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Alexander Idee, Zeitgenossen Interpretation Patschovsky

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(1)

Patschovsky

Der taboritische Chiliasmus

Seine Idee, sein Bild bei den Zeitgenossen und

die Interpretation der Geschichtswissenschaft""

Am 25.

Januar

1437nahm Kaiser

Sigismund

Taborin denKreis der

königlichen

Städte Böhmens auf undverlieh dem Gemeinwesen ein neues

Wappen.

Es

zeigt

zwischenzweiweißenTürmen über silbernerMauerden

doppelköpfigen

schwar-

zen

Reichsadler,

der als Brustschild den

luxemburgischen

Löwen

trägt1.

Damit

hatte dieausrevolutionärer Wurzel erwachsene Stadt

sinnfällig

eine

Grundlage

le-

gitimer

Existenz im Rahmen des altneuen

Herrschaftssystems gefunden,

das in

der Schlacht von

Lipany

den

Sieg

über Tabor als Modell einer neuen Gesell-

schaftsordnung

errungen hatte. Ein

Dreivierteljahrhundert später

ließen die

Stadtväter das seit 1437

gültig

gewesene

Wappen

in Stein hauen und über dem

Eingang

zur Ratsstube in der Pfeilerhalle ihres Rathauses

anbringen2.

Dieses

Wappen-Monument

weist eine Besonderheit auf: Es enthält nicht nur auf der Stirnseite das heraldische Bild

selbst,

sondern auf den Randleisten finden sich links und rechts

Darstellungen

von Personen oder

Ereignissen,

die für die

Geschichte Tabors und des Hussitismus von besonderer

Bedeutung

gewesen

Der

Beitrag

verdankt förderlicher Kritik und

kollegialer

Hilfe außerordentlich viel. Sie wird vornehmlich

geschuldet

DieterGroh, IvanHlavâcek,Rudolf

Krajic,

HowardKamin-

sky

und,lastnotleast,FrantisekSmahel.

1 Der Text des

Privilegs

in: Codex Iuris

Municipalis Regni

Bohemiae 3, ed. Jaromir

Celakovsky

undGustavFriedrich(Praha1948)167-174Nr.102.Eine

Abbildung

desneuen Wappens in/ Siebmacher's

großem Wappenbuch

1,4

(Nürnberg

1885)Tafel 139 mit108.

Zu diesem und dem

ursprünglichen Kelch-Wappen

Tabors

allgemein

Jifi Carek, Mëstské

Znaky

v

ceskych

zemich

(Praha

1985)377.Zu

Vorgeschichte

und

Hintergrund

derWappen-

verleihung

F.

Smahel,

Vom

apokalyptischen

Drachen zum

Stadtgründer: Sigismund

und Tabor, in:

Sigismund

von

Luxemburg,

Kaiserund

König

in

Mitteleuropa

1387-1437,

hrsg.

von/Macek,E.Marosi,F.Seiht(Warendorf1994)144-155.

2 Eswird Wendel

Roskopf,

einem MeisterderPragerHütte,zugewiesenund ist auf1515/

1516zu datieren.

Vgl.

ViktorKotrba,Wendel

Roskopf,

„MistrveZhorelci a veSlezsku" v

Cechách,Uméní 8(1963)109-126,bes. 116ff. mit Abb.7.Dazudie ältereStudievonVaclav

Wagner,Znak mëstaTabora, in: Rocenka Kruhu pro pástování

dëjin

umëni, za rok1923 (Praha 1924)40-50. Eine

Abbildung

desWappen-Monuments auch bei FrantisekSmahel, DëjinyTabora1,2(Ceské Budëjovice1990)Abb. 116.

(2)

Patschovsky

waren3. Einedieser

Darstellungen zeigt

ein

engumschlungenes

nacktes

Paar4,

das

manfür Adam undEva imParadiese halten

möchte5,

wenn esnicht sehr vieleher aufein

spezifisch

Taborer

Ereignis

zubeziehenwäre,nämlich auf die

Vernichtung

des radikalenchiliastischen

Flügels

der Taboriten im Laufe des

Jahres

1421, dem

man unter anderem auch antinomistische

,adamitische'

Praktiken

vorgeworfen

hatte.

Kann an der

Bedeutung

der

Liquidierung

des Chiliasmus als eines für die Geschichte Tabors konstitutiven Faktors kein Zweifel

sein,

weder für die Zeit- genossennoch für die

Nachwelt,

so istdie historische Faktizität derantinomisti- schen

Komponente

sehr wohl ein Problem. Diesesstellt sich indreifacher Hin- sicht:Antinomismusals tatsächliches ElementvonLehre undLebenswirklichkeit chiliastischer

Geisteswelt,

als funktionales Element

polemischer Metaphorik

und

schließlich als

Deutungselement

der modernen Geschichtswissenschaft. Diesen drei

Aspekten

der antinomistischen

Komponente

des taboritischen Chiliasmus

gelten

die

folgenden Ausführungen.

I.

Ich rufe die Fakten kurzins Gedächtnis! Die Februar- und

Märztage

des

Jahres

1420 sahen die

Gründung

desrevolutionären Tabor6. Damit wareine

ursprüng-

lichrein

quietistische

und attentistische chiliastische

Strömung

des Hussitentums ineinerevolutionäre

Bewegung umgeschlagen,

deren

Träger

nunnicht mehr die WiederkunftChristiund dessen

Endgericht

samtallen damit verbundenenHeim-

suchungen passiv

erwartetenund sich

lediglich spirituell

dafürrüsteten,sondern die

jetzt

als bozí

bojovnici, .Kämpfer Gottes',

dasGesetzdes Handelns selberin die Hand nahmen7. Sie

gaben

sich einemilitärische

Verfassung

undwählten sich

3 Die

Darstellungen

sindzumTeil erheblich

beschädigt,

wennnichtzerstört:Zwei

zeigen je

eine Person aufdemScheiterhaufen,

gedeutet

alsJanHusund

Hieronymus

von

Prag;

eine

weitereGestaltin

kriegerischer Gewandung

und,wieesscheint,mit einer

Augenbinde, gilt

alsJanZizka

(vgl.

die

Abbildung

nach einem

Abguß

des19.

