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HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

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Academic year: 2022

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Jacques Offenbach

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

Materialmappe

Theater Erfurt, 2021.22

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Erfurt, 25. Januar 2022 Liebe Pädagog:innen,

wir freuen uns, dass Sie mit Ihrer Schulklasse Jacques Offenbachs Oper

Hoffmanns Erzählungen

besuchen! Damit Ihre Schüler:innen bestmöglich auf den Vorstellungsbesuch vorbereitet sind, haben wir dieses Material für den Unterricht für Sie zusammengestellt.

Darin finden Sie neben einer Inhaltsangabe Hinweise zur Inszenierung. Mit Arbeitsaufträgen

rund um den Themenkomplex „Freiheit“ können sich die

Schüler:innen der Inszenierung nähern. Wir empfehlen zusätzlich eine Nachbereitung, die vorangegangene Überlegungen mit den Eindrücken während der Vorstellung vergleicht und auf das eigene Leben bezieht.

Gerne kommen wir für eine Vor-/Nachbereitung auch zu Ihnen in die Schule.

Kontaktieren Sie uns dafür jederzeit gerne unter schule@theater-erfurt.de und +49 (0) 361 22 33 254 | -255.

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

Mit besten Grüßen

Maja Wagner & Franziska Kloos Junges Theater

Musiktheater- und Konzertvermittlung

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INHALTSVERZEICHNIS

Inhalt

INHALTSVERZEICHNIS ... 3

BESETZUNG ... 4

Hoffmanns Erzählungen – eine Materialsammlung ... 6

Inhalt der Erfurter Inszenierung von Balázs Kovalik ... 7

ERSTER AKT: Prolog ... 7

ZWEITER AKT: Olympia ... 8

DRITTER AKT: Antonia ... 9

VIERTER AKT: Giulietta ... 10

FÜNFTER AKT: Epilog ... 10

Aspekte ... 11

Freiheit ist… ... 11

Grenzen der Freiheit ... 11

„Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ ... 11

Und ihr? ... 11

Pressefreiheit/ Meinungsfreiheit ... 11

Zur Inszenierung ... 12

Die Ballade von Kleinzack ... 13

Die Barcarole ... 14

Die Marionette ... 14

Freiheit hier und heute ... 14

Von Freiheit, Kunst und Macht -Interview………...15

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BESETZUNG

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

Jacques Offenbach Les Contes d'Hoffmann

Opéra-fantastique in fünf Akten

Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, Fassung von Michael Kaye und Jean-Christoph Keck

Uraufführung Paris 1881

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung Yannis Pouspourikas

Inszenierung Balázs Kovalik

Bühne Hermann Feuchter

Kostüme Sebastian Ellrich

Licht Thomas Spangenberg

Dramaturgie Larissa Wieczorek

Regieassistenz Cristiano Fioravanti

Inspizienz Annette Rittmeister / Lutz Krahl

Soufflage Jana Frank

Ausstattungsassistenz Tamara Stotz

Kostümassistenz Silvio Höhmann

Konstruktion Jonas Würtz

Übertitel Elisabeth Hefner / Philipp Etzel

Hoffmann Brett Sprague

Die Muse / Nicklaus Florence Losseau

Olympia Danae Kontora

Antonia Daniela Gerstenmeyer

Giulietta Jessica Rose Cambio

Lindorf / Coppelius / Dapertutto / Dr. Mirakel Máté Sólyom-Nagy Nathanael / Cochenille / Pitichinaccio / Frantz Jörg Rathmann

Luther / Krespel / Amadeo Kakhaber Shavidze

Spalanzani Julian Freibott

Stimme von Antonias Mutter Katja Bildt

Wilhelm / Schlemihl Siyabulela Ntlale

Philharmonisches Orchester Erfurt TP Gotha-Eisenach

Opernchor des Theater Erfurt Statisterie des Theater Erfurt

Premiere: 29.01.2022 19:00

Weitere Vorstellungen: 29.01.2022 19:00,05.02.2022 19:00,11.02.2022 19:30,27.02.2022 15:00,01.04.2022 19:30,10.04.2022 18:00

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Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, und von der Nothwendigkeit der Geister, nicht von der Nothdurft der Materie will

sie ihre Vorschrift empfangen.

