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Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende

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Berlin, 24.05.2006

Stellungnahme

des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

zum Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur

Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende

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1. Gesamtbewertung

In der Einführung des Gesetzentwurfes heißt es, dass die Entscheidung, die Arbeitslosen- hilfe und die Sozialhilfe für Erwerbsfähige zu einer bedarfsabhängigen staatlichen Fürsorge- leistung zusammen zu führen, richtig war. Für fast 5 Mio. Menschen hätten sich die bisher Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt deutlich verbessert. Der DGB bezweifelt nach- haltig, dass sich durch die Zusammenlegung der beiden Leistungssysteme die Chancen auf Integration deutlich verbessert haben. Leider gibt es für die behauptete Verbesserung keinerlei Hinweise. Sowohl in dem Gesetzentwurf selbst als auch in anderen Unterlagen bleibt die Bundesregierung bisher den Nachweis schuldig, dass die Integration verbessert wurde. Vor allem für Personen, die bereits langzeitarbeitslos sind bzw. die zu den beson- deren Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik gehören, konnten noch keine Verbesserungen festgestellt werden.

So wird auch in der Einführung des Gesetzentwurfes lediglich darauf verwiesen, dass 4,96 Mio. Personen die Leistung beziehen. Das sind deutlich mehr als vor 2005 Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass das Gesetz nicht die erhoffte Wirkung entfaltet hat. Wie viele Langzeitarbeitslose durch die Neuregelung tat- sächlich zusätzlich in den Arbeitsmarkt integriert wurden, wird leider nicht genannt.

Mit dem Gesetzentwurf soll das Gesetz weiter optimiert werden. Dies ist auch dringend not- wendig. Aber die Lösungsansätze im Gesetzentwurf zielen vor allem darauf, die Verwal- tungspraxis zu straffen, den Leistungsmissbrauch zu bekämpfen und das Zusammenwirken des SGB II mit anderen Rechts- und Leistungssystemen zu verbessern. Hierdurch sollen dauerhaft 1,4 Mrd. Euro eingespart werden. Doch dies allein reicht nicht um die entstanden Schwierigkeiten zu beheben. Nur wenn die Probleme klar benannt werden und wirksame Förder- und Integrationskonzepte umgesetzt werden, wird man zu Lösungen kommen.

Der DGB widerspricht der Behauptung, das angeblich zu hohe Leistungsniveau sei Ursache für die starke Inanspruchnahme der Hilfen. Die Leistungen des ALG II sind im Wesentlichen auf dem Niveau der früheren Sozialhilfe bei gleichzeitiger Pauschalierung der einmaligen Leistungen. Ein erheblicher Teil der früheren Bezieher von Arbeitslosenhilfe bekommt heute entweder keine Leistungen mehr oder erheblich weniger als vorher (siehe Tabelle). Der Anteil derjenigen, die keine Leistungen mehr erhalten, wird vom IAB auf etwa 17 Prozent der Arbeitslosenhilfeempfänger geschätzt,1, bei den ursprünglichen Planungen war die

Bundesregierung von 15% ausgegangen.

1 IAB Kurzbericht 17/05

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So viele Haushalte, in denen zuvor mindestens eine Person Arbeitslosenhilfe bezogen hat, haben heute ein geringeres Haushaltseinkommen.

Haushaltstyp (vor der Einführung des ALG II) Anteil der Haushalte, die heute geringere Einnahmen haben allein stehender Arbeitslosenhilfebezieher

56%

Alhi Bezieher mit in Vollzeit beschäftigtem Partner 90%

Alhi Bezieher mit arbeitslosem Partner 73%

Alhi Bezieher mit nicht erwerbstätigem Partner

53%

Quelle: Becker / Hauser: Verteilungseffekte der Hartz IV Reformen, Hans-Böckler-Stifung

Ursachen für den hohen Bestand an Leistungsbeziehern sind vielmehr, neben der weiterhin geringen Nachfrage nach Arbeitskräften:

1. Die Arbeitsförderung der Arbeitssuchenden ist unzureichend. Damit sind auch die erwarteten Effizienzgewinne von 15 % pro Jahr nicht eingetreten. Aufgrund der komplizierten Leistungsberechnung im Einzelfall sind die zuständigen Stellen über- häuft mit Bürokratie, so dass die aktiven Hilfen zur Arbeitssuche bisher nur eine geringe Rolle spielen. Es ist den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen bisher nicht gelungen, einen wirkungsvollen Instrumentenkasten zur Integration zu entwickeln. Schwerpunktmäßig werden Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsent- schädigung angeboten. Obwohl im Jahre 2005 fast 600.000 Personen in Arbeitsgele- genheiten eingetreten sind, konnte dieses Instrument fast keinen Beitrag zur Integra- tion in den ersten Arbeitsmarkt leisten. Andere Instrumente wurden vernachlässigt.

So wurden im ersten Jahr nur rund 50% der vorgesehen Mittel für aktive Maßnahmen ausgegeben. Auch aktuell ist noch keine spürbare Verbesserung eingetreten.

Das IAT stellt in einer Untersuchung fest: „Eine wesentliche Erklärung für die weiter- hin schlechte Arbeitsmarktlage gering Qualifizierter liegt darin, dass sie von Beschäf- tigten mit abgeschlossener Berufsausbildung verdrängt werden“.2 Diese

Verdrängungsprozesse können vor allem durch gezielte Weiterbildung durchbrochen werden. Die Bemühungen Weiterbildung auszubauen sind, trotz vorhandener Mittel, bisher völlig unzureichend.

Vor allem für die im SGB III genannten Ziele, die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Kenntnissen, Fertigkeiten sowie Fähigkeiten zu fördern, unterwertiger Beschäftigung entgegenzuwirken und zu einer Weiterentwicklung der regionalen Beschäftigungs- und Infrastruktur beizutragen, hat das SGB II-System bisher kaum einen wirksamen Beitrag geleistet.

