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Augusto Guzzo. Humanistische Philosophie Grundkonzeption, problematische Struktur und charakteristische Ausprägungen

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Band 9,6

Augusto Guzzo

Humanistische Philosophie –

Grundkonzeption, problematische Struktur und charakteristische Ausprägungen

aus dem Italienischen übersetzt und herausgegeben von Michael Walter Hebeisen

Biel/Bienne: Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag, 2021

(2)

Titel der Originalausgabe:

La filosofia – Concetto, struttura, caratteri, in: Memorie dell’Accademia delle Scienze di Torino, Serie 3, Tomo 5, parte II, N. 4, Torino: Accademia delle Scienze, 1961.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Guzzo, Augusto:

Ausgewählte Werke in deutscher Übersetzung / Michele Federico Sciacca.

– Biel/ Bienne:

Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag

NE: Hebeisen, Michael Walter [Hrsg.]: Guzzo, Augusto: [Sammlung]

Bd. 9,6: Humanistische Philosophie – Grundkonzeption, problematische Struktur und charakteristische Ausprägungen /

aus dem Italienischen übersetzt und hrsg. von Michael Walter Hebeisen. – 2021

ISBN 978-3-7534-9160-8

© 2021, Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag in Biel. – Printed in Germany. –

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschliesslich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Wiedergabe nur mit ausdrücklicher

Genehmigung des Verlags.

Gesetzt aus der Palatino 12/10p von Linotype

Druck auf säure-, holz- und chlorfreies FSC

®

-zertifiziertes Papier

Herstellung und Vertrieb: Books on Demand GmbH, D-Norderstedt

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Inhaltsverzeichnis

Michael Walter Hebeisen: Vorwort des Übersetzers und

Herausgebers 13 - 16

Augusto Guzzo: Humanistische Philosophie – Grundkon- zeption, problematische Struktur und charakteristische Ausprägungen

(La filosofia – Concetto, struttura, caratteri, in: Memorie dell’Accademia delle Scienze di Torino, Serie 3, Tomo 5, parte II, N. 4, Torino:

Accademia delle Scienze, 1961)

17 - 391

Übersicht 17

I. Die Grundkonzeption der Philosophie 19 - 128

1.1 Die Philosophie – Rückwendung des Menschen zu sich

selber 19 - 38

[1. – Extravaganz der Konzeption einer Philosophie, wonach sich der philosophische Denker auf keine Kunst versteht, sondern nur alles erörtert, ohne selber etwas davon zu verstehen, S. 19; 2. – Wenn sich der Handlungsträger dazu erhebt, „bewusst wissen zu wollen“, zu philosophieren, dann bedeutet dies eine bessere Partizipation an der Handlungspraxis, nicht jedoch eine Absetzung davon oder deren Ablehnung, S. 21; 3. – Einer Konzeption von Philosophie als einer

„Abkehr“ von der Lebenswelt steht entgegen, dass die Philosophie ein Zugang zur eigentlichen Welt, zum eigentlichen Leben bedeutet, S. 22; 4. – Einer Konzeption von Philosophie als einer „Überwin- dung“ der lebensweltlichen Aktivitäten steht entgegen, dass sich eine solche Konzeption einer Überwindung auf alles und jedes anwenden lässt, nur nicht auf das Verhältnis der Philosophie zu den anderen menschlichen Aktivitäten, S. 23; 5. – Bei der Erhebung von der blossen menschlichen Existenz, von der reinen Wahrnehmung oder Empfindung zum bewussten Wissen, zu einem Wissen das um sich selber bewusst weiss, handelt es sich nicht um eine „Überwindung“, sondern um eine „Transzendierung“, S. 25; 6. – Die Wissenschaften

„transzendieren“ das interessierte Erforschen, um sich der Regel- gemässheit zu versichern, indem sie eine reflektierende Denkpause des „objektiven“ Untersuchens zwischen der Wahrnehmung und dem Handeln einfügen, S. 27; 7. – Die Künste „transzendieren“ die menschliche Existenz dadurch, dass sie neue Formen und Gestaltun- gen erschaffen, S. 29; 8. – Die Wissenschaften und die Künste „trans- zendieren“ sich wechselseitig, sind einander gleichgeordnet, nicht übergeordnet oder untergeordnet, S. 30; 9. – Die Gerechtigkeit „trans- zendiert“ die zweckorientierte Nützlichkeit, und die Caritas, die Liebe „transzendiert“ die Gerechtigkeit – Caritas und Gerechtigkeit

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„transzendieren“ einander wechselseitig, sind einander gleichgeord- net, nicht übergeordnet oder untergeordnet, S. 31; 10. – Da es keinerlei Überwindung gibt, gibt es auch keinen Evolutionsprozess, sondern lediglich einen dialektischen Entwicklungsprozess von einer Entwicklungsstufe zur nächsten, S. 33; 11. – Die Philosophie „über- steigt“ oder „transzendiert“ die anderen menschlichen Aktivitäten nicht, sondern wendet sich diesen mit ihrem erneuernden kritischen Bewusstsein zu, S. 35; 12. – Wenn der Mensch zum Philosophieren erwacht, „transzendiert“ er sich selber nicht etwa, sondern „findet“

recht eigentlich zu sich selber, S. 36]

