Patschovsky
Der taboritische Chiliasmus
Seine Idee, sein Bild bei den Zeitgenossen und
die Interpretation der Geschichtswissenschaft""
Am 25.
Januar
1437nahm KaiserSigismund
Taborin denKreis derköniglichen
Städte Böhmens auf undverlieh dem Gemeinwesen ein neues
Wappen.
Eszeigt
zwischenzweiweißenTürmen über silbernerMauerden
doppelköpfigen
schwar-zen
Reichsadler,
der als Brustschild denluxemburgischen
Löwenträgt1.
Damithatte dieausrevolutionärer Wurzel erwachsene Stadt
sinnfällig
eineGrundlage
le-gitimer
Existenz im Rahmen des altneuenHerrschaftssystems gefunden,
das inder Schlacht von
Lipany
denSieg
über Tabor als Modell einer neuen Gesell-schaftsordnung
errungen hatte. EinDreivierteljahrhundert später
ließen dieStadtväter das seit 1437
gültig
geweseneWappen
in Stein hauen und über demEingang
zur Ratsstube in der Pfeilerhalle ihres Rathausesanbringen2.
DiesesWappen-Monument
weist eine Besonderheit auf: Es enthält nicht nur auf der Stirnseite das heraldische Bildselbst,
sondern auf den Randleisten finden sich links und rechtsDarstellungen
von Personen oderEreignissen,
die für dieGeschichte Tabors und des Hussitismus von besonderer
Bedeutung
gewesenDer
Beitrag
verdankt förderlicher Kritik undkollegialer
Hilfe außerordentlich viel. Sie wird vornehmlichgeschuldet
DieterGroh, IvanHlavâcek,RudolfKrajic,
HowardKamin-sky
und,lastnotleast,FrantisekSmahel.1 Der Text des
Privilegs
in: Codex IurisMunicipalis Regni
Bohemiae 3, ed. JaromirCelakovsky
undGustavFriedrich(Praha1948)167-174Nr.102.EineAbbildung
desneuen Wappens in/ Siebmacher'sgroßem Wappenbuch
1,4(Nürnberg
1885)Tafel 139 mit108.Zu diesem und dem
ursprünglichen Kelch-Wappen
Taborsallgemein
Jifi Carek, MëstskéZnaky
vceskych
zemich(Praha
1985)377.ZuVorgeschichte
undHintergrund
derWappen-verleihung
F.Smahel,
Vomapokalyptischen
Drachen zumStadtgründer: Sigismund
und Tabor, in:Sigismund
vonLuxemburg,
KaiserundKönig
inMitteleuropa
1387-1437,hrsg.
von/Macek,E.Marosi,F.Seiht(Warendorf1994)144-155.
2 Eswird Wendel
Roskopf,
einem MeisterderPragerHütte,zugewiesenund ist auf1515/1516zu datieren.
Vgl.
ViktorKotrba,WendelRoskopf,
„MistrveZhorelci a veSlezsku" vCechách,Uméní 8(1963)109-126,bes. 116ff. mit Abb.7.Dazudie ältereStudievonVaclav
Wagner,Znak mëstaTabora, in: Rocenka Kruhu pro pástování
dëjin
umëni, za rok1923 (Praha 1924)40-50. EineAbbildung
desWappen-Monuments auch bei FrantisekSmahel, DëjinyTabora1,2(Ceské Budëjovice1990)Abb. 116.Patschovsky
waren3. Einedieser
Darstellungen zeigt
einengumschlungenes
nacktesPaar4,
dasmanfür Adam undEva imParadiese halten
möchte5,
wenn esnicht sehr vieleher aufeinspezifisch
TaborerEreignis
zubeziehenwäre,nämlich auf dieVernichtung
des radikalenchiliastischen
Flügels
der Taboriten im Laufe desJahres
1421, demman unter anderem auch antinomistische
,adamitische'
Praktikenvorgeworfen
hatte.
Kann an der
Bedeutung
derLiquidierung
des Chiliasmus als eines für die Geschichte Tabors konstitutiven Faktors kein Zweifelsein,
weder für die Zeit- genossennoch für dieNachwelt,
so istdie historische Faktizität derantinomisti- schenKomponente
sehr wohl ein Problem. Diesesstellt sich indreifacher Hin- sicht:Antinomismusals tatsächliches ElementvonLehre undLebenswirklichkeit chiliastischerGeisteswelt,
als funktionales Elementpolemischer Metaphorik
undschließlich als
Deutungselement
der modernen Geschichtswissenschaft. Diesen dreiAspekten
der antinomistischenKomponente
des taboritischen Chiliasmusgelten
diefolgenden Ausführungen.
I.