Jahrhunderts,

als die

Figur

noch

besser erhaltenwar,beiSmahel,

Dëjiny

Tabora 1, 2,Abb.134). Eine vierte

Figur

istweder

für sichinihrer

Bedeutung

bestimmbar nochin einemeventuell

ursprünglich gegeben

gewe-

senen szenischen

Zusammenhang.

Zurfünften bzw. sechsten

Darstellung

sieheoben. Zur

Deutung

am

eingehendsten

V. Wagner, (wieAnm.2).

4 Eine

Abbildung

diesesDetails bei

JosefMacek,

Táborvhusitskémrevolucnímhnutí,2Bde.

(Praha1952und 1955),hier Bd.2Abb.21;Smahel,

Dëjiny

Tabora 1, 2, Abb.133.

5 SoauchKotrba,(wieAnm.2),119.

6 Zu den äußeren und inneren Umständen und Voraussetzungen zuletzt

Rudolf

Krajic,

Tabor

-

zweimal

gegründete

Stadt;FrantisekSmahel,Tabor als Modell einerGesellschafts-

ordnung,

in: Reformvon Kircheund Reich zurZeit der Konzilienvon Konstanz(1414- 1418)und Basel(1431-1449). Konstanz-PragerHistorisches

Kolloquium

(11.-17.Oktober 1993),

hrsg.

von/.HlavácekundA.

Patschovsky

(Konstanz1996)183-190und191-201.

7 Dazu

speziell Josef

Macek, Ktoz jsú bozí

bojovnici.

Ctenío Tábofev husitskémrevo-

lucním hnutí(Praha 1951).

Vgl.

im

übrigen

hier und zum

Folgenden

Howard

Kaminsky,

(3)

vier

Hauptleute,

unterdenen

Jan

Zizka bald die dominierende Gestalt wurde.Die Abwehr des Kreuzheeres

König Sigismunds

amVitkovvor

Prag

am 14.

Juli

1420

wardie

Feuerprobe

für Zizka undseineTaboriten-Scharenund

begründete

ihren

militärischen Ruf. Die

Übertragung

des militanten chiliastischen

Konzepts

nach

Prag

aber

mißlang.

WarenschoninderZeitder

Belagerung

durch dasKreuzheer

Divergenzen

im

liturgischen

Gebaren zwischen den nach alter Art im vollen Ornat amtierenden

kelchgläubigen Prager

Priestern und den

bärtigen,

tonsur-

losen und laikal

gekleideten Taboritenpriestern

sichtbar

geworden,

sokamesnach

Aufhebung

der

Belagerung

zum Eklat zwischen beiden

Lagern,

der mit dem

Abzug

derTaboritenendete.

Die

Spannungen

blieben undfandenneue

Nahrung

imchiliastischen

Konzept Tabors,

dessen zunehmende

ideologische

Radikalität auf die

tägliche

Praxis

durchschlug

und zuimmerdrastischeren

Konsequenzen

führte. Hatteschon die

mitder

Gründung

Taborsverbunden gewesenechiliastische Fluchtwelle zu den

,fünf

Städten' oder,zuden

Bergen'8

für erhebliche Unruheimhussitischen

Lager gesorgt9,

sokamesdort nunmehr auchzum

Blutvergießen.

Dennbis dahin hatten sich die von Taboriten

begangenen Kriegsgreuel

auf die

gemeinsamen .katholi-

schen'

Gegner beschränkt,

in der zweiten Hälfte des

Jahres

1420 wurden aber auch

utraquistische

Priesterund Gemeinden

Opfer

taboritischer

Massaker,

weil

siesich

weigerten,

das HochamtmitdereucharistischenFeieranders alsinderseit 1415

gewohnten

Formzufeiern.

Daß dieseUntatenkeine

Entgleisungen

waren, sonderneinemneuenkirchen-

politischen Konzept

entsprangen, wurde den

Prager Magistern

allmählich aus

Predigten

und Schriften taboritischer Wortführer

bewußt,

unter denen Martin

Húska als

Prophet

einerneuenParadiesesweltund

Jan Capek

als

Ideologe

einer

erbarmungslosen Kriegsführung

zur

Gewinnung

ebendieses Paradieses hervor-

ragten10.

Was daan Bedenklichem zutage trat, wurde nach derim

Ketzerkampf

mittlerweile

jahrhundertelang erprobten Theologenart

in Artikel-Serien gegos-

sen,

dogmatisch qualifiziert

und

widerlegt.

Vorallem aber wurden die Taboriten mit den gegen sie erhobenen Gravamina direkt konfrontiert. Das

geschah

auf

Drängen

zweier dem

Hussitenlager

verbundener böhmischer

Barone,

Ulrich Vaváks von Neuhaus und Petrus

Zmrzliks,

des früheren Münzmeisters

König

A

History

of theHussiteRevolution

(Berkeley,

Los

Angeles

1967),bes.

Kapitel

7-9;Franti-

sekSmahel,

Dëjiny

Tabora1,1, 245-306;ders.,Husitská revoluce3(Praha1993)19-77.

