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Archiv "Hornhauttransplantation: Glänzende Bilanz und viele Perspektiven" (11.11.2005)

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or 100 Jahren gelang dem Augen- arzt Dr. Zirm im damaligen Olmütz im heutigen Tschechien die erste dokumentierte,erfolgreiche Transplanta- tionsoperation in der Medizin. Bei der am 7. Dezember 1905 durchgeführten Operation handelte es sich um die erste durchgreifende Hornhauttransplantati- on (Keratoplastik), der ein postoperati- ver Erfolg beschieden war. Dies war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, in deren Verlauf Millionen von Patienten wieder zum Sehen verholfen werden konnte.

Die Hornhauttransplantation ist nicht nur die älteste, sondern auch die am häufigsten durchgeführte und er- folgreichste Form einer Organ-/Gewe- betransplantation. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 8 000 Keratoplasti-

ken durchgeführt. Ein weitreichenderer Einsatz wird – vor allem in Deutschland – durch Spendermangel limitiert. Dies ist umso erstaunlicher insofern, als dass Hornhautspendergewebe – anders als bei allen anderen Organspenden – bis zu 72 Stunden nach dem Herz-Kreislauf- Stillstand entnommen werden kann. Da- bei wird entweder nur die Hornhaut oder das ganze Auge entnommen. Kos- metisch ist die Entnahme von Laien nicht zu erkennen. Wir ermuntern hier- mit noch einmal, an die Möglichkeit ei-

ner Organspende der Hornhaut zu den- ken und Angehörige von verstorbenen Patienten dementsprechend aufzuklä- ren (weitere Informationen zur Rechts- lage unter: www.kornea.org, Informa- tionen zum Organspendeausweis un- ter: www.akos.de/organspende/ausweis.

html).

Hornhaut-Transplantationen können aus optischen oder aus tektonischen In- dikationen durchgeführt werden. Opti- sche Indikationen sind zum Beispiel Trü- bungen oder Wölbungsanomalien der Hornhaut (beispielsweise Hornhautdy- strophien oder Keratokonus), die unbe- handelt zu einer schweren Sehbehinde- rung führen (Abbildung 2). Tektonische Indikationen sind Hornhautdefekte (wie etwa rheumatisch bedingte Einschmel-

zung der Hornhaut), bei denen die Kera- toplastik die Integrität des Auges wieder herstellt. Hornhautverpflanzungen kön- nen in allen Altersstufen (vom Kind bis in das höchste Lebensalter) meistens in Vollnarkose durchgeführt werden. Die Erfolgsquote der Hornhaut-Transplanta- tionen mit den heutigen operativen und medikamentösen Möglichkeiten liegt bei mehr als 80 Prozent nach zwei Jahren.

Ein wichtiger Grund für das unge- wöhnlich gute Überleben von Horn- haut-Transplantaten liegt in der speziel-

len Anatomie und Physiologie der Horn- haut. Die normale Hornhaut ist ein avas- kuläres transparentes Gewebe, dem so- wohl Blut- als auch Lymphgefäße fehlen.

Ein Transplantat, das in eine solche Hornhaut implantiert wird, ist deshalb sowohl vom Blut- als auch vom Lymph- gefäßsystem, das heißt sowohl vom „af- ferenten“ wie vom „efferenten“ Arm ei- nes „Immunreflexbogen“ (über den eine Immunreaktion nach Transplantation vermittelt wird), abgeschnitten.

Diese Avaskularität ist zusammen mit anderen Faktoren ursächlich für das

„Immunprivileg“ der Hornhaut. Das Im- munprivileg ist ein evolutionär hochkon- servierter Mechanismus, um für Entzün- dungsarmut und damit Transparenz in der Hornhaut zu sorgen. Ein erfreulicher Nebeneffekt des kornealen Immunpri- vilegs ist das gute Überleben von Horn- hauttransplantaten, obwohl diese in der Regel ohne HLA-Matching und ohne systemische Immunsuppression durch- geführt werden.

Ist dagegen die Hornhaut beispiels- weise infolge einer Verätzung oder einer herpetischen Keratitis pathologisch vas- kularisiert, sinkt die Erfolgschance deut- lich. Intensive Forschungsaktivitäten im Bereich der Transplantatimmunologie und neue antihäm- und antilymphan- giogene therapeutische Möglichkeiten versprechen aber eine Verbesserung des Transplantatüberlebens in dieser

„Hochrisikogruppe“.

Die Hauptkomplikation einer Horn- hauttransplantation ist die Immunreak- tion, die bei rechtzeitiger Erkennung aber gut mit topischen Steroiden behan- delt werden kann. Die Tatsache, dass Ge- webstransplantate in avaskuläre Emp- fänger-Hornhäute fast immer akzeptiert werden, während Transplantate in ge- fäßhaltigen Hochrisikoaugen fast immer abgestoßen werden, macht die Horn- haut zu einem hervorragenden Modell- M E D I Z I N R E P O R T

Hornhauttransplantation

Glänzende Bilanz und viele Perspektiven

Die Zukunft der Keratoplastik wird geprägt durch Verfeinerungen der mikrochirurgischen Technik, der Amnionmembran-Transplantation und der Stammzelltechnologie.