2 IAT Report Nr. 10-05

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2. Die politisch gewollte und geförderte Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Subventionierung von Minijobs erhöhen deutlich den Personenkreis derjenigen, die trotz Arbeit Arbeitslosengeld II beziehen müssen. Zurzeit haben 1,3 Mio. Personen bei Vollzeittätigkeit ein Einkommen unter 1.300 Euro brutto im Monat. 3,8 Mio.

Personen beziehen ein Einkommen unter 1.600 Euro. Inzwischen beziehen fast 1 Mio. Menschen ergänzend Arbeitslosengeld II zu einem nicht Existenz sichernden Arbeitslohn. Ursache hierfür ist, dass keine politischen Initiativen unternommen werden, Fehlentwicklungen des sich ausbreitenden Niedriglohnsektors zu begrenzen bzw. durch gesetzliche Entscheidungen Fehlentwicklungen erst ermöglicht wurden.

Vor allem in Ostdeutschland aber auch in Sektoren mit relativ niedriger Qualifikation sinken die Löhne zum Teil so weit ab, dass trotz Vollzeitbeschäftigung ergänzende Sozialleistungen erforderlich sind.

Durch das Minijob-System werden Kleinstarbeitsverhältnisse sowohl arbeitsrechtlich als auch finanziell begünstigt. Gerade in dem Bereich, in dem Geringqualifizierte eine Arbeit aufnehmen könnten, sorgen diese Arbeitsverhältnisse für erhebliche Konkur- renz am Arbeitsmarkt. In der Begleituntersuchung (Hartz I bis III) wurde zudem fest- gestellt, dass diese Kleinstarbeitsverhältnisse keine Brücke in den ersten Arbeits- markt darstellen. Vielmehr wird die Segmentierung des Arbeitsmarktes verstärkt. Dies geht vor allem auch zulasten von Frauen. Die arbeitsmarktpolitische Begründung für die Minijobs ist also entfallen.

Es ist ein wirtschaftspolitischer Irrtum zu glauben, dass durch die pauschale Auswei- tung des Niedriglohnsektors zusätzliche Beschäftigung entsteht. Vielmehr ist es so, dass die Beschäftigten im Niedriglohnsektor über höchst ungesicherte Arbeitsverhält- nisse verfügen und zum Teil von ihren Einkommen nicht mehr leben können. Diese Verfestigung des Niedriglohnsektors ist inzwischen auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. So schreibt das IAB: „ Nur eine Minderheit der Geringverdiener schaffte im Zeitraum 1996 bis 2001 den Aufstieg in eine besser bezahlte Position. … Wenn der beobachtete Trend anhält, dass immer mehr Beschäftigte in der „Niedrig- lohnfalle“ festsitzen, steht zu befürchten, dass auch ihr Armutsrisiko dauerhaft steigt.“3

Das Outsourcing von Arbeitsplätzen und zunehmende Leiharbeit verstärken die Selektion am Arbeitsmarkt noch einmal zulasten der Schwächeren. Zusätzliche Beschäftigung hingegen ist auch im Niedriglohnsektor nicht entstanden. Stattdessen entfaltet der Niedriglohnsektor eine Sogwirkung auf (bisher noch) besser bezahlte Arbeitsplätze.

Unabhängig von den vorgeschlagenen Änderungen des SGB II müssen deswegen dringend politische Initiativen ergriffen werden, um das Absinken der Löhne nach unten zu begrenzen z.B. durch Regelungen zum Mindestlohn. Gleichzeitig muss der Niedriglohnsektor neu geordnet werden, so dass auch für Arbeitslosengeld II-Bezie- her verbesserte Arbeitsbedingungen entstehen. Hierzu gehört auch die Eingrenzung oder Abschaffung der Minijobs. Dem Trend in den Niedriglohnsektor kann auch durch

3 IAB Kurzbericht Nr. 3/2005

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Verstärkte Anstrengungen in der Bildung- und Weiterbildung entgegengewirkt werden.

3. Das Arbeitslosengeld II hat eine erhebliche Dunkelziffer unter den Armen sichtbar gemacht. Außerdem wurden die Sozialhilfeempfänger in die Sozialversicherung einbezogen bei gleichzeitiger Absenkung der Beiträge für ehemalige Arbeitslosenhil- feempfänger.

4. Mit dem Gesetzentwurf wird eine wesentliche Ursache für die Probleme bei der Vermittlung nicht angegangen. Dies sind die vollständige Trennung der Arbeitsmarkt- politik in zwei Leistungssysteme (SGB III und SGB II) und das Schaffen einer zusätz- lichen Schnittstelle.

Die ursprünglich von der Hartz-Kommission befürwortete und vom DGB unterstützte Forderung der „Hilfen aus einer Hand vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit“ ist mit der Aufteilung der Leistungsgewährung politisch leider nicht umgesetzt worden. Die Hartz-Kommission hatte gefordert: „Die neue BA steht den Kunden mit ihrem Job- Center vor Ort pro-aktiv mit den entsprechenden Ressourcen zur Verfügung: Sie ist in ihrer neuen Ausprägung für alle Erwerbsfähigen zuständig, d. h. auch für alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger“4.

Diesem Vorschlag ist die Politik nicht gefolgt, im Gegenteil: Mit der Umsetzung von Hartz IV ist eine neue Trennung vorgenommen worden. In Wirklichkeit sind also nicht zwei Leistungssysteme zusammengeführt worden, sondern die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und es wurde ein erweitertes Sozialhilfesystem für Millionen Arbeitslose geschaffen. Der Übergang vom Versicherungssystem in das Fürsorge- system wird in den meisten Fällen bereits nach zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit voll- zogen. Die zielgerichtete Eingliederung ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit wird zusätzlich durch die Trennung der finanziellen Rechnungskreise und die Wirkung des Aussteuerungsbetrages behindert. Damit ist ein wesentliches Ziel der Hartz-Refor- men nicht erreicht worden. Auch die zugesagten ergänzenden Hilfen durch die Kommunen werden nur sehr unzureichend erbracht. Auch hier konnte bisher keine wirkliche Verbesserung festgestellt werden.