8

,Berge'

sind

Metapher

für die wahrhaft

Gläubigen;

das

Berg-Motiv

fließtinder Diskussion oftin eins mitdemStadt-Motiv.

Vgl. Kaminsky, History,

317.

9

Kaminsky, History,

344ff.; Smahel,Husitská revoluce3,23ff.

10

Kaminsky, History,

347, 349f. Zur Diskussion um den

gerechten Krieg

siehe auch

FerdinandSeiht,Hussitica. ZurStruktureinerRevolution(BeiheftezumArchiv für Kultur-

geschichte

8, Köln,Wien 1965, 21990) 16-57;JifiKejf',Mistri

prazské

univerzity a knëzi

táborstí (Praha 1981) 19ff. Daß der Ursprung Tabors als Reminiszenz von Christi Ver-

klärung

neutestamentlich,adventistisch und sicher

unkriegerisch

war,betontF.Smahel,Die

zweideutige

Idee TaborsimhussitischenBöhmen,

Husitsky

Tábor11(1994)21-27.

Vgl.

hier

und zum

Folgenden

auchJean Delumean, Mille ans debonheur. Une histoire du

paradis

(Paris1995)113-118.

(4)

Patschovsky

Wenzels,

die im

gesamthussitischen

Interesse von dieser Konfrontation eine

Klärung

der

Standpunkte

undeinen

Ausgleich

zwischen den sich zunehmendver-

feindenden

Lagern

erwarteten.Derverbale

Schlagabtausch

fandam10.Dezember

1420 in dem nahe der

Jakobskirche

in der

Prager

Altstadt

gelegenen

Haus des

Petrus Zmrzlikstatt, auf

gleichsam

neutralem

Boden,

dennZizkaals Leiter der

taboritischen

Delegation

hatte das

Collegium Carolinum,

wodie

opponierenden Universitäts-Magister quasi

Hausrecht

besaßen,

als Ort des

Disputs abgelehnt.

Was stand zur Debatte? Peter von

Mladoftovice,

der Chronistvon Hussens Todesfahrt nach Konstanz, trug eine72 Artikel umfassendeListevonGlaubens- sätzen

vor11,

die vonden

Prager Magistern

als Irrtum oder Häresie

qualifiziert

wordenwaren,

gelegentlich

versehenmitschmückendenBeiwörtern wie

,töricht'

(insipidus), .geschmacklos' (insulsus)

oder

.skandalös'.

Sieenthaltengrossomodo das gesamtechiliastische

Programm Tabors,

wie es uns aus diesen und anderen Lehr-Artikel-Seriensowieaus

Selbstzeugnissen

führender

Ideologen

des taboriti- schen Chiliasmus bekannt

geworden

ist12. Es lassen sich darin zwei Grund-

gegebenheiten

des erwarteten

eschatologischen

Szenariums unterscheiden: einen Zustand der

,consummatio

saeculi' und einen des ,regnum

reparatum'.

Unter ,consummatiosaeculi'istnachAusweis einervonMartinHüska wohl selbstgege- benen Definition nicht

,Vernichtung

der Welt' zu

verstehen,

sondern eine die

Menschheit betreffende

ontologische Veränderung,

zumGuten wiezumSchlech-

ten13. Das ,regnum

reparatum'

aberist nichts anderes als die

Wiederherstellung

des

paradiesischen

Urzustandes menschlicher Existenz vordem Sündenfall. Der eineZustand

folgt

zeitlich und

logisch

ausdemanderen.Anbeidenist

Jesus

Chri-

stus

beteiligt.

Andemeinenwirkter

,wie

der Diebinder

Nacht',

den anderener-

öffneterin aller Pracht und

Herrlichkeit,

und dieserZustand des

paradiesischen

11 Die 72-Artikel-Listemit Vor-und

Nachgeschichte

beiLorenzvonBfezová,FRB5,450-

465.

12 Zuden

Quellen vgl.

Macek,Tabor2,43ff.;

Kaminsky, History,

344f.Anm. 88;

Smahel,

Husitská revoluce 2, 122ff. Siehe auch ReinhardSchwarz, Die

apokalyptische Theologie

Thomas Müntzers und der Taboriten

(Beiträge

zur historischen

Theologie

55,

Tübingen

1977),bes. 2ff.

-

Die im Haus desPetrus Zmrzlik zumVortrag

gekommene

Liste enthält auch nicht-chiliastische Artikel undist

überhaupt

eine

Sammlung

alldessen,wasden

Prager Magistern

anden Taboriten bzw. allerjener,die siealsTaboritenbetrachteten, mißfiel;ich

verweisehiernurauf

Kaminsky, History,

413ff.Wennich den

folgenden Ausführungen

den-

noch kurzerhand dieseListe

zugrundelege,

so auszweiGründen:Zumeinenbeschränke ich mich auf die chiliastischen

Passagen,

und die lassen sich Punkt für Punktinden

Parallelquel-

len wiederfinden underweisendie indieserListezumAusdruck

gebrachten

chiliastischen Doktrinen

ungeachtet offenkundig

bereits bestehenderinnertaboritischerDifferenzen,von

denen nochzu

sprechen

seinwird,als

repräsentativ

fürTabor alsganzes. Zumanderen

zeigt

die Reaktion der

Sprecher

Tabors auf denVortragdieserArtikel,daßsiesich darin tatsächlich wiedererkannten.