1.2 Philosophie, Religion, Künste 39 - 64

[1. – Ob von der Religion und der Philosophie die eine der anderen überlegen oder unterlegen ist, S. 39; 2. – Ob die Philosophie die Religion in sich aufgehen lassen kann oder zu ersetzen vermag; die Philosophie kann die Religion nicht dadurch aufheben, dass sie diese apriorisch als unannehmbar ausweist oder erklärt, S. 44; 3. – Der Konflikt der Philosophie im Spannungsfeld zwischen einem rationa- len und einem irrationalen Fideismus, S. 49; 4. – Die Philosophie neigt dazu, eine Religionsphilosophie, eine philosophische Religion auszuarbeiten, die sich an die Stelle der aus Glauben praktizierten Religion setzt, S. 51; 5. – Die Philosophie überwindet immer nur einen Glauben, wenn sie der Meinung ist, den Glauben überhaupt als Ausprägung des menschlichen Geisteslebens überwunden zu haben, S. 53; 6. – Da die Philosophie der übernatürlichen Religion weder überlegen noch untergeben ist, erweist sich die offenbarte göttliche Vernunft als etwas von der reflektierenden Vernunft verschiedenes, S. 57; 7. – Die Religion ist der Philosophie aber auch nicht überlegen;

nur Gott, das Göttliche steht über allen menschlichen Aktivitäten, einschliesslich des religiösen Glaubens, wobei der Glaubensakt dem Vernunftakt weder unterlegen noch überlegen ist, sondern beide vielmehr miteinander unvergleichliche Aktivitäten ausmachen, S. 59;

8. – Gleichwie die Religion, so erweisen sich auch die Künste als nicht auf die Philosophie rückführbar, und umgekehrt, sodass es zwischen ihnen weder eine „Überwindung“ oder "Aufhebung", noch eine „dia- lektische Beziehung“ gibt, S. 63]

1.3 Philosophie, Wissenschaften, Praxis 65 - 85

[1. – Soll die Philosophie verwissenschaftlicht oder praktisch ausge- staltet werden, oder vermag sie ihre Autonomie gegenüber den Wis- senschaften und der Handlungspraxis zu behaupten? S. 65; 2. – Die Aufforderung an die Adresse der Philosophie, sich umfassend zu verwissenschaftlichen, S. 66; 3. – In Einzelfällen lässt die Wissenschaft heutzutage die Begründetheit und Berechtigung von etwas unwis- senschaftlichem gelten, S. 69; 4. – Die zeitgemässen Wissenschaften halten nicht mehr an einem materialistischen Monismus fest, wie noch bis vor kurzem, S. 73; 5. – Die Methodologie der Wissenschaften erweist sich als ein reflektierendes Nachdenken über die Wissen-

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schaftlichkeit, dies im Sinn eines theoretischen Bewusstseins, das bei der Ausübung der Wissenschaftsdisziplinen erwacht, S. 75; 6. – Die Methodologie der Wissenschaften erweist sich als eine Wissen- schaftsphilosophie, wenn diese sich selber nicht als ein objektives oder verwissenschaftlichtes Wissen konzipiert, S. 78; 7. – Die Technik bezieht sich auf das gesamte menschliche Leben, wird aber von der erfindungsreichen menschlichen Intelligenz eingesetzt, S. 81; 8. – Die Philosophie kann sich durchaus zu einem vertiefenden Verständnis des Werkschaffens in all seinen Ausprägungen erheben, und den- noch ihrer richtungsweisenden Funktion, ihrer Orientierungsaufgabe treu bleiben, welche die Ausprägungen der Praxis in sich tragen und im Prozess ihrer praktischen Verwirklichung deutlicher in Erschei- nung treten lassen, S. 83]

1.4 Philosophie und Geschichtsschreibung 87 - 109

[1. – Stellt sich die Philosophie als eine blosse Methodologie der Historiographie, der Geschichtsschreibung heraus? S. 87; 2. – Philo- sophisch begründetes Erkennen bedeutet das Gleichzeitige, Gegen- wärtige zu bestimmen, geschichtliches Verstehen besteht in einer Rekonstruktion des Früheren, Vergangenen, S. 90; 3. – Die Erkenntnis besteht in einer aktiven, kreativen Partizipation des erkennenden Subjekts, die Geschichtsschreibung, die Historiographie hingegen leistet eine interesselose, unbeteiligte, objektivierende Beurteilung, S.

92; 4. – Die Geschichtsschreibung verwendet konzeptuelle Begriffe, aber auch die Erkenntnis und die Handlungspraxis sind darauf ange- wiesen; diese konzeptuelle Begriffsbildung bildet sich in der mensch- lichen Erfahrung insgesamt aus, lange bevor sie die Philosophie als solche ausgeprägt und strukturiert auffindet, S. 98; 5. – Besonders die bedeutenden Geschichtsschreiber rekonstruieren den Verlauf der historischen Gegebenheiten oder Begebenheiten gemäss ihrer eigenen persönlichen Weltauffassung; eine solche Lebens- und Weltauffas- sung kann auch von anderer Seite herrühren, als von einer eigent- lichen philosophischen Auffassung, und sie mag über die Geschichts- schreibung hinaus auch das Erkennen und das Handeln anregen, S.