Ich rufe die Fakten kurzins Gedächtnis! Die Februar- und
Märztage
desJahres
1420 sahen die
Gründung
desrevolutionären Tabor6. Damit wareineursprüng-
lichrein
quietistische
und attentistische chiliastischeStrömung
des Hussitentums ineinerevolutionäreBewegung umgeschlagen,
derenTräger
nunnicht mehr die WiederkunftChristiund dessenEndgericht
samtallen damit verbundenenHeim-suchungen passiv
erwartetenund sichlediglich spirituell
dafürrüsteten,sondern diejetzt
als bozíbojovnici, .Kämpfer Gottes',
dasGesetzdes Handelns selberin die Hand nahmen7. Siegaben
sich einemilitärischeVerfassung
undwählten sich3 Die
Darstellungen
sindzumTeil erheblichbeschädigt,
wennnichtzerstört:Zweizeigen je
eine Person aufdemScheiterhaufen,
gedeutet
alsJanHusundHieronymus
vonPrag;
eineweitereGestaltin
kriegerischer Gewandung
und,wieesscheint,mit einerAugenbinde, gilt
alsJanZizka
(vgl.
dieAbbildung
nach einemAbguß
des19.Jahrhunderts,
als dieFigur
nochbesser erhaltenwar,beiSmahel,
Dëjiny
Tabora 1, 2,Abb.134). Eine vierteFigur
istwederfür sichinihrer
Bedeutung
bestimmbar nochin einemeventuellursprünglich gegeben
gewe-senen szenischen
Zusammenhang.
Zurfünften bzw. sechstenDarstellung
sieheoben. ZurDeutung
ameingehendsten
V. Wagner, (wieAnm.2).4 Eine
Abbildung
diesesDetails beiJosefMacek,
Táborvhusitskémrevolucnímhnutí,2Bde.(Praha1952und 1955),hier Bd.2Abb.21;Smahel,
Dëjiny
Tabora 1, 2, Abb.133.5 SoauchKotrba,(wieAnm.2),119.
6 Zu den äußeren und inneren Umständen und Voraussetzungen zuletzt
Rudolf
Krajic,Tabor
-
zweimal
gegründete
Stadt;FrantisekSmahel,Tabor als Modell einerGesellschafts-ordnung,
in: Reformvon Kircheund Reich zurZeit der Konzilienvon Konstanz(1414- 1418)und Basel(1431-1449). Konstanz-PragerHistorischesKolloquium
(11.-17.Oktober 1993),hrsg.
von/.HlavácekundA.Patschovsky
(Konstanz1996)183-190und191-201.7 Dazu
speziell Josef
Macek, Ktoz jsú bozíbojovnici.
Ctenío Tábofev husitskémrevo-lucním hnutí(Praha 1951).
Vgl.
imübrigen
hier und zumFolgenden
HowardKaminsky,
vier
Hauptleute,
unterdenenJan
Zizka bald die dominierende Gestalt wurde.Die Abwehr des KreuzheeresKönig Sigismunds
amVitkovvorPrag
am 14.Juli
1420wardie
Feuerprobe
für Zizka undseineTaboriten-Scharenundbegründete
ihrenmilitärischen Ruf. Die
Übertragung
des militanten chiliastischenKonzepts
nachPrag
abermißlang.
WarenschoninderZeitderBelagerung
durch dasKreuzheerDivergenzen
imliturgischen
Gebaren zwischen den nach alter Art im vollen Ornat amtierendenkelchgläubigen Prager
Priestern und denbärtigen,
tonsur-losen und laikal
gekleideten Taboritenpriestern
sichtbargeworden,
sokamesnachAufhebung
derBelagerung
zum Eklat zwischen beidenLagern,
der mit demAbzug
derTaboritenendete.Die
Spannungen
blieben undfandenneueNahrung
imchiliastischenKonzept Tabors,
dessen zunehmendeideologische
Radikalität auf dietägliche
Praxisdurchschlug
und zuimmerdrastischerenKonsequenzen
führte. Hatteschon diemitder
Gründung
Taborsverbunden gewesenechiliastische Fluchtwelle zu den,fünf
Städten' oder,zudenBergen'8
für erhebliche UnruheimhussitischenLager gesorgt9,
sokamesdort nunmehr auchzumBlutvergießen.
Dennbis dahin hatten sich die von Taboritenbegangenen Kriegsgreuel
auf diegemeinsamen .katholi-
schen'
Gegner beschränkt,
in der zweiten Hälfte desJahres
1420 wurden aber auchutraquistische
Priesterund GemeindenOpfer
taboritischerMassaker,
weilsiesich
weigerten,
das HochamtmitdereucharistischenFeieranders alsinderseit 1415gewohnten
Formzufeiern.Daß dieseUntatenkeine
Entgleisungen
waren, sonderneinemneuenkirchen-politischen Konzept
entsprangen, wurde denPrager Magistern
allmählich ausPredigten
und Schriften taboritischer Wortführerbewußt,
unter denen MartinHúska als
Prophet
einerneuenParadiesesweltundJan Capek
alsIdeologe
einererbarmungslosen Kriegsführung
zurGewinnung
ebendieses Paradieses hervor-ragten10.
Was daan Bedenklichem zutage trat, wurde nach derimKetzerkampf
mittlerweile
jahrhundertelang erprobten Theologenart
in Artikel-Serien gegos-sen,
dogmatisch qualifiziert
undwiderlegt.