13Lorenzvon Bfezová,FRB5,418: Et sie eciam

diffinientes

sécula ponunt

,plura'

habentes

differenciam

interseculumetmundum. Quandoenimvaldenotabilis

fit

inhominibusmuta-

cio, tuneseculumconsummatur. Consummadonemigiturseculi

appello

bonoruminmelius

commutadonem etmalorum exterminacionem

...

DieAutorschaft Martin Hüskas ander Schrift,ausder dasZitatstammt,

legt

dieArtundWeisenahe,wieLorenzvonBfezová den Texteinführt;siehe dazuvorallem

Kaminsky,

History,401 mitAnm. 52/53 sowie407-409.

(5)

Friedensreiches sollte dauern biszum

Jüngsten Gericht,

wonacherstdie

Ewigkeit

anbräche.Dieseist alseindritter Seinszustand der Menschheit

vorzustellen,

über

denmansichaber keine

großen

Gedanken

gemacht hat,

sodaßerfür die Rekon- struktion des taboritischen Endzeit-Szenariums im

Folgenden

außer Betracht bleiben kann.

Diechiliastischen Lehrsätze der Taboriten kreisen also umdie beiden eschato-

logischen Hauptzustände:

die,consummatiosaeculi'und das,regnum

reparatum'.

Imeinzelnenistdarunter das

Folgende

zuverstehen:

(I)

Die ,consummatio saeculi' betrifft zwar virtuell auch eine

Wandlung

zum

Guten,

in der Praxis scheint mansich aber vornehmlich mitder

negativen

Seite

beschäftigt

zu

haben,

der malorumomnium

exterminado,

die sich nochimlaufen- den

Jahre

1420vollziehen sollte

(§ 1).

Dieswären

Tage

der Rache und

Vergeltung,

biblisch

prophezeit

inden sieben

Plagen

des Weltendes

(Ecclus. 39,34-36),

wodie

FeindeGottesohne

jedes

Erbarmenzuvernichtenwärenund das

göttliche

Gebot

der Milde keine

Geltung

besäße

(§§ 3-4).

Esmachte sich der

Gläubige geradezu schuldig,

wennerseineHände

gemäß

demWortedes Psalmisten

(57,11)

nicht im

Blut der Feinde Christi

wüsche,

und dieses

Mordgebot

sollte selbst fürPriester

gelten (§§ 5-6).

Wie Sodom würden alle

Städte, Dörfer, Burgen

und Gebäude

zugrunde gehen (§ 7),

auch

Prag,

das neue

Babylon (§ 9).

Dann wird das

alte,

schon1419aktuellgeweseneMotiv

aufgenommen,

daßnur,wer zudenvon

Jesaja (19, 18) prophezeiten ,fünf Städten',

oder

-

gemäß

denWorten

Jesu (Matth.

24,

16.28)

-

zu den

,Bergen' flüchtete,

wo sich die

,Adler' versammelten,

das Heil

erlangen

könnte

(§§

8,

10-12),

weshalb auch Frauen Mann und Kindverlassen dürften

(§ 33).

Anders aber als noch1419wirddiesen

,Berg'-Versammlungen jetzt

die

Bestimmung

zugemessen, als Gottes

Racheengel

zu wirken

(§ 12).

Wer die

Vier

Prager

Artikel nicht

akzeptierte,

densollten als Satan und

apokalyptischen

Drachen Tod und

Vernichtung

treffen

(§ 13),

dem sollten dieGüter weggenom-

men oder zerstört werden

(§ 14),

und wer einem solchen weiterhin

zinste,

den

sollte das

gleiche

Schicksal treffen

(§ 15).

Alle äußeren Formen des Kultus seien

abzuschaffen,

d.h. konkret: Kirchen und Altäreseienzuvernichten

(§ 34),

Meß-

ornatein

profane

Gewänder umzunähen

(§ 37),

dieMeßfeierin Ornatund mit

Tonsur

-

bezeichnet als dirnenhafter

Aufputz

-

seiohne heilsvermittelndenWert

(§§ 37-39)

undkönnte ohnealle

Äußerlichkeiten

an

beliebigem

Orte

gefeiert

wer-

den

(§ 40).

Ein Priester inTodsündeseinicht

fähig

zur

Sakramentenspende (§41),

so

wenig

wie

Judas

zu

Empfang

und

Spende

der Eucharistiein der

Lage

gewesen

sei

(§ 42);

solcherart

geweihte

HostienkönnemanverächtlichindenStaubtreten

43).

Von entscheidender

Bedeutung

sind auch die anderen

Aussagen

über

die Eucharistie: ImAltarsakrament sei Christus als Gott und Mensch in keiner Weisevorhanden

44,

47)14,

daher sei ihm auch keinerlei Form der

Anbetung

14 §44: Item

quod

insacramentoeukaristie(tsch.vsvátosti

oltärni)

pañisetvininonsitverus

deusethomocontentive,sacramentaliteret

presencialiter.

Mirist

angesichts

deran

Äquivo-

kationen reichen Diskussion um

Wyclifs

Remanenzlehre durchaus unklar, was unterden

Seinsbedingungen

.contentive', .sacramentaliter' und

.praesentialiter'

(tsch. zfetedlnè,pos- vátnéapfítomné)

theologisch-philosophisch

tatsächlichzu verstehen seinsollte, zumal es

(6)

(cultus latrie) geschuldet (§ 45),

etwadas

Beugen

der Knie

(§ 46),

esverbietesich

die Elevation

(§ 49),

die

Aufbewahrung

der bei der Meßfeier nicht

benötigten

Hostien

(§ 48),

die

Opfermaterie

sei ganz

beliebig (§ 50),

und während dieMesse nicht öfter alseinmalpro

Tag gefeiert

werden solle

(§51),

könne der

Gläubige

die

Eucharistie

beliebig

oft verzehren

(§ 52).