Friedrich Schiller

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Hoffmanns Erzählungen – eine Materialsammlung

Da der Komponist Jacques Offenbach (1819 – 1880) das Werk zu Lebzeiten nicht mehr vollenden konnte, hinterließ er nur eine unvollständige und unübersichtliche Materialsammlung. Im Laufe der Jahre wurde sein Material immer wieder neu sortiert, gekürzt und ergänzt, und es entstanden zahlreiche Fassungen der Oper.

Ausgangspunkt sind eine Reihe von Erzählungen des deutschen Romantikers Ernst Theodor Amadeus (kurz E. T. A.) Hoffmann. Hoffmann war nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Jurist, Komponist, Dirigent, Musikkritiker, Zeichner und Karikaturist tätig. Sein Leben und seine Geschichten waren von Veränderungen geprägt

Ein Mann, der nicht nur Geschichten, sondern auch sich selbst immer wieder neu erfand, sich selbst und die ihn umgebende Gesellschaft in seinen Geschichten

spiegelte und sich regelmäßig mit den politischen Mächten seiner Zeit anlegte.

Leben und Werk fanden Einklang in das Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, das der Oper als Vorlage diente.

Die Erfurter Neuinszenierung durchleuchtet in einer tragikomischen Satire das komplexe Wechselspiel von Macht und (künstlerischer) Freiheit.

Der Schriftsteller und Musiker E. T. A. Hoffmann wird in der Oper zum Anti-Helden seiner eigenen Erzählungen. Als nonkonformer Künstler wird er von Machthabern seiner Freiheit beraubt und beginnt zu erzählen: Von seiner Begegnung mit der hochvirtuosen Sängerin Olympia, die von den Machthabern wie eine Propaganda-

Puppe manipuliert, vorgeführt und schließlich gebrochen wird. Von der Musikerin Antonia, die sterben muss, als von Vertretern der Staatssicherheit entdeckt wird, dass sie trotz Verbots öffentlich singt. Und von Giulietta, die Hoffmann in Gefilde führt, in denen man sich verkaufen und seine Ideale verraten muss – wobei er seine Integrität und die Fähigkeit zur Selbstreflektion verliert. Schließlich lässt sich der rebellische Künstler Hoffmann dazu verführen, selbst nach der Macht zu greifen …

Ob uns nun wohl tatsächlich ein gold-grünes Zeitalter bevorsteht???

Larissa Wieczorek

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Inhalt der Erfurter Inszenierung von Balázs Kovalik

ERSTER AKT: Prolog

Hoffmann will verhindern, dass systemkritische Literatur vernichtet wird und wird verhaftet. In einem Verhör versucht Rat Lindorf vergeblich herauszufinden, was Hoffmann zu verbergen hat. Eine Polizeipsychologin beäugt die beiden kritisch.

Im Gefängnis initiieren Hoffmann und einige Mitgefangene während der Essensausgabe eine künstlerische Protestaktion und Revolte, die jedoch niedergeschlagen werden kann. Die Polizeipsychologin fühlt sich von dem Geschehen und Hoffmanns Charisma seltsam berührt.

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ZWEITER AKT: Olympia

Hoffmann möchte sich als Spalanzanis Student in die tomanische Gesellschaft einschleichen und Spalanzanis Tochter, der renommierten Sängerin Olympia, nahekommen. Spalanzani kommt dies

gelegen: Olympia soll mehr über die Motive Hoffmanns herausfinden.

Coppelius, ein Geschäftspartner von Spalanzani, verkauft Hoffmann eine Brille. Als Spalanzani zurückkehrt, verhandeln er und Coppelius über ihre Anrechte an der Person Olympias.

Bei einem Empfang präsentiert Spalanzani der Gesellschaft die Gesangskünste Olympias. Während alle anderen dinieren, nähert Hoffmann sich ihr und träumt von einer gemeinsamen Zukunft. Coppelius erkennt derweil, dass er betrogen wurde und kündigt an, dass er sich rächen und die Verantwortlichen umbringen wolle. Olympia soll die Herrschaften mit Walzertänzen bei

Laune halten und gerät außer Kontrolle. Der Mann mit den Brillen konfrontiert Spalanzani, als plötzlich die gebrochene Olympia wie eine Maschine auf die Leute loszugehen droht.