Durch die Neuordnung wird einerseits die Bundesagentur (BA) entlastet und kann dies (potenziell) zu einer Leistungssteigerung für die verbleibenden Kundengruppen nutzen. Es zeichnet sich ab, dass die Leistungsstärkeren von der BA ein besseres Angebot erhalten, dass ihnen gezielt Maßnahmen zur Unterstützung der Einglie- derung angeboten werden, die Hilfe bei der Stellensuche verbessert wird und damit ihre Integration beschleunigt wird. Andererseits droht bei den ALG II-Empfängern eine weitere Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit, weil durch die frühe Schnitt- stelle dem Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit zu wenig entgegengesteuert wird.

Auch für Rehabilitanden ist die zusätzliche Schnittstelle nachteilig und hat ihren Verbleib in Arbeitslosigkeit verlängert. Wenn eine Eingliederung nur längerfristig zu erwarten ist oder sehr teuer wäre, wird der Übergang zum ALG II vielfach nicht verhindert. Alte, schon überwunden geglaubte Verschiebebahnhöfe werden wieder eröffnet.

4 Bericht der Hartz-Kommission Seite 42

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Durch die Wirkung des Aussteuerungsbetrages wird diese Tendenz verschärft. Die Selektion am Arbeitsmarkt wird verstärkt anstatt ihr durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken. Der DGB mahnt hier dringend Änderungen an. Die Schnittstelle zwischen BA und ARGE sollte kurzfristig neu bestimmt werden.

Der DGB schlägt vor:

1. Für die bessere Integration Jugendlicher und Rehabilitanden werden bei der BA spezielle Stellen geschaffen, soweit sie nicht bereits vorhanden sind. Sie kümmern sich ausschließlich um diese Gruppen und bieten weitgehend Hilfen aus einer Hand an. Die BA ist für beide Zielgruppen hinsichtlich der Vermittlung und der arbeits- marktbezogenen Integrationshilfen vollständig zuständig, unabhängig wer letztendlich die Kosten trägt. Die Kosten werden auf dem Verwaltungsweg verrechnet.

2. Rund 140.000 Bezieher/innen der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I erhalten als sog. „Aufstocker“ ergänzende Leistungen aus dem ALG II-System. Die „Auf- stocker“ werden sowohl von den Arbeitsagenturen als auch von den Arbeitsgemein- schaften/optierenden Kommunen betreut. Der DGB schlägt vor, den Arbeitsagen- turen für diesen Personenkreis die alleinige Zuständigkeit für die Arbeitsmarkt- integration in Anwendung (nur) des SGB III zu übertragen. Die passiven Leistungen sowie etwaige soziale Eingliederungsleistungen werden vom SGB II-Träger gewährt.

Die BA sollte für den Gesamtpersonenkreis der „Aufstocker“ einen Anteil aus dem SGB II-Eingliederungsbudget erhalten.

3. Um das Fürsorgesystem von Vermittlungsaufgaben zu entlasten, sollte geprüft werden, ob die BA mittelfristig für die Integration aller Arbeitslosen in den ersten 36 bis 42 Monaten (ALG I plus der Zeit des möglichen befristeten Zuschlages) zuständig sein sollte. Die Betreuung durch die BA erfolgt unabhängig von der gewährten

Lohnersatzleistung also auch für ALG II-Empfänger.

In dieser Zeit erhalten die Arbeitsuchenden die Arbeitsvermittlung, Arbeitsberatung und alle aktiven Leistungen der BA – unabhängig von ihrem finanziellen Status. Dies gilt auch für Nichtleistungsempfänger. Die meisten Arbeitsuchenden benötigen keine sozialarbeiterische Betreuung, sondern “lediglich“ einen Arbeitsplatz. Zur Unter- stützung der Suche benötigen sie arbeitsmarktpolitische Hilfen, auf die die BA spezi- alisiert ist.

Die Kostenaufteilung zwischen dem Versicherungssystem und dem Steuer finan- zierten System bleibt dabei erhalten. Die Aufwendungen für die ALG II Empfänger werden der BA vom Bund erstattet. Zumindest in den ersten drei Jahren ist dann das Ziel „Betreuung aus einer Hand“ erreicht und die Schnittstellenprobleme würden deutlich kleiner. Zugleich müsste aber auf die Sicherstellung ergänzender sozialer Hilfen der Kommunen hingewirkt werden.

Die Entlastung kommt vor allem den ARGEn zugute, sie können sich um ihren Personenkreis intensiver kümmern. Auch hier muss weiterhin aktive Vermittlung und aktives Fallmanagement stattfinden. Es kann nicht darum gehen, die Langzeit- arbeitlosen „abzuschieben“ sondern die Hilfen besser auf den bedürftigen Personen- kreis zu konzentrieren und die Leistungsfähigkeit der ARGEn zu erhöhen.

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4. Der DGB schlägt vor, für Selbständige die Unterstützung auf 12 Monate zu begren- zen. Durch die Unterstützung mit Arbeitslosengeld II ist es für Selbständige dauerhaft möglich, mit sehr niedrigen Preisen an den Markt zu gehen und dadurch auch die Existenz von Selbständigen, die bisher Existenz sichernde Preise erzielt haben, zu gefährden. Wenn nach 12 Monaten die Existenzgründung noch nicht so tragfähig ist, dass ein ausreichendes Einkommen erzielt wird, sollten die Personen vollständig der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und auch angehalten werden abhängige Beschäftigung zu akzeptieren. Dies ist auch im Interesse der Wettbewerbsgerechtig- keit gegenüber anderen Selbstständigen.

5. Der DGB hat grundsätzliche Bedenken gegen den Aussteuerungsbetrag, weil er Fehlsteuerungen der BA begünstigt und zu einer nicht sachgerechten Verwendung der Beitragsmittel führt. Kurzfristig sollten zumindest Regelungen aufgenommen werden, dass der Aussteuerungsbetrag in den folgenden Fällen nicht gezahlt werden muss:

- Bei den über 58-Jährigen (§ 428), die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.

- Bei Personen mit Rechtsanspruch auf Rehabilitation, da die BA hierbei keinerlei Steuerungsmöglichkeiten hat.