Doktrinale Richtschnur sei allein die

Heilige

Schrift

(§ 53),

die

Zeugnisse

der gesamtenkirchlichen Lehrtradition seien

zu verwerfen

(§§ 55-58).

Diesakramentalen

Handlungen

sollten

liturgisch

aufs

äußerste vereinfachtwerden: die Taufe bedürfte z.B.nicht des Weihwassers und keiner

Taufpaten

undExorzismen

(§§

59,

60),

essollte keine Ohrenbeichtemehr

geben (§ 61),

Bußwerke sollten

abgeschafft (§ 62),

dasChrisamölinFortfallkom-

men

(§ 63), Anrufung

der

Heiligen

hätte zu unterbleiben

(§ 65),

denn Fürbitte könnten sie nicht leisten

(§ 66),

Fastenzeitensollten insBelieben der

Gläubigen gestellt (§ 67),

nurder

Sonntag

als

Feiertag

zu

heiligen

sein

(§ 68), Leistungen

stell-

vertretender

Frömmigkeit

-

suffragia

mortuorumzum

Beispiel

-

solltenuntersagt sein

(§ 70),

das

Fegefeuer

sei zuverwerfen

(§ 69),

die musikalische

Umrahmung

des Gottesdienstes mit Laudes und

Hymnen

habe zu unterbleiben

(§ 71).

Der

Fleischverzehr wird an die alttestamentarischen rituellen

Voraussetzungen

ge- bunden

72).

Derletztere Punktwirktetwas

erratisch,

aberdie Gesamttendenzist klar:Die

,consummatio

saeculi' bezieht sich in ihrem

profanen

Teil auf die

Vernichtung

aller Personen und

Gegenstände,

die nicht zu Tabor

gehörten,

im ekklesio-

logischen

Teilauf die

Nihilierung

allerFormenundWerte,dieseit

urkirchlicher,

genauer: seit

nach-apostolischer

Zeit

(oder

was man dafür

hielt),

Bestandteil kirchlicherTradition

geworden

waren.

(II)

Das

,Regnum reparatum'

nunmarkiert nachder

Abschaffung

desverderbten

alten ein neues

Saeculum,

das unmittelbar

(de proximo)

bevorstehe und das in

Anknüpfung

an

Apoc.

20, 5 -

den chiliastischen Locus classicus!

-

als Zeit der

.ersten

Auferstehung'

bezeichnet

wird,

zu der

Christus, hinabgestiegen

vom

Himmel,

im Kreis der Erwählten

(elecd)

ein

,großes

Gastmahl' halten werde

(§ 19).

DiesesneueSaeculumseidadurch

ausgezeichnet,

daßesdortweder

Sünde, Skandal, Abscheulichkeit, Lüge

noch Unreinheit

geben

werde

16),

keinenkör-

perlichen

Tod

(§ 20),

keine

Verfolgung (§21),

keineHerrschaft und damit verbun- dene

Steuerpflicht (§ 22);

daß

jede

menschliche Vernunftersetztwerde durchGot-

tes

Eingebung (§ 26)

und

entsprechend

die bisher

gültig

gewesenen Werke der

göttlichen Offenbarung

-

d.h. die

Heilige

Schrift-

ihre

Gültigkeit

verlören

(§§

27,

28),

und ebenso sämtliche Sakramente

(§ 54);

daß Frauen schmerzlos

gebären

schon

fraglich

ist, wessen

Sprachgebrauch

in den

Begriffen überhaupt

zum Ausdruck

kommt:in FormeinesquasiwörtlichenZitatsjenerderTaboritenoderimFilter dereigenen

Begrifflichkeit

der Verständnishorizontder Prager

Magister.

H.

Kaminsky,

History, 407f.,

hat sicherrecht,wennerdieStelle als„adenialof the realpresenceofChrist in the Eucharist"

deutet;abersoließe sichz.B.auch

Wyclifs Auffassung

beschreiben,und dennoch

liegen

zwi-

schen dessenRemanenzlehreund deramEndevonden taboritischen ChiliastenumMartin HüskavertretenenLehrevonder Eucharistie als anscheinend bloßemGedächtnismahlWel-

ten.Sieheauchunten177mit Anm.27.

(7)

würden,

inmehreren

Generationsfolgen

bis15zum

Jüngsten Gericht,

daßsiekeine

(sexuellen)

ehelichenPflichten hätten und für das

Kinderkriegen

des männlichen Samensnicht bedürften

(§§ 29-32).

Daß dieserneueZeitzustand höherzubewer-

tensei als

jener

der

Urkirche,

dem bis dato

gültig

gewesenen

Orientierungspunkt

der hussitischen

Bewegung,

versteht sich

eigentlich

von selbst

(§§

24,

25),

wird

aber ausdrücklich

betont,

und das markiertdie

Signifikanz

der

eingetretenen

Um-

wertungderhussitischenWerte16.

Dies alles warbis zu diesem

Zeitpunkt gesamttaboritisches Programm

gewe-

sen17,

wie essichim Laufe des

Jahres

1420entwickelt hatte undwiees in seinen weltvernichtenden

Konsequenzen

inzwischenin allerFurchtbarkeit sichtbarge- wordenwar. Zwei derviertaboritischen

Hauptleute,

ChvalvonMachovice und

Jan

Rohác von

Duba,

bekannten sich ganzoffen

dazu,

ebensomutatis mutandis

MartinHúska. Inder

Replik

deserstim Herbst1420zuihrem

.Bischof gewähl-

tenNikolausvonPelhrimov aber wird einRiß im

Taboritenlager

sichtbar. Denn

Nikolaus weicht aus,

geht

nur auf die rituelle Seite des ,consummatio saeculi'-

Programms ein,

zum

künftigen

Friedensreich

hingegen

sagt er gar nichts. Zur

Frage

der

Gültigkeit

der kirchlichen Lehrtradition hätte er etwas sagen

wollen,

wurde abervon Martin Húska daran

gehindert.