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DRITTER AKT: Antonia

Antonia trauert der Zeit nach, in der sie gemeinsam mit Hoffmann Musik machen konnte. Doch ihr Vater, Rat Krespel, versucht mit allen Mitteln, sie davon abzuhalten.

Hoffmann besucht sie und will wissen, warum sie voneinander getrennt wurden.

Antonia besänftigt ihn mit Versprechungen für eine gemeinsame Zukunft. Begeistert beginnen die beiden, ihr gemeinsames Lied zu singen – bis plötzlich Krespel zurückkehrt. Schließlich erscheint Dr. Mirakel, um Antonia zu befragen. Hoffmann und Krespel bleiben alleine mit der Frage zurück, wie sie Antonia retten können.

Als Hoffmann begreift, in welcher Gefahr Antonia schwebt, bittet er sie, nicht mehr zu singen. Doch kurz darauf kommen Antonias Bandkollegen und überreden sie, ihren geplanten Auftritt nicht abzusagen. Bei dem illegalen Konzert kommt Antonia jedoch zu Tode.

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VIERTER AKT: Giulietta

Bei der Eröffnungsveranstaltung des Filmfestivals in Venedig will Hoffmann auf sich aufmerksam machen und sprengt mit seinem Auftritt die Veranstaltung. Er weckt damit das Interesse des mächtigen Produzenten Dappertutto. Dieser besticht daraufhin Giulietta, die für ihn bereits Schlemihl um den Finger gewickelt hat. Nun soll sie helfen ihm Hoffmann gefügig zu machen. Gemeinsam sorgen die beiden dafür, dass Hoffmann vor den Augen der Öffentlichkeit inflagranti erwischt und bloßgestellt wird. Hoffmann verliert sein Gesicht und die Fähigkeit zur Selbstreflektion.

FÜNFTER AKT: Epilog

Auf allen Ebenen gescheitert ist Hoffmann völlig am Boden. Doch ihm wird eingeflüstert, er könne sein Genie doch anderweitig entfalten: Statt sich als Künstler kritisch zu äußern, könne er als Präsident tatsächlich für eine strahlende Zukunft sorgen ...

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Aspekte Freiheit ist…

Vervollständigt den Satzanfang und formuliert prägnante Sätze, die Freiheit für euch definieren. Stellt die Sätze auf einem Poster zusammen. Findet passende Schriftarten, fügt gefundene Bilder ein oder zeichnet…

Grenzen der Freiheit

Diskutiert: Wann und wie darf Freiheit eingeschränkt werden?

→ Überlegt euch selbst eine Antwort!

→ Schaut im Grundgesetz nach. Vergleicht eure Antwort mit Art. 5 III GG.

„Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“

→ Was darf Kunst, was nicht? Schreibt jede:r eine Liste für beide Seiten.

Diskutiert anschließend in der Gruppe eure Standpunkte.

https://www.youtube.com/watch?v=Y-B0lXnierw

→ Hört euch das Lied gemeinsam an.

Wen und was provoziert Danger Dan? Darf er das?

Welche anderen künstlerischen Provokationen fallen euch spontan ein?

Welche findet ihr gut und warum, wo werden zu viele Grenzen überschritten?

Und ihr?

Was regt euch selbst auf, was muss sich in Politik oder Gesellschaft ändern?

→ Fasst eure Gedanken als Gedicht zusammen. Findet eine passende Form – als Rap, Song oder gesprochenes Gedicht – und tragt es der Klasse vor.

Pressefreiheit/ Meinungsfreiheit

Gleich im ersten Akt von Hoffmanns Erzählungen wird Hoffmann verhaftet, weil er Literatur vor der Zensur bewahren wollte. Fallen euch Fälle von Zensur in der heutigen Zeit ein? Sammelt und beschreibt.

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Zur Inszenierung

Diktaturen untergraben Freiheit. Immer und überall. Um das Verhältnis von Kunst und Macht in verschiedenen historischen Kontexten zu beleuchten, hat sich das Regieteam für drei Settings entschieden:

1. „Olympia“ (I. und II. Akt) spielt im aufkommenden Nationalsozialismus. Die Inszenierung zitiert Ausschnitte aus Charlie Chaplins „Der große Diktator“. Dort wandelt sich der Protagonist vom harmlosen Clown zum grotesken Diktator (Hitler).

