Einführung
in die Meteorologie
- Teil II: Meteorologische Elemente -
Clemens Simmer Meteorologisches Institut
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn Sommersemester 2006
Wintersemester 2006/2007
II Meteorologische Elemente
II.1 Luftdruck und Luftdichte II.2 Windgeschwindigkeit
II.3 Temperatur II.4 Feuchte
II.5 Strahlung
II.2 Windgeschwindigkeit
1. Definition und Ursachen 2. Windmessung
3. Einfluss des Windes auf
meteorologische Zustandsgrößen
4. Spezifische Zustandsgrößen und ihre Transporte bei Turbulenz
5. Haushaltsgleichung für gemittelte
Zustandsgrößen
II.2.1 Definition und Ursachen
Definition (Wiederholung)
• Wind ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Luft bewegt
• Bezug ist dabei ein Luftvolumen – nicht einzelne Moleküle (Kontinuumsmechanik, Hydrodynamik)
z
i
x (Ost)
y (Nord)
k
jv
hλ ϕ
w
v
v
u 2 2 2
cos
sin sin
cos sin
w v
u v
k w j
v i
u v
v w
v v
v u
+ +
=
+ +
=
=
=
=
λ
λ ϕ
λ
ϕ
Horizontale Windgeschwindigkeit
vh
36
27 9
18
W O
S
N besondere Bedeutung von u und v da auf großen Skalen u~v>>w
2
2
v
u v
j v i
v u v u
h h
+
=
+
=
=
Ursache des Windes
• Um Wind ( 0) zu erzeugen, muss die Luft beschleunigt werden
• Beschleunigung (d /dt, Änderung des Windes mit der Zeit) wird durch
Bewegungsgleichung beschrieben
• Wind wird ständig abgebaut durch
Reibung und in Wärme umgewandelt (ohne Druckgradientkraft steht die
Atmosphäre in wenigen Stunden still!)
v
v
Bewegungsgleichung
( )
Reibung
g chleunigun Schwerebes
ng schleunigu Coriolisbe
unigung entbeschle
Druckgradi
Advektion durch
Änderung
Änderung iche
lokalzeitl
els Luftpartik eines
gung Beschleuni
1 2
fFr
g v p
v t v
v dt
v
d + ⋅∇ = − ∇ − Ω× + +
∂
= ∂ ρ
Achtung: Betrachtet man die Änderung des Windes an einem festen Ort (lokalzeitliche Änderung Beschleunigung) so kann diese bei Fehlen von lokalen Kräften alleine durch Advektion erfolgen (Trägkeitseffekt).
II.2.2 Windmessung
• Windfahne zur Richtungsbestimmung
• Schalenkreuz
• Flügelradanemometer
• Staudruckrohr
• Schallausbreitung
• Dopplereffekt bei Reflektion elektromagnetischer Wellen
• Ballonverfolgung
• Wolkenverfolgung
• Beaufort-Skala
Schalenkreuz und Windfahne
Vereinfachte Theorie des
Schalenkreuzanemometers (1)
r
v u
u c1
c2 Widerstandsbeiwerte
c1 > c2
Relativgeschwin- digkeit Schale 1
vR1=v-u
Relativgeschwin- digkeit Schale 2
vR2=v+u
R1,22 2 1,2
s1,2 1 c v
p
Schalen auf
Staudruck
=
Vereinfachte Theorie des
Schalenkreuzanemometers (2)
Im Kräftegleichgewicht, d.h. von jedem Arm wirkt das gleiche aber umgedrehte Drehmoment (Kraft(= Druck x Fläche Q) x Hebellänge r) auf die Achse, bewegt sich das Schalenkreuz bei Wind v unbeschleunigt, d.h. mit konstanter Gewindigkeit u.
( ) ( )
( ) ( ) ( )
(
q 1)(
q 1)
3k mit
ku v
q /c
c u
v / u v
rschnitt Schalenque
Q mit
Qr u
v c
Qr u
v c
2 1
2 2 2
2 1 2 1
1
≈
− +
=
=
±
=
±
=
− +
+
=
−
Die Schalen bewegen sich in etwa mit 1/3 der Windgeschwindigkeit.
Flügelradanemometer
Flügel weichen durch Rotation dem
Staudruck der
Luftbewegung aus
(Umkehr des Prinzips des Propellerantriebs)
Staudruckverfahren
h
…auch Prandtl-Rohr oder Pitot-Rohr,
Verwendung als Kalibriergerät da keine Eichung nötig.
t Flüssigkei der
Dichte
mit
h g
p p
Druck r
dynamische
v
Luftdichte
Druck statischer
p
k Gesamtdruc p
mit
) p v 2(p
, 2 v
p p
l
l s
t
2 2 s t
s 2 t
s t
=
−
= − +
=
pt v, ps
l
Schallausbreitung (Sonic Anemometer)
• Schallausbreitungsgeschwindigkeit wird in den drei Raumrichtungen durch drei Sender-Empfängerpaare gemessen.
• Bei bekannter Temperatur ist wahre Schallgeschwindigkeit
bekannt und kann abgezogen werden.