Denn von ihmwissen

wir,

daß

erzudiesem

Zeitpunkt

dieDoctoresder KircheinBausch und

Bogen verwarf18,

also einem radikalen

Sola-Scriptura-Prinzip huldigte,

während Nikolaus von

Pelhrimov damals wohl nicht

weniger

als

später

in diesem Punktweit

weniger

radikal dachteund die nachbiblische Tradition

gelten ließ,

soweit siesichmitder

Heiligen

SchriftausseinerSichtin

Einklang

befand19.

Mit dem

Abbiegen

der Diskussion aufein

Nebengleis

warder Konfrontation zwischen den

gemäßigten

Hussiten und den Taboriten zunächst die

Spitze

ge- nommen,ohne daß die

hauptsächlichen Divergenzpunkte

eine

Klärung gefunden

hätten. Dazukamesindessenauch

später

nicht

mehr,

denn sehr bald

erfolgte

der

offene Bruch im

Taboritenlager

selbst. Es trat

jenes Ereignis ein,

das Howard

Kaminsky

als denhussitischen Thermidor bezeichnet hat20:Am28.Februar1421 setzten Nikolaus von Pelhrimov und

Johannes

von

Jicin

die

Prager Magister

davon in

Kenntnis,

daß ein mehr als400

Anhänger

zählender Teil ihrerGemein- schaft unter

Führung

von Martin Húska der

.pikardischen'

Häresie verfallen

15AmText: adhuc post(!)

generalem

resurreccionemhominesparientusw.(tschechisch:po [!]obecném vzkfísenílidé roditi hudouusw.),kannetwasnichtstimmen,denn

entsprechend

dem

eschatologischen

SzenariumvonApoc.20 wäreder

paradiesesgleiche

Weltzustand in den millennarischen Zeitraum zwischen der

.prima

resurrectio' Christi und demJüngsten

Gerichtzu

plazieren,

undnurdieses könnte als

.generalis

resurrectio'bezeichnet werden.

16Die KommentatorenderArtikel weisenauchimmerwieder daraufhin,daßdas,was die Taboriten

neuerdings

verwürfen,

geheiligt

urkirchlicherBrauch sei.

17 Wie ichdiesen

Begriff

verstehes.o. 172 Anm. 12.

18

Kaminsky, History,

423mitAnm. 104.

19

Vgl.

nur die, freilich erst 1431 entstandene, Confessio Taboritarum c. 2, ed. Amedeo Molnár und RomoloCegna(Fontiperla storia d'Italia 105,Roma1983)67f.

20

Kaminsky,

History,418.

Hauptquelle

fürdas

Folgende

ist Lorenzvon Bfezová,FRB 5,

474f.

(8)

seien,

und erbaten den Beistand der

Prager. Wenig später

war die

Spaltung

der

Taboriten-Gemeinschaft

perfekt,

als 200

.Pikarden'

Tabor verließen. Etwa 50,

unter ihnen derPriester Petrus

Kánis, begaben

sich in das nahe Tabor

gelegene

Dorf

Klokoty,

wosievon

Zizka

vordem23.

April

1421verbrannt

wurden, gefolgt

von weiteren 25 zu einem etwas

späteren Zeitpunkt21.

Eine zweite

größere Gruppe

vonmehrals40 Leutenunter

Führung

eines ,Bauern'

(rusticus),

der sich

Moses genannthaben

soll22,

verschanzte sich aufeiner Flußinsel

-

wohl inder Nezárka

-

zwischen Neuhaus undVeseli und wurdevon

Zizka

nach erbitterter

Gegenwehr

am 14. Oktober 1421 bis auf einen

umgebracht.

Dessen

Geständ-

nisse'bildeten die

Grundlage

eines

Manifests,

mitdemZizkadie

Liquidierung

des

Pikarden-Flügels

vorder

Öffenlichkeit rechtfertigte23.

Das

geistige Haupt

dieses

Flügels,

Martin

Hüska,

teilteim

Prinzip,

abernicht

der Art nach das Schicksal seiner Leute. Er war am 29.

Januar

1421, also vier Wochenvordem Notruf des NikolausvonPelhrimovandie

Prager Magister,

von

Ulrich Vavák von Neuhaus

-

einem der Initiatoren des

Prager Streitgesprächs

vom 10. Dezember 1420

-

gefangengesetzt geworden24. „Auf

Bittender Tabori- ten"

freigelassen,

suchte er in seine HeimatMähren zu

gelangen,

wurde aberin

Chrudimvondem hussitischen Baron Divis Borekerneut

gefangen

genommen,

der

ihn,

alserseinerAnsichten

gewahr wurde,

amliebsten

gleich

verbrannt

hätte,

sich aber

bewegen ließ,

ihndem

Prager

ErzbischofKonradvonVechtazu über-

stellen,

der-

in

Tolerierung

derKelchkommunion

-

seinen Sitz in Raudnitz ge-

nommen hatte. Unter dessen nomineller

Jurisdiktion,

freilich unter Pressionen

Zizkaswieder

Prager,

ist

Martin,

zusammen mit einem

Begleiter,

nachgrausamer

Folterung

-

die auf das Geständnisder NamenvonHintermännernund

Gefolgs-

leuten zielte

-

am21.