- Bei längerfristigen Qualifizierungsmaßnahmen, die über den Versicherungsbezug hinausführen.

Wie oben aufgezeigt, werden die wesentlichen Ursachen für die steigenden Kosten beim Arbeitslosengeld II mit den vorgeschlagenen Änderungen durch das „Fortentwicklungs- gesetz“ nicht beseitigt. Mehr Kontrollen und ein verbesserter Verwaltungsablauf werden die Fehlentwicklungen allein nicht korrigieren. Die in der öffentlichen Diskussion immer wieder behaupteten Ursachen wie z. B. das Auseinandergehen von Paarhaushalten sowie die Trennung von Jugendlichen vom Elternhaushalt sind, wenn überhaupt, nur marginale Gründe für die Kostenentwicklung. Dem Gesetz liegt also eine mangelnde Analyse über die Ursachen zugrund, die folglich zu falschen Schlüssen führt.

Unabhängig von den grundsätzlichen Anmerkungen schlägt der DGB weitere konkrete Ände- rungen am Gesetz vor.

Paarhaushalte fördern: Anstatt mit öffentlichen Kontrollen und Eindringen in die Privat- sphäre das Vorhandensein von Paarhaushalten zu erforschen, sollten finanzielle Anreize dafür sorgen, dass Erwerbstätige nicht voll in Mithaftung für die Arbeitslosigkeit ihres Part- ners genommen werden. Bei eheähnlichen Gemeinschaften z.B. besteht keine Unterhalts- verpflichtung. Dabei sollte an die Erfahrungen mit der Arbeitslosenhilfe angeknüpft werden.

In der Arbeitslosenhilfe war u.a. das Existenzminimum des erwerbstätigen Partners von der Anrechung freigestellt. Diese Regelung war weitgehend akzeptiert und hat zu wenigen Kon- flikten geführt. Beim Arbeitslosengeld II sollte an diese Regelung angeknüpft werden. Hier- durch werden Arbeitsanreize gestärkt und das Zusammenleben belohnt.

Unterhaltspflicht für nichtleibliche Kinder: Problematisch ist auch die Erweiterung der Unterhaltspflicht in Paarhaushalten für nichtleibliche Kinder. Zwar ist es verständlich, dass der Gesetzgeber bemüht ist, Nichtverheiratete nicht besser zu stellen als Verheiratete. Dies darf allerdings nicht nur auf der Belastungsseite ansetzen, sondern müsste dann konsequent auch auf der Entlastungsseite ansetzen. Durch die vorgesehene Regelung werden vor allem

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neue Beziehungen und sog. Patchworkfamilien belastet. Durch Sozialrecht darf zudem nicht bürgerliches Unterhaltsrecht “ausgehebelt“ werden.

Vermögensanrechnung: Darüber hinaus bemängelt der DGB die vorgesehene Änderung bei der Anrechung von Vermögen. Die Absenkung des allgemeinen Freibetrages vermindert den finanziellen Spielraum der Arbeitslosengeld II-Haushalte erheblich, ohne dass sie durch die Ausweitung der Altersvorsorge einen angemessenen Ersatz bekommen würden.

Gleichzeitig schlägt der DGB vor, für rentennahen Jahrgänge, die keine geschützte Alters- vorsorge aufbauen können, den erhöhten Freibetrag von 520 Euro pro Lebensjahr befristet zu verlängern. Die derzeitige Stichtagsregelung für den erhöhten Freibetrag schützt die rentennahen Jahrgänge in den Folgejahren nicht mehr.

Arbeitsmarktinstrumente wirkungsvoll einsetzen: Bei der Entwicklung der arbeitsmarkt- politischen Maßnahmen muss die gesetzliche Rangfolge stärker beachtet werden. Die Arbeitsgelegenheit nach der Mehraufwandsvariante soll nur dann zum Einsatz kommen, wenn andere Instrumente der Arbeitsmarktpolitik keinen Erfolg versprechen. Tatsächlich ist es jedoch so, dass vielfach andere Instrumente der Arbeitsmarktpolitik erst gar nicht geprüft werden, sondern die Arbeitssuchenden direkt in Arbeitsgelegenheiten überwiesen werden.

Da die Integrationswirkung der Arbeitsgelegenheiten nur sehr bescheiden ist, sollte der Gesetzgeber für Klarstellung sorgen, dass die vorgesehene Reihenfolge auch tatsächlich beachtet wird.

Richtige Anreize bei Arbeitsgelegenheiten setzen und Missbrauch vorbeugen: Bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung unter Berücksichtigung von Steuer- und

Beitragsaufkommen ist eine öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Arbeitsloser kaum teurer als eine Arbeitsgelegenheit in der Mehraufwandsvariante.

Der DGB schlägt vor, Ausgaben aus dem Eingliederungsbudget für sozialversicherungs- pflichtige öffentlich geförderte Beschäftigung teilweise deckungsfähig zum (passiven) Alg II- Budget zu stellen. Dies kann umgesetzt werden, indem die SGB II-Träger zusätzlich 10 % vom Eingliederungsbudget erhalten, wenn sie damit innovative, sozialversicherungspflichtige Modellprojekte finanzieren. Das passive Budget (Alg II) wird im gleichen Umfang vermindert.

Im Ergebnis trägt dies zu einer anteiligen Finanzierung der Maßnahme über das (passive) Alg II bei und entspricht damit der Finanzwirkung von Arbeitsgelegenheiten. Damit ließe sich der finanziell und nicht arbeitsmarktpolitisch begründeten Dominanz von Arbeitsgelegen- heiten entgegenwirken.

Darüber hinaus kommt es bei der Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten vielfach zum Missbrauch, weil das Zusätzlichkeitsgebot nicht ausreichend beachtet wird. Die bisher frei- willig vorgesehenen Beiräte sollten deswegen in allen ARGen und Optionskommunen

verpflichtend eingeführt werden. Dabei muss den örtlichen Akteuren der Arbeitgeber und den Vertretern der Gewerkschaften ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden, wenn bei der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten das Zusätzlichkeitsgebot nicht ausreichend beachtet wurde.