101; 6. – Es gibt keine Unter- oder Überordnung von Philosophie und Historiographie, Geschichtsschreibung, da konzeptuelle Begrifflich- keit als Kriterien für die Urteilsbildung, Urteilskraft die damit ermög- lichte Beurteilung in eine bestimmte Richtung weisen, eine bestimmte Orientierung verleihen, S. 103; 7. – Die gelehrte philosophische Wissenschaft findet im menschlichen Bewusstsein die konzeptuelle Begriffsbildung vor, die sie zu Kriterien ihrer Beurteilung macht;

wenn das spontane Philosophieren eines einzelnen menschlichen Individuums den Sprachgebrauch prägt, dann wird auch die Erfah- rung davon angeleitet, ist aber davon nicht abhängig und lässt sich davon auch nicht ableiten, S. 107]

(6)

1.5 Die Autonomie der Philosophie 111 - 128

[1. – Autonomie bedeutet, die Normativität nicht von aussen aufer- legt zu erhalten, aber auch nicht, etwas aussenstehendem die Norma- tivität zu auferlegen, und auch nicht, sich von der Norm abzusetzen, S. 111; 2. – Wenn die Philosophie die konkreten menschlichen Aktivi- täten aus den Augen verliert, dann verfällt sie in einen grundlosen und letztlich nichtigen Unilateralismus, S. 112; 3. – Die Philosophie in all ihren Ausrichtungen soll in engem Kontakt mit der menschlichen Erfahrungswelt stehen, wenn sie eine integrale Bezeugung der Erfah- rung leisten und nicht austrocknen oder eingehen will, S. 115; 4. – Wenn die Philosophie behauptet, der Religion, den Künsten, der Politik oder der Ökonomie normative Regeln vorschreiben zu kön- nen, dann übt sie darauf eine tyrannische, despotische Macht aus, vergleichbar derjenigen, die sie von seiten der Politik oder der Reli- gion schon hat erduldet müssen, S. 116; 5. – Es erweist sich als eine Anmassung von seiten der Philosophie, die einen oder anderen Aus- prägungen der menschlichen Aktivitäten vorschreiben oder normativ bestimmen zu wollen, S. 119; 6. – Die Freiheit macht eine Pflichtauf- gabe des Menschen aus, S. 120; 7. – Die Philosophie hat zur Aufgabe, sich weder von seiten der Politik, noch der verpolitisierten Religion Vorschriften machen, und sich nicht von den historischen Umstän- den leiten zu lassen, S. 123; 8. – Die der Philosophie zueigene

„Gesetzmässigkeit“ besteht darin, sich immerfort die Frage zu stellen, wozu es führt und was es bedeutet, wenn der Mensch die Lebens- formen und die Ausprägungen seiner Lebenswelt in eigener Sache immer wieder neu erfindet, und sich dabei über seine eigene fort- bestehende Wesensnatur eines animalisch-organischen Lebewesens zu erheben, S. 127]

II. Die problematische Grundstruktur der Philosophie 129 - 255 2.1 Die Phänomenologie der Philosophie 129 - 156

[1. – Der Ausgangspunkt des Philosophierens ist in Sokratischem Verständnis das Denken von Allen, und der Endpunkt ist die kriti- sche Reduktion dieser Denkansätze im Hinblick auf das individuelle Gute und das kollektive Wohlergehen, S. 129; 2. – Die Wurzeln des Baums der Philosophie liegen in der ursprünglichen Bedürfnisstruk- tur der Menschen, aber die Baumkrone besteht in einer Entwicklung einer kritisch kohärenten Theorie und in der Ausarbeitung einer systematischen Ordnungsstruktur, S. 134; 3. – Der anfängliche kriti- sche Nährboden geht von der Verwunderung aus, die den Menschen antreibt, nach dem „tieferen Grund“ der Herausforderungen zu for- schen (nicht zu verwechseln mit der kausalen Ursache dafür); und solange eine solche Begründung aller Dinge dieser Welt nicht beige- bracht ist, kann und muss man danach auf der Suche sein, S. 141; 4. – Wenn eine Erklärung dessen vorgeschlagen wird, was sich nicht ver- stehen lässt, kommt es zu „Lebens- und Weltauffassungen“, zu

„Weltanschauungen“, die ihrerseits einer kritischen Überprüfung

(7)

bedürfen, S. 144; 5. – Eine rigoros verfahrende Kritik, beziehungs- weise die Skepsis besteht in einer Verpflichtung, zu erforschen, liegt aber auch in einem Vermögen zu dieser Erforschung begründet, schliesst mithin den Glauben aus, alles immer schon zu wissen, und verhindert gleichzeitig einen Verzicht auf das Wissen-Wollen;

dadurch wird der Skeptizismus im Ergebnis ausgeschlossen, S. 146; 6.

