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Daniela Rothe Lebenslanges Lernen als Programm Eine diskursive Formation in der Erwachsenen- bildung

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| 94 | REPORT 3/2012 (35. Jg.)

Daniela Rothe

Lebenslanges Lernen als Programm Eine diskursive Formation in der Erwachsenen- bildung

Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2011, 465 Seiten, 49,90 Euro,

ISBN 978-3-593-39425-1

Es war Michel Foucault selbst, der 1970 in seiner Inauguralvorlesung „Die Ordnung des Diskurses“ am Collège de France darauf insistierte: „Man muss den Diskurs als eine Gewalt begreifen, die wir den Dingen antun;

jedenfalls als eine Praxis, die wir ihnen auf- zwingen.“ In diesem Sinne legt Daniela Rothe in ihrer 2011 veröffentlichten Dissertation die Rekonstruktion jener gewaltigen Praxis vor, in der Lebenslanges Lernen in der Erwach- senenbildungsforschung und Bildungspolitik diskursiv formiert wird. Rothes Publikation ist somit weniger als Beitrag zur inhaltlichen Bestimmung Lebenslangen Lernens zu sehen, denn als Einblick in dessen verschlungene Konstruktionsmodi. Damit eröffnet Daniela Rothe die Möglichkeit eines gänzlich anderen Blickes auf das Lebenslange Lernen.

Im ersten Teil des Buches fokussiert die Autorin die Erwachsenenbildungsforschung und deren Bezugnahmen auf Lebenslanges Lernen. Bereits in der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass wissenschaftliche und bil- dungspolitische Textsorten sich zwar erheb- lich hinsichtlich ihrer Interessen und Entste- hungslogiken unterscheiden, während diese Differenz in Diskussionen um Lebenslanges Lernen jedoch kaum thematisiert wird. In der Beleuchtung der wissenschaftlichen Be- zugnahmen arbeitet die Autorin diese Unter- schiede analytisch heraus und hält zusam- menfassend fest, dass „der überwiegende Anteil der Literatur in der Erwachsenenbil- dungsforschung (…) in einem tendenziell affirmativen Verhältnis zur bildungspoli- tischen Ausarbeitung des Konzepts“ (S. 167) steht. Über Forschungen werden nicht zu- letzt bildungspolitische Strategien legitimiert bzw. können Bezugnahmen auf Lebenslanges

Lernen im Wettbewerb um Drittmittel eine entscheidende Rolle spielen. Eine durchläs- sige Grenze dieser beiden Felder deutet Ro- the unter anderem als Gefährdung der Auto- nomie der wissenschaftlichen Disziplin.

Im zweiten Teil erarbeitet sich die Auto- rin in bemerkenswerter Genauigkeit das theo retische und methodische Grundgerüst für die diskursanalytische Rekonstruktion der herangezogenen bildungspolitischen Doku mente. Neben der intensiven und ge- zielten Auseinandersetzung mit ausgewähl- ten Werken Foucaults ermöglicht die Auto- rin selbstreflexive Einblicke in die einzelnen Arbeitsschritte und -prozesse.

Die profunde Analyse der diskursiven Formation Lebenslanges Lernen im drit- ten Teil bietet neben einer chronologischen Betrachtung des Untersuchungszeitraumes (Dokumente von 1996 bis 2004) eine ein- gehendere Ausarbeitung anhand der drei zentralen Gegenstände „gesellschaftlicher Wandel“, „Lernen als Imperativ der Le- bensführung“ und „Zugang zu Bildung“.

In allen ausgearbeiteten Teilbereichen wird der Grundtenor ersichtlich: Lebenslanges Lernen wurde bildungspolitisch als Doktrin aufgebaut, um mit unterschiedlichen Mitteln möglichst viele Akteure aus unterschied- lichen Feldern von dessen unumgänglicher Notwendigkeit zu überzeugen. Eindrucks- voll weist Rothe eine Fülle an Mechanis- men dieses Indoktrinierungsprozesses nach, etwa die Homogenisierung argumentativer Figuren, die selektive Ausweitung von Spre- cherpositionen oder die strategische Verwis- senschaftlichung der Bildungspolitik. Als gewissermaßen architektonische Stützpfeiler der diskursiven Formation legt die Autorin u.a. die Naturalisierung gesellschaftlicher Prozesse, die Individualisierung von Verän- derungspotenzialen und die vorherrschende Ausrichtung auf ökonomische Fragen frei.

