat (Abb. 2), ergibt sich zwangsläufig, daß von den

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Abb. 2

Bogenscheiteln der nördlichen Querarkade des Qibla-Riwäq (A5-K5) aus¬

gehende Parallelen zu den Diagonalen sich auf der Kontur des Quadrats

mit denjenigen quergerichteten Linien treffen, die die Scheitel der Bögen

der Längsarkaden verbinden. Jedoch überrascht, daß diese Beziehung

auch im realisierten Gebäudegrundriß bestehen bleibt (Abb. 3, schwache,

gestrichelte und strichpunktierte Linien), trotz der unterschiedlichen

Schiffsbreiten und obwohl die Umgrenzung nun eine Doppellinie, d. h. eine

Mauer mit Außen- und Innenflucht, ist. Die Gebäudediagonalen beziehen

sich auf die Außenfluchten der Umfassungsmauer, die Parallelen zu ihnen

treffen sich dagegen auf ihrer Innenflucht mit den transversalen Scheitelli¬

nien. Längsarkaden, Querarkaden und Umfassungsmauer bilden zusam¬

men ein in sich geschlossenes maßliches Gefüge, in dem weder ein Abstand

zweier Bogenscheitel einer Arkade, d.h. eine Jochweite, noch eine Schiffs¬

breite, noch die Stärke der Umfassungsmauer ohne Störung dieses Sy¬

stems oder ohne Konsequenzen für andere Maße verändert werden könnte.

Die Miiiräbfassade" (Abb. 4)

Der Entwurf der Mihräbfassade fußt auf drei teilweise sich überlagern¬

den geometrischen Grundfiguren, bzw. Proportionsprinzipien.

1. Bezieht man die Laibungsbreite beider Flankenbögen des Vormihräb-

Kompartimentes (EO-E 1), die ideal 2 e beträgt, ein und nimmt als Höhe

das Maß von OK Fußboden bis UK Fußgesims des unter der Vormihräb¬

kuppel umlaufenden Flechtbandfrieses an, erhält man ein Quadrat von

" MB 10, Abschn. 2.5.1, S. 107-14; Beil. 8.

(7)

12 e Seitenlänge. Unterteilt man es als Raster mit dem Modul e, also in

12x12 Felder, zeigt sich, daß die ganze Komposition der Fassade

unmittelbar auf dieses Liniennetz bezogen ist.

2. Ahnlich wie im Grundriß fmden wir auch hier, gleichwertig neben dem

Quadrat, das gleichseitige Dreieck als übergeordnete Proportionsfigur:

zweifach als konstitutives Element eines Davidsternes^'', der die Höhe

bis zum Fuß des Kuppelgesimses einnimmt (14e), und dessen Breite

derjenigen des großen Quadrats gleicht (12 e) , also ebenfalls die Laibun¬

gen der beiden Flankenbögen einbezieht.

3. Außerdem entdeckt man Proportionen nach dem Goldenen Schnitt,

wieder unter Einbeziehung des Flechtbandfrieses am Kuppelfuß (Abb.

4: g:gl; gl:g2; g2:g3; g3:g:4).

Diese drei Systeme'^^ sind natürlich maßlich nicht völlig zur Deckung zu

bringen, bisweilen mußten Diskrepanzen mit Ausmittlungen kompensiert

werden, die sich jedoch auf wenige Zentimeter beschränken; dem Betrach¬

ter können sie nie störend ins Auge fallen; das schon bei der Anlage des

Grundrisses angewandte Prinzip der ausmittelnden Uberlagerung unter¬

schiedlicher geometrischer Systeme ist verfeinert und verdichtet.