– Ausgehend von kritischen Ansätzen bis zu den Grundannahmen, und weiter von da aus bis zum skeptischen Zweifel, und weiter von da aus zur Bedeutsamkeit dessen, was die Skepsis selber als eine Bestimmung des Menschen offenbart, das bezeichnet einen phäno- menologischen Entwurf des Entwicklungsprozesses der Philosophie;

weitere phänomenologische Abrisse sind der Fortgang vom Nicht- Wissen um das Wissen-Glauben zum be-wussten Wissen um das Wissen; dies verlangt nach einer Erprobung der Kritik, woran sich die wissenschaftliche Forschung auszurichten hat, S. 150; 7. – Andere Skizzen einer solchen Fortentwicklung sind die Entwürfe von Blaise Pascal und von Nicolai Hartmann; dabei tritt die gleiche Aporie in Erscheinung, S. 153; 8. – Zum „Ausgangspunkt“ und zum „Grund- prinzip“ des Philosophierens; es erweist sich für die Philosophie als ein Strukturprinzip, dass sie ihren Ausgang von kritischen Anregun- gen nimmt, um zunächst zu einer „Frage- oder Problemstellung“ zu gelangen; die Problemfrage legt mögliche Antworten, Problemlösun- gen nahe, die wiederum der philosophischen Kritik zu unterziehen sind, S. 155]

2.2 Sein und Denken, Sein und Geist [Ontologie und Idealis-

mus] 157 - 187

[1. – Vom nicht auszuräumenden Antagonismus zwischen einer

„Philosophie des Seins“ und einer „Philosophie des Geistes“; beide scheinen heutzutage veraltet zu sein, S. 157; 2. – Warum hat es sich die Philosophie des Seins vorgenommen, eine allgemeingültige Onto- logie auszuarbeiten, der bei Aristoteles die Bedeutung zukommt,

„das Sein als solches“ beizubringen?, S. 160; 3. – Die vier Gründe machen nur für den christlichen Gott Sinn, nicht jedoch für das Aris- totelische Göttliche; für den Aristotelismus ergeben sie nur für das Endliche, Menschliche einen Sinn, S. 162; 4. – Die Aristotelische allge- meine Ontologie erweist sich als eine allumfassende Teleologie, als umfassender Finalismus, S. 165; 5. – Die Aristotelische Ontologie ist mit Blick auf die Erfahrung des biologisch-organischen Lebens und der menschlichen Tatsachen verfasst worden, wobei die Erfahrung in beiden Fällen final ausfällt, S. 174; 6. – Wenn die Ontologie nicht eine Interpretation einer konkreten, biologischen und menschlichen Erfah- rung abgäbe, vermöchte sie keine Untersuchung der konkreten Ver- vollkommnung in ihrer ausdifferenzierten Werthaftigkeit zu verspre- chen, S. 181; 7. – Aristoteles verfährt analytisch; zu problematisieren erweist sich als ein davon verschiedenes Verfahren, S. 184; 8. – Die Aufgabe der Philosophie besteht im kritischen Problematisieren;

(8)

dieser Pflicht vermögen weder die „Philosophien des Geistes“, noch auch die „Philosophien des Seins“ nachzukommen, S. 186]

2.3 Die Distinktion oder differenzierende Unterscheidung 189 - 216

[1. – Die Dialektik der differenzierenden Unterscheidung der einen von der anderen Aktivität, S. 189; 2. – Es ist der Mensch, der die eine von der anderen Aktivität unterscheidet, um sie wieder miteinander und mit sich selber zu verbinden, um sie in ihrer integralen Einheit zu verwirklichen, S. 192; 3. – Eigeninitiative und Bewusstmachung bedingen einander nicht nur wechselseitig, sondern begründen ein- ander gegenseitig, S. 194; 4. – Gleiches lässt sich vom Urteilen und Handeln, vom Urteilsakt und Handlungsakt aussagen, S. 196; 5. – Denken bedeutet, eigenverantwortlich zu urteilen, S. 198; 6. – Der Mensch bemüht sich darum, für die Lebensumstände, worin er sich wiederfindet, vorzusorgen; die Ordnungsstruktur der Vorsehung erweist sich im Vergleich zur Ebene der Gegebenheiten und Begeben- heiten als eine andere Ordnungsebene, S. 200; 7. – Um seine Ziele zu verfolgen, die unabsehbar ausfallen, weil sie sich nicht voraussehen lassen, ersinnt der Mensch unermessliche Arbeitsteilungen und Arbeitstechniken, S. 203; 8. – Der Mensch macht sich von seinen Werken frei, nachdem er sie erschaffen hat, und er ist auch frei, bevor er sein Werkschaffen in Angriff nimmt und während er seine Werke vollführt; was ihn dabei frei macht, ist das Bewusstsein, etwas bewerkstelligen zu sollen, wodurch er dazu bewegt wird, die unzäh- ligen Ausprägungen seiner Aktivitäten zu erfinden, nach Massgabe dieses seines grenzenlosen Bewusstseins, S. 207]