Vorallem aber wurden die Taboriten mit den gegen sie erhobenen Gravamina direkt konfrontiert. Dasgeschah
aufDrängen
zweier demHussitenlager
verbundener böhmischerBarone,
Ulrich Vaváks von Neuhaus und PetrusZmrzliks,
des früheren MünzmeistersKönig
A
History
of theHussiteRevolution(Berkeley,
LosAngeles
1967),bes.Kapitel
7-9;Franti-sekSmahel,
Dëjiny
Tabora1,1, 245-306;ders.,Husitská revoluce3(Praha1993)19-77.8
,Berge'
sindMetapher
für die wahrhaftGläubigen;
dasBerg-Motiv
fließtinder Diskussion oftin eins mitdemStadt-Motiv.Vgl. Kaminsky, History,
317.9
Kaminsky, History,
344ff.; Smahel,Husitská revoluce3,23ff.10
Kaminsky, History,
347, 349f. Zur Diskussion um dengerechten Krieg
siehe auchFerdinandSeiht,Hussitica. ZurStruktureinerRevolution(BeiheftezumArchiv für Kultur-
geschichte
8, Köln,Wien 1965, 21990) 16-57;JifiKejf',Mistriprazské
univerzity a knëzitáborstí (Praha 1981) 19ff. Daß der Ursprung Tabors als Reminiszenz von Christi Ver-
klärung
neutestamentlich,adventistisch und sicherunkriegerisch
war,betontF.Smahel,Diezweideutige
Idee TaborsimhussitischenBöhmen,Husitsky
Tábor11(1994)21-27.Vgl.
hierund zum
Folgenden
auchJean Delumean, Mille ans debonheur. Une histoire duparadis
(Paris1995)113-118.Patschovsky
Wenzels,
die imgesamthussitischen
Interesse von dieser Konfrontation eineKlärung
derStandpunkte
undeinenAusgleich
zwischen den sich zunehmendver-feindenden
Lagern
erwarteten.DerverbaleSchlagabtausch
fandam10.Dezember1420 in dem nahe der
Jakobskirche
in derPrager
Altstadtgelegenen
Haus desPetrus Zmrzlikstatt, auf
gleichsam
neutralemBoden,
dennZizkaals Leiter dertaboritischen
Delegation
hatte dasCollegium Carolinum,
wodieopponierenden Universitäts-Magister quasi
Hausrechtbesaßen,
als Ort desDisputs abgelehnt.
Was stand zur Debatte? Peter von
Mladoftovice,
der Chronistvon Hussens Todesfahrt nach Konstanz, trug eine72 Artikel umfassendeListevonGlaubens- sätzenvor11,
die vondenPrager Magistern
als Irrtum oder Häresiequalifiziert
wordenwaren,
gelegentlich
versehenmitschmückendenBeiwörtern wie,töricht'
(insipidus), .geschmacklos' (insulsus)
oder.skandalös'.
Sieenthaltengrossomodo das gesamtechiliastischeProgramm Tabors,
wie es uns aus diesen und anderen Lehr-Artikel-SeriensowieausSelbstzeugnissen
führenderIdeologen
des taboriti- schen Chiliasmus bekanntgeworden
ist12. Es lassen sich darin zwei Grund-gegebenheiten
des erwarteteneschatologischen
Szenariums unterscheiden: einen Zustand der,consummatio
saeculi' und einen des ,regnumreparatum'.
Unter ,consummatiosaeculi'istnachAusweis einervonMartinHüska wohl selbstgege- benen Definition nicht,Vernichtung
der Welt' zuverstehen,
sondern eine dieMenschheit betreffende
ontologische Veränderung,
zumGuten wiezumSchlech-ten13. Das ,regnum
reparatum'
aberist nichts anderes als dieWiederherstellung
des
paradiesischen
Urzustandes menschlicher Existenz vordem Sündenfall. Der eineZustandfolgt
zeitlich undlogisch
ausdemanderen.AnbeidenistJesus
Chri-stus
beteiligt.
Andemeinenwirkter,wie
der DiebinderNacht',
den anderener-öffneterin aller Pracht und
Herrlichkeit,
und dieserZustand desparadiesischen
11 Die 72-Artikel-Listemit Vor-und
Nachgeschichte
beiLorenzvonBfezová,FRB5,450-465.
12 Zuden
Quellen vgl.
Macek,Tabor2,43ff.;Kaminsky, History,
344f.Anm. 88;Smahel,
Husitská revoluce 2, 122ff. Siehe auch ReinhardSchwarz, Die
apokalyptische Theologie
Thomas Müntzers und der Taboriten
(Beiträge
zur historischenTheologie
55,Tübingen
1977),bes. 2ff.-
Die im Haus desPetrus Zmrzlik zumVortrag
gekommene
Liste enthält auch nicht-chiliastische Artikel undistüberhaupt
eineSammlung
alldessen,wasdenPrager Magistern
anden Taboriten bzw. allerjener,die siealsTaboritenbetrachteten, mißfiel;ichverweisehiernurauf
Kaminsky, History,
413ff.Wennich denfolgenden Ausführungen
den-noch kurzerhand dieseListe
zugrundelege,
so auszweiGründen:Zumeinenbeschränke ich mich auf die chiliastischenPassagen,
und die lassen sich Punkt für PunktindenParallelquel-
len wiederfinden underweisendie indieserListezumAusdruck
gebrachten
chiliastischen Doktrinenungeachtet offenkundig
bereits bestehenderinnertaboritischerDifferenzen,vondenen nochzu
sprechen
seinwird,alsrepräsentativ
fürTabor alsganzes. Zumanderenzeigt
die Reaktion der
Sprecher
Tabors auf denVortragdieserArtikel,daßsiesich darin tatsächlich wiedererkannten.13Lorenzvon Bfezová,FRB5,418: Et sie eciam
diffinientes
sécula ponunt,plura'
habentesdifferenciam
interseculumetmundum. Quandoenimvaldenotabilisfit
inhominibusmuta-cio, tuneseculumconsummatur. Consummadonemigiturseculi
appello
bonoruminmeliuscommutadonem etmalorum exterminacionem
...
