Astronomie
mit Gravitonen
Mittwochsakademie Siegen
„Astrophysik mit Teilchen“
Hannover, 22. 7. 2009 Peter Aufmuth
Albert-Einstein-Institut
Leibniz Universität Hannover
Albert-Einstein-Institut
Institut für
Gravitationsphysik Leibniz Univ. Hann.
Theorie
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Inst.) Potsdam/Golm
Gravitationswellen- detektor GEO600
Experiment
www.aei-hannover.de
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Inst.) Hannover
Sonderforschungsbereich
„GW-Astronomie“
Albert-Einstein-Institut
Arbeitsgruppen:
Gravitationswellen
Laserentwicklung
Datenanalyse
kohärente Optik
Übersicht
1. Was sind Gravitationswellen ?
Entstehung, Eigenschaften, Stärke 2. Welche Informationen enthalten sie ?
Neutronensterne, Schwarze Löcher, Urknall 3. Wie empfängt man Gravitationswellen ?
Resonanzantennen, Laserinterferometer
Was sind
Gravitationswellen ?
Entstehung, Eigenschaften, Stärke
1.
Einsteins Gravitationstheorie
„Die Gravitation ist keine Kraft, sondern
eine Eigenschaft des Raums.“
1912
Albert Einstein (1879 – 1955)
Der Raum ist kein starrer Hintergrund,
er wird durch Massen verformt.
Massen krümmen den Raum
Vorstellung anhand einer Fläche
eine Masse
krümmt den Raum (Riemannscher Raum) keine Masse
= keine Krümmung (Euklidischer Raum)
„Trampolin-Effekt“
Gravitation ist Geometrie !
Allgemeine Relativitätstheorie
„Die Materie bestimmt die Krümmung des Raums, und
der Raum bestimmt die Bewegung der Materie.“
John A. Wheeler (1911 – 2008)
1915
Lichtablenkung
Gravitationslinsen- Effekt:
Mehrfachbilder und Ringe
© HST © MIT
Scheinbare Scheinbare Position Position
Wahre Wahre Position Position
Auch das Licht folgt der Geometrie des Raumes.
Geometrodynamik
Die Geometrie der Raumzeit ist nicht nur gekrümmt, sie verändert
sich auch ständig.
Alle Massen im Universum bewegen sich; das Univer- sum selbst expandiert.
Wie schnell beeinflußt eine solche
Veränderung die Umgebung ?
John A. Wheeler
Gravitationswellen
Die Ausbreitung von Störungen in der Struktur
der Raumzeit erfolgt nur mit endlicher Geschwindigkeit
→ Existenz von Gravitationswellen
← mit Lichtgeschwindigkeit → Sternexplosion
(Supernova)
1916
Gravitationswellen...
... sind durch beschleunigte Massen erzeugte Transversalwellen in der Struktur der Raumzeit, die sich mit
Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.
Bewegte Massen erzeugen GW
Voraussetzung: Quadrupolmoment = Abweichung der Massenverteilung von der Kugelsymmetrie
Massenquadrupol
Rotierender Neutronenstern mit „Berg“
Kollaps und Explosion eines Sterns (Supernova)
Binärsysteme (Planetensystem, Neutronensterne, Schwarze Löcher)
Wirkung einer Gravitationswelle
Änderung in der Struktur der Raumzeit
Der Raum wird abwechselnd
gequetscht und gedehnt
Die Welt als Wackelpudding
Wirkung einer Gravitationswelle
auf einen Kreis aus Testmassen mit dem Radius l:
× +
Polarisation
Die Raumverzerrung entspricht einer Längenänderung Relative Längenänderung: h = δl
/
lZeitlicher Verlauf während einer Periode der GW
Stärke von Gravitationswellen
10
46J
≈ 1 % Ö GW
Supernova in der Milchstraße Strahlungsleistung auf der Erde:
S ~ 100 000 W/m²
= 100 x el.-magn. Solarkonstante
Problem: Verschwindende Wechselwirkung zwischen Gravitationswellen und Materie
Gravitonen
Die Allgemeine Relativitätstheorie ist eine klassische Feldtheorie.
Das zugehörige Feldquant ist das Graviton.
