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Bibliographische Notizen über zwei nordarische und
zwei sanskritische Fragmente.
Von Ernst Lenmann.
Die vier Fragmente gehören dem Geographen Prof. E 11 s w o r t h
Huntington in New-Haven, der sie aus Khadalik (nördlich von
Khötan) nach Amerika gebracht hat. Je eine Seite der vier Stücke
ist photographiert in seinem Werke 'The Pulse of Asia' (London
1910) auf den zu p. 204 und 206 gehörenden Illustrationsblättern: 5
die beiden nordarischen Stücke führen da die Signaturen 'I' und
'K', die andern beiden die Signaturen 'F' und 'J'.
Über die Stücke T und 'K'.
*I' ist das vpohlerhaltene Blatt 214 jener unvollständigen
Handschrift E, über die ich in meinem Buche 'Zur nordarischen lo
Sprache und Literatur' p. 11 flf. gesprochen habe, wo es p. 12 Mitte als in St. Petersburg fehlend erwähnt wird. Es enthält die Strophen E
VII 24—35 und vervollständigt (wie ebenda p. 14 zu ersehen ist) in
willkommener Weise das im Ganzen aus 60 Strophen bestehende
Kapitel E VII. Huntington's Photographie zeigt die Rückseite des 15
Blattes.
'K' ist ein beidseitig von derselben Hand beschriebenes Stück
aus einer Rolle; Höhe 41 cm, Breite 17*;'2 cm. Aus dem Inhalt
läßt sich erkennen, daß selbst in den vollständigst erhaltenen Zeilen
links noch je etwa 6 Silben fehlen, so daß die volle Breite der 20
Rolle ungefähr 23*/^ cm betragen haben dürfte ; die volle Höhe
mag — nach den in London und Paris vorhandenen Tunhuang-
Rollen zu schließen — eine sehr beträchtliche gewesen sein.
Vorderseite: 19 Zeilen; die ersten drei in größerer Schrift
und mit weiterm Abstand. 25
Rückseite : 25 Zeilen ; in dem genannten Werke Huntington's
kann man auf dem eben diese Seite darstellenden Bilde
(das umzudrehen ist) von den Zeilen 20—25 fast nichts
erkennen, weil das Fragment, ehe es zu mir kara, an der
entsprechenden Stelle (Vorderseite oben = Rückseite unten) 30
ganz zerknittert war.
4 9 *
680 Leumann, Bibliographische Notizen.
Auf beiden Seiten zeigen sieb oben und unten noch geringe
Spuren von weitern Zeilen.
Das Vorstehende besagt, daß 'K' aus dem Werke, welches in der
Rolle aufgeschrieben war, bloß zwei weit auseinanderliegende und
5 wegen der UnVollständigkeit aller Zeilen äußerst lückenhafte Zu¬
sammenhänge enthält. Ich werde auf diese beiden Zusammenhänge
an anderer Stelle zurückkommen.
Über die Stücke *F' und 'J'.
'F' bildet das rechte Ende eines 14zeiligen Saddharmapu^darlka-
10 Blattes ; wiederum ist Huntington's Photographie (sie bietet die
Rückseite des Pragmentes) umzudrehen. Höhe 18 cm. Auf dem
Blatte hat, als es noch vollständig war, von Saddharmap. XIII 65'^ an
der ganze Schluß des XIII. Kapitels samt einem Teil der Unter¬
schrift gestanden, woraus sich berechnen läßt, daß es etwa 53 cm
15 breit gewesen ist. Es dürfte wie 'I' einer Handschrift angehört
haben, die in St. Petersburg durch zahlreiche Blätter vertreten ist.