• Messungen sind trägheitsfrei,
dadurch sind kleinste Fluktuationen messbar.
T T
c R
v c L
v p
Schall = = 400
Lidar (LIght Detection And Ranging),
Radar (Radio wave Detection And Ranging), Prinzip
Wind Vektor
R Transmitter
Empfänger
Laser Puls
Rückstreuvolumen
2 c t R = ⋅
VLOS
2 ν0
ν = ⋅ ⋅
∆ c
VLOS
Die Zeitdauer zwischen Aussenden und Empfang ergibt die Position, und der Dopplereffekt (Abweichung der Frequenz der zurückgestreuten Signals von der Frequenz des Sendesignals o durch Bewegung des Luftvolumens entlang der Blickrichtung mit Geschwindigkeit vLOS, LOS=Line Of Sight) die
Geschwindigkeitskomponente entlang des Strahls.
Anwendung des WIND-Lidars zum Nachweis des
„Alpinen Pumpens“
(Schumann, DLR)
Messtrecke der Falcon 8 Juli 2002
13:05 - 15:34 LT
(Schumann, DLR)
360
0 45 90 180 270 315 6.0
0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0
200
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180
altitude [km ASL] wind direction [deg]
distance [km]
Südwest
Nördliche Winde am Alpenrand bis 2.3 km Höhe
Ballonverfolgung mit Sichtverfolgung
• Ballon mit bekannter Steiggeschwindigkeit (Auftrieb) wird aufgelassen ( Höhe h bekannt).
• Ballon wird mittels Theodolit angepeilt ( Elevations- und Azimutwinkel bekannt).
• Ballonposition ist dann gegeben durch x=h·cos ·cos , y=h·cos ·csin , z=h
• Aus zeitlichem Versatz wird über Differenzenbildung der horizontale Windvektor bestimmt (Ann.: Vertikalwind ist 0).
• Mit 2 Theodoliten kann man ohne konstante Steiggeschwindigkeit auskommen.
• Beschränkung: Sicht!
x z y
Ballonverfolgung mit Radar
Radar misst die Entfernung (range) r, Elevationswinkel , und Azimutwinkel .
Höhe h ergibt sich aus r·sin , der Rest wie vorher.
Wolkenverfolgung (Satellitenwinde)
Annahme:
Wolken werden mit dem Wind verfrachtet.
Probleme bei
orografisch induzierten Wolken und Wellen Auf Zeitserien von Satellitenbildern wird mittels
Korrelationsrechnung zwischen aufeinander folgenden Terminen die wahrscheinlichste Position von Wolken oder Wolkenfeldern bestimmt.
II.2.3 Einfluss des Windes auf meteorologische Zustandsgrößen
• Gegeben sei ein Feld meteorologischer Zustandsgrößen
,...
, ,
, ρ
ε = T p v
• Wind verfrachtet Luftvolumen (Advektion) und dabei kann es zu Änderungen der meteorologischen Zustandsgrößen kommen.
• Wir unterscheiden (siehe Kapitel I.4) die totale oder individuelle
Änderung d /dt, die man messen würde, befände sich das Messgerät im sich mit dem Wind bewegenden Volumen (Lagrange-Änderung), und die lokale oder partielle Änderung / t, bei der man die jeweilig anderen Feldkoordinaten (hier die Raumkoordinaten) konstant hält (Euler-Änderung).
• Wir hatten in I.4 bereits abgeleitet (dort für =T):
( )
εε
ε ε
ε ε
ε
∇
⋅
∂ +
= ∂
∂ + ∂
∂ + ∂
∂ + ∂
∂
= ∂ t v
z w y v
x u t
dt d
und weiter…
• Wir unterscheiden im Allgemeinen drei Änderungsszenarien, die man anhand der „Advektionsgleichung“ diskutieren kann:
( ) ( )
t dt
v d
t v dt
d
dt v d t
∂
= ∂
→
=
∇
∨
=
∇
⋅
−
∂ =
→ ∂
=
∇
⋅
=
→
∂ =
∂
ε ε ε
ε ε ε ε ε
0
0
frei advektions
0
v
konservati
0
stationär
• Achtung: Die Begriff „advektionsfrei“ und auch „konservativ“ machen eigentlich nur Sinn bei Eigenschaften , die tatsächlich transportiert
werden können, wie Wasserdampf und andere Luftbeimengungen und mit Einschränkungen Temperatur. Druck wird z.B. meist nicht wirklich
transportiert, da er sehr von den Verhältnissen oberhalb abhängen kann - völlig unabhängig vom Wind in der betreffenden Schicht.
II.2.4 Spezifische Zustandsgrößen und ihre Transporte bei Turbulenz
• In der Atmosphäre finden durch die Luftbewegung ständig Transporte von Eigenschaften (z.B. Masse, Wasserdampf, Wärme) statt.
• Diese Transporte finden i. a. auf allen Skalen statt: kleinste Wirbel bis zum einzelnen Molekül transportieren. Aber auch ein Kubikkilometer Luft, der durch großskalige Druckgradienten bewegt wird, transportiert.