DieAutorschaft Martin Hüskas ander Schrift,ausder dasZitatstammt,
legt
dieArtundWeisenahe,wieLorenzvonBfezová den Texteinführt;siehe dazuvorallemKaminsky,
History,401 mitAnm. 52/53 sowie407-409.Friedensreiches sollte dauern biszum
Jüngsten Gericht,
wonacherstdieEwigkeit
anbräche.Dieseist alseindritter Seinszustand der Menschheit
vorzustellen,
überdenmansichaber keine
großen
Gedankengemacht hat,
sodaßerfür die Rekon- struktion des taboritischen Endzeit-Szenariums imFolgenden
außer Betracht bleiben kann.Diechiliastischen Lehrsätze der Taboriten kreisen also umdie beiden eschato-
logischen Hauptzustände:
die,consummatiosaeculi'und das,regnumreparatum'.
Imeinzelnenistdarunter das
Folgende
zuverstehen:(I)
Die ,consummatio saeculi' betrifft zwar virtuell auch eineWandlung
zumGuten,
in der Praxis scheint mansich aber vornehmlich mitdernegativen
Seitebeschäftigt
zuhaben,
der malorumomniumexterminado,
die sich nochimlaufen- denJahre
1420vollziehen sollte(§ 1).
DieswärenTage
der Rache undVergeltung,
biblisch
prophezeit
inden siebenPlagen
des Weltendes(Ecclus. 39,34-36),
wodieFeindeGottesohne
jedes
Erbarmenzuvernichtenwärenund dasgöttliche
Gebotder Milde keine
Geltung
besäße(§§ 3-4).
Esmachte sich derGläubige geradezu schuldig,
wennerseineHändegemäß
demWortedes Psalmisten(57,11)
nicht imBlut der Feinde Christi
wüsche,
und diesesMordgebot
sollte selbst fürPriestergelten (§§ 5-6).
Wie Sodom würden alleStädte, Dörfer, Burgen
und Gebäudezugrunde gehen (§ 7),
auchPrag,
das neueBabylon (§ 9).
Dann wird dasalte,
schon1419aktuellgeweseneMotiv
aufgenommen,
daßnur,wer zudenvonJesaja (19, 18) prophezeiten ,fünf Städten',
oder-
gemäß
denWortenJesu (Matth.
24,16.28)
-zu den
,Bergen' flüchtete,
wo sich die,Adler' versammelten,
das Heilerlangen
könnte(§§
8,10-12),
weshalb auch Frauen Mann und Kindverlassen dürften(§ 33).
Anders aber als noch1419wirddiesen,Berg'-Versammlungen jetzt
die
Bestimmung
zugemessen, als GottesRacheengel
zu wirken(§ 12).
Wer dieVier
Prager
Artikel nichtakzeptierte,
densollten als Satan undapokalyptischen
Drachen Tod und
Vernichtung
treffen(§ 13),
dem sollten dieGüter weggenom-men oder zerstört werden
(§ 14),
und wer einem solchen weiterhinzinste,
densollte das
gleiche
Schicksal treffen(§ 15).
Alle äußeren Formen des Kultus seienabzuschaffen,
d.h. konkret: Kirchen und Altäreseienzuvernichten(§ 34),
Meß-ornatein
profane
Gewänder umzunähen(§ 37),
dieMeßfeierin Ornatund mitTonsur
-
bezeichnet als dirnenhafter
Aufputz
-seiohne heilsvermittelndenWert
(§§ 37-39)
undkönnte ohnealleÄußerlichkeiten
anbeliebigem
Ortegefeiert
wer-den
(§ 40).
Ein Priester inTodsündeseinichtfähig
zurSakramentenspende (§41),
so
wenig
wieJudas
zuEmpfang
undSpende
der Eucharistiein derLage
gewesensei
(§ 42);
solcherartgeweihte
HostienkönnemanverächtlichindenStaubtreten(§ 43).
Von entscheidenderBedeutung
sind auch die anderenAussagen
überdie Eucharistie: ImAltarsakrament sei Christus als Gott und Mensch in keiner Weisevorhanden
(§
44,47)14,
daher sei ihm auch keinerlei Form derAnbetung
14 §44: Item
quod
insacramentoeukaristie(tsch.vsvátostioltärni)
pañisetvininonsitverusdeusethomocontentive,sacramentaliteret
presencialiter.
Miristangesichts
deranÄquivo-
kationen reichen Diskussion um
Wyclifs
Remanenzlehre durchaus unklar, was unterdenSeinsbedingungen
.contentive', .sacramentaliter' und.praesentialiter'
(tsch. zfetedlnè,pos- vátnéapfítomné)theologisch-philosophisch
tatsächlichzu verstehen seinsollte, zumal es(cultus latrie) geschuldet (§ 45),
etwadasBeugen
der Knie(§ 46),
esverbietesichdie Elevation
(§ 49),
dieAufbewahrung
der bei der Meßfeier nichtbenötigten
Hostien
(§ 48),
dieOpfermaterie
sei ganzbeliebig (§ 50),
und während dieMesse nicht öfter alseinmalproTag gefeiert
werden solle(§51),
könne derGläubige
dieEucharistie
beliebig
oft verzehren(§ 52).
