Bericht aus dem Arbeitskreis "Ärzte und Juristen"
Zusammenfassung
Der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen" in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat
Jürgen Probst
1sich auf seiner Sitzung am 20. und 21. April 2012 in Würzburg unter
1 BG-Unfallklinik Murnau der Leitung von Prof. Dr. Hans-Detlef Saeger unter anderem mit
nachfolgend genannten Themen befasst.
Text
Verschuldensunabhängige Entschädigung
• Dr. iur. GeraldBachinger, Sprecher der Patientenan- wälte Österreichs:Verschuldungsunabhängige Entschä- digung: Erfahrungen in Österreich aus juristischer Sicht
• Prof. Dr. Wolfgang-UlfWayand, Linz:Erfahrungen aus der Sicht eines chirurgischen Primararztes
• Prof. Dr. HartmutSiebert, Schwäbisch-Hall:Sind auch in Deutschland Vorteile zu erwarten? Sind die Voraus- setzungen vergleichbar?
• Dr. iur. AlexandraJorzig, Rechtsanwältin, Dortmund:
Einschätzung aus juristischer Sicht in Deutschland
Die früher schon einmal im Arbeitskreis erörterte Thema- tik (Grafe, Laum, 11/2003) wurde erneut, und zwar am Modell der österreichischen Regelung (Bachinger), disku- tiert. Deren Grundanliegen ist die Förderung außergericht- licher Lösungen, gerichtsanhängige Fälle scheiden von vornherein aus. Die Entschädigung soll Patienten zugute kommen, bei denen die (gesetzliche) Haftung nicht ein- deutig gegeben ist, bei Beweisschwierigkeiten, Komplika- tionen, katastrophalen Verläufen und bei außergewöhn- lich großen Schäden. Finanzierung aus einem Fond, der durch behandlungstägliche Einzahlungen der Patienten gebildet wird.
Durch eine Kommission, in der auch ein Patientenanwalt mitwirkt, wird geklärt, ob im strittigen Fall nach den Re- geln der medizinischen Wissenschaft gehandelt wurde, es sich um einen Dauer- oder Spätschaden handelt, der Schmerzverlauf wird berücksichtigt, ferner, ob eine Komplikation aufgetreten ist (Wayand).
Siebert legte die deutsche Rechts- und Sachlage (gericht- liche Entscheidung. Schiedsstellen der Ärztekammern) sowie Verhältnisse in anderen Ländern dar. Er empfiehlt, Patientensicherheit als ein nationales Gesundheitsziel wahrzunehmen und so von der Schuldkultur zur Sicher- heitskultur zu gelangen. Neben der Konzentrierung der Kompetenz im gerichtlichen Verfahren hält er die Media-
tion durch die Schiedsstellen sowie die Optimierung deren Arbeit, ferner den Aufbau eines Melderegisters für zielfüh- rend. Ziel müsse es auch sein, die Skandalisierung und Kriminalisierung und die Polarisierung Patient/Arzt zu beenden. Vorstellung der Eckpunkte des verschuldensu- nabhängigen Entschädigungsfonds (Entwurf der Bundes- länder).
Jorzig stellte die juristische Problematik einer ärztlichen Gefährdungshaftung in den Mittelpunkt. Eine solche sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (anders als im Arznei- mittelgesetz, Produkthaftungsgesetz, Gentechnikgesetz).
Auch das Patientenrechtegesetz berücksichtigt eine sol- che nicht. Mit den §§ 630a-h BGB werden jedoch die bisher richterrechtlich entwickelten und etablierten Rechtsfiguren und Beweissituationen normativ verankert.
Verantwortlichkeit patientenferner Entscheider
• Prof. Dr. Norbert Roeder, Münster: Aus Sicht eines Universitätsklinikums
• Prof. Dr. UweSchulte-Sasse, Heilbronn:Aus Sicht des behandelnden Arztes
• Dr. iur. T. Neelmeier, Hamburg: Aus strafrechtlicher Sicht
Die Gesundheitspolitik hat die Weichen hin zu mehr Wettbewerb gestellt. Es fehlen aber die Strukturvorgaben für Personal und Infrastruktur. Geschäftsführung und Chefärzte seien gemeinsam (!) verantwortlich für die Pa- tientensicherheit, die Ergebnisqualität und eine wirtschaft- liche Leistungserbringung. Jede medizinische Entschei- dung sei auch eine ökonomische Entscheidung. Das gelte aber auch umgekehrt (Roeder).
Im nachfolgenden Referat wurde anhand von Urteilen die Wertung im Verhältnis der Organisationspflichten des Krankenhausträgers zur Verantwortung des Arztes, auf Engpässe der Versorgung „mit allem Nachdruck hinzuwei- sen und Abhilfe zu fordern", angesprochen (Schulte-Sas- se).
1/2 GMS Mitteilungen aus der AWMF 2013, Vol. 10, ISSN 1860-4269
Mitteilung
OPEN ACCESS
Anhand einschlägiger Urteile bemängelte Neelmeier, dass in der Ermittlungspraxis „das strafrechtliche Augenmerk nur auf die unmittelbar handelnden Arzte gerichtet wird, da mit ihrer Verfolgung ein spontan-oberflächliches Be- dürfnis nach Verantwortungszuweisung befriedigt ist".
Dies sei generalpräventiv den bedrohten Rechtsgütern der Patienten nicht dienlich, indem dadurch eine Verbes- serung der schadensanfälligen Organisation nicht wahr- scheinlicher werde.
Alle Vortragsfolien sind in Originalgröße online auf der AWMF-Website unter folgender Adresse verfügbar:
www.awmf.org/die-awmf/arbeitskreise/ak-aerzte-juristen/
1-sitzung-2012.html
Erstveröffentlichung: Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten, 2/2013
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Jürgen Probst
Alter Mühlhabinger Weg 3, 82418 Murnau/Staffelsee Prof.Juergen.Probst.Murnau@t-online.de
Bitte zitieren als
Probst J. Bericht aus dem Arbeitskreis "Ärzte und Juristen". GMS Mitt AWMF. 2013;10:Doc5.
DOI: 10.3205/awmf000278, URN: urn:nbn:de:0183-awmf0002788
Artikel online frei zugänglich unter
http://www.egms.de/en/journals/awmf/2013-10/awmf000278.shtml
Eingereicht:26.04.2013 Veröffentlicht:07.05.2013
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