Die Abschlussdiskussion im vierten Teil des Buches verdichtet die Ergebnisse noch- mals und lässt kaum Zweifel an der macht- vollen Gewalt der diskursiven Formation Lebenslanges Lernen. Rothes Arbeit be- sticht insgesamt durch eine sehr detaillierte

Online: http://www.die-bonn.de/doks/report/2012-rezension-lebenslanges-lernen-als-programm.pdf

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Rezensionen

Rezensionen Analyse, die gleichzeitig allerdings dazu

führt, dass gelegentlich zentrale Aussagen in der Fülle an Beschreibungen, umfassenden Bezugnahmen und fundierten Erkenntnis- sen etwas untergehen. Es ist Forschungs- pragmatisch nachvollziehbar – wenn auch aus unserer Sicht bedauerlich –, dass sich Rothes Analyse neben Dokumenten der EU in erster Linie auf bildungspolitische Do- kumente in Deutschland konzentriert. Für Leser/innen in Österreich und der Schweiz bleiben entsprechende Verknüpfungen auf Vermutungen angewiesen. Was Rothe nichtsdestotrotz vorgelegt hat, ist ein em- pirischer Nachweis der – von kritischer Seite häufig angenommenen – strategischen Implementierung und mächtigen, gouver- nementalen Wirkung bildungspolitischer Konzepte. Rothe erschließt Kontexte, die über einzelne Dokumente hinausgehen und partikulare Aussagen als Teil eines glo- baleren Aussagefeldes verstehbar machen.

Nicht zuletzt wirkt der Text desillusionie- rend hinsichtlich der Hoffnung auf eine

„freie Wissenschaft“ oder pädagogische Autonomie. Ob kritische Stimmen aber gerade aus der wissenschaft lichen Distanz, die Rothe als die „Autonomie des Feldes“

preist (S. 169), für bildungspolitische Oh- ren noch wahrnehmbar sind, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob die Wahrnehmung alleine zur diskursiven Deformierung aus- reichte.

Empfehlen können wir dieses Buch nicht nur jenen, die sich für diskursanalytische Herangehensweisen innerhalb der Erwach- senenbildungsforschung interessieren, son- dern allen, die sich in irgendeiner Form mit Lebenslangem Lernen beschäftigen. Selbst wenn je nach Interesse manche detaillierten Ausführungen dabei übersprungen werden (können), bleiben die Erkenntnisse nachvoll- ziehbar und sehr erhellend. Rothe sei gedankt für ihren empirischen Ausweis gouvernemen- taler Strategien und machtvoller Diskurse, die Lebenslanges Lernen so fix in unserem Leben und Denken verankert haben.

Daniela Holzer/Christoph Straka

Annette Sprung

Zwischen Diskriminierung und Anerkennung

Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft Waxmann Verlag, Münster 2011, 354 Seiten, 29,90 Euro,

ISBN 978-3-8309-2496-8

„Wie mit der Herausforderung Migration umgehen?“ Diese Frage wird in der pädago- gischen Praxis sowie in der erziehungswis- senschaftlichen Forschung seit über 30 Jah- ren mit steigender Intensität reflektiert. Die Erwachsenenpädagogik zählt allerdings zu jenen Bereichen, in denen zur Migrations- thematik bis dato weder ausreichend empi- rische Studien noch theoretische Grundlagen vorliegen.

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßens- wert, dass sich Annette Sprung in ihrem Buch dem Thema Partizipationschancen und Be- dingungen der Handlungsfähigkeit mit einer Schwerpunktsetzung auf die Arbeitsmarkt- partizipation sowie die Teilhabe an Weiter- bildung von Personen mit Migrationshinter- grund in Österreich annimmt. Der kritische Fokus der Arbeit liegt nicht, wie häufig in pä- dagogischen Analysen, auf der Erforschung einer bestimmten „Zielgruppe“, sondern auf den politischen Bedingungen einer Migrati- onsgesellschaft, welche die Handlungsfähig- keit beeinflussen und eingewanderte Men- schen als „Andere“ adressieren.

Anknüpfend an Erkenntnisse aus der interkulturellen Bildungsforschung entfaltet die Autorin einen Ansatz, der auf Prozesse der Organisationsentwicklung und die Fra- ge der Professionalisierung von Erwachse- nenbildner/inne/n bzw. Weiterbildner/inne/n abzielt. Sie versteht ihre Arbeit als „Baustein zur theoretischen Fundierung einer migra- tionssensiblen und rassismuskritischen Wei- terbildung“ (S. 11) und fordert dabei eine rassismuskritische Weiterbildung, die alle Akteure der Weiterbildung in die Verantwor- tung nimmt.

Online: http://www.die-bonn.de/doks/report/2012-rezension-lebenslanges-lernen-als-programm.pdf

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