Doktrinale Richtschnur sei allein dieHeilige
Schrift(§ 53),
dieZeugnisse
der gesamtenkirchlichen Lehrtradition seienzu verwerfen
(§§ 55-58).
DiesakramentalenHandlungen
solltenliturgisch
aufsäußerste vereinfachtwerden: die Taufe bedürfte z.B.nicht des Weihwassers und keiner
Taufpaten
undExorzismen(§§
59,60),
essollte keine Ohrenbeichtemehrgeben (§ 61),
Bußwerke solltenabgeschafft (§ 62),
dasChrisamölinFortfallkom-men
(§ 63), Anrufung
derHeiligen
hätte zu unterbleiben(§ 65),
denn Fürbitte könnten sie nicht leisten(§ 66),
Fastenzeitensollten insBelieben derGläubigen gestellt (§ 67),
nurderSonntag
alsFeiertag
zuheiligen
sein(§ 68), Leistungen
stell-vertretender
Frömmigkeit
-suffragia
mortuorumzumBeispiel
-solltenuntersagt sein
(§ 70),
dasFegefeuer
sei zuverwerfen(§ 69),
die musikalischeUmrahmung
des Gottesdienstes mit Laudes und
Hymnen
habe zu unterbleiben(§ 71).
DerFleischverzehr wird an die alttestamentarischen rituellen
Voraussetzungen
ge- bunden(§ 72).
Derletztere Punktwirktetwas
erratisch,
aberdie Gesamttendenzist klar:Die,consummatio
saeculi' bezieht sich in ihremprofanen
Teil auf dieVernichtung
aller Personen und
Gegenstände,
die nicht zu Taborgehörten,
im ekklesio-logischen
Teilauf dieNihilierung
allerFormenundWerte,dieseiturkirchlicher,
genauer: seit
nach-apostolischer
Zeit(oder
was man dafürhielt),
Bestandteil kirchlicherTraditiongeworden
waren.(II)
Das,Regnum reparatum'
nunmarkiert nachderAbschaffung
desverderbtenalten ein neues
Saeculum,
das unmittelbar(de proximo)
bevorstehe und das inAnknüpfung
anApoc.
20, 5 -den chiliastischen Locus classicus!
-
als Zeit der
.ersten
Auferstehung'
bezeichnetwird,
zu derChristus, hinabgestiegen
vomHimmel,
im Kreis der Erwählten(elecd)
ein,großes
Gastmahl' halten werde(§ 19).
DiesesneueSaeculumseidadurchausgezeichnet,
daßesdortwederSünde, Skandal, Abscheulichkeit, Lüge
noch Unreinheitgeben
werde(§ 16),
keinenkör-perlichen
Tod(§ 20),
keineVerfolgung (§21),
keineHerrschaft und damit verbun- deneSteuerpflicht (§ 22);
daßjede
menschliche Vernunftersetztwerde durchGot-tes
Eingebung (§ 26)
undentsprechend
die bishergültig
gewesenen Werke dergöttlichen Offenbarung
-d.h. die
Heilige
Schrift-ihre
Gültigkeit
verlören(§§
27,28),
und ebenso sämtliche Sakramente(§ 54);
daß Frauen schmerzlosgebären
schon
fraglich
ist, wessenSprachgebrauch
in denBegriffen überhaupt
zum Ausdruckkommt:in FormeinesquasiwörtlichenZitatsjenerderTaboritenoderimFilter dereigenen
Begrifflichkeit
der Verständnishorizontder PragerMagister.
H.Kaminsky,
History, 407f.,hat sicherrecht,wennerdieStelle als„adenialof the realpresenceofChrist in the Eucharist"
deutet;abersoließe sichz.B.auch
Wyclifs Auffassung
beschreiben,und dennochliegen
zwi-schen dessenRemanenzlehreund deramEndevonden taboritischen ChiliastenumMartin HüskavertretenenLehrevonder Eucharistie als anscheinend bloßemGedächtnismahlWel-
ten.Sieheauchunten177mit Anm.27.
würden,
inmehrerenGenerationsfolgen
bis15zumJüngsten Gericht,
daßsiekeine(sexuellen)
ehelichenPflichten hätten und für dasKinderkriegen
des männlichen Samensnicht bedürften(§§ 29-32).
Daß dieserneueZeitzustand höherzubewer-tensei als
jener
derUrkirche,
dem bis datogültig
gewesenenOrientierungspunkt
der hussitischen
Bewegung,
versteht sicheigentlich
von selbst(§§
24,25),
wirdaber ausdrücklich
betont,
und das markiertdieSignifikanz
dereingetretenen
Um-wertungderhussitischenWerte16.
Dies alles warbis zu diesem
Zeitpunkt gesamttaboritisches Programm
gewe-sen17,
wie essichim Laufe desJahres
1420entwickelt hatte undwiees in seinen weltvernichtendenKonsequenzen
inzwischenin allerFurchtbarkeit sichtbarge- wordenwar. Zwei derviertaboritischenHauptleute,
ChvalvonMachovice undJan
Rohác vonDuba,
bekannten sich ganzoffendazu,
ebensomutatis mutandisMartinHúska. Inder
Replik
deserstim Herbst1420zuihrem.Bischof gewähl-
tenNikolausvonPelhrimov aber wird einRiß im
Taboritenlager
sichtbar. DennNikolaus weicht aus,
geht
nur auf die rituelle Seite des ,consummatio saeculi'-Programms ein,
zumkünftigen
Friedensreichhingegen
sagt er gar nichts. ZurFrage
derGültigkeit
der kirchlichen Lehrtradition hätte er etwas sagenwollen,
wurde abervon Martin Húska daran
gehindert.