Graviton Spin = 2 Ruhemasse 0 Lichtgeschw.
hf E =
Strahlungsleistung auf der Erde:
1031 Gravitonen pro m² und s Man wird nie
einzelne Gravitonen beobachten
können 1046 J
Beispiel: Supernova in der Milchstraße
Gravitonen ?
Aber: Es ist bisher noch nicht gelungen, eine Quantentheorie der Gravitation aufzustellen.
Ist die Gravitation überhaupt eine Wechselwirkung wie die anderen ? Der Raum
ist das „Feld“ ! Programm
Geometrisierung der anderen WW !
→ Schleifen- quantengravitation
Anforderungen an die Messung
Günstigster Fall: Supernova in der Milchstraße
→ h ~ 10
–18h ~ 10
–21Erforderliche Empfindlichkeit zur Beobachtung von Nachbargalaxien:
Vorteil:
Messung von Amplituden !
Sehr selten !
„Virgo Cluster“
Galaxienhaufen in 50 Mio Lj Entfernung
Eine Änderung von 10
–21bedeutet ...
← 150 Mio. km →
Abstand Erde – Sonne ändert sich um den Durchmesser eines Wasserstoff-Atoms !
Oder: Eine 1 km lange Meßstrecke ändert sich um 1/1000 eines ATOMKERNdurchmessers !!!
Einsteins Befürchtung
Gravitationswellen sind eine notwendige
Folgerung aus der Relativitätstheorie...
... aber der Effekt ist so klein,
daß man sie wohl nie beobachten wird.
„Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation“
Sitzungsberichte der KPAW Berlin 1916
A. Einstein
Welche Informationen enthalten
Gravitationswellen ?
Neutronensterne, Schwarze Löcher, Urknall
2.
Quellen von Gravitationswellen
die energiereichsten und heftigsten Vorgänge
im Universum
Kompakte
Doppelsternsysteme
Urknall und Inflation Supernovae
Kollidierende Galaxien Schwarze Löcher Pulsare
Simulation von Gravitationswellen
Kollision zweier Neutronensterne
und von zwei
Schwarzen Löchern
Albert-Einstein-Institut Potsdam
Beobachtbarer Frequenzbereich
Frequenz f [Hz]
Millihertz Kilohertz Signalstärke h
Supernovae Neutronen- Sterne
Pulsare Schwarze
Löcher Weiße Zwerge
Frequenz f [Hz]
Vorteile der GW-Astronomie
Keine Schwächung oder
Streuung von GW an Materie
→ ideale Informationsträger
Das gesamte Universum ist transparent für GW bis zurück zum Urknall !
8
– 13,7 Mrd. – 13,3 Mrd. – 10 Mrd. Heute
GW Licht
Neutrinos
GW-Astronomie: Supernovae
SN 1987A
Kollaps eines ausgebrannten Sterns zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch und Explosion der äußeren Hülle des Sterns.
Pulsierender Neutronenstern:
Beim Kollaps wird der Kern zu Sinusschwingungen angeregt.
Saenz u. Shapiro 1981
SN 1987A ©HST
Licht-Astronomie: Supernovae
Konventionelle Astronomie:
Helligkeitsverlauf
Abbild der Oberfläche des Sterns durch die Strahlung vieler unkoordinierter Atome
GW-Astronomie: Supernovae
Berechnetes Signal eines durch Rotation abgeplatteten Sterns Blick in das Innere des Sterns
Beobachtung der kohärenten Bewegung großer Massen
Im Gravitationswellen-Signal bilden sich die Details des Kollapses und der folgenden Explosion ab
GW-Astronomie: Pulsare
Radiopulsar = schnell rotierender Neutronenstern mit starkem
Magnetfeld, der gebündelte Radiowellen aussendet.