2. „Antonia“ (III. Akt) spielt im Kommunismus, in Anlehnung an Umstände in der DDR.

3. „Giulietta“ (IV. und V. Akt) spielt in einer Welt des Geldes/Ruhms, in der Menschen sich und ihre Ideale verkaufen. Das Filmfestival in Venedig dient als Vorlage.

→ Sucht euch eins der drei Settings aus und beschreibt den Verlust von Freiheit. Schreibt dazu einen Tagebucheintrag einer fiktiven Person eurer Wahl.

Recherchiert nach Bedarf zu den jeweiligen Zeitumständen.

Die „Olympia“-Akte zitieren Szenen aus Charlie Chaplins „Der große Diktator“.

Der tobende Hinkel (Hitler) reißt seinem Offizier die Orden ab:

https://youtu.be/4YtWGuogZXk?t=1218

Er tanzt mit der Weltkugel: https://youtu.be/4YtWGuogZXk?t=3073

In abgewandelter Form ist die Statue im Hintergrund einer Parade-Szene zu sehen:

https://youtu.be/4YtWGuogZXk?t=1293

→ Vergleicht den Filmausschnitt mit der Inszenierung.

Was wird aufgegriffen, was verändert?

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Die Ballade von Kleinzack

https://www.youtube.com/watch?v

=D0K6sURZoE8

Hört euch diese Version der Ballade von Kleinzack aus dem Film von 1970 an. Lest anschließend den Text und hört euch das Lied ein weiteres Mal an. Vergleicht: Wo ändern sich Musik und Text? Was sagen beide über Hoffmann aus?

HOFFMANN

Es war einmal am Hofe von Eisenack Ein winziger Zwerg, der nannte sich Kleinzack.

Am Kopfe trug er den Kalpak, Mit den Beinen, da ging's Clic Clac.

Das war Kleinzack.

Der hatte einen Höcker, so gross wie ein Sack.

Die krummen Beine stolperten immer Zickzack

Die Nase schwarz von Schnupftabak.

Mit dem Kopfe, da ging's Cric Crac.

Das war Kleinzack.

Dann erst das Gesicht und diese Züge ...

Ja, erst das Gesicht und diese Züge ...

Doch, ihre Züge, welch ein Reiz!

Ich seh sie, schön Wie der Maientag, Ich folgte ihren Spuren

Und verließ liebestrunken die väterlichen Fluren,

Und durchstreifte das Tal und des Waldes Revier.

Ihre dunklen Haare lieblich in Locken flossen

Um den Schwanenhals, wie von Alabaster gegossen!

Die Augen, des offnen Himmels

klares Bild,

Sahn um sich her, gazellengleich so sanft und mild;

Und wie im Ebenmass die zarten Glieder schwebten,

Fühlt ich mich liebentbrannt und meine Pulse bebten.

Ach, ihrer Stimme Ton, Der Himmelslieder singt,

Mit süssem Echo mir im Herzen widerklingt!

NATHANAEL

Ach, wie zart - wie romantisch!

Wen, Teufel, meinst du denn?

Kleinzack!?

HOFFMANN Kleinzack?

Ich sprach von ihr!

HERMANN Von wem?

HOFFMANN

Nein! von niemand! Nichts!

Ach, verwirrt war mein Sinn! Nichts!

Kleinzack taugt vielmehr,

Wenn er auch noch hässlicher wär!

Und trank er zuviel Branntwein und Arrak.

Da flattern im Winde die Schösse vom Frack!

Wie die Segel auf einem Wrack, Und das Monstrum, das schien flick flack!

Das war Kleinzack.

(…)

NATHANAEL Eins ist gewiss:

Mein Freund, du bist verliebt.

HOFFMANN Ich verliebt?

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Die Barcarole

https://www.youtube.com/watch?v=0u0M4CMq7uI

(Anna Netrebko & Elīna Garanča in einer konzertanten Aufführung der Barcarole) Mit der Barcarole verlegt Offenbach den Schauplatz seiner Oper nach Venedig.

Wenn ihr die Musik hört, welche Gefühle verbindet ihr damit, was empfindet ihr beim Hören? Welche Stimmung drückt die Musik für euch aus? Worum geht es wohl?

