Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 8|
25. Februar 2011 131M E D I Z I N
DISKUSSION
Hydrozephalus nicht vergesssen
Die gelungene Darstellung wichtiger Differenzialdia- gnosen aus dem Formenkreis demenzieller Erkrankun- gen sollte um den Normaldruckhydrozephalus ergänzt werden. Betroffen sind in Deutschland alleine mindes- tens 60 000 erwachsene Patienten. Die Dunkelziffer ist allerdings groß. Aktuellen Schätzungen entsprechend soll bei etwa jedem zehnten Patienten mit Demenz ur- sächlich ein Normaldruckhydrozephalus vorliegen. Die Erkrankung wird leider meist als Alterungsprozess ge- deutet, da zwei Drittel der Betroffenen älter als 60 Jahre sind, wobei Männer doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Anders als bei der Blickdiagnose beim Kind mit Hydrozephalus fehlen beim Erwachsenen äu- ßerlich erkennbare richtungsweisende Stigmata.
Die Leitsymptome des Normaldruckhydrozephalus entsprechen denen der Alzheimerschen Erkrankung und des Parkinson-Syndroms mit Leistungsabfall, Per- sönlichkeitsveränderungen, Gedächtnisstörungen, Kopf- schmerzen und unklaren epilepsieähnlichen Anfällen.
Unbehandelt entwickeln die Patienten neben der De- menz rasch auch Gangstörungen bis hin zur Gangunfä- higkeit. Die Entwicklung einer Harninkontinenz (gele- gentlich auch Stuhlinkontinenz) gilt als typisch. Bei jahrelang bestehendem unbehandelten Wasserkopf ist eine Reduktion der geistigen Fähigkeiten auf weniger als 20 Prozent dokumentiert, ohne dass gleichzeitig der Reflexstatus grob neurologische Ausfälle zeigt.
Die rechtzeitige Diagnose der Erkrankung ist für den Patienten vor allem deshalb essenziell, da effektive heute gesicherte wirksame chirurgische Therapiemaßnahmen zur Verfügung stehen wie zum Beispiel regelmäßige Lumbalpunktionen, neurochirurgische Shunttherapie, die zwar keine Heilung bringen, aber den schicksalhaf- ten Verlauf dramatisch verzögern können. Die richtige Diagnose ist aber auch für Chirurgen und Anästhesisten im Kontext operativer Eingriffe bei diesen Patienten von Interesse, damit Verschlechterungen des geistigen Zustandes dieser Patienten nicht vorschnell als Folge der Narkose oder der Operation interpretiert werden.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0131a
LITERATUR
1. Mollenhauer B, Förstl H, Deuschl G, Storch A, Oertel W, Trenkwalder C: Lewy body and parkinsonian dementia: common, but often misdiagnosed conditions. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(39): 684–91.
Keine hinreichende Evidenz
Es gibt, so erfahren wir aus diesem Artikel, nur eine einzige Studie (N Engl J Med 2004) zur ChEl-Gabe bei Parkinson-Demenz. Das ChEl-Medikament Rivastig- min hatte dabei folgende Wirkung: „Leichte Verbesse- rungen in kognitiven Bereichen um 2,1 Punkte auf ei- ner Skala von 0 bis 70 des ADS-cog“.
Zwei Punkte von 70 sind sehr wenig und meines Er- achtens kaum erwähnenswert, da eine solche geringe Verbesserung durchaus im Bereich eines einfachen Messfehlers oder einer statistischen Ungenauigkeit lie- gen kann.
Des Weiteren wird im Artikel von sogenannten
„klinisch merklichen Verbesserungen“ gesprochen, ohne, dass näher erörtert wird, was damit genau ge- meint ist.
Interessant ist allerdings, das die sogenannten „kli- nisch merklichen Verbesserungen“ nur bei etwa 20 Prozent der Patienten beobachtbar waren und sich auch bei 15 Prozent der Patienten, die in die Studie einbezo- gen waren, aber ein Placebo bekamen, ebenfalls „kli- nisch merkliche Verbesserung“ zeigten.
Das bedeutet: Nur bei 5 Prozent aller Patienten hat das Medikament eine positive medizinische Wirkung gezeigt, die über den Placebo-Effekt hinausgeht.
Rechtfertigt das die Gabe eines teuren und kaum ge- testeten Medikaments an alle, obwohl die Wahrschein- lichkeit, dass es überhaupt wirkt also nur bei 1 : 20 liegt?
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0131b
LITERATUR
1. Mollenhauer B, Förstl H, Deuschl G, Storch A, Oertel W, Trenkwalder C: Lewy body and parkinsonian dementia: common, but often misdiagnosed conditions. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(39): 684–91.
Dr. phil. Roman Landau Maria-Louisenstraße 63 22301 Hamburg
E-Mail: info@winfried-vollmer.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Demenz mit Lewy-Körpern und Parkinson- Krankheit mit Demenz – Zwei häufige
Demenzformen, die oft nicht erkannt werden
von PD Dr. med. Brit Mollenhauer, Prof. Dr. med. Hans Förstl, Prof. Dr. med.
Günther Deuschl, Prof. Dr. med. Alexander Storch, Prof. Dr. med. Wolfgang Oertel, Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder in Heft 39/2010
Prof. Dr. med. Christian-Friedrich Vahl Universitätsmedizin Mainz
Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Langenbeckstraße 1 55131 Mainz E-Mail: cvahl@gmx.net
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.