2.4 Unterschiedlichkeit, Gegensätzlichkeit, Widersprüchlich-

keit 217 - 255

[1. – Wozu es führt, wenn man Unterschiede als Gegensätze behan- delt, S. 217; 2. – Die Extremfälle: die Boshaftigkeit um des Bösen, die Schlechtigkeit um des Schlechten willen einerseits, und der Wider- wille gegenüber sich selber als einem Sünder andererseits, S. 225; 3. – Die Willensbildung hat die Aktivitäten und Akte zu erfinden, um ihre Vorsätze zu verwirklichen, S. 230; 4. – Die Werturteile (die sich mit einer Bejahung oder Verneinung zum Ausdruck bringen lassen) fallen verschieden aus von der geschichtlichen Urteilskraft über das mehr oder weniger Fortschrittliche, selbst wenn ein vernichtendes Urteil zu einem geschichtlichen Entwicklungsprozess der zusehen- den Verbesserung führen kann, S. 236; 5. – Nicht die geschichtlichen Gegebenheiten und Begebenheiten entbehren der Werthaftigkeit, sondern nur die Daten und Fakten; ihnen kommt ein positiver Wert zu, wenn sie das Ziel, den Zweck verfolgen, den sie sich vorgenom- men haben, S. 241; 6. – Faktisches, dem eine Werthaftigkeit zukommt, bleibt als Muster und Modell bestehen, um von der geschichtlichen Entwicklung nachgeahmt, bedauert oder in Erinnerung behalten zu werden, S. 246; 7. – Die menschliche Zeitlichkeit oder Geschichtlich- keit, als die Textur oder Struktur für die Erarbeitung der mensch-

(9)

lichen Akte, entspricht der erlebten Zeit, dem Zeitabschnitt, worin der Mensch lebt, worin sich die Wertvorstellungen niedergeschlagen haben, die der Mensch verwirklicht hat, dies im Kontext einer natür- lichen Umwelt, deren Lebensformen gleichsam wie Werte ausfallen, S. 248; 8. – Die Werthaftigkeit, die von den menschlichen Aktivitäten erlangt wird, tragen einen intrinsischen, inhärenten Geltungsan- spruch in sich, der das Urteile und die Anerkennung der Menschen stimuliert, ohne aber im einzelnen ein bestimmtes Urteil nahezu- legen; die Vernunftgründe des Ewigen finden selber auch Eingang in die Köpfe der Menschen, und drehen den gewohnten Verlauf der geschichtlichen Entwicklung um, S. 251]

III. Die charakteristischen Ausprägungen der Philosophie 257 - 387

3.1 Humanismus 257 - 295

[1. – Übersicht über die Thematik der neueren philosophischen For- schung, S. 257; 2. – Humanismus, Rationalismus, Kritizismus und ihre unterschiedlichen Bedeutungen, S. 258; 3. – Die polemische Aus- einandersetzung zwischen dem Humanismus auf der einen und der Theologie, dem Platonismus und dem Idealismus auf der anderen Seite, S. 259; 4. – Zur Polemik des reinen Humanismus gegen den Naturalismus, S. 261; 5. – Der Mensch tritt unter verschiedenen Gesichtspunkten zutage: einmal als ein zweifüssiges Lebewesen ohne Federn, das heisst als ein natürliches Lebewesen, dann als ein mit Vernunft begabtes Wesen, dann als ein Wesen, das Humor kennt, und endlich als ein politischer Mensch; wenn man diese unterschied- lichen Aspekte berücksichtigt, dann verliert der Humanismus seine polemische Sprengkraft, S. 265; 6. – In gewisser Weise sind Philo- sophie und Humanismus untrennbar miteinander verbunden, S. 270;

7. – Philosophie besteht in einer Errungenschaft im Sinn eines Verlan- gens und Bedürfnisses, S. 272; 8. – Die Philosophie lässt sich nicht von den Wissenschaften trennen, da sie sich für sie interessieren muss, und die Natur nur unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Beobachtungen und experimentelle Erfahrungen überhaupt unter- suchen kann, S. 278; 9. – Die Philosophie hat ein Interesse an der Reli- gion, denn sie kann das Göttliche nicht untersuchen, es sei denn in der Beziehung des religiösen Glaubens der Menschen an Gott, S. 284;

10. – Die Beziehung des Menschen mit allem, was er untersucht und erforscht, fällt intentional aus, S. 290]

3.2 Rationalismus 295 - 342

[1. – Gegenstand der Untersuchung, S. 295; 2. – Die polemische Aus- einandersetzung des Rationalismus mit dem religiösen Glauben und den Empfindungen, dem Gefühlsleben, S. 295; 3. – In ihrer polemi- schen Auseinandersetzung des Rationalismus mit dem Intellektualis- mus sind der Rationalismus und die praktische Philosophie einander verbunden, S. 297; 4. – Zu den Sympathien des Rationalismus gegen- über dem Naturalismus, und bisweilen sogar gegenüber dem Empi-

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rismus, S. 301; 5. – Ausprägungen des Irrationalismus, die vom Ratio- nalismus angegangen werden, S. 304; 6. – Zur Unterscheidung einer

„konkreten Vernunft“ vom „abstrakten Intellektualismus“, S. 311; 7.

– Menschliches Vernunftvermögen oder göttliche Vernunft?, S. 315; 8.

– Drei mögliche Standpunkte, S. 318; 9. – Der aus dem Gleichgewicht gekommene Rationalismus zwischen einem epistemologischen Abso- lutismus von gestern und einem Operativismus oder Operationalis- mus von heute, S. 321; 10. – Die Vernunft als ein Mittel zum Zweck der Verifikation verstanden, vermag eine Bezugnahme auf Unlogi- sches nicht zum vorneherein auszuschliessen, S. 325; 11. – Entweder erstreckt sich die „Vernunft“ auf das gesamte, integrale Geistesleben des Menschen, oder aber der Rationalismus kann dem Unlogischen nicht im voraus alle Bedeutung, alle Werthaftigkeit aberkennen, S.