Notwendigkeit einer Öffnungsklausel für Härtefälle: Anders als im Sozialhilferecht (§ 28 SGB XII) kann im SGB II bei von der Regelleistung abweichendem Bedarf keine Einzelfall- entscheidung im Sinne einer höheren Regelleistung getroffen werden. Allenfalls Darlehen sind möglich (§ 23 SGB II) Eine solche Härtefallregelung würde besondere Bedarfslagen (z.B. krankheitsbedingte Mehrausgaben, die nicht von der Krankenkasse übernommen

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werden, erhöhter Kleidungs- oder Ausbildungsbedarf auffangen. Die fehlende Öffnungs- klausel wurde bereits von Sozialgerichten, zum Teil durch einstweilige Anordnung, moniert.

Das Prinzip der einzelfallbezogenen Bedarfsdeckung wird ohne Öffnungsklausel bei den Regelsätzen im SGB II nicht erfüllt.

Unabhängig davon weist der DGB bereits jetzt auf die mit der geplanten Mehrwertsteuer- erhöhung zum 1. Januar 2007 drohende Unterdeckung des Bedarfs hin. Die Regelsatzan- passung sollte nicht hinter der Entwicklung der Preise für regelsatzrelevanten Bedarf zurück- bleiben.

Insgesamt kommt der DGB zu der Bewertung, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf die entstandenen Probleme nicht ausreichend beseitigt werden. Zwar ist es richtig, Fehler im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren zu korrigieren und dazu beizutragen, dass Büro- kratie abgebaut werden kann, die Grundprobleme des Systems werden jedoch nicht ange- gangen.

2. Zu den Regelungen im Einzelnen

Zu § 5 Absatz 3:

Im Paragraph 5 Absatz 3 ist geregelt, dass die Leistungsträger der Grundsicherung Anträge bei anderen Trägern stellen können, wenn diese vorrangig leistungsverpflichtet sind.

Es sollte klargestellt werden, dass dies nicht für die Rentenversicherung gilt, solange nicht eine abschlagsfreie Rente gezahlt werden kann. Dies entspricht der zurzeit noch geltenden Praxis. Nach dem Wortlaut des Gesetzes können aber auch Rentenanträge bei Inkaufnahme von Abschlägen gestellt werden. Die vom DGB vorgeschlagene Klarstellung dient der

Rechtssicherheit.

Zu § 7

In Paragraph 7 wird die Unterhaltsverpflichtung von zusammenlebenden Partnern neu gere- gelt. Es wird klargestellt, dass auch nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner (die nicht als Lebenspartner nach dem Lebenspartnergesetz eingetragen sind) gegenseitig unterhalts- verpflichtet sind. Dies dient der Gleichbehandlung und wird deswegen vom DGB unterstützt.

Gleichzeitig werden aber Kriterien formuliert, mit deren Hilfe eingeschätzt werden soll, ob die Partnerschaft so tragfähig ist, dass gegenseitige Unterstützung erwartet werden kann. Bei Vorliegen eines der vier im Gesetz genannten Kriterien wird vermutet, dass der wechsel- seitige Wille, Verantwortung zu tragen, vorliegt. Die unterstellte Vermutung kann von den Betroffenen widerlegt werden. Damit wird die Beweislast für das Vorliegen einer Lebenspart- nerschaft umgekehrt.

Der DGB bezweifelt, dass die bestehenden Probleme bei der Bestimmung der Bedarfsge- meinschaften von Unverheirateten mit der vorgesehenen Gesetzesänderung gelöst werden können. Insbesondere das unter Punkt eins genannte Kriterium, in dem eine Einstehens- gemeinschaft bereits dann unterstellt wird, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammen

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leben, ist problematisch. Die gesamte Regelung ist nur mit hohem Kontrollaufwand umsetz- bar und belastet die Gerichte in hohem Maße.

Durch die Beweislastumkehr werden die Betroffenen in eine Situation gezwungen, eine

„innere Tatsache“ zu beweisen. Daher muss auch klargestellt werden, dass eine Erklärung der Betroffenen ausreicht, um diese Vermutung zu widerlegen. Ansonsten führt die Regelung zu einer Mehrbelastung, die insbesondere die Richter in ihrer Amtsermittlungspflicht trifft und die Arbeitsbelastung der bereits jetzt stark belasteten Gerichte noch weiter steigert.

Die Anzahl der Bedarfgemeinschaften mit nur einer Person könnte ebenfalls ansteigen, da Wohngemeinschaften - unabhängig vom Geschlecht der Bewohner – die lediglich aus Kostengründen in einer größeren Wohnung zusammenleben, schnell in kleinere und meist im Verhältnis teurere Wohnungen ausziehen, schon um der Nachforschung aus dem Wege zu gehen.

Der DGB regt an, anstatt durch aufwendige formale Kontrollen eine Einstehensgemeinschaft festzustellen, positive Anreize zu setzen. Dabei sollte vor allem die Beibehaltung der

Erwerbstätigkeit im Vordergrund stehen. Die Regelungen aus der früheren Arbeitslosenhilfe, die sich bewährt haben, können als Vorbild dienen.

Durch das Zusammenleben der Partner profitiert der Staat langfristig. Vorübergehende Mehrkosten zu Beginn der Neuregelung sind deswegen vertretbar. Die Mehrkosten sind auch deswegen vertretbar, weil nicht verheiratete Partner andere Vergünstigungen wie Steuererleichterungen oder gemeinsame Ansprüche aus Sozialversicherungen nicht geltend machen können. Die vorgesehenen Kontrollen sind nur durchführbar, wenn erheblich in die Privatsphäre der Antragsteller eingegriffen wird. Da durch andere Mittel das gleiche Ziel erreicht werden kann, ist dies nicht vertretbar und unverhältnismäßig.

Zu § 9 Abs. 2

Die Neuregelung dehnt die Einstandspflicht innerhalb der Bedarfsgemeinschaft auf den Bedarf von nicht leiblichen Kindern aus. Es handelt sich bei der Änderung nicht um eine

„Klarstellung“, da in der Rechtsprechung die Einstandspflicht von Stiefeltern oder eheähn- lichen Partnern für die Kinder ihres Ehegatten oder Partners bisher abgelehnt wurde.