• Legt man sich auf eine Skala (einschließlich der Zeit) fest, auf der man die meteorologischen Zustandsgrößen betrachtet, so unterscheidet man dann skalige Transporte, wenn sie z.B. durch Messungen der mittleren Größen auf dieser Skala (Mittelung z.B. über 1 km³, über 10 Minuten, etc.) bestimmt werden können und subskalige Transporte, die auf kleineren Skalen stattfinden.
• Wir benötigen zur mathematischen Behandlung dieser Problematik die Definition der folgenden Begriffe:
– massenspezifische (=spezifische) Größen – Flüsse und Flussdichten von Eigenschaften)
Definitionen
• (massen-)spezifische Eigenschaften (chi):
auf Masseneinheit (kg) bezogene Größen
z.B. = m³/kg = V/m = 1/ = spezifisches Volumen
e = J/kg = e spezifische Energie
s = kg/kg spez. Masse (z.B. spezifische Feuchte)
i = kg(m/s)/kg =m/s spez. Impuls (Geschwindigkeit)
• Fluss = Eigenschaft, die pro Zeiteinheit durch eine definierte Querschnittsfläche transportiert wird
z.B. J/s Energiefluss kg/s Massenfluss kg(m/s)/s Impulsfluss
• Flussdichte = Transport einer Eigenschaft pro Sekunde und pro Einheits(querschnitts)fläche
z.B. Energieflussdichte, J/(m²s) Massenflussdichte, kg/(m²s)
Impulsflussdichte, kg(m/s)/(m²s) =kg/(ms²) Druck
Zusammenhang spezifische Eigenschaften und Flussdichten
Massenflussdichte = kg/(m²s)=kg/m³ x m/s = v Flussdichte einer beliebigen Eigenschaft =
/ m²s = ( / kg) (kg / m²s) = ( / kg) (kg / m²s) =
= ( / kg) (kg /m³) (m/s)
= massenspezifische Eigenschaft x Dichte x Geschwindigkeit
= spezifische Eigenschaft x Massenflussdichte
= v
Energieflussdichte = e v , J/(m²s) Wasserdampfflussdichte =q v , kg/(m²s)
Impulsflussdichte =v v , kg(m/s)/(m²s)
= v²
Turbulenz und Reynolds Mittelung
- Mittelung von Flussdichten v der Eigenschaft -
ε ε
x t ,' ε
0
0 ≡ ′ =
= +
= +
+
=
b a b
a a'
, b a
b
a , '
: ln Rechenrege
ε' ε
ε
Strömung turbulente
durch Transport
Strömung mittlere
durch Transport
' ' )'
' (
)' ' '
' (
)) ' )(
' (
ion) Approximat
- Boussinesq
' :
(Annahme
en Flussdicht auf
Anwendung
+ +
= +
=
+ +
+
=
+ +
≅
≅ +
=
χ ρ χ
ρ χ
χ ρ
χ χ
χ χ
ρ
χ χ
ρ χ
ρ
ρ ρ
ρ ρ
v v
v v
v v
v v
v v v
Besonderheit:
vertikaler Transport in Bodennähe
0 da
'
' =
≅ w w
w χ ρ χ ρ
In Bodennähe sollte die mittlere Vertikalgeschwindigkeit
verschwinden (Massenerhaltung). Vertikaltransporte können dann nur noch turbulent erfolgen
Beispiel: vertikaler
Wasserdampftransport = Verdunstung
Feuchte e
spezifisch
mit
'
' ρ ρ
ρ
ρ wq w q q
wE ≡ ≅ =
II.2.5 Haushaltsgleichung für gemittelte Zustandsgrößen
- weitere Interpretation des „Advektionsterms“ -
Wir hatten: ddtχ = ∂∂χt +
( )
v ⋅∇ χ( ) ( ) ( )
( )
( )( )
) v -
altung (MassenerhDichtekons tanz bei 0
vektoriellel, Produktreg
: terms
"
Advektions
"
des Mitteln
⋅
∇
=
=
⋅ ′
′ ∇
′ −
∇ ′ +
∇
⋅
=
∇ ′
⋅′
+
∇
⋅
=
∇
⋅
ρ ρ
χ χ
χ χ χ
χ
dt d
v v
v v v
v
( )
χ
χ χ χ χ
χ
für Quelle en
Flussdicht n turbulente der Divergenz Windmittlerendem
mit Advektion"
"
Änderung lokale mittlere
Ort festen
einem an
für leichung
Haushaltsg
dt v d
t ≅ − v ⋅ ∇ − ∇ ′ ′ +
∂
∂
Übungen zu II.2
• Welche Möglichkeiten zur Windmessungen kennt man;
wozu sind die jeweiligen Systeme besonders geeignet;
was sind ihre Nachteile?
• Zwei Positionsmessungen eines Pilotballons mittels Theodolit 60 Sekunden und 70 Sekunden nach Start ergeben ( =10°, =90°) bzw. ( =11°, =100°). Die
Steiggeschwindigkeit sei 100 m/min. Bestimme u und v in der betreffenden Luftschicht.
• Vollziehe das zweite Gleichheitszeichen der vorletzten Gleichung der letzten Seite explizit nach.