328; 12. – Zum Ungenügen der logischen Kriterien der Identität, des verbotenen Widerspruchs, und der Dialektik; die „instinktive Ver- anlagung“ zur Wahrheit, der „Sinn“ für die Wahrheit, S. 334; 13. – Die Verpflichtung auf die Wahrheit gibt dem reflektierenden Denken die Richtung an, verleiht ihm Orientierung, S. 336; 14. – Im Sinn für die Wahrheit, in der logischen Verifikation und in der praktischen Erprobung, darin besteht die erfahrungsbezogene, lebenspraktische systematische Ordnungsstruktur der konkreten Vernunft, S. 340]

3.3 Kritizismus 343 - 385

[1. – Thematik, Fragestellung und Problemstellung der Untersu- chung, S. 343; 2. – Die „kritische Kautel“ des Kantischen Kritizismus, S. 344; 3. – Das Primat der praktischen Vernunft verleiht dieser kriti- schen Vorsicht und Umsicht eine besondere Bedeutung, S. 347; 4. – Die „Analytik“ der drei Kantischen „Kritiken“ erlangt ihren Sinn erst von der „Dialektik“ dieser „Kritiken“, wovon sie sich nicht ablösen lässt, S. 352; 5. – Ethisch-moralischer „Glaube“, „metaphysische“

Moralphilosophie, „Philosophie“, S. 357; 6. – Die Freiheit erweist sich als Gewissheit, wenngleich diese Sicherheit nicht erkenntniskritisch begründet ist, S. 361; 7. – Dass die Erkenntnis in einer Verhältnisbil- dung besteht, liegt in ihrem charakteristischen Kennzeichen begrün- det, und nicht in ihrer Beschränktheit, S. 364; 8. – Das transzendentale Bewusstsein, die transzendentale Vergewisserung oder Versicherung ist von der Erkenntnis verschieden, S. 367; 9. – Die Unbezweifelbar- keit, Unanfechtbarkeit der transzendentalen Formen der Erkenntnis lässt den Verdacht, den Zweifel willkürlich ausfallen, dass die von diesen Formen strukturierte Erkenntnis eine nurmehr subjektive Bedeutung zukommen könnte, S. 370; 10. – Erkenntnis erweist sich als ein Faktum, das man jedoch nicht mit dem „Faktischen an sich“, mit der „Faktizität“ vergleichen darf, und weil ein solcher Vergleich unmöglich ist, kann man ihren Eigenwert auch nicht in Zweifel ziehen, S. 372; 11. – Wenn die Gesetzmässigkeiten des menschlichen Werkschaffens strukturiert, geordnet ausfallen, dann ist der histo- risch situierte Mensch verantwortlich für sein Wirken und Schaffen, das diesen Gesetzen unterliegt, S. 375; 12. – Die systematische Ord-

(11)

nungsstruktur dieser Gesetze lässt den einzelnen Menschen Pflicht- aufgaben zukommen, in deren Verwirklichung sie frei bleiben, aber wofür sie als Ausführende und Durchführende immerhin verant- wortlich sind, S. 377; 13. – Die Bestimmung von besonderen Pflicht- aufgaben im voraus erlöst den Menschen von der „Tatsache“, gebo- ren worden zu sein, gibt aber zugleich die aktualisierende Verwirk- lichung auf, sein eigenes Leben in Eigenverantwortung zu führen, S.

381; 14. – Der Kritizismus eröffnet dem Menschen die Einsicht, ein ethisch-moralisches, geistig-spirituelles Subjekt innerhalb einer natürlich-physischen Lebenswelt zu sein, S. 384]

Zusammenfassung 387

Schlussbemerkung 389

Personenverzeichnis 391 - 392

⧫

(12)
(13)

Vorwort des Übersetzers und Herausgebers (von Michael Walter Hebeisen)

Die Edition von "Ausgewählten Werken von A

UGUSTO

G

UZZO

" hebt an mit zwei Bänden, worin drei Werke enthalten sind, die in einem engen Zusammenhang miteinander, in einer systematischen, sowie in einer ent- stehungsgeschichtlichen Verbindung zueinander stehen, nämlich der Abhandlung von 1928 über "Urteilen und Handeln", dem programmati- schen Entwurf "Das Subjekt und die Vernunft" von 1944, und dem inte- gralen Bestandteil des grossangelegten Spätwerks zum "Menschen", das die Theoriebildung des philosophischen Denkers in eigener Sache zum Gegenstand hat, überschrieben mit "Humanistische Philosophie" von 1961.

Das in der gebotenen Kurze nachfolgend zu erklären und in zwei Punkten zu vertiefen.

Mit der Abhandlung "Giudizio e azione" hat A

UGUSTO

G

UZZO

die Sprengkraft der Urteilskraft mobilisiert, dies ganz in der Tradition der Kantischen "Kritik der Urteilskraft", wobei er sich aber von der Entgren- zung durch das philosophische Denken der Romantik verwahrt, und damit ist er zwar ganz dem Sinn und Geist des sogenannten Aktualismus seines akademischen Lehrers G

IOVANNI

G

ENTILE

s, wie er damals in Italien vorgeherrscht hat, gefolgt, hat diesen aber letztlich überwunden und hinter sich zurückgelassen. Thematik und Problematik ist der homo faber, der aktiv-kreativ werkschaffende Mensch, der praktisch handelt, aber nicht aufgrund eines entfesselten Willens zur Macht, sondern eingebun- den in einen Kontext des in Erfahrung begründeten Wissens und der Wis- senschaften. Entscheidend erweist sich letztlich, ob die Imperative für das so oder anders Handeln hypothetisch oder kategorisch ausfallen, oder anders gesagt, wie sich der Geltungsanspruch, beziehungsweise die Ver- bindlichkeit der grundlegenden Normativität universell verstehen lassen.

