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Hausarzt-Initiative: Zunftschutz oder Schutz der medizinischen Grundversorgung?

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Beides ist umstritten, die Volks - initiative «Ja zur Hausarztmedizin»

und der Gegenentwurf des Bundes- rats. Der standespolitische Round Table an der KHM-Fortbildungs -

tagung in Luzern machte deutlich, wo sich die Geister von Initianten, Politikvertretern und unabhängigen Experten scheiden.

Schätzungsweise die Hälfte der heute praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte werden in den kommenden fünf Jahren in Pension gehen. Bleibt der Nachwuchs weiter aus, wird in zehn Jahren nur noch ein Viertel der

heutigen Hausärzte in der medizini- schen Grundversorgung tätig sein. Um dem zunehmenden Hausärztemangel und den damit verbundenen Proble- men in der medizinischen Grundver- sorgung entgegenzuwirken, wurde am 1. Oktober 2009 die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» lanciert. Der Bundesrat konterte mit einem direkten Gegenentwurf. Nun geht es um eine Einigung – diese scheint aber so schnell nicht in Sicht.

Hausarzt als Steuermann oder als Teil eines Netzwerks Einer der brisantesten Punkte in der Diskussion um die Volksinitiative und den Gegenentwurf ist die Forderung

der Initianten, die Hausarztmedizin in der Bundesverfassung zu verankern.

Der Bundesratsentwurf anerkennt die Hausarztmedizin zwar als wesentliches Element der medizinischen Grundver- sorgung, beabsichtigt jedoch, die Haus- ärzte zusammen mit anderen Berufs- gruppen, beispielsweise dem Pflege- fachpersonal, in ein Netzwerk zu integrieren, das die medizinische Grund-

versorgung sicherstellt. «Der wesent - liche Unterschied zum Gegenentwurf ist, dass sich im Initiativtext die Haus- ärzte in den Vordergrund stellen, wäh- rend für uns die Hausarztmedizin im Vordergrund steht», sagte BAG-Direk- tor Pascal Strupler. Das Grundanliegen, nämlich die Sicherstellung der medi - zinischen Grundversorgung, sei im Gegenentwurf sehr ähnlich formuliert, lediglich die Mittel seien andere. «Wir müssen die Gesundheitspolitik breiter anlegen und können nicht ausschliess- lich bei den Hausärzten ansetzen», so Strupler. Man kreiere viele Probleme, wenn man in der Bundesverfassung eine bestimmte Berufsgruppe dermassen in Schutz nehme, denn bei der nächsten Schwierigkeit werde es Nachzügler geben.

«Eine Grundversorgung nach dem Muster des BAG löst keines unserer Probleme», konterte Marc Müller, Prä- sident des Berufsverbands Hausärzte Schweiz. Hausärzte als wesentlicher Bestandteil sei viel zu wenig konkret.

Er erläuterte, dass es den Initianten in keiner Weise um einen Zunftschutz ginge. Ziel der Initiative sei es, dem Hausarzt eine Steuerungsfunktion im

Gesundheitswesen zu sichern. «Sie kön- nen auf der ganzen Welt sehen: Dort wo es eine starke Hausarztmedizin gibt, sind die Gesundheitssysteme bes- ser und kostengünstiger», sagte Müller.

Franziska Zogg, Vizepräsidentin der SGAM unterstützte diese Aussage: «Die Initiative will keine einzelnen Personen schützen, sondern die Berufsgruppe der gut ausgebildeten Hausärzte. Das be-

Forum

Hausarzt-Initiative: Zunftschutz oder Schutz der medizinischen Grundversorgung?

Standespolitischer Round Table an der KHM-Tagung in Luzern

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ARS MEDICI 13+14 2011

«In den letzten Jahren hat es viele gute Worte gegeben, aber keine Taten.»

«Die Freiheit, die man uns hier empfiehlt, befindet sich nur auf der Risikoseite.»