Auf den einzelnen Zeilen des vollen Blattes haben durchschnittlich
28—30 Silben gestanden, und vorhanden sind nun von diesen auf
unserm Fragment immer nur die letzten 7—10. Diese Zeilenreste
20 lauten (ich setze Silben, die kaum lesbar sind, und solche, die ich
ergänze, in Kursivdruck):
foetrain vipulam bhavisyati* pare-
anäsrava sa - gauravä bhütva
^iVi-kandarasmi bhävitva dharmam
26 variiam Äata - punya - laksa-
. . ^jarsadi samprakä^ayet sva-
prajahiUa, sarvam antahpuram
r<pasarnkramld 2 yena ca bo-
Äodhi - arthikah divasäna
so ca präp tas tada utthahi-
ca 8 dharma detoyed acintikä
näsrava nirväpayitvä
nä sya bhoti imi e-
^Äosah sada tasya bhonti, ya¬
ss iti II Saddharmapundarlke
1. °vipy° Fragm. 2. im Fragm. ist r wie rr gesctirieben und die Silbe mt irrtümlich wiederholt. 3. oder va.
*J' bildet das rechte Ende eines 18 zeiligen Blattes; Höhe
10 cm. Auch hier ist bei Huntington die Rückseite photographiert.
40 — Das Fragment dürfte aus einer Handschrift des Samghäta-sütra
oder eines ähnlichen Prosa-Werkes stammen; ungenannte Buddha's
schildern die Bedeutung des Sakyamuni unter Zuhilfenahme des
bekannten Bildes vom Sumeru und dem Senfkorn.
4 9 *
681
Die Quitte als Vorzeichen bei den Persem.
Von A. Fischer.
Herr P. Schwarz hat im letzten Hefte dieser Zeitschrift
(S. 473 ff.) die von mir vor sechs Jahren aufgeworfene Frage wieder
aufgenommen, ob De Goeje die Worte Tabari I, i.fl, 14: xl^^JiJjt
! L^3iIj i^äJ! ,die Quitte, deren Bedeutung ist: ,das Gute'"
richtig verstanden hatte, wenn er auf Grund dieser Stelle im Gloss. 5
Tab. s. Js^^i*., schreibt: ,,y^yu^ apud Persas symbolum erat boni
(^jA^!)*. Trotz aller Mühe, die er sich gegeben hat mich ins Un¬
recht zu setzen, ist Herrn Schwarz ihre Lösung nicht gelungen (er
selbst ist freilich offenbar vom Gegenteil überzeugt). Ich freue
mich, sie jetzt selbst liefern zu können. 10
Sie ergibt sich ohne weiteres, wenn man sich — was ich
s. Z. zu tun versäumt hatte — gegenwärtig hält, daß die betr.
Erzählung bei Tabari (eine Episode aus seiner Darstellung der Ent¬
thronung und Ermordung des Sasanidenfürsten Chosrau II Parwez)
letzten Endes auf persische Quellen zurückgeht. In diesen Quellen is
hat an Stelle des arab. safargala das pers. bi'hi (möglicherweise auch bik) „Quitte" gestanden, bihi und bih konnten ohne weiteres
mit (oder natürlich eigentlich mit einer persischen Entsprechung
davon, wie «5^, jjCö oder ^>jyi>) zusammengebracht werden, weil sie zugleich — ja sogar gewöhnlich — ,Güte, Vortrefflichkeit" bezw. so
„gut (besser), vortrefflich" u. ä. bedeuten. Es liegt also ein regel¬
rechtes omen ex nomine vor, eine superstitiöse Ausdeutung des
genannten persischen Namens der Quitte , vermutlich eine Aus¬
deutung, die nicht von Chosrau II Parwez improvisiert worden ist,
sondern die in Persien bereits volkstümlich war. 25
Daß diese Lösung richtig ist, bestätigt das Schähnäme, wo
die Erzählung von Chosrau Parwez und der Quitte wiederkehrt,
und zwar in einer Gestalt, die deutlich verrät, daß sie der¬
selben Quelle entstammt, wie die Darstellung des Vorgangs bei
Tabari. Die Quitte heißt hier nämlich tatsächlich bikl, auch so
wird ihr Name hier einmal ausdrücklich in eine innere Beziehung