Die Information:
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
Kostenstruktur der Praxen wird durchleuchtet
Um die Jahreswende standen bei ei- nigen Kassenärztlichen Vereinigun- gen die Telefone nicht still. Was war der Grund?
Etwa 5000 niedergelassene Kassen- ärzte hatten einen Fragebogen er- halten, in welchem sie gebeten wur- den, genaueAngaben über die Höhe ihrer Praxiskosten zu machen, wie Personalkosten, Sachkosten, Ko- sten der Raumnutzung, Finanzie- rungskosten, Aufwendungen für Al- tersversorgung und Krankenversi- cherung sowie Umsatz und Privat- einnahmen. Die Fragen waren si- cherlich zum Teil sehr persönlicher Natur und zudem noch, wenn man nicht seinen Steuerberater zu Rate ziehen wollte, nicht ganz leicht zu beantworten. Manche Ärzte brach- ten ihren Unmut über diese von ih-
ren "Funktionären" veranlaßte Zu-
satzbelastung der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber zum Aus- druck. Auf der anderen Seite zeigt der inzwischen in großer Zahl einge- hende Rücklauf von Fragebögen je- doch, daß der größte Teil der Kas- senärzte dieser Aktion positiv ge- genübersteht.
Das Zentralinstitut für die kassen- ärztliche Versorgung in der Bundes- republik Deutschland, Köln, hpt mit der Durchführung der Erhebung den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr.
Günter Sieben von der Universität Köln beauftragt. Von Kostenexpan- sion ist zwar landauf landab die
Rede, in der politischen Diskussion
stehen aber nicht die Kosten der ärztlichen Leistungserstellung, son- dern fast ausschließlich und mit vor- dergründiger Absicht die Umsätze aus der Arztpraxis im Vordergrund. Das eine aber bedingt das andere.
Man ist manchmal erstaunt, mit wel- cher Selbstsicherheit, ungetrübt von jeder Sachkenntnis, Urteile über die angeblich "richtige" Höhe des ärzt- lichen Umsatzes abgegeben wer- den. Auch das oft herangezogene,
aber ausgefallene Beispiel eines Umsatzes von einer Million DM im Jahr relativiert sich, wenn man weiß, daß 83 Prozent davon Kosten dar- stellen, Vorleistungen des Arztes also für die Bezahlung der Ange- stellten, die Bereitstellung der medi- zinischen Technik, die Beschaffung des Verbrauchsmaterials und die Fi- nanzierung der Alterssicherung, Kranken- und Unfallversicherung und vieles andere mehr. Nur der Rest ist Einkommen, zu versteuern- des Einkommen wohlgemerkt! Diese Kosten- und Umsatzrelation gilt es, transparent zu machen und in Be- ziehung zu setzen zu verschiedenen Umsatzg rößenklassen, verschiede- nen Standorten, unterschiedlichem Alter der Praxis beziehungsweise des Praxisinhabers. Kostenkalkula- tion im betriebswirtschaftliehen Sinne heißt aber, den Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen, der zur ärztlichen Leistungserstellung notwendig ist, zu bewerten. Insofern ist diese Bewertung nicht immer identisch mit den Betriebsausgaben im steuerlichen Sinne. Die Berück- sichtigung dieser kalkulatorischen Kosten fehlte in der bislang einzigen öffentlich zugänglichen Kosten- strukturanalyse des Statistischen Bundesamtes.
So lobenswert dieses Unterfangen des Statistischen Bundesamtes ist, so skeptisch hat eine Vielzahl von Kassenärzten diese Aussagen bisher
ZITAT
Gegen Sozi-Sanitäter
" ... Eigentlich könnten man-
che Ärzte weniger verdienen. Aber uneigentlich haben auch die ärmsten Patienten Anrecht auf die teuerste Medizin.
Lieber ein Arzt, eingewickelt in Weiß und honoriert in Gold, als einen staatlich kontrollier- ten Sozi-Sanitäter ... "
Peter Boenisch in: "Bild am Sonntag" vom 13. Februar 1977
564 Heft 9 vom 3. März 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT
betrachtet. Zur.1 einen deshalb, weil viele von ihnen festgestellt haben, daß die dort ermittelten Kostensätze bei einem Vergleich mit ihrer eige- nen Kostensituation in der Praxis viel zu niedrig waren, zum anderen deshalb, weil die Ärzte Zweifel dar- über hatten, daß die geringe Beteili- gung von lediglich 1800 Ärzten die Kostensituation der Kassenärzte re- präsentativ wiedergibt.
Die vom Zentralinstitut in Auftrag gegebene Untersuchung ist nicht nur ein Kontrollmittel zur Überprü- fung der Erhebung des Statistischen Bundesamtes, sondern auch Teil ei- ner offensiven Informationspolitik zur Darstellung der Kosten- und Ein- kommenssituation der niedergelas- senen Ärzte. Das Ergebnis wird zei- gen, mit welchen Kosten die Ge- samtleistung der niedergelassenen Ärzte in Höhe von 11,5 Milliarden DM im Jahre 1975 erbracht Wl.rde. Dennoch sei eine kritische Anmer- kung erlaubt. Es besteht die Gefahr, daß die Erhebungen von Professor Sieben nur einen statischen Charak- ter im Sinne einer Dokumentation der Kostensituation und ihres Ver- gleichs zu Untersuchungen anderer Institutionen haben werden, wenn die Erhebungen nicht ergänzt wer- den um Untersuchungskomponen- ten, die den dynamischen Prozeß der richtigen Honorartindung unter- stützen. Die Höhen der Kosten und Umsätze stellen keinen Wert an sich dar. Aussagefähig wird das mit viel Mühe erhobene Datenmaterial erst
dann, wenn es durch Zahlenmaterial
über die Leistungsstruktur in der Praxis ergänzt wird. Leistungsstruk- turdaten der kassenärztlichen Pra- xen aber liegen den Kassenärztli- chen Vereinigungen aufgrund der Honorarabrechnung vor.
~ Erst eine Verknüpfung von Ko- stenstruktu r- und Leistungsstruktu r- daten- möglicherweise differenziert nach Arztgruppen, regionalen Standorten, Praxistypen und Praxis- alter - wird die Basis liefern, sach- orientierte Entscheidungen im Rah- men von Honorarverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen zu
finden. Brenner/DÄ