Bezogen auf die horizontale Achse des Großquadrats von 12xl2e liegt

der die Maße und die Kontur des Mihräbbogens bestimmende Stern^', der

aus zwei um 45" gegeneinander verschwenkten Quadraten von 2 e Seiten¬

länge gebildet ist, sjmimetrisch zu einem identischen Pendant, aus dem

sich durch Einbeschreiben weiterer, jeweils gegeneinander um 45° ver-

schwenkter Quadrate die Gliederung des Mittelbereiches des Flechtband-

Alfiz, bis zur Bestimmung der Flechtstrangstärke, ableitet. Diese zwei glei¬

chen Grundfiguren (Abb. 4: in starken vollen Linien) sind einmal einem

Bogen, zum anderen einem geometrischen Flechtband, also zwei völlig ver¬

schiedenen Formen, unterlegt. Zum großen, die Gesamtproportion der

erweiterten Mihräbfassade mitbestimmenden sechsstrahligen Stern tritt

also zur Bestimmung wesentlicher Detailproportionen ein System acht-

strahliger Sterne. Beide unterschiedlichen, jeweils aus der Uberlagerung

zweier gleichseitiger Dreiecke bzw. zweier Quadrate gewonnenen Sterne

sind im fassadenkrönenden umlaufenden Friesband am Fuß der Vormih¬

räbkuppel im Dekor vor Augen gestellt.

Das Prinzip der Proportioniemng der Mihräbfassade ist auf die ganze

Qiblafront^' (Abb. 7) ausgedehnt. An das zentrale, stehende Rechteck

schließen sich links und rechts gleich proportionierte, jedoch liegende Flä-

Diese Figur wiederholt sich als proportionsbestimmendes, von der Mihräbfas¬

sade abhängiges Grundmotiv an der südlichen Außenfront des Mihräb-Minarett- Blockes (MB 10, Abschn. 2.7.1, S. 126f).

" S. zu ihnen MB 10, Abschn. 2.5.1.1 (Quadrat), S. 108-10; 2.5.1.2 (gleichsei¬

tiges Dreieck), S. Ulf; 2.5.1.4 (Goldener Schnitt, S. 113f).

^' S. in MB 10, S. 110 die erweiternden Darlegungen unter der Überschrift:

„Die Proportionen des Zugangsbogens der Mihräbnische".

" MB 10, Abschn. 2.5.2, S. 114-16; Beil. 6.

(8)

chen an und an diese wiederum stehende, welche die Wandflächen der Eck¬

kompartimente bilden. Über diesen stehen Quadrate als einhüllende Figur

der Kuppel-Querschnitte^*.

Die Querarkade vor der Qibld'^ (Abb. 8)

Die Gliederung der Arkade zeigt einen klaren Bezug zur Mihräbfassade

auf, d.h. wesentliche Maße wurden vom Mihräb ausgehend festgelegt.

Für die Höhenentwicklung sind zwei Horizonte maßgeblich, deren

Abstand voneinander durch das halbe Diagonalmaß des auf der Spitze ste¬

henden, den Scheitel des Mihräbzuganges fixierenden Quadrates von 2e

Seitenlänge bestimmt wird. Der untere Horizont liegt 4e über dem Fußbo¬

den und deckt sich mit der OK der Halbsäulenschäfte an den Pfeilern. Bil¬

det man über ihm gleichseitige Dreiecke, im Abstand der Schaftdurchmes¬

ser der den T-Pfeilern nördlich vorgelegten Halbsäulen (Abb. 8: in starken

vollen Linien), fallen in den Vielpaßbögen am Kopf der Normalschiffe, von

baulichen Ungenauigkeiten abgesehen, Dreieck- und Bogenscheitel zusam¬

men^". Die Halbsäulen sind somit zu den Vielpaßbögen der Querarkade in

Beziehung gebracht, sie sind nicht nur aufgesetzter Dekor, sondern

Bestandteil der übergeordneten geometrischen Figuration. Obwohl sie

eigentlich Glieder der Längsarkaden sind, hat man sie geometrisch und

somit formal auch den Bögen der Querarkade zugeordnet, mit denen sie ja

immer zusammengesehen werden.

Die Höhe der Alfices der Vielpaßbögen fußt auf einem zweiten Basishori¬

zont. Er fällt mit dem Scheitel des Mihräbzuganges zusammen und wird an

jedem Bogen, sowohl der Längs- als auch der Querarkaden, durch das

punktartig eingeengte Kreisauge im Überfall des S-formigen Bogenanlau-

fes markiert. Die Höhe des Mihräbbogens ist somit im ganzen Bauwerk als

durchgehender Horizont ablesbar. Auf ihm errichtete gleichseitige

Dreiecke (Abb. 8: in schwächeren vollen Linien), die mit ihren unteren

Ecken aneinanderstoßen, markieren mit ihren Scheiteln genau die Höhe

des Alfiz über jedem Vielpaßbögen. Im Mittelschiff erreicht die größere

Höhe des Dreiecks genau diejenige der erweiterten Mihräbfassade (14e),

einige auskragende Ziegel lassen auf diesem Niveau das Fußgesims eines

hölzernen Dachstuhles vermuten.