Mit der Ausdehnung der Einsatzpflicht wird eine Unterhaltsverpflichtung geregelt, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen der Eltern steht. Gemäß § 1602 BGB sind nur Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Daher ist es bedenklich, eine Regelung zur Unterhaltsverpflichtung einzuführen, obwohl diese gerade Linie der Verwandtschaft weder zum Partner des Elternteils noch zum Stief- elternteil besteht. Darüber hinaus soll die Einstandspflicht - ohne Ausnahme - auch auf voll- jährige Kinder bis zum 25. Lebensjahr ausgedehnt werden, obwohl erwachsene Kinder in der Regel für ihren Unterhalt selbst sorgen müssen und nur in wenigen Fällen eine Unterhalts- verpflichtung der Eltern besteht. Die Regelung erfolgt daher zu Lasten der (neuen) Partner und entlastet Elternteile, die ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen.

Die Regelung ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, da der Partner oder das Stiefeltern- teil durch den Einsatz des eigenen Einkommens selbst hilfebedürftig werden kann (§ 9 Abs.2 Satz 3 SGB II), obwohl die eigene Existenzgrundlage aus eigenen Mitteln bestritten werden kann.

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Der DGB regt daher eine Klarstellung an, dass in Stieffamilien bei der Feststellung des Hilfe- bedarfs der Kinder mangels Unterhaltsanspruchs kein Unterhaltsbeitrag des neuen Partners des Elternteils erwartet werden kann. Die Unterhaltsregelungen des BGB dürfen nicht durch Entzug von Sozialleistungen praktisch konterkariert werden.

Die verschärfte Unterhaltspflicht dürfte eher dazu beitragen, dass Partnerschaften nicht entstehen, anstatt diese zu stabilisieren. Damit wird der Bedarfsgemeinschaft die Chance genommen, aus eigener Kraft aus der Hilfebedürftigkeit herauszuwachsen. Der DGB bezweifelt, dass die vorgesehene Regelung für den Staat mittelfristig vorteilhaft ist.

Zu § 11

Es wird klargestellt, dass gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen und als Unterhaltsbeitrag von den Eltern geforderte Zahlungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz vom

anzurechnenden Einkommen abgesetzt werden können. Gleichzeitig wird für Personen die Pflegegeld für nicht eigene Kinder beziehen, eine Anrechnungsregelung eingeführt. Die Klarstellung erfolgt aufgrund der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung.

Der DGB begrüßt die vorgesehenen Änderungen.

Zu § 12

Mit der vorgesehenen Änderung wird der Freibetrag für das Vermögen, das der Alters- vorsorge dient, von 200 Euro pro Lebensjahr auf 250 max. 16.250 Euro heraufgesetzt.

Gleichzeitig wird der allgemeine Freibetrag von 200 Euro auf 150 Euro pro Lebensjahr abge- senkt. Der Freibetrag für Kinder wird von 4.100 Euro auf 3.100 Euro reduziert.

Der DGB begrüßt die Heraufsetzung des Freibetrages für Altersvermögen. Die Neuregelung ist allerdings für rentennahe Jahrgänge nicht ausreichend. Bei der Festsetzung des Freibe- trages ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass für die Hilfebedürftigen neben der Geldvorsorge andere geschützte Vorsorgeformen möglich sind und in Anspruch genommen werden. Dies können zum Beispiel die Riesterrente oder Investitionen in selbst genutztes Wohneigentum sein. Unter diesen Voraussetzungen sind die Freibeträge vertretbar. Aller- dings stehen den rentennahen Jahrgängen diese erst neu eingeführten Vorsorgeformen nicht mehr zur Verfügung bzw. können nicht mehr ausreichend aufgebaut werden.

Der DGB schlägt deswegen vor, dass die Übergangsregelung aus Paragraph 65 Abs. 5, der einen besonderen Freibetrag in Höhe von 520 Euro pro Lebensjahr für Personen vorsieht, die vor dem Jahr 1948 geboren sind, auf alle älteren über 55 Jahre befristet ausgeweitet wird.

Der DGB bemängelt allerdings, dass die Besserstellung des Vermögens für Altersvorsorge kompensiert werden soll durch eine Reduzierung des allgemeinen Freibetrages. Durch die

“Verrechnung“ des Feibetrages für Altersvermögen mit dem allgemeinen Freibetrag wird der Eindruck erweckt, als wenn für die Hilfebedürftigen die gleiche Summe zur Verfügung stünde. Tatsächlich ist es aber so, dass nur ein kleiner Teil der Hilfebedürftigen Altersvorsor- gevermögen zurückgelegt hat, so dass für die meisten eine Reduzierung des gesamten Vermögensfreibetrages eintritt.

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Der allgemeine Freibetrag dient insbesondere der Vorsorge vor besonderen Risiken wie Reparaturarbeiten, kurzfristige Anschaffungen von Haushaltsgütern oder Erkrankungen.

Besonders für junge Familien ist der Freibetrag mit 200 Euro ohnehin sehr niedrig angesetzt.

So hat zum Beispiel ein Alleinstehender 25jähriger einen Freibetrag von 5.000 Euro und ein Paarhaushalt von 10 000 Euro. Wenn man berücksichtigt, dass Jüngere häufig in sehr unge- sicherten Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und evtl. eine Familiengründung bevorsteht, ist eine Reduzierung dieses Freibetrages eine soziale Härte, die den Dispositionsspielraum erheblich einengt.

Zu § 15a

Mit der Neuregelung soll erwerbsfähige Personen, die in den letzten zwei Jahren weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosengeld II bezogen haben, unverzüglich bei Antragstellung Leistungen zur Integration in Arbeit angeboten werden. Es wäre zu begrüßen, wenn tat- sächlich ein qualifiziertes und Integration förderndes Sofortangebot gemacht werden könnte.