August

1421 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden25.

II.

Sovielin

großen Zügen

zu den

Vorgängen!

Der

pikardischen

Häresie sindnoch

viele andere

bezichtigt worden, ihretwegen

wurde auch manch einer noch ver-

brannt. Selbstein Mann wie

Prokop

der

Große,

nach

Zizkas

Tod 1424und bis zu

seinem

eigenen

auf dem Schlachtfeld von

Lipany

1434 der unbestrittene Wort- führer der

Taboriten, galt

dem Geschichtsschreiber der hussitischen

Bewegung,

21 FRB5,475f.

22 Der Name istnatürlich

-

gleichgültig

ob authentisch oder

imputiert

-

Programm:Moses

istderMann,der die KinderIsraelaus

Ägypten

ins

gelobte

Landführte;in der

Metaphorik

der Zeitbedeutet das für denneuenMoses:der dievonGott auserwählten wahren

Gläubigen

nachihremAuszugausTabor ins irdischeParadiesführte,oderdochwenigstensaufdenWeg

dorthin.

23 FRB5,517-520.

24 FRB5,470f.

23 FRB5,493-495.

(9)

Lorenzvon

Brezová,

als

„der pikardischen

Häresie

verdächtig"26.

Wasverstanden

die

Zeitgenossen

darunter?Das istviel

weniger klar,

alsmanmeinenmöchte. Als sicher kann

gelten,

daßmandamiteine

spiritualisierte Auffassung

der eucharisti- schen

Handlung

im Sinne einesbloß zeichenhaften

Erinnerungsmahles27 verband,

wie sie ein

Jahrhundert später

von

Zwingli

vertretenwerden sollte undwie man

sie im

Jahre

1420

-

offenbar nach der

erfolgreichen

Abwehr von

König Sigis-

munds

Belagerung Prags

-

in

Prag,

Saazund Pilsen

entdeckte28;

eindem Kleinadel der

Gegend

vonSaaz

angehöriger

Mann,

Sigmund

von

Repany,

wirdinden

Quel-

len namentlich

angeführt.

LorenzvonBrezová,hierinunser

einziger Gewährsmann,

führt den

Ursprung

dieser

„verfluchten Häresie",

wie ersich

ausdrückt,

aufeine

Gruppe

von

pikar-

den'

zurück,

dieim

Jahre

1418mitWeib und

Kind,

40Familienander

Zahl,

nach

Prag gekommen

wäre, angezogen von Böhmen als einem Hort

evangelischer

Freiheit29. Die

Prager

hätten diese Leute freundlich

aufgenommen,

selbst die

Königin

-

dasistWenzelsGemahlin

Sophie

-

undnoch anderePersonenam Hof hättensichumsie

gekümmert,

selten freilichhabemansiebeim Gottesdienstge-

sehen,

niebei derKommunion inbeiderlei

Gestalt;

einen Priesterhätten sie nicht bei sich

gehabt,

nur

jemanden30,

der ihnen ausSchriften in ihrer

Sprache

vorlas.

Als die Verhöre

Sigmunds

von

Repany

den Verdacht der Urheberschaft seiner Ketzereiaufsie

lenkten,

seien sie

-

soweit sienoch

gelebt

hätten-

ausFurchtvor

Verfolgung

inihre Heimat

zurückgekehrt,

ohne daß sich ihre

Spur

genauerhabe

verfolgen

lassen.

Der Bericht ist

eigentlich

nicht mißzuverstehen: Mit

.Pikarden'

sind unzwei-

deutig

Landfremde

gemeint,

d.h. Leuteaus der

Picardie,

die-

vergleichbar

den

Hugenotten

einer

späteren

Zeit-

aus

religiösen

Gründen ihre Heimat verlassen

26 FRB5,49599).

27Howard

Kaminsky

weist michzuRechtdaraufhin,daß

größte

Vorsicht beiderDeutung

der chiliastischen Eucharistielehre

angebracht

istundmaninGefahrsteht,ihrenKernzu ver- fehlen,

preßt

mansiezustarkindie

damalige

scholastische odergarheute

gültige dogmati-

sche

Begrifflichkeit.

Insofern möchte ich denHinweisauf

Zwingli

cumgranosalisverstan-

den wissen.Die

Äußerungen

des

wichtigsten

Exponentender chiliastischenEucharistielehre,

MartinHúskas,sind selbst nicht

widerspruchsfrei:

Einerseits

interpretierte

er

entsprechend

seinemrelativ schlichten

Begriff

von

Spiritualität

das eucharistischeTuneinfachalsHandeln imGeisteChristi und verwarf

dementsprechend jede

Form

liturgischer Materialisierung

und

Ritualisierung.

Andererseits

propagierte

ereineAbendmahlsfeierin

getreulicher

Imitation

vonChristiFeier,wonichtnurWeinundBrotverzehrt wordenwären,redete also durchaus einem RitusdasWort. Beialler Differenz aberistderAbschiedvon

jeder

Formder

Realprä-

senzChristiinderHostieunmißverständlich,selbstim

Vergleich

mitder

abgeblaßten

Form

von

Wyclifs

Remanenzlehre.

Vgl.

Martin Húskas

Äußerungen

in der

Wiedergabe

vonJan Pfíbram,Zivotknezí

táborskych,

ed./.Macek,Ktozjsúbozíbojovníci,290-294;zurSache

Kaminsky,

History,422ff.sowiezurspäterenDiskussion472ff.