Die Muqama^kuppeln

Nur Grundzüge des geometrisch-metrologischen Gefüges können im

Rahmen dieses Kurzreferates angedeutet werden.

Für die zentrale Kuppel rekonstruieren wir hjrpothetisch eine Scheitelhöhe von 20 e, ein Maß, das doppelt so groß wie die Normalhöhe der Arkadenbögen ist (Abb. 7; s. auch MB 10, S. 115; 126; Beü. 3; 6).

^' MB 10, Abschn. 2.5.3, S. 116-18; Beil. 12.

Im Mittelschiff wird das entsprechende Dreieck infolge der größeren Breite höher, es reicht bis zur UK des waagerechten Alfiz-Schenkels.

(9)

Die O-Kuppef' (Abb. 5)

Die von den drei Muqama^gewölben des Transepts als einzige vollstän¬

dig erhaltene östliche Kuppel bildet im Grundriß (Abb. 5 a) genau ein Qua¬

drat mit einer Diagonalen von lOe Seitenlänge. Das komplizierte Linien-

gefüge ist aus einer Folge einander einbeschriebener bzw. umschriebener,

jeweils iun 45° verschwenkter Quadrate entwickelt, die zum einen vom

genannten umhüllenden Quadrat (mit der Diagonale lOe), zum anderen

von einem zentralen Quadrat mit der Seitenlänge 2 e ausgeht. Zwei Qua¬

drate mit 2e langer Seite überlagern sich nun zu einem achtstrahligen

Stern (Abb. 5a: in starken vollen Linien) ; wir kennen diese Figur in identi¬

scher Bemessung schon von der stark ausstrahlenden Mihräbfassade her

(vgl. Abb. 4: in starken vollen Linien).

Die wesentlichen Glieder dieser Quadratfolge lassen sich auch dem Ver¬

tikalschnitt und Aufriß (Abb. 5b) unterlegen: Die Höhenstufen lassen sich

mit geringfügigen Abweichungen aus ihnen ableiten.

Die MiliräbkuppeP (Abb. 6)

Das Gliederungsprinzip der 0-Kuppel wiederholt sich. Der Gesamt¬

durchmesser beträgt 3 e. Das konstitutive geometrische Element des acht¬

strahligen Leitsternes im Kuppelzenit (Abb. 6a: in starken vollen Linien),

das Quadrat, dessen Seitenlänge in der 0-Kuppel 2 e beträgt, weist hier im

Zentnun des Moschee-Entwurfs die reine, unmultiplizierte Einheit e als

Seitenlänge aus. Zur Ableitung der Höhenstufen läßt sich dem Aufriß (Abb.

6 b) wieder die Quadratfolge des Grundrisses unterlegen. Darüber hinaus

kann man dem Schnitt der Kuppel aber auch ganz genau ein gleichseitiges

Dreieck einbeschreiben (Abb. 6 b: in starken vollen Linien). UnterteUt man

dessen Höhe in 8 gleiche Teile, ergeben sich dieselben Stufenhöhen wie aus

der Quadratfolge, mit einer durchschnittlichen rechnerischen Abweichung

von nur ca. 0,1 mm^^. Daß es gerade im Mihräb, im hierarchischen Zen¬

trum, nun zur fast exakten Deckung von Maßen kommt, die aus den zwei

unterschiedlichen geometrischen Figuren, aus Quadrat und gleichseitigem

Dreieck, abgeleitet sind, erscheint uns kein Zufall, es entspricht auch dem

gestalterischen Prinzip der Mihräb-Fassade.

" MB 10, Abschn. 2.6.1, S. 119-24; Beü. 21.

" MB 10, Abschn. 2.6.2, S. 124 f.; BeU. 24.

" S. MB 10, S. 125 und Anm. 591.

(10)

Abb. 1

Grundfiguren des geometrischen Schemas und ihre Erweiterungen, a. b Grundfigu¬

ren; a Quadrat; b gleichseitiges Dreieck; cd Sterne aus zwei kongruenten,

gegeneinander verschwenkten Grundfiguren; c achtstrahliger Stern aus zwei Qua¬

draten; d sechsstrahliger Stern aus zwei gleichseitigen Dreiecken; e.f zwei auf¬

einandergestellte Grundfiguren; e Doppelquadrat; f Rechteck aus zwei gleichseiti¬

gen Dreiecken.