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A3078 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 45⏐⏐11. November 2005

Abbildung 1: Wiederherstellung des Sehvermögens bei einem an einer Hornhautdystrophie erblindeten Patienten. A: Durchgetrübte Hornhaut vor Operation. B: Klares Sehen nach erfolgrei- cher Hornhauttransplantation (man erkennt noch die doppelt fortlaufenden Fäden zur Fixierung des Spendergewebes).

Fotos:Cursiefen

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System, um die relative Bedeutung von Angiogenese und Lymphangiogenese für das Auftreten von Immunreaktionen nach einer Transplantation zu studieren.

Erkenntnisse aus dem Mausmodell der Hornhauttransplantation lassen sich des- wegen auch auf andere Bereiche der Organtransplantation übertragen (mehr Informationen unter: www.augenklinik.

med.uni-erlangen.de).

Klinisch nicht-sichtbare, pathologi- sche Lymphgefäße der Hornhaut kön- nen erst seit kurzem mit spezifischen Markern (LYVE-1) immunhistoche- misch dargestellt werden. Auch hier können das Auge und die Hornhaut- transplantation wegweisend für den Erfolg anderer Organtransplantationen sein („Immunintervention durch antian- giogene Therapie“).

Die Hornhauttransplantation hat sich seit den Tagen von Zirm rasant weiter- entwickelt: So erlaubte die Verwendung von Operationsmikroskopen und von monofilen Nylonnähten der Stärke 10-0 (Fadendurchmesser von 25 µm) durch die deutschen Ophthalmologen Harms und Mackensen in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts erstmalig eine ge- zielte Feinadaptation des Hornhaut- scheibchens im Empfängerbett (Abbil- dung 1).

Ein weiterer Schritt zur Vermeidung der postoperativen Hornhautverkrüm- mung war die nicht-mechanische Tre- panation des Hornhautgewebes durch Naumann und Mitarbeiter. Durch Ver- fahren zur Konservierung und Qualitäts- kontrolle (inklusive des Ausschlusses von potenziellen Übertragungen viraler

Infekte) in Hornhautbanken, konnte in den 1990er-Jahren die Transplantatüberle- bensrate deutlich verbessert werden. In- zwischen ist die Organkultur mit standar- disierter Qualitätskontrolle die Regel.

Derzeit untersucht man die Möglich- keit, humane Amnionmembran auf er- krankte Augen zu transplantieren. Die- se aus einer einschichtigen Lage von Epithelzellen und einer Basalmembran bestehende Struktur wird von der In- nenseite der Plazenta gewonnen. De- ren antientzündliche, antiangiogene und epithelialisierungsfördernde Eigenschaf- ten haben die Amnionmembrantrans- plantation zu einem sehr nützlichen In- strument zur Förderung von Wundhei- lung der Augenoberfläche entwickelt.

Nicht heilende Oberflächendefekte können durch Aufnähung einer Am- nionmembran oder durch Transplan- tation einer Amnionmembran in den Hornhautdefekt zur Abheilung ge- bracht werden.

Ein weiteres Forschungsgebiet be- trifft die Stammzelltechnologie: Die für die Regeneration der Augenoberfläche verantwortlichen Stammzellen sind am Limbus (Übergang von der Hornhaut in die Bindehaut) lokalisiert und wer- den zum Beispiel bei Verätzungen des Auges zerstört. Dies führt zu einem Heilungsdefekt und zur Erblindung.

Diesen Patienten war bis vor kurzem nur sehr schwer zu helfen.

Inzwischen ist es möglich, Stammzel- len am gesunden Partnerauge oder von einem Organspender zu entnehmen, sie anschließend ex vivo zu kultivieren und amplifizieren, um dann schließlich diese Stammzellen auf (Abbildung 2) einem Fibringel auf das erkrankte Auge zu transplantieren. Damit wird die Bar- riere zwischen Bindehaut und Horn- haut wieder hergestellt, sodass nach anschließender Hornhauttransplantati- on wieder Transparenz und Sehen er- möglicht werden kann.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Claus Cursiefen Oberarzt der Augenklinik

Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen

E-Mail: claus.cursiefen@augen.imed.uni-erlangen.de Mitautoren: Prof. Dr. med. Berthold Seitz, Prof. Dr. med.

Friedrich E. Kruse, Augenklinik mit Poliklinik, Friedrich- Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Schwabach- anlage 6, 91054 Erlangen.

M E D I Z I N R E P O R T

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A3080 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 45⏐⏐11. November 2005

Abbildung 2: Prinzip der Transplantation von ex vivo amplifizierten limbalen Stammzellen (E). A:

Fibringel mit aufliegenden Limbusstammzellen (Kerne sind rot gefärbt), B: Aufblick auf ein Fibringel mit Stammzellen vor Transplantation. C/D: Auge mit Limbusstammzelldefekt und Blindheit vor Operation (C: Entnahme des Fibringels vor Operation; D: Aufnähen des Fibringels mit Stammzellen auf die Empfängerhornhaut). E: Limbale Stammzellen werden vom gesun- den Partnerauge entnommen, ex vivo amplifiziert und dann auf einem Gel wieder auf das kranke Auge des Patienten transplantiert.

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