Die Marionette

https://www.youtube.com/watch?v=7wEfCPW2nmU

(Nicole Chevalier mit der Arie der Olympia, Ausschnitt aus einer Inszenierung der Komischen Oper Berlin 2020)

Hoffmann ist der hochvirtuosen Sängerin Olympia begegnet, die manipuliert, vorgeführt und schließlich gebrochen wird. Spalanzani präsentiert seine Tochter und ihre Gesangskünste, bevor diese außer Kontrolle gerät und zur Gefahr wird. In der Erfurter Inszenierung wird sie vom Regime als Propaganda-Puppe benutzt.

Findet weitere Szenarien, in denen Menschen manipuliert und wie eine Marionette benutzt werden. Was passiert, wenn ein Fehler im System passiert? Erarbeitet in Kleingruppen eine szenische Darstellung zu einem Szenario eurer Wahl!

Freiheit hier und heute

Gibt es persönliche Freiheit in euerm Leben? Diskutiert eure Wahrnehmung der Gegenwart, wo und inwieweit ihr Entscheidung frei treffen könnt/wollt. Vergleicht mit eurer Definition von oben. Vergleicht eure Ergebnisse im Anschluss an den Vorstellungsbesuch mit der Darstellung im Stück.

Being E.T.A. Hoffmann – wie entsteht eine Bühnenfigur? Hauptdarsteller Brett Sprague hat den Probenprozess auf Instagram dokumentiert:

https://www.instagram.com/theatererfurt/

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Von Freiheit, Kunst und Macht

Der Musikalische Leiter Yannis Pouspourikas (YP) und Regisseur Balázs Kovalik (BK) im Gespräch mit Larissa Wieczorek Yannis, du beschäftigst dich ja schon zum dritten Mal mit Hoff- manns Erzählungen. Was reizt dich an dem Stück und was macht dieses Mal für dich besonders?

YP: Das Unerwartete. Man weiß, dass Offenbachs Werke voller Gesellschaftskritik stecken, aber meist eher auf so revueartige Wei- se. Er war ja bekannt für Stücke, die nur Freude ausstrahlten. Ein solches Stück wie Hoffmann, ein solches Niveau hätte man nicht unbedingt von ihm erwartet. Seine Musiksprache ist voller Esprit, sehr lebendig, freudig und schwungvoll – selbst in Momenten, zu denen das gar nicht so richtig zu passen scheint, zum Beispiel im großen Liebesduett von Antonia und Hoffmann, das ja eigentlich fatal sein sollte, aber die Musik enthält den Pariser Esprit der Zeit.

Dass wir jetzt eine Politsatire daraus machen, würde man bei einem solchen Stück wie Hoffmanns Erzählungen eigentlich auch nicht erwarten. Wir graben hier in eine ganz andere Richtung und gerade die kleineren Rollen bekommen dadurch neuen Tiefgang.

Was hat dich dazu veranlasst, Hoffmanns Erzählungen als Polit- Satire zu deuten, Balázs?

BK: E. T. A. Hoffmanns Werke, die zum Teil in der Oper verarbei- tet wurden, waren fantasievoll, schräg und sarkastisch. So wie Offenbach hat auch er oft die Kunstform der Satire gewählt. Das hat mich letztlich zu unserem Konzept geführt: Satirisch und sar- kastisch über Zeiten und Themen zu sprechen.

YP: Ich denke, für Offenbach hat der Antisemitismus im Paris seiner Zeit eine wichtige Rolle gespielt; die Schwierigkeiten, die er als Nicht- Franzose und Jude hatte. Ich kann Hoffmanns Erzählungen nicht hö- ren, ohne mir Fragen über Außenseiter, Fremdenhass, Intoleranz und Rassismus zu stellen – auch darüber spricht Offenbachs Musik.

BK: Offenbachs satirischer Humor war sein Weg, nicht in Depres- sionen zu verfallen. Er konnte darüber lachen, sich alles durch die Brille des Grotesken ansehen. In Hoffmanns Erzählungen haben auch die ernsthaften Figuren groteske Züge, was das Ganze sehr charmant macht. Selbst Hoffmann ist manchmal lächerlich.

Welche musikalischen Überlegungen stecken hinter eurer Erfurter Fassung?

BK: Wir wollten die Leichtigkeit, den Opéra-comique-Charakter, bewahren, der auch in Offenbachs Musik mitschwingt. Das heißt aber nicht, dass das, was Offenbach geschrieben hat, nur eine Opéra comique oder „Operette“ wäre. Diese Musik hat eine Grö- ße, Charakter.