Der DGB bezweifelt allerdings, dass das vorgesehene Sofortangebot bei der aktuellen Arbeitsmarktlage und der organisatorischen Probleme der SGB II Träger dieses Ziel erfüllt werden kann. Standard sollte sein, dass erst nach einem ausführlichen Profiling und einer Eingliederungsvereinbarung individuell auf die Person zugeschnittene Eingliederungsmaß- nahmen angeboten werden. Hierdurch soll ein zielgerichteter Mitteleinsatz erreicht werden.

Es ist nicht klar, welches Ziel mit diesem Sofortangebot erreicht werden soll. Eine Einglie- derung in den Arbeitsmarkt wird durch das Sofortangebot in der Regel nicht erreicht.

Es ist zu fragen, welcher Personenkreis von dieser Regelung " profitieren" soll? Alle Perso- nen die Leistungen aus einem anderes Sozialleistungssystem bezogen haben, z.B.

Krankengeld oder eine befristete Rente, können es nicht sein.

Es sollte klargestellt werden, dass das Sofortangebot der Integration in den ersten Arbeits- markt dienen muss. Dies kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn individuelle Angebote gemacht werden und nicht auf Standardangebote wie Ein-Euro-Jobs zurückgegriffen wird.

Zu § 16 und § 18a

Mit der Neuregelung wird klargestellt, dass alle Personen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, durch die Arbeitsgemeinschaften, die optierenden Kommunen oder bei getrennter Trägerschaft durch die zuständigen Stellen betreut werden. Dies gilt auch für die Ausbil- dungsvermittlung und für die Rehabilitationen. Im Gesetzentwurf wird lediglich klar gestellt, dass in Zukunft eine Förderung nach einheitlichen Grundsätzen erfolgen soll.

Der DGB hat erhebliche Zweifel, ob die vorgesehene Förderung nach einheitlichen

Grundsätzen die Schnittstellenprobleme tatsächlich beseitigt. Die vorgesehene Arbeitsauf- teilung zwischen der Bundesagentur und den Arbeitsgemeinschaften bzw. Optionskommu- nen ist im Interesse der Betroffenen nicht optimal. Die Selektionswirkungen des Arbeits- marktes treffen für diese beiden Zielgruppen in noch höherem Maße zu als ohnehin für alle Arbeitslosen. Die vorgesehenen Regelungen führen dazu, dass in den Argen vollständige Doppelstrukturen auch für Ausbildungsvermittlung und Rehabilitation geschaffen werden müssen. Dies ist weder im Interesse der Betroffenen noch kostengünstiger. Auch die mögli- che Geschäftsübertragung wird die Probleme nicht lösen.

Der DGB schlägt vor, dass sowohl die Berufsberatung als auch die Ausbildungsvermittlung ausschließlich durch die Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. Das gleiche gilt für

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das Rehabilitationsverfahren, wenn durch den Träger der Grundsicherung der Rehabilitati- onsbedarf grundsätzlich festgestellt worden ist. Die Träger der Grundsicherung werden über ein internes Verrechnungsverfahren an den Kosten beteiligt.

Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass die meisten Argen und optierenden Kommunen nicht in der Lage sind, die beiden genannten Bereiche qualifiziert umzusetzen. Vor allem die Situ- ation der Rehabilitanten hat sich mit dem Arbeitslosengeld II deutlich verschlechtert. Dabei ist unstrittig, dass eine erfolgreiche Rehabilitation Voraussetzung ist für die Wiedereingliede- rung in den Arbeitsmarkt.

Um das SGB II-System insgesamt zu entlasten, sollte auch die Gruppe der Arbeitslosen- geldempfänger mit aufstockendem ALG II ausschließlich von den Agenturen für Arbeit betreut werden. Bei diesen Arbeitslosen handelt es sich in der Regel um kurzfristig Arbeits- lose, die zweifelsfrei als arbeitsmarktnah eingestuft werden können. Bei der Betreuung durch die Agenturen für Arbeit ist eine bessere Vermittlung zu erwarten. Außerdem ist gewähr- leistet, dass den Hilfebedürftigen alle Leistungen des SGB III auch tatsächlich zur Verfügung stehen.

Der DGB regt an, dass gesetzlich klargestellt wird, dass der Einsatz von Arbeitsgelegen- heiten in der Mehraufwandsvariante nachrangig zu der Förderung von sozialversicherungs- pflichtiger Arbeit und auch zu ABM ist. Damit bringt der Gesetzgeber seinen Wunsch zum Ausdruck, verstärkt sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheiten anzubieten. Aller- dings sind bisher nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Grund für die massenhafte Ausweitung der Ein-Euro-Jobs, sondern die finanziellen Rahmenbedingungen.

Bei öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sollte ein Teil des Haushaltstitels für passive Leistungen mit dem Haushaltstitel für aktive Leistungen deckungsfähig gemacht werden. (siehe Ausführungen oben in der Gesamtbewertung).

Dadurch wird gewährleistet, dass ein Lohnanteil, der für den Lebensunterhalt und die Wohnungskosten verwendet wird, aus dem passiven Titel entnommen werden kann und nicht den aktiven Titel belastet. Auch die Kommunen, die durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wegen der dann nicht mehr notwendigen Finanzierung der Wohnungskosten entlastet werden, werden auf diese Weise an den Kosten beteiligt. Nur dann entstehen Anreize anstatt der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung eine sozialver- sicherungspflichtige Beschäftigung anzubieten.

Zu § 16 Abs. 3, Satz 2

Mit der Neuregelung wird klargestellt, dass für die Personen, die in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt sind, während der Urlaubszeit keine Mehraufwandsentschädigung gezahlt wird.

Der DGB hält diese Regelung für kleinlich. Der Urlaub soll der Erholung von den mit der Arbeit verbundenen Belastungen dienen. Nach allgemeinem Verständnis ist Urlaub die Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des bisherigen Lohnes. Es ist unverständlich, warum man bei Personen, die in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt werden, versucht 50,- bis 100,- € einzusparen.