Unseres Erachtens macht diese Abhandlung eine der originellsten Schrif- ten des Autors aus, und es wird denn auch fleissig darauf verwiesen.

In der Akademieabhandlung "L'io e la ragione" wird für die weitere

Behandlung dieses Grundproblems gleichsam die Grundlage gelegt, dies

in einem Programm, das den ganzen weiteren Verlauf des Denkwegs des

Autors bestimmen sollte. Entworfen wurde diese später mehrmals bear-

beitete, verarbeitete und überarbeitete programmatische Erklärung unter

abenteuerlichen Umständen in den letzten Wirren des Zweiten Weltkriegs

in der Region Piemont, wobei die Argumente ursprünglich in fortlaufend

numerierten Punkten skizziert worden sind. Aus dem Anfang dieses Ent-

(14)

wurfs ist denn die erste Abhandlung geworden, die A

UGUSTO

G

UZZO

der Turiner Akademie der Wissenschaften eingereicht hat, deren Präsident er später über lange Jahre werden sollte. Das menschliche Subjekt wird grundsätzlich individualistisch konzipiert, seine Eigeninitiative und sein freier Wille hervorgehoben, aber zugleich aufgezeigt, wie es dazu kommt, dass den Geboten der ebenfalls menschlichen Vernunft die Nachachtung zuteil wird, die deren universellem Geltungsanspruch entspricht. Verlangt ist dafür eine transzendentale Grundkonzeption der Erkenntnis, des Bewusstseins, aber auch der Erfahrung, des Empfindens.

1

Obwohl an sechster Stelle des mehrbändigen philosophie-systemati- schen Grundlagenwerks über "L'uomo" eingereiht, ist die Schrift über "La filosofia" im Grunde genommen das zentrale Hauptstück des Gesamt- werks, von dem aus sich die Argumentationen in den übrigen Bänden am besten erschliessen lassen. Eine autonome Philosophie zu entwerfen, ver- langt nach einer letztlich phänomenologischen Erhebung des Menschen- bilds, des Wirkens und Werkens, das ist des Werkschaffens des Menschen in einem weit gefassten Verständnis, sowie der Wissenschaftspraxis; dazu komme eine Abgrenzung gegenüber der Geschichtsschreibung und eine entschiedene Ablehnung des in Italien ebenfalls wirkungsmächtig vertre- tenen Historismus in der Nachfolge von B

ENEDETTO

C

ROCE

etwa. Die grundlegend problematische Struktur der Philosophie fordert nach einer Ergänzung einer Phänomenologie des Geisteslebens durch ontologische Erwägungen und ein Bekenntnis zum Idealismus, damit einhergehend nach einem Verständnis von Logik und Methodologie, das über Dualis- mus und Dialektik hinausgeht. Die Vorstellung von differenzierenden Unterscheidungen, von positiv ausdifferenzierten Unterschieden führt A

UGUSTO

G

UZZO

zu seiner charakteristischen Ausprägung des philosophi- schen Denkens, der Philosophie überhaupt. In allen nachfolgenden Fällen wird ein geistesgeschichtlich ausgebildeter und verbreitet gepflegter Grundzug des philosophischen Denkens zuerst von Guzzo recht eigent- lich dekonstruiert, damit sich die geläuterte Kernidee zeitlos dingfest machen lässt, um dann wiederum beträchtlich erweitert und mit neuen Inhalten und Gehalten angereichert zu werden, wobei der Autor von der Bemühung getragen ist, die Grundideen von Humanismus, Rationalismus und Kritizismus integral aufzufassen, und dementsprechend deren Grundlegung weiter zu fassen, auf einen weiteren Gegenstandskreis zu

1 Siehe dazu ausführlich Luigi Pareyson: L'etica, in: Augusto Guzzo (Filosofi d'oggi), Torino: Edizioni di Filosofia, 2. A. 1964, S., 76ff., 94.

(15)

erweitern und den Grundideen damit eine grössere Reichweite und Trag- weite zu verleihen.

Da ist einmal ein ausgeprägter, erklärter "Humanismus", der das Menschen-Gemachte, das Menschengemässe, das Menschengerechte bezeichnet, die das humane, laïzistische Philosophieren auszeichnen.

A

UGUSTO

G

UZZO

vollzieht damit eine Abwendung von der Katholisch imprägnierten Philosophie, was erstaunen mag, weil der Mensch als Krea- tur begriffen wird, der dem Schöpfungsakt Gottes entsprungen ist, und weil überhaupt durchwegs ausführlich von theologischen Vorstellungen die Rede ist, die durchaus positive Aufnahme finden, was erklären mag, weshalb Guzzo nichtsdestotrotz als Vertreter der Katholischen Philoso- phie in Italien gilt. So spricht ein laïzistischer Philosoph, der nicht von einer allgemein anerkannten geoffenbarten Wahrheit religiösen Ursprungs mehr ausgeht; und dennoch ist Guzzo gläubiger Katholik, für den der Mensch vom lebendigen Gott seine Grundanlagen, ja überhaupt die menschliche Wesensverfassung zuteil werden.