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YP: Wir haben uns für das Notenmaterial von Kaye-Keck entschie- den, weil es größtenteils die Originalorchestrierungen von Offen- bach enthält. Der Erfolg von Hoffmanns Erzählungen und die Tat- sache, dass ein Großteil des Materials verloren war, hat in der Vergangenheit zu viel Exzess geführt: Zu große Theater haben das Stück zu fett gemacht. Man kann diese Oper an der Metropolitan Opera in New York spielen. Aber um dieses riesige Opernhaus mit einer Stimme zu füllen, um so viel Klang zu produzieren, muss man Sänger besetzen, die das eigentlich viel zu breit und deshalb viel langsamer singen. Die Größe unseres Theaters hier in Erfurt ist perfekt dafür, diese Musik so zu spielen, wie sie gedacht ist.

Wie ist das Regie-Konzept entstanden?

BK: Der Protagonist, ein Künstler, steht permanent einer Macht, der Gewalt oder einer bösen Kraft gegenüber. So kamen wir dazu, uns mit dem Verhältnis von Kunst und Macht im 20. Jahrhundert zu beschäftigen: Wie war das im Faschismus, wie im Kommunismus oder dem sogenannten Hurra-Kapitalismus?

Im Olympia-Akt zitierst du Szenen aus Charlie Chaplins Film Der große Diktator. Warum?

BK: Die Musik der Puppe Olympia mit ihren wild verzierten Kolo- raturen ist ja eigentlich eine Parodie auf die virtuose Barockarie und die willkürliche Selbstdarstellung der Sängerin. Die Frage ist:

Was ist das für eine Puppe, von der da gesprochen wird? Was ist dieser „seelenlose Automat“? Wir wollten Olympia nicht als Roboter oder Sexpuppe sehen. Aber man wird gewissermaßen zum Automaten, wenn man immer nur macht, was einem gesagt oder befohlen wird. Die „Anpassungsfähigkeit“ in einer Diktatur macht einen zur Marionette des Systems. Im Kontrast dazu ste- hen die Cabaret-hafte Figur und Musik des Coppelius, mit seinen Thermometern, Barometern und Brillen, der ja eigentlich nur ein Trottel ist und später aus Wut darüber, dass er betrogen wurde, Olympia zerstört. Und dann ist da Hoffmann, der sich lächerlich zu machen scheint. Offenbach antwortet auf ernste Themen wie das Außenseitertum und das Ausgelachtwerden durch eine ganze Gesellschaft mit einer grotesken Parodie. Und um auf satirische Weise über die Faschismus-Zeit zu sprechen, funktioniert die gro- teske Ästhetik Chaplins sehr gut.

Chaplins großes Thema ist ja auch – insbesondere in Modern Times, Opfer eines Mechanismus zu sein, der einen überrollt … BK: Da lässt sich natürlich wahnsinnig viel hineininterpretieren:

Was für ein Mechanismus steckt hinter solchen Diktaturen? Da gibt es jemanden, der in irgendeiner Hinsicht ein Außenseiter ist.

Im Fall von Hitler war das ja am Anfang seines Lebens auch so:

Er sah sich selbst als Maler, als Künstler, der aber total von der Gesellschaft verachtet, ausgelacht, lächerlich gemacht wurde und quasi wie ein ausgestoßener Jude leben musste. Später hat er dann ein ganzes System aufgebaut, um Rache zu nehmen an den vermeintlich schuldigen Menschen, die dann wiederum durch ihn und seinen Mechanismus ausgestoßen wurden.

Wie entstand die Idee zu dem Kommunismus-Bild?