Denn von ihmwissenwir,
daßerzudiesem
Zeitpunkt
dieDoctoresder KircheinBausch undBogen verwarf18,
also einem radikalen
Sola-Scriptura-Prinzip huldigte,
während Nikolaus vonPelhrimov damals wohl nicht
weniger
alsspäter
in diesem Punktweitweniger
radikal dachteund die nachbiblische Tradition
gelten ließ,
soweit siesichmitderHeiligen
SchriftausseinerSichtinEinklang
befand19.Mit dem
Abbiegen
der Diskussion aufeinNebengleis
warder Konfrontation zwischen dengemäßigten
Hussiten und den Taboriten zunächst dieSpitze
ge- nommen,ohne daß diehauptsächlichen Divergenzpunkte
eineKlärung gefunden
hätten. Dazukamesindessenauch
später
nichtmehr,
denn sehr balderfolgte
deroffene Bruch im
Taboritenlager
selbst. Es tratjenes Ereignis ein,
das HowardKaminsky
als denhussitischen Thermidor bezeichnet hat20:Am28.Februar1421 setzten Nikolaus von Pelhrimov undJohannes
vonJicin
diePrager Magister
davon in
Kenntnis,
daß ein mehr als400Anhänger
zählender Teil ihrerGemein- schaft unterFührung
von Martin Húska der.pikardischen'
Häresie verfallen15AmText: adhuc post(!)
generalem
resurreccionemhominesparientusw.(tschechisch:po [!]obecném vzkfísenílidé roditi hudouusw.),kannetwasnichtstimmen,dennentsprechend
dem
eschatologischen
SzenariumvonApoc.20 wärederparadiesesgleiche
Weltzustand in den millennarischen Zeitraum zwischen der.prima
resurrectio' Christi und demJüngstenGerichtzu
plazieren,
undnurdieses könnte als.generalis
resurrectio'bezeichnet werden.16Die KommentatorenderArtikel weisenauchimmerwieder daraufhin,daßdas,was die Taboriten
neuerdings
verwürfen,geheiligt
urkirchlicherBrauch sei.17 Wie ichdiesen
Begriff
verstehes.o. 172 Anm. 12.18
Kaminsky, History,
423mitAnm. 104.19
Vgl.
nur die, freilich erst 1431 entstandene, Confessio Taboritarum c. 2, ed. Amedeo Molnár und RomoloCegna(Fontiperla storia d'Italia 105,Roma1983)67f.20
Kaminsky,
History,418.Hauptquelle
fürdasFolgende
ist Lorenzvon Bfezová,FRB 5,474f.
seien,
und erbaten den Beistand derPrager. Wenig später
war dieSpaltung
derTaboriten-Gemeinschaft
perfekt,
als 200.Pikarden'
Tabor verließen. Etwa 50,unter ihnen derPriester Petrus
Kánis, begaben
sich in das nahe Taborgelegene
Dorf
Klokoty,
wosievonZizka
vordem23.April
1421verbranntwurden, gefolgt
von weiteren 25 zu einem etwas
späteren Zeitpunkt21.
Eine zweitegrößere Gruppe
vonmehrals40 LeutenunterFührung
eines ,Bauern'(rusticus),
der sichMoses genannthaben
soll22,
verschanzte sich aufeiner Flußinsel-
wohl inder Nezárka
-
zwischen Neuhaus undVeseli und wurdevon
Zizka
nach erbitterterGegenwehr
am 14. Oktober 1421 bis auf einenumgebracht.
DessenGeständ-
nisse'bildeten die
Grundlage
einesManifests,
mitdemZizkadieLiquidierung
desPikarden-Flügels
vorderÖffenlichkeit rechtfertigte23.
Das
geistige Haupt
diesesFlügels,
MartinHüska,
teilteimPrinzip,
abernichtder Art nach das Schicksal seiner Leute. Er war am 29.
Januar
1421, also vier Wochenvordem Notruf des NikolausvonPelhrimovandiePrager Magister,
vonUlrich Vavák von Neuhaus
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einem der Initiatoren des
Prager Streitgesprächs
vom 10. Dezember 1420
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gefangengesetzt geworden24. „Auf
Bittender Tabori- ten"freigelassen,
suchte er in seine HeimatMähren zugelangen,
wurde aberinChrudimvondem hussitischen Baron Divis Borekerneut
gefangen
genommen,der
ihn,
alserseinerAnsichtengewahr wurde,
amliebstengleich
verbrannthätte,
sich aber
bewegen ließ,
ihndemPrager
ErzbischofKonradvonVechtazu über-stellen,
der-in
Tolerierung
derKelchkommunion-
seinen Sitz in Raudnitz ge-
nommen hatte. Unter dessen nomineller
Jurisdiktion,
freilich unter PressionenZizkaswieder
Prager,
istMartin,
zusammen mit einemBegleiter,
nachgrausamerFolterung
-die auf das Geständnisder NamenvonHintermännernund
Gefolgs-
leuten zielte
-
am21.