Pascal Strupler, Direktor BAG

Dr. med. Marc Müller, Präsident KHM und Hausärzte Schweiz

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deutet, sie will die Hausarztmedizin, so wie wir sie heute haben, in der Schweiz erhalten.»

Unternehmer oder Staatsangestellte Ob die Volksinitiative der richtige Weg ist, um die Hausarztmedizin zu erhal- ten, wurde in Luzern freilich kontro- vers diskutiert. «In den letzten Jahren hat es viele gute Worte gegeben, aber keine Taten», begründete Franziska Zogg das Vorgehen. Die konkrete For- mulierung sei nötig gewesen, damit

etwas unternommen werden muss, falls die Initiative angenommen werde.

«Da wir keine Gesetzesvorschläge machen können, ist uns keine andere Möglichkeit geblieben als die Initia- tive», sagte Marc Müller.

Wenig Verständnis für dieses Vorgehen zeigte dagegen Konstantin Beck, Leiter des CSS-Instituts Luzern: «Wenn ich die Geschichte der Hausärzte anschaue, verstehe ich nicht, warum sie diesen Weg gehen.» Beck nannte das Beispiel Tarmed, dessen Ziel, eine bessere Vergü- tung der Hausarztmedizin – vermutlich aufgrund des besseren Lobbyings von Vertretern der Spezialärzte –, nicht er- reicht worden sei. Mit der Initiative gingen die Hausärzte nun den zweiten Schritt in Richtung Unterstützung durch den Staat, obwohl sie eben dieser Staat beim Tarmed hängen gelassen hatte. Und nun wunderten sie sich, dass bereits der Gegenvorschlag nicht mehr genau das aufnimmt, was sie gerne hät- ten. «Ich sehe überhaupt keinen Grund für eine staatliche Regulation der Haus- arztmedizin, weil ich überzeugt bin, dass die daraus resultierenden Verord-

nungen todsicher nicht ihre Interessen widerspiegeln werden», sagte Beck. An- schliessend forderte er die Hausärzte auf, andere, freiheitliche Wege zu su- chen, um ihren Berufsstand zu stärken.

Der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher bezeichnete die Initiative als un- glücklichen Weg, den Gegenvorschlag als Verschlimmbesserung: «Als ich von

der Initiative gelesen habe, dachte ich, jetzt haben die auch noch ihre Selbst- achtung als freie Unternehmer verlo- ren.» Das sei wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Marc Müller relativierte die tatsäch - liche Freiheit des Unternehmertums für Hausärzte. Er zitierte zwei Möglichkei- ten aus einer Publikation über Refor- men im Gesundheitswesen: Entweder kämpfen die Ärzte für den Status quo ante und riskieren dabei die Verstaatli- chung, oder sie treten als freie Unter- nehmer auf und bewähren sich in einem Markt, der eine Nachfrage nach ihren Fähigkeiten aufweist. Aber: «Das Problem ist, dass wir einen völlig ver- zerrten Markt haben, wenn man das Gesundheitssystem überhaupt als Markt bezeichnen kann. Es gibt eine massive Regulation auf der einen Seite und die Freiheit, die man uns hier empfiehlt, be- findet sich nur auf der Risikoseite.» Regina Scharf

Standespolitischer Round Table, KHM-Tagung Luzern, 17. Juni 2011; Fotos: Healthworld (Schweiz) AG

Hausarzt-Initiative: Zunftschutz oder Schutz der medizinischen Grundversorgung?

ARS MEDICI 13+14 2011

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«Eine staatliche Regulation der Hausarztmedizin wird todsicher nicht ihre Interessen widerspiegeln.»

Dr. med. Franziska Zogg, Vizepräsidentin SGAM

Dr. rer. pol. Heinz Locher, Gesundheitsökonom

Prof. Dr. Konstantin Beck, Leiter CSS-Institut Luzern

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