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Archiv "109. Deutscher Ärztetag 2006: Gegen Stigmatisierung psychisch Kranker" (31.03.2006)

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hungsweise die Wiederherstellung der seelischen Gesundheit muss als eine in- terdisziplinäre, gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

In Zeiten begrenzter Ressourcen ist es wichtig, dass gesicherte wissenschaft- liche Erkenntnisse breit und zeitnah in die Praxis transferiert werden. Auf- grund der hohen Prävalenz einiger psy- chischer Störungen (wie Depressionen oder Angsterkrankungen) und des Vor- liegens geeigneter Instrumente (psycho- metrische Tests) erscheinen Screening- Programme sinnvoll. Es liegt bislang allerdings noch keine Evidenz dafür vor, dass Frühintervention zu einem besseren Outcome führt. Primär- präventiv wird heute allgemein der Set- ting-Ansatz favorisiert. Dabei sehen Experten im Setting „Arbeitswelt“ ein großes präventives Potenzial. Von einem ganzheitlichen betrieblichen Gesund- heitsmanagement erhofft man sich ins- besondere eine Reduktion arbeits- assoziierter psychischer Probleme, wie Stress, Mobbing oder Burnout (11, 18).

Für die Intervention wird insbesondere der Verbesserung der hausärztlichen Kompetenz im Hinblick auf Früherken- nung und zeitgerechte Therapieein- leitung Bedeutung beigemessen. Im Rahmen der sozialmedizinischen Be- gutachtung stehen vor allem Fragen der Bewertung psychischer und psycho- somatischer Erkrankungen (Qualitäts- diskussion, Gleichbehandlung,Transpa- renz, konsens- oder evidenzorientierte Standardisierung) im Vordergrund.

Umdenken dringend geboten

Da psychosomatische Gesundheitsstö- rungen, die zur Rente führen, nach wie vor als inkurabel gelten, kommt der Optimierung der Rehabilitation („Reha vor Rente“) eine Schlüsselrolle zu. Auch psychotherapeutische Angebote müssen sich dabei Fragen nach Qualität, Effek- tivität und Effizienz stellen. Die Weiter- entwicklung neuer, berufsbezogener Therapieansätze und die Verknüpfung

von Rehabilitation mit dem Beruf stellen weitere aktuelle Optionen für Reha-For- schung und -Praxis dar. In diesem Zu- sammenhang könnte das im SGB IX § 84 Abs. 2 verankerte Betriebliche Einglie- derungsmanagement (Disability Manage- ment) neue Möglichkeiten eröffnen.

Derzeit haben psychisch kranke Arbeit- nehmer, zumal wenn sie älter als 50 Jahre sind, kaum eine Chance auf Reintegra- tion und Teilhabe am Arbeitsleben (19).

Angesichts der demographischen Entwicklung mit alternden Belegschaf- ten erscheint ein Umdenken in Politik, Gesellschaft und Unternehmen drin- gend geboten. Bei den volkswirtschaft- lich erheblichen Aufwendungen, die Frühverrentungen nach sich ziehen, kann das Argument nicht lauten: „Wir haben kein Geld.“ Es stellt sich vielmehr die Frage, ob eine Gesellschaft ihre Res- sourcen lieber für Rentenzahlungen und soziale Unterstützungsleistungen (Aus- grenzung) oder für die Förderung der Gesundheit und Teilhabe von Menschen (Prävention und Eingliederung) einset- zen möchte. Zwischenmenschliche Be- ziehungen bleiben entscheidend für das Gelingen von Arbeit, für ein erfülltes und zufriedenes Leben. Menschen sind wandlungsfähig und -willig, man muss sie nur „mitnehmen“. Wo Profitkultur und Marktfundamentalismus gelebt werden, die den Menschen auf „Human- kapital“ reduzieren, kommt es zu „inne- rer“ Kündigung, hohem Krankenstand, Frühverrentung und Krankheit von Leib und Seele als vermeintlichem Ausweg.

Deshalb ist die Wiederentdeckung der Humanität eine der größten Herausfor- derungen des kommenden Jahrzehnts.

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 13⏐⏐31. März 2006 AA841

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2006; 103(13): A 834–41

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. habil. Andreas Weber Facharzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin

Wissenschaftlicher Geschäftsführer – IQPR GmbH Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der

Deutschen Sporthochschule Sürther Straße 171, 50999 Köln E-Mail: weber@iqpr.de

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1306 abrufbar ist.

D

er 109. Deutsche Ärztetag in Magdeburg (23. bis 26. Mai 2006) soll dazu beitragen, die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ak- tiv zu bekämpfen. Außerdem sollen die psych- iatrisch-psychosomatisch-psychotherapeuti- schen Kompetenzen im ärztlichen Handeln verdeutlicht werden. Trotz der Fortschritte in Behandlung und Versorgung sind psychisch Kranke häufig einer Stigmatisierung ausge- setzt, die die psychische Erkrankung verschär- fen kann. Aufgrund von Vorurteilen distanzie- ren sich Personen aus dem Umfeld von den Betroffenen und deren Familie.

Aber auch in der Ärzteschaft findet man oftmals skeptische Einstellungen gegenüber psychischen Erkrankungen und ihrer Behan- delbarkeit, stellt die Bundesärztekammer (BÄK) fest. Der Erkrankte selbst verinnerliche oftmals die Stigmatisierung und Diskriminie- rung. Dieses Phänomen wird als eine „zweite Erkrankung“ bezeichnet. Deshalb haben die WHO, der Weltverband für Psychiatrie und na- tionale Fachgesellschaften Aktionsprogram- me gestartet, die einer Diskriminierung entge- genwirken sollen. Die BÄK beteiligt sich an

der Durchführung des nationalen Antistigma- programms.

Das Selbstverständnis der Medizin basiert auf einer ganzheitlichen Sicht auf den Men- schen. Aber in den letzten Jahrzehnten sei eine Verlagerung zu somatischen Aspekten und zur Nutzung der vielen technischen Errungen- schaften zu verzeichnen, beklagt die BÄK. Die Kernkompetenzen Psychosomatik in den ein- zelnen Fachgebieten und die ärztliche Psycho- therapie als besondere Ausprägung der spre- chenden Medizin drohten als wesentliche Be- standteile der ärztlichen Berufsausübung ver- loren zu gehen. Der 109. Deutsche Ärztetag soll deshalb darauf hinwirken, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen und psychosozialen Zusammenhängen in allen patientenbezogenen Weiterbildungsfächern verstärkt vermittelt werden. Die psychosomati- sche Kompetenz soll in alle Fortbildungen für Ärzte in Klinik und Praxis integriert werden. Die Zuständigkeit der Ärzte für die „ureigensten Aufgaben der Medizin“ soll erhalten bleiben, und Kernkompetenzen sollen nicht an andere Berufsgruppen delegiert werden. PB

109. Deutscher Ärztetag 2006

Gegen Stigmatisierung psychisch Kranker

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