BK: Der Antonia-Akt spielt ja ursprünglich im Biedermeier. Eine Epoche, in der man nach den Umwälzungen durch Napoléon I.

versuchte, die Menschen mit Politik, mit starken Gesetzen und Regeln zurück zu zwingen in eine Art Käfig, auch kulturell und ästhetisch: Das kleinbürgerliche Biedermeier, zusammengepresst im Korsett – da entstand bei uns die Assoziation mit den Platten- bauten der kommunistischen Zeit. Der Kern bleibt das zusammen- gepresste Leben und die Frage, warum darf man da nicht singen oder bestimmte Lieder nicht singen? Wer die kommunistische Zeit miterlebt hat, weiß ja, was da alles verboten war …

Fortsetzung auf S. 18

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Thema der Oper ist ja eigentlich auch das Kunstschaffen selbst … BK: Ja, aber ich wollte nicht dieses Klischee des ewig betrun- kenen und unglücklich verliebten Künstlers oder Theatermenschen bedienen. Mit den Darstellern habe ich aber darüber gespro- chen: Künstler zu sein heißt im Grunde genommen, zu tun, was du willst. Du hast deine Freiheit in der Kunst. Das ist das Prinzip von Kunst; etwas erträumen und das dann zu verwirklichen. Insofern kann jeder Mensch in seinem eigenen Leben Künstler sein – wenn er die Freiheit dazu hat und sich nicht anpassen möchte.

Angepasst sein und ein Künstler zu sein ist also ein Widerspruch?

BK: Es fällt auf, dass Hoffmann eigentlich in jedem der Akte ver- sucht, sich anzupassen, dazu zu gehören und dadurch alles Künst- lerische verliert. Und das ist, glaube ich, was Offenbach kritisiert, auch an sich selbst. Er denkt mit Tränen darüber nach, dass er das versucht hat. Wo bleibt der Künstler, wenn er seine Freiheit aufgibt, für Bequemlichkeit, für ein vermeintliches Privatglück, für den Ruhm? Der reale E. T. A. Hoffmann war ein Künstler, weil er Geschichten erfunden hat. Der fiktive Hoffmann in Offenbachs Oper ist der Hauptdarsteller seiner eigenen Erzählungen. Aber innerhalb dieser ist er total passiv, ein Beobachter – vom Künstler keine Spur. Im dritten Akt will er ja sogar, um mit Antonia ein klein- bürgerliches Leben zu beginnen, auf das Kunstschaffen verzich- ten. Er gibt seine künstlerische Identität auf. Aber was bedeutet das? Nicht mehr frei auszuleben, nicht mehr zu verwirklichen was ich denke, weil ich Bequemlichkeit will?

Und im Giulietta-Akt verkauft Hoffmann sich billig. Sein künstle- risches Können ist da ein Trinklied, das ist eigentlich keine Kunst mehr. Und er lässt sich dem Erfolg zuliebe verführen, seine Iden- tität zu verraten. Aber kann man glücklich sein, wenn man auf diese Weise berühmt geworden ist?

Es heißt, diese Oper sei wie ein Kaleidoskop aus verschiedenen Geschichten. Seht ihr das Stück trotzdem als eine Einheit?

YP: Schon allein aufgrund der Form mit der Rahmenhandlung in Prolog und Epilog ist die Oper absolut als ein Stück zu betrachten.

Am Ende kommen wir ja wieder da an, wo Hoffmann zu Be- ginn angefangen hat zu erzählen. Stilistisch ist das was anderes:

Offenbach hat mit Olympias seelenloser Virtuosität eine erfolg- versprechende Idee gefunden. Mit dem Antonia-Akt hat er eine komplett andere, wahrhaftige Welt entworfen und im Giulietta-Akt

mit all seiner Erotik und dem Surrealismus etwas, das niemand erwartet hätte. Eine Einheit entsteht durch die Kurve, die das Stück schlägt: Am Anfang macht Hoffmann sich lächerlich, in der Mitte verliert er die Frau, die er liebt und am Ende verliert er seine Integrität. Er schlägt sozusagen eine katastrophale Richtung ein.

Endet das Stück denn auch in einer Katastrophe?

BK: Was man über den Nationalsozialismus, den ja auch nicht alle von Anfang an ernst genommen haben, erzählen kann, lässt sich auch über den Kommunismus und über diese kapitalistische heutige Demokratie erzählen. Vielleicht müssen wir schließlich ein- sehen, dass unsere heutige Zeit ebenfalls lächerlich und grotesk und keinesfalls weniger gefährlich und brutal ist als die Vergan- genheit, über die wir bereits lachen.

Und dann bleibt die Frage: Was passiert, wenn ein Künstler an die Macht kommt?

BK (schelmisch lächelnd): Genau! Das heißt dann „Apotheose“!

Und damit beenden wir das Stück.

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