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B.I.T.online 13 (2010) Nr. 4

394

glosse

394

 Am 9. Januar 2010 jährte sich der Geburtstag Kurt Tucholskys das 120. Mal, sein Todestag am 21. Dezember 1935 zum 75. Mal – Grund genug, um an diesen bedeutenden Schriftsteller und Journalisten auch in B.I.T.online am Ende des Jubiläums- jahres zu erinnern und ihn zu ehren. Wie könnte man ihn aber besser ehren, als ihn selbst zu Wort kommen zu lassen? Daher folgt hier in dieser letzten Glosse des Jahres 2010 Tucholsky pur, und zwar in zwei Tex- ten, die mit einer Bibliothek zu tun haben.

Bei dem Urberliner Tucholsky ist es natürlich die Preußische Staatsbibliothek, zu der er eine offensichtlich recht zwiespältige Bezie- hung besaß.

Der erste Text ist eine Philippika gegen Bücherschänder, die auch in unserer Zeit ihr Unwesen treiben; vom zweiten Text wird nur der Anfang, der sich auf die Bibliothek bezieht, hier abgedruckt. Aber auch dieser kurze Text ist die pure Lesefreude!

Kleine Bitte

„Wenn einer und er entleiht ein Buch von einer Bibliothek, sagen wir den Marx: Was will er dann lesen? Dann will er den Marx lesen. Wen aber will er mitnichten lesen?

Den Herrn Posauke will er mitnichten lesen.

Was aber hat der Herr Posauke getan? Der Herr Posauke hat das Buch vollgemalt. Pfui!

Ob man seine eigenen Bücher vollschrei- ben soll, ist eine andere Frage. (Vgl. hier- zu: ›Über das Vollschreiben von Büchern, Buchrändern sowie buchähnlichen Gegen- ständen‹; Inaugural-Dissertation von Dr.

Peter Panter; der Universität Saarow-Pies- kow vorgelegt, meinen lieben Eltern gewid- met.) Mit den eigenen Büchern also begin- ne man, was man mag. Aber wie verfährt man mit fremden?

Die Preußische Staatsbibliothek, der man die Kosten für eine mittlere Infanterie- Division bewilligen sollte, auf daß sie eine moderne Bibliothek werde, sollte sich auf

das schärfste gegen jene schützen, die die Unart haben, entliehene Bücher vollzugei- fern, man kann das nicht anders nennen.

– »Oho!« – »Ganz falsch, siehe Volkmar Sei- te 564.« – »Blödian!« –»Bravo!« – »Nein, diese Theorie ist eben nicht von N. abge- lehnt worden!« – »Dumme Frechheit!« … was soll denn das alles –?

Erstens einmal ist es feige, den Autor anzu- krähen: er ist ja nicht dabei und kann sich nicht wehren. Zweitens stört es den nächs- ten Leser außerordentlich bei der Lektüre:

man mag nicht oben auf einer linken Seite zu lesen beginnen, wenn unten rechts etwas angestrichen ist, was man nicht kennt; das Auge wird unruhig, schweift ab…ja, wenn wir das selber unterstrichen hätten, dann kennen wir auch das Buch, und das ist ganz etwas anderes. Ein Bibliotheksbuch aber gehört allen, und alle sollten es sauber und anständig behandeln.

Stadtbibliotheken und Fachbibliotheken lei- den unter dieser Unsitte – wir alle leiden darunter, die wir uns viele Bücher nicht kau- fen können. Es ist wie: Stullenpapier im Gru- newald liegen lassen.

Kleine Bitte an Bibliotheksbenutzer:

Laßt Marginalien von andern Leuten schrei- ben – tut es nicht! Malt nicht die Bücher voll, es ist nicht schön. Zeichnet eure Bemerkun- gen auf; schreibt nicht so viel in die Bücher hinein, schreibt lieber mehr aus ihnen her- aus! Beschimpft den Autor nicht am Rande.

Schreibt ihm einen Brief.

Herrn

Geheimbderath Göthe Weimar.

Eine nähere Adresse ist nicht nötig; der Brief kommt schon an. Frick paßt auf.

Und malt die Bücher nicht voll. Nein? Tuts nicht mehr!”

(Peter Panter. Vossische Zeitung, 03.03.1931) – – –

Gallettiana

„Beschäftigt mit meinem Werk: ›Die Hämor- rhoiden in der Geschichte des preußischen Königshauses‹, blätterte ich neulich verson- nen in einem Katalog der Staatsbibliothek.

Das ist eine freundliche Arbeit. Schon nach vier Seiten hat mein geübtes Philologenge- hirn vergessen, wozu ich eigentlich herge- kommen bin, und strahlend versenke ich mich in das Meer von Geschreibsel. Einmal bin ich auch auf mich selber gestoßen. – Es gibt den Ausspruch eines hannoverschen Bauern, der den dummen Streichen der Studiker zusieht: »Wat se all maket, die Stu- denten!« Wat se wirklich all maket … Wenn die Deutschen keine Geschäftsordnungs- debatten abhalten, scheinen sie Bücher geschrieben zu haben. Hier ist es schön still, in der Bibliothek. Draußen klingeln die Bah- nen: hier muffeln kurzsichtige Professoren in dicken Wälzern, freundliche, wenn auch großfüßige Mädchen laufen hin und her, die Bibliothekare sehen sauer aus, als woll- ten sie alle Studenten, die nicht Bescheid wissen, auffressen – eine Insel der Seligen.

[…]“

(Weltbühne, 03.08.1922)

ERLESENES von Georg Ruppelt

Kurt Tucholsky und die Bibliothek

Dr. GeorG ruppelt ist Direktor der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Niedersächsische

Landesbibliothek Waterloostraße 8 30169 Hannover georg.ruppelt@gwlb.de

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