2

Und da ist der Rationalis- mus, den A

UGUSTO

G

UZZO

vom einengenden Intellektualismus herauslöst, dies auf dem Umweg über die frühen Vertreter einer Kritik an einer sich dogmatisch auswirkenden Metaphysik. Ein ausgeprägter Operationalis- mus oder Operativismus soll die Bezugnahme auf die ratio bewahren von einer polemischen Gegenposition zum ausgewiesenen Irrationalismus.

Die entscheidende Frage lautet danach nicht, ob Vernunft oder keine Ver- nunft, sondern was für eine Vernunft als Grundlage des Raisonnements, des Raisonnierens erhoben wird. Diese menschengemässe, menschen- gerechte Vernunft ist nicht die absolute Vernunft des Hegelianismus, gegen dessen dialektische Logik sich Guzzo wendet, mithin erweist sie sich als subjektive Vernunft, und dennoch erhebt sie einen universellen Geltungsanspruch, der philosophisch befriedigend zu erklären, der syste- matisch verständlich zu machen ist; als Vertreter einer relationalen, aber nicht relativen, beziehungsweise relativistischen Auffassung – aber ist dies nicht nur ein Wortspiel, da relationieren bedeutet, in Relation zu setzen, und damit zu relativieren, und da relativieren bedeutet, das eine in einem relationalen Verhältnis zu einem anderen zu begreifen –, erweist sich Guzzo als eine Art Vordenker der Inter-Subjektivität. Schliesslich macht nach der Auffassung von A

UGUSTO

G

UZZO

der Kritizismus die dritte charakteristische Ausprägung des zeitlosen philosophischen Denkens aus,

2 Vgl. Francesco Barone: Augusto Guzzo – La prospettiva teoretica, in: Filosofia, Rivista quadrimestrale, Bd. XLV, Jg. 1994, H. 1, S. 9ff., 15.

(16)

und bezeichnet eine Hinwendung zu einer Spielart des Kantianismus, der Kantischen Erkenntnislehre, des Kantischen Kritizismus. Doch der Autor schliesst sich dabei nicht einfach dem Neu-Kantianismus an (weder an H

EINRICH

R

ICKERT

, noch an H

ERMANN

C

OHEN

, die beide die "Kritik der reinen Vernunft" auf die Humanwissenschaften anwenden, aber auch nicht an P

AUL

N

ATORP

), deren Ausgeburt einer "materialistischen Wert- ethik" er verwirft (etwa von N

ICOLAI

H

ARTMANN

und M

AX

S

CHELER

), son- dern greift auf die Trilogie der "Kritiken" von I

MMANUEL

K

ANT

zurück, um eine eigene Lesart der Transzendentalphilosophie zu postulieren. Diese schliesst an den Primat der praktischen Philosophie an, der Ernst genom- men und in seinen Konsequenzen entwickelt wird, und macht die "Fak- ten" oder "Tatsachen" der Vernunft geltend, was nichtsdestotrotz in eine Art von Positivismus hineinführt, aber auch in diesem Fall wieder nicht in die geläufige Auffassung von Neo-Positivismus mündet, sondern an seiner eigenen Auffassung von einem modernen, aufgeschlossenen Idea- lismus. "Das charakteristische und originelle an seiner Konzeption des Transzendentalen ist, dass daraus keine Metaphysik hervorgeht. [...] Das Transzendentale besteht für Guzzo im menschlichen Subjekt, im mensch- lichen Individuum selber, das nicht mehr konzeptuell verdinglicht wird, sondern als ein geistig-spirituelles in Erscheinung tritt".

3

A

UGUSTO

G

UZZO

ist kein leichter philosophischer Autor, einmal kein leichtgewichtiger, und dann kein leicht zugänglicher, leicht zu verstehen- der. Er ist manchmal ein wortreicher und blumiger, manchmal aber auch allzu abstrakt abkürzender Schriftsteller, der Fluss der systematischen Entwicklung wird oft von Exkursen unterbrochen, wogegen Nebenschau- plätze ausgedehnten Raum ein nehmen, sodass Hauptaussagen bisweilen sogar am geneigten Leser fast unbemerkt vorbeihuschen. Aber Guzzo ist, obwohl selbst in Italien nicht mehr verbreitet gekannt, im übrigen Europa unbekannt geblieben, immerhin ein wichtiger philosophischer Denker in einer Zeit des Umbruchs, er hat eine Schlüsselstellung inne, vermag grosse Bögen zu ziehen, in seiner Auseinandersetzung ausgehend von der Antike und der Scholastik, in seinem Horizont weitblickend bis zur Relativitäts- theorie, Quantenmechanik, und Teilchenphysik.

Im Mai 2021 Michael Walter Hebeisen

⧫

3 Vittorio Mathieu: La teoretica, in: Augusto Guzzo (Filosofi d'oggi), Torino: Edizioni di Filosofia, 2. A. 1964, S. 125ff., 128.

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