Zu § 19

In der Änderung wird hervorgehoben, dass der Zuschlag nach § 22 (befristeter Zuschlag nach Ende des ALG I) nicht als Arbeitslosengeld II gilt.

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Es war ausdrücklich Wille des Gesetzgebers bei der Einführung des neuen Leistungs- systems eine Übergangszeit zu schaffen, in der die Einkommensverluste gegenüber Erwerbstätigkeit und Arbeitslosengeld I abgemildert werden. Deswegen ist der Zuschlag nach Verständnis des DGB auch Bestandteil des ALG II. Deswegen sollte auf diese Änderung verzichtet werden.

Zu § 22

Der DGB begrüßt, dass klargestellt wird, dass bei einem von den Trägern der Grundsi- cherung verlangtem Umzug auch die Kosten des Umzugs übernommen werden müssen.

Hierzu gehört auch ggf. die Übernahme einer Mietkaution. Außerdem können Bezieher von Ausbildungsbeihilfe oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ergän- zende Leistungen für die Übernahme der Kosten der Unterkunft erhalten. Hierdurch können Ausbildungsabbrüche verhindert werden, deswegen ist die Regelung zu begrüßen. Rechts- systematisch besser wäre eine Lösung im BaföG-Gesetz die sicherstellt, dass dem ALG II vorgelagerte Leistungen armutsfest ausgestaltet sind.

Der DGB lehnt die in § 22 Abs. 1 vorgesehene Regelung zur Begrenzung der Übernahme von Unterkunftskosten ab. Sie würde bedeuten, dass Hilfeempfänger in einer einmal bezo- genen sehr billigen Wohnung festsitzen würden, wenn sie noch nicht einmal in „ange- messenen“ Wohnraum umziehen dürfen. Dies ist eine unverhältnismäßige Einschränkung der Freizügigkeit.

Zu § 31

Mit der Neuregelung werden die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten noch einmal

verschärft. So wird der Zeitraum, in dem eine wiederholte Pflichtverletzung vorliegen kann, von drei Monate auf ein Jahr verlängert. Der DGB weist darauf hin, dass die Neuregelung zu erheblichem bürokratischen Aufwand führt, weil bei einer Absenkung des Arbeitslosengeldes um mehr als 30 % Sachleistungen erbracht werden müssen. Für diese Sachleistungen muss jeweils eine Einzelfallprüfung evtl. sogar unter Einschaltung des Außendienstes vorge- nommen werden. Da es für Fachleute weitgehend unstreitig ist, dass Arbeitsverhältnisse nicht unter Androhung von Sanktionen erzwungen werden können, ist zweifelhaft, ob die Neuregelung tatsächlich zu einer Verbesserung führen.

Der DGB schlägt vor, auf die zweite Stufe der Sanktionen vollständig zu verzichten. Die Absenkung der Regelleistung um 30 % geht an die Grenze des Existenzminimums. Weitere Kürzungen sind arbeitsmarktpolitisch unwirksam und auch sozialpolitisch nicht vertretbar.

Abzulehnen ist auch die Regelung, dass zukünftig Leistungen für die Wohnung in den Abschlag einbezogen werden sollen. Die Kosten für die Wohnung können durch den Leistungsbezieher nicht beeinflusst werden, so dass die Reduzierung des Mietzuschusses unmittelbar zu Lasten des Anteils geht, der für den Lebensunterhalt vorgesehen ist. Die Summe, die dem Leistungsbezieher tatsächlich zur Verfügung steht, wird deswegen nicht um 30 %, sondern um einen deutlich höheren Betrag reduziert. Auch dies ist sozialpolitisch nicht vertretbar und kann dazu führen, dass Mietschulden oder Schulden bei Energie oder Wasserversorgern entstehen.

Sowohl für Jugendliche als auch bei wiederholter Pflichtverletzung soll in Zukunft auf eine Rechtsfolgenbelehrung verzichtet werden. In den Absätzen 3, 5 und 6 werden die jeweils der Rechtslage dienenden Hinweise auf die Rechtsfolgenbelehrungen gestrichen. Diese

Hinweise dienen der Klarstellung, die Streichung sollte deswegen unterbleiben. Gerade

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Jugendliche brauchen nicht weniger, sondern mehr Belehrung, wenn es um drohende Sanktionen geht.

Zu § 36 a

Der DGB begrüßt, dass bei Aufenthalte im Frauenhaus die Kostenträgerschaft klar geregelt ist.

Zu §§ 44 a und 45

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit soll grundsätzlich durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen. In Streitfällen soll eine gemeinsame Einigungsstelle eingerichtet werden.

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit führt in der Praxis zu Streitfällen. Der DGB hält die im Gesetz vorgesehene gemeinsame Einigungsstelle der Kostenträger nicht für geeignet, die Erwerbsfähigkeit objektiv festzustellen. Es besteht die Gefahr, dass vor allem Kosten- gesichtspunkte bei der Entscheidung eine vorrangige Rolle spielen.

Der DGB schlägt vor, die Einigungsstelle nicht nur mit Vertretern der Leistungsträger zu besetzen, sondern auch mit neutralen fachkundigen Personen. Dabei muss angestrebt werden, dass nur die Personen als erwerbsfähig erklärt werden, die auf absehbare Zeit auch tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Zu § 44 b

Die Neuregelung hat u. a. zur Folge, dass einerseits die Agentur für Arbeit gegenüber den Arbeitsgemeinschaften gestärkt wird, weil die Bundesagentur für Arbeit befugt ist, die Arbeitsgemeinschaften an ihre Auffassung zu binden. Andererseits führen die Länder die Rechtsaufsicht hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung. Der DGB hält diese zwei- geteilte Verantwortung für nicht zielführend. Gerade die zweigeteilte Verantwortung ist Ursa- che für die erheblichen Anlaufprobleme der Arbeitsgemeinschaften.

Der DGB spricht sich dafür aus, eine klare Verantwortung in den Arbeitsgemeinschaften zu installieren. Wenn die jeweiligen Kommunen nicht bereit sind, die Führung zu übernehmen, sollte die Führung der ARGEN bei der BA angesiedelt werden.

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