Gravitationswellen durch kleine Abweichungen des Sterns von Kugelgestalt (kleine „Hügel“)
→ periodisches Signal Viele bekannte Pulsare
Frequenz: 300 – 600 Hz (z.B. PSR J1939+2134)
h
t
GW-Astronomie: Binärsysteme
Zwei Neutronensterne oder Schwarze Löcher, die einander umkreisen
und schließlich verschmelzen
© John Rowe Animation
Amplitude und Wellenform sind sehr gut bekannt
→ genaue Bestimmung der Entfernung
h
Bestimmung der Hubble- Konstante auf 2 %
Zeit t [s]
Indirekter Nachweis von GW
∆T [s] Änderung der Periastronzeit PSR 1913+16
= Radiopulsar + Neutronenstern
Einsteins Vorhersage
± 0.2 %
Russell A. Hulse Joseph H. Taylor, Jr.
© John Rowe Animation
Nobelpreis für Physik 1993 Energieverlust durch Abstrahlung von GW
→ Veränderung der Bahndaten
GW-Astronomie: Schwarze Löcher
Ein kleines Schwarzes Loch (10 Sonnenmassen) umkreist
ein Schwarzes Loch von 1 Million Sonnenmassen
Gravitationswellen liefern ein genaues Bild, eine Karte, von
der Oberfläche des Schwarzen Lochs.
Kip Thorne
GW-Astronomie: Hintergrundstrahlung
Ursache: Urknall und Inflation des Univerums
Test der Theorien über das frühe Universum Information über das
Universum direkt
nach seiner Entstehung
∆ t < 10-24 s
Frequenz f
GW-Astronomie: Das Unbekannte
nichtleuchtende Materie, durch den Gravitationslinseneffekt nachgewiesen
© HST
Unvermutete Signale Neue Entdeckungen
Dunkle Materie ?
Wie empfängt man Gravitationswellen ?
Resonanzantennen, Laserinterferometer
3.
Wie kann man
Gravitationswellen messen?
Gravitationswellen
erzeugen eine Längenänderung
verformen einen Festkörper
„vorher“ „nachher“
Joseph Weber (1919 – 2000)
Der Pionier der GW-Forschung
Resonanzantennen („Weber-Zylinder“)
Moderne Zylinderantennen
AURIGA
Legnaro, INFN (Italien)
NIOBE
Schwingungs- isolierung flüssiges He
20 19...10
10− −
≈ h
Nur um die Resonanzfrequenz herum empfindlich (f ~ 980 Hz)
Die Wirkung einer Gravitationswelle
... besteht in einer unterschiedlichen Längenänderung δl in x- und y-Richtung
Problem: Maßstäbe werden ebenfalls verändert
Man muß man die beiden unterschiedlich veränderten Strecken gleichzeitig betrachten !
Michelson-Interferometer
Anforderung: δφ = 10–11 Spiegel
destruktive Interferenz Auslöschung
Strahl- teiler
Laser Spiegel konstruktive
Interferenz Verstärkung
Die Empfindlichkeit hängt von der Armlänge und der umlaufenden Lichtleistung ab.
Zentralhaus Nordarm
Ostarm Institut für Obstbau
und Baumschule
600 m
600 m
GEO600
Laser + Strahlteiler
Endspiegel
Endspiegel Ein Michelson-Interferometer
mit 600 m langen Armen
www.geo600.de
GEO600 ist das Ergebnis einer über 30jährigen
Entwicklungsarbeit
GEO600 – Strahlengang
Nd:YAG-Laser 14 W @ 1064 nm
cw, stabilisiert TEM00
Leistungsverstärkung Signalüberhöhung
Umlaufende Leistung: 10 kW Ultrahochvakuum
Störquellen („Rauschen“)
Seismisk
Restgas
Strahlungs- druck Temperatur
Schrot- rauschen Frequenz
Amplitude
Aufgabe:
Rauschen beseitigen oder verschieben !