August
1421 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden25.II.
Sovielin
großen Zügen
zu denVorgängen!
Derpikardischen
Häresie sindnochviele andere
bezichtigt worden, ihretwegen
wurde auch manch einer noch ver-brannt. Selbstein Mann wie
Prokop
derGroße,
nachZizkas
Tod 1424und bis zuseinem
eigenen
auf dem Schlachtfeld vonLipany
1434 der unbestrittene Wort- führer derTaboriten, galt
dem Geschichtsschreiber der hussitischenBewegung,
21 FRB5,475f.
22 Der Name istnatürlich
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gleichgültig
ob authentisch oderimputiert
-
Programm:Moses
istderMann,der die KinderIsraelaus
Ägypten
insgelobte
Landführte;in derMetaphorik
der Zeitbedeutet das für denneuenMoses:der dievonGott auserwählten wahren
Gläubigen
nachihremAuszugausTabor ins irdischeParadiesführte,oderdochwenigstensaufdenWeg
dorthin.
23 FRB5,517-520.
24 FRB5,470f.
23 FRB5,493-495.
Lorenzvon
Brezová,
als„der pikardischen
Häresieverdächtig"26.
Wasverstandendie
Zeitgenossen
darunter?Das istvielweniger klar,
alsmanmeinenmöchte. Als sicher kanngelten,
daßmandamiteinespiritualisierte Auffassung
der eucharisti- schenHandlung
im Sinne einesbloß zeichenhaftenErinnerungsmahles27 verband,
wie sie ein
Jahrhundert später
vonZwingli
vertretenwerden sollte undwie mansie im
Jahre
1420-
offenbar nach der
erfolgreichen
Abwehr vonKönig Sigis-
munds
Belagerung Prags
-
in
Prag,
Saazund Pilsenentdeckte28;
eindem Kleinadel derGegend
vonSaazangehöriger
Mann,Sigmund
vonRepany,
wirdindenQuel-
len namentlich
angeführt.
LorenzvonBrezová,hierinunser
einziger Gewährsmann,
führt denUrsprung
dieser
„verfluchten Häresie",
wie ersichausdrückt,
aufeineGruppe
vonpikar-
den'
zurück,
dieimJahre
1418mitWeib undKind,
40FamilienanderZahl,
nachPrag gekommen
wäre, angezogen von Böhmen als einem Hortevangelischer
Freiheit29. Die
Prager
hätten diese Leute freundlichaufgenommen,
selbst dieKönigin
-dasistWenzelsGemahlin
Sophie
-undnoch anderePersonenam Hof hättensichumsie
gekümmert,
selten freilichhabemansiebeim Gottesdienstge-sehen,
niebei derKommunion inbeiderleiGestalt;
einen Priesterhätten sie nicht bei sichgehabt,
nurjemanden30,
der ihnen ausSchriften in ihrerSprache
vorlas.Als die Verhöre
Sigmunds
vonRepany
den Verdacht der Urheberschaft seiner Ketzereiaufsielenkten,
seien sie-
soweit sienoch
gelebt
hätten-ausFurchtvor
Verfolgung
inihre Heimatzurückgekehrt,
ohne daß sich ihreSpur
genauerhabeverfolgen
lassen.Der Bericht ist
eigentlich
nicht mißzuverstehen: Mit.Pikarden'
sind unzwei-deutig
Landfremdegemeint,
d.h. Leuteaus derPicardie,
die-vergleichbar
denHugenotten
einerspäteren
Zeit-aus
religiösen
Gründen ihre Heimat verlassen26 FRB5,495(§99).
27Howard
Kaminsky
weist michzuRechtdaraufhin,daßgrößte
Vorsicht beiderDeutungder chiliastischen Eucharistielehre
angebracht
istundmaninGefahrsteht,ihrenKernzu ver- fehlen,preßt
mansiezustarkindiedamalige
scholastische odergarheutegültige dogmati-
sche
Begrifflichkeit.
Insofern möchte ich denHinweisaufZwingli
cumgranosalisverstan-den wissen.Die
Äußerungen
deswichtigsten
Exponentender chiliastischenEucharistielehre,MartinHúskas,sind selbst nicht
widerspruchsfrei:
Einerseitsinterpretierte
erentsprechend
seinemrelativ schlichten
Begriff
vonSpiritualität
das eucharistischeTuneinfachalsHandeln imGeisteChristi und verwarfdementsprechend jede
Formliturgischer Materialisierung
undRitualisierung.
Andererseitspropagierte
ereineAbendmahlsfeieringetreulicher
ImitationvonChristiFeier,wonichtnurWeinundBrotverzehrt wordenwären,redete also durchaus einem RitusdasWort. Beialler Differenz aberistderAbschiedvon
jeder
FormderRealprä-
senzChristiinderHostieunmißverständlich,selbstim
Vergleich
mitderabgeblaßten
Formvon
Wyclifs
Remanenzlehre.Vgl.
Martin HúskasÄußerungen
in derWiedergabe
vonJan Pfíbram,Zivotknezítáborskych,
ed./.Macek,Ktozjsúbozíbojovníci,290-294;zurSacheKaminsky,
History,422ff.sowiezurspäterenDiskussion472ff.28 Lorenzvon Bfezová,FRB 5, 429-431.Siehe Macek,Tábor2,324f.;
Kaminsky,
History,401-403;Smahel,Husitská revoluce2,131mitAnm.408; 3,73mitAnm. 142.