Abb. 2

Im Rasterschema idealisierter Grundriß mit der Beziehung zwischen den Scheitel¬

punkten der nördlichen Querarkade des Qibla-Riwäq und denen der Längsarkaden (s.u.) 1 :1000.

Abb. 3

Grundriß (ergänzte Planung der N-Riwäqpfeiler gestrichelt) 1:400.

Abb. 4

Mihräbfassade (mit flankierenden Bogenstellungen und umlaufenden Flechtband¬

fries unter der Vormihräbkuppel) 1:80.

Abb. 5

0-Kuppel 1:80. a Grundriß; b Vertikalschnitt (f-f).

Abb. 6

Mihräbkuppel 1:40. a Grundriß; b Vertikalschnitt (g-g).

Abb. 7

Qibla, Innen- (N-) Front und Schnitt A-A durch die drei iiberkuppelten Komparti¬

mente 1:250.

Abb. 8

Querarkade vor der Qibla (Al-Kl), N-Front und Schnitt B-B durch die beiden süd¬

lichen Seitentore 1:250.

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STADTGRÜNDUNGEN ALS HERRSCHAFTSSYMBOL.

BEMERKUNGEN ZUR ARCHITEKTUR ISLAMISCHER

HERRSCHERSTÄDTE DES 16. UND 17. JAHRHUNDERTS.

Von Marianne Barrucand, Paris

Das Thema Urbanismus gehört zu den zentralen Fragen sowohl der geo¬

graphischen wie auch der historischen Islamforschung und die Definition

der „islamischen Stadt" oder vielmehr der „traditionellen orientalischen

Stadt im islamischen Bereich" (E. Wirth) hat sich im Laufe der letzten

Jahrzehnte erheblich differenziert. Von den 30er Jahren an, von G. Mar-

9Aisl E. Levi-Proven9al^ H. Terrasse"* bis zur heutigen Forschung,

hat man die Sonderstellung einer bestimmten Kategorie von Städten

erkannt: vüles royales, vüles gouvernementales, royal eüies, Königsstädte.

Das Thema ist jedoch noch nicht zusammenhängend bearbeitet worden

und überdies besonders für die nachmittelalterlichen Gründungen viel zu

sehr in einer Okzident-Orient-Perspektive gesehen worden, die dem Pro¬

blem nicht gerecht wird. Man muß davon ausgehen, daß es sich bei diesen

Herrscherstädten um eine dem islamischen Bereich eigene Tradition han¬

delt, die ihm natürlich nicht vorbehalten ist, und man muß die Frage stel¬

len, welche Elemente für diesen Herrscherurbaiüsmus konstitutiv, welche

nebensächlich sind, welchen Anteil rein lokale Traditionen haben, ob man

eine chronologische Entwicklung beobachten kann, inwieweit diese Städte

älteren orientalischen Modellen folgen, bzw. was an ihnen spezifisch isla¬

misch ist.

Nach einigen Bemerkungen zur Tradition dieses Herrscherurbaiüsmus

werden hier Kriterien vorgeschlagen, die von den diesem Stadttyp inhären¬

ten Funktionen ausgehen und die somit den konstitutiven Zügen dieser

' In den letzten 20 Jahren haben sich sowohl zusammenfassende Darstellungen

und Syntheseversuche, als auch Analysen von Einzelproblemen gehäuft. Eine

umfassende Zusammenstellung gibt E. Wirth: Die orientalische Stadt. Ein Über¬

blick aufgrund jüngerer Forschung zur materiellen Kultur. In: Saeculum XXVI, 1

(1975), S. 45-94 (Bibl. S. 89-94). Aus der jüngeren orientahstischen Forschung:

B. Johansen: The aü-embracing town and its mosques, al-mi^r al-^ami'. In: Revue de rOccident Musulman et de la M6diterran6e 32(1981-2 ),S. 139-161. Mehrere inter¬

disziplinäre CoUoquien haben beträchtlichen Nachhall gefunden: 1. M. Lapidus

(Hrsg.): Middle Eastem Cities. Berkeley/Los Angeles 1969; A. H. Hourani und

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