Vakuumsystem
Anforderung: UHV Druck < 10–6 Pa
Gewelltes Edelstahlrohr Ø 60 cm, d = 0,9 mm Edelstahltanks, Ø 1 m, h = 2 m
Aufhängung der Endspiegel als Pendel
Anforderung: Dämpfung der seismischen Störungen um 109 Masse
fest montiert
Monolithische Aufhängung:
Keine Reibungsverluste Masse als Pendel
aufgehängt
Doppelpendel: Aktuatoren
Spulen + Magnete
elektrostatischer Aktuator
Optische Resonatoren:
Filter, Energiespeicher und Verstärker
L Spiegel
R = 100 %
Spiegel R = 98 %
Resonatoren speichern Energie, maximal bei der Resonanzfrequenz („Eigenfrequenz“); dann auch max. Transmission
„Fabry-Perot“
Interferenz- filter
Lichtquelle = Nd:YAG-Lasersystem
Ø
Nd:YAG-Kristall (als Ringresonator
geschliffen)
„Master“-Laser „Slave“-Laser
Pump- dioden Pump-
Dioden
@ 808 nm 800 mW
10 W cw
@ 1064 nm
TEM00
13 W
Modenfilter
Der Photonenfluß ändert sich statistisch:
→ Intensitätsschwankung auf der Photodiode Schrotrauschen → mehr Licht !
Optimale Lichtleistung
Die Photonen übertragen Impuls:
→ Rückstoß-Bewegung der Spiegel
Strahlungsdruckrauschen → weniger Licht ! 10 kW
60 µN 3 µm
?
Die optimale Lichtleistung für
GEO 600 beträgt ca. 1 MW.
!!!
Recycling-Verfahren
Voreinstellung: dunkler Ausgang
→ alles Licht läuft zum Eingang zurück
„Power Recycling“
Spiegel
Strahl- teiler
Spiegel Laser
Signal PR-Spiegel
P ~ 10 kW
Das Licht erneut verwenden !
SR-Spiegel
„Signal Recycling“
V ~ 100 ×
+ die Möglichkeit, den Detektor abzustimmen Spezialität von GEO600 !
Abstimmung durch Signal-Recycling
Die Resonanzfrequenz hängt von der Position des Recycling- Spiegels ab, die Bandbreite von der Reflektivität des Spiegels.
Das Signal-Recycling verändert das Schrotrauschen:
Breitband-Betrieb mit Signal-Recycling
Time
Schrot- rauschen
Empfindlichkeit von GEO
Rausch- amplitude
h
δl = 3⋅10–19 m Restrauschen
+ Störsignale + Kalibriersignale
Frequenz f [Hz]
GEO600 – Status 2009
Kontinuierlicher Betrieb mit > 95 % Stabilität Erster Detektor der Zweiten Generation
Koinzidenzmessungen mit LIGO und Virgo Weitere Arbeit:
Absenkung des Rauschniveaus Erhöhung der Bandbreite Erprobung
neuer Konzepte
Datenaufnahme
Aufzeichnung des GW-Signals und
des Detektorzustands (alle Regelsignale, Umwelt, Zeitbasis, ...)
64 Kanäle mit 16384 Hz 64 Kanäle mit 512 Hz 1000 Kanäle 1 Hz
Datenrate: 50 GB/Tag
Beobachtung der Nordseewellen
rot = x grün = y Darstellung der x- und y-Freiheitsgrade
der Strahlteiler-Regelung.
Niederfrequenter Anteil (0,5 Hz):
Beobachtung der Erdgezeiten
12,4 Std. = ein halber Mondtag Der Mond hebt u.
senkt auch die Erdoberfläche um einige cm.
Ein weltweites Netz
2 × 4 km 3 km 600 m 300 m
AIGO LIGO Scientific Collaboration
Zusammenarbeit von 60 Instituten
An der Schwelle zur
Gravitationswellenastronomie
Erde Virgo Supercluster Heutige
Reichweite
Bis jetzt noch kein Signal nachgewiesen.
Eine Vergrößerung der Reichweite um einen Faktor 10 bedeutet eine Vergrößerung des Beobachtungsvolumens um einen Faktor 1000 !
Die seismische Wand
Signalstärke h
Frequenz f [Hz]
Erdgebundene GW-Detektoren GW-Detektoren im All ®
L I S A
mHz kHz
z
Seismische Störungen
“Laser Interferometer Space Antenna”
5 Mio km Armlänge
ausgelegt für den mHz-Bereich h ~ 10–24
NASA / ESA
LISA
Drei Satelliten in heliozentrischer Umlaufbahn 20° (= 50 Mio. km) hinter der Erde
Vorgesehener Start: 2020
Probe-Mission (LISA Pathfinder) : 2011