29 FRB5,431. Lorenz
spricht
vonXLfere
viri;da auchvon,Weibund Kind' die Redeist, sindunterden.Männern'wohl inersterLinie Familienvorständezuverstehen.30Erwird bezeichnet als,virLatinus'(tsch.:Jeden latinik').
und in
Böhmen,
genauer: inPrag,
Zufluchtgesucht
undgefunden
haben31. Ob- wohl ichmirkeineswegs
sicherbin,
ob dievonSigmund
vonRepany
und seinenGesinnungsgenossen propagierte
eucharistische Lehre tatsächlich auf diese reli-giösen Flüchtlinge
zurückzuführenistoder ob bei denInquisitionen
einmal mehrangebliche Spiritus
rectores entdecktwurden,
wo man auf bloßeBerührungen
oder gar nur
Ähnlichkeiten gestoßen
war, mag dieseFrage
auf sichberuhen;
Lorenzvon Bfezová und seine
Zeitgenossen
warenjedenfalls
davonüberzeugt,
daß die eucharistischeHäresieder chiliastischen Taboritenvonden landfremden Pikarden herrührte.
Indiesem Sinneverstand und versteht auch die
Forschung
in ihrer Mehrheit diese Stelle seiner Chronik32.Andere, argumentativ
am eindrucksvollsten Ho- wardKaminsky,
wiesenaber daraufhin,
daß.Pikarden' etymologisch
alsVarianzvon
.Begarden' gedeutet
werdenkönne,
und brachten die eucharistische Lehre der Pikarden mit dersog. Häresievom freien Geiste inVerbindung33.
Dies nunvorallem im Blick auf ein zweites
Element,
das dem Pikardismus vonseinen Zeit- genossenimputiert
wurde: Das istdasAdamitentum,
einanderesWortfürAnti-nomismus34. Nun ist es
richtig,
daß dieGleichsetzung ,Pikarde'
und,Begarde' sprachlich möglich ist,
injüngeren Quellen
zuweilensogarexplizit
vorgenommen wurde35,und daßsexuelleLibertinage
indasRepertoire freigeistiger
Häresie ge-hörte,
wiemansievornehmlichimBegarden-Milieu
vermutete;dieVerbindungs-
kette
Begarde-Freigeist-Antinomist
war seit derVerurteilung
der Frei-Geist-31 AuchJanPfibramnenntdie PikardeninseinemTraktat„Contraartículos Picardorum"
.advenae';siehe
Kaminsky, History,
359mitAnm. 142.32
Vgl.
etwaMacek,Tábor2, 325;Smahel,Husitská revoluce2,130.33
Kaminsky, History,
351-360,bes.354mit Anm. 128;ders.,ChiliasmandtheHussiteRe-volution,in:Church
History
26(1957)43-71,bes.60ff.; ders.,TheFreeSpirit
inthe HussiteRevolution,in:MillennialDreams in Action.Essaysin
Comparative Study,
ed.by Sylvia
L.Thrupp
(The Hague 1962) 166-186, bes. 180ff. Inder tschechischenForschung
besitzt dieGleichsetzung Pikarde/Begarde
eine sehr alte Tradition: Siegeht
dort zurück aufJoseph Dobrowsky,
Geschichte der Böhmischen Pikarden und Adamiten (Abh. der böhmischengelehrten
Gesellschaft1788)300-343(vgl.
bes.309ff.,331f.),
wurdevonF.Palacky,
ÜberdieBeziehungen
und das Verhältnis der Waldenserzudenehemaligen
Secten inBöhmen(Prag 1869)20-22[dietschech.Fassungdes Artikels erschien1868] übernommen undspäterins- besonderevonRudolf
Holinka,Pocátky
táborskéhopikartství,
Bratislava6(1932)187-195, hier190f.,vertreten.34 DieserUmstand
gab
Ernst Wernerdas Stichwortzuseineneinschlägigen Ausführungen,
in: TheodoraBüttner, ErnstWerner,Circumcellionen und Adamiten. ZweiFormenmittel- alterlicherHäresie
(Forschungen
zurmittelalterlichen Geschichte2,Berlin1959)73-134.35Sozum
Beispiel
vonEneaSilvioPiccolomini,HistoriaBohémicaIII,FRB 7(zitiertnachder schongesetzten, inDruckfahnen
vorliegenden,
dann aber kassiertenAusgabe,
die sichdennocheiner
gewissen Verbreitung
erfreut, s.l.,s.a. [Praha 1907])147:...
Interhaecetalia
apud
Bohemosnefanda
etinauditapriusemersithaeresis.Picardusquidam
exGalliaBélgica
transmisso Rheno perGermaniam inBohemiampenetravit, qui praestigiis
quibusdam fidem
sibi conciliansbrevitemporenonparvamvirorum
mulierumque plebem
adsetraxit, quas nudos incedere iubens Adamitasvocavit...].Dobrowsky,
(wieAnm.33)bietet die wohlaus- führlichsteBelegsammlung
für dieGleichsetzung Begarde/Pikarde
mit den taboritischen.Adamiten'bzw. dann imspäten 15.und frühen 16.Jahrhundertmit den BöhmischenBrü- dern.