28 Lorenzvon Bfezová,FRB 5, 429-431.Siehe Macek,Tábor2,324f.;

Kaminsky,

History,

401-403;Smahel,Husitská revoluce2,131mitAnm.408; 3,73mitAnm. 142.

29 FRB5,431. Lorenz

spricht

vonXL

fere

viri;da auchvon,Weibund Kind' die Redeist, sindunterden.Männern'wohl inersterLinie Familienvorständezuverstehen.

30Erwird bezeichnet als,virLatinus'(tsch.:Jeden latinik').

(10)

und in

Böhmen,

genauer: in

Prag,

Zuflucht

gesucht

und

gefunden

haben31. Ob- wohl ichmir

keineswegs

sicher

bin,

ob dievon

Sigmund

von

Repany

und seinen

Gesinnungsgenossen propagierte

eucharistische Lehre tatsächlich auf diese reli-

giösen Flüchtlinge

zurückzuführenistoder ob bei den

Inquisitionen

einmal mehr

angebliche Spiritus

rectores entdeckt

wurden,

wo man auf bloße

Berührungen

oder gar nur

Ähnlichkeiten gestoßen

war, mag diese

Frage

auf sich

beruhen;

Lorenzvon Bfezová und seine

Zeitgenossen

waren

jedenfalls

davon

überzeugt,

daß die eucharistischeHäresieder chiliastischen Taboritenvonden landfremden Pikarden herrührte.

Indiesem Sinneverstand und versteht auch die

Forschung

in ihrer Mehrheit diese Stelle seiner Chronik32.

Andere, argumentativ

am eindrucksvollsten Ho- ward

Kaminsky,

wiesenaber darauf

hin,

daß

.Pikarden' etymologisch

alsVarianz

von

.Begarden' gedeutet

werden

könne,

und brachten die eucharistische Lehre der Pikarden mit dersog. Häresievom freien Geiste in

Verbindung33.

Dies nunvor

allem im Blick auf ein zweites

Element,

das dem Pikardismus vonseinen Zeit- genossen

imputiert

wurde: Das istdas

Adamitentum,

einanderesWortfürAnti-

nomismus34. Nun ist es

richtig,

daß die

Gleichsetzung ,Pikarde'

und

,Begarde' sprachlich möglich ist,

in

jüngeren Quellen

zuweilensogar

explizit

vorgenommen wurde35,und daßsexuelle

Libertinage

indas

Repertoire freigeistiger

Häresie ge-

hörte,

wiemansievornehmlichim

Begarden-Milieu

vermutete;die

Verbindungs-

kette

Begarde-Freigeist-Antinomist

war seit der

Verurteilung

der Frei-Geist-

31 AuchJanPfibramnenntdie PikardeninseinemTraktat„Contraartículos Picardorum"

.advenae';siehe

Kaminsky, History,

359mitAnm. 142.

32

Vgl.

etwaMacek,Tábor2, 325;Smahel,Husitská revoluce2,130.

33

Kaminsky, History,

351-360,bes.354mit Anm. 128;ders.,ChiliasmandtheHussiteRe-

volution,in:Church

History

26(1957)43-71,bes.60ff.; ders.,TheFree

Spirit

inthe Hussite

Revolution,in:MillennialDreams in Action.Essaysin

Comparative Study,

ed.

by Sylvia

L.

Thrupp

(The Hague 1962) 166-186, bes. 180ff. Inder tschechischen

Forschung

besitzt die

Gleichsetzung Pikarde/Begarde

eine sehr alte Tradition: Sie

geht

dort zurück auf

Joseph Dobrowsky,

Geschichte der Böhmischen Pikarden und Adamiten (Abh. der böhmischen

gelehrten

Gesellschaft1788)300-343

(vgl.

bes.309ff.,331

f.),

wurdevonF.

Palacky,

Überdie

Beziehungen

und das Verhältnis der Waldenserzuden

ehemaligen

Secten inBöhmen(Prag 1869)20-22[dietschech.Fassungdes Artikels erschien1868] übernommen undspäterins- besonderevon

Rudolf

Holinka,

Pocátky

táborského

pikartství,

Bratislava6(1932)187-195, hier190f.,vertreten.

34 DieserUmstand

gab

Ernst Wernerdas Stichwortzuseinen

einschlägigen Ausführungen,

in: TheodoraBüttner, ErnstWerner,Circumcellionen und Adamiten. ZweiFormenmittel- alterlicherHäresie

(Forschungen

zurmittelalterlichen Geschichte2,Berlin1959)73-134.

35Sozum

Beispiel

vonEneaSilvioPiccolomini,HistoriaBohémicaIII,FRB 7(zitiertnach

der schongesetzten, inDruckfahnen

vorliegenden,

dann aber kassierten

Ausgabe,

die sich

dennocheiner

gewissen Verbreitung

erfreut, s.l.,s.a. [Praha 1907])147:

...

Interhaecetalia

apud

Bohemos

nefanda

etinauditapriusemersithaeresis.Picardus

quidam

exGallia

Bélgica

transmisso Rheno perGermaniam inBohemiampenetravit, qui praestigiis

quibusdam fidem

sibi conciliansbrevitemporenonparvamvirorum

mulierumque plebem

adsetraxit, quas nudos incedere iubens Adamitasvocavit...].

Dobrowsky,

(wieAnm.33)bietet die wohlaus- führlichste

Belegsammlung

für die

Gleichsetzung Begarde/Pikarde

mit den taboritischen

.Adamiten'bzw. dann imspäten 15.und frühen 16.Jahrhundertmit den BöhmischenBrü- dern.

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