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Archiv "Die Rolle der Photophobie bei der Migräne" (08.03.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Rolle der Photophobie bei der Migräne

Den Erkenntnissen der letzten zehn Jahre zufolge ist der primäre pathogenetische Mechanismus bei Migräne nicht ausschließlich vasku- lär, sondern auch neurogen auf der Grundlage von Veränderungen auf Neurotransmitterebene. EEG-Ver- änderungen, wie bei der sogenann- ten „contingent negativ variation"

(CNV) und bei visuell evozierten Po- tentialen (VEP) zwischen Migräne- attacken sind nicht allein durch vas- kuläre Prozesse erklärbar.

VEP-Latenzen messen die Lei- tungsgeschwindigkeiten im Nervus Opticus und der zentralen Sehbahn zum visuellen Cortex; die VEP-Am- plitude gibt die Anzahl der stimulier- ten Rezeptoren in der Retina und die Erregbarkeit des visuellen Cortex wieder. Die Beobachtung, daß zwi- schen Migräneattacken erhöhte VEP-Amplituden gemessen werden, deutet auf eine gesteigerte Erregbar- keit des okzipitalen Cortex hin. Eine gesteigerte zentrale noradrenerge Aktivität wird daher als einer der grundlegenden Mechanismen in der Pathogenese der Migräne angesehen.

Diener et al. gingen in ihrer Stu- die der Frage nach, ob eine Migrä- neprophylaxe mit Betarezeptoren- blockern oder Kalziumantagonisten die VEP einerseits und die Häufig- keit und Intensität der Migränean- fälle andererseits verändert. Im Falle einer Veränderung sollte festgestellt werden, welche funktionellen Unter- einheiten des visuellen Systems be- troffen wären. Beide Substanzgrup- pen haben sich als wirkungsvoll in der Migränebehandlung erwiesen.

Betarezeptorenblocker können zen- tral wirken, da im menschlichen Cor- tex betaadrenerge Rezeptoren vor- handen sind, und Propranolol bei- spielsweise durchdringt die Blut- Hirn-Schranke Bislang gelten ß1-se- lektive und nichtselektive Betablok- ker als gleich wirksam. Aufgrund ge- ringer Nebenwirkungen wäre den ß1-selektiven wie Metoprolol der Vorzug zu geben.

Die zentralnervösen Wirkungen des Kalziumantagonisten Nifedipin,

des (31-Rezeptorenblockers Me- toprolol und des nicht-selektiven Be- tablockers Propranolol wurden mit- tels Aufzeichnungen der VEP unter- sucht. Die Studie schloß 58 Patien- ten mit einfacher oder klassischer Migräne ein, die sieben Monate lang doppelblind behandelt wurden. Vor der Therapie wiesen die Migränepa- tienten signifikant höhere VEP-Am- plituden und längere Latenzen auf, als die 87 gesunden Probanden in der Kontrollgruppe. Die Patienten wurden statistisch in je zwei Grup- pen von Respondern und Nonre- spondern pro Behandlungsgruppe aufgeteilt.

Signifikante Abnahme der VEP-Amplituden durch ß-Blocker Nifedipin hatte weder einen Einfluß auf die Häufigkeit, Intensität und Dauer der Migräneattacken, noch auf die Amplitude und Latenz der VEPs. Dagegen führte die An- wendung von Betarezeptorenblok- kern bei Respondern und Nonre- spondern zu einer signifikanten Ab- nahme der VEP-Amplituden; die VEP-Latenzen blieben unverändert.

Bei den Nonrespondern kehrten die Amplituden in der Follow-Up-Phase zu den Ausgangswerten zurück, bei den Respondern blieben sie niedri- ger, etwa im Bereich derer von Nor- malpersonen.

Gesteigerte VEP-Amplituden konnten nur dann beobachtet wer- den, wenn parafoveale und periphe- re Anteile der Retina durch Licht- veränderungen stimuliert wurden, nicht jedoch nach einer Reizung fo- vealer Retinaareale. Diese Tatsache stimmt mit der klinischen Beobach- tung überein, daß Patienten mit ge- wöhnlicher Migräne über eine inten- sivere Lichtwahrnehmung im Sinne einer Photophobie klagen. Visuelle Leitungsbahnen, die Informationen zur differenzierten Licht- und Kon- trastwahrnehmung tragen, scheinen bei Migräne unterschiedlich betrof- fen zu sein.

In Gegensatz zu früheren Stu- dien fand sich keine Korrelation zwi-

schen der Abnahme der VEP-Am- plituden und der klinischen Wirkung unter Therapie mit Betablockern.

Sowohl Responder als auch Nonre- sponder wiesen eine ähnlich starke Abnahme der VEP-Amplituden auf.

Bei den Respondern konnten diese niedrigen Amplituden, die denen von Normalpersonen glichen, noch drei Monate nach Behandlungsende beobachtet werden, wohingegen die Anfallshäufigkeit wieder auf ihren Ausgangswert zurückgekehrt war.

Ein Placeboeffekt würde durch die Ergebnisse der Nifedipingruppe aus- geschlossen. Einflüsse durch die Me- dikation während der Migräneanfäl- le wurden als vernachlässigbar einge- stuft.

Eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz zwischen klinischer Wir- kung und Einfluß auf die VEP sind laut Diener die Plasmaspiegel der Medikamente. Nonresponder wiesen in einer Untersuchung von Schoenen (1985) einen signifikant niedrigeren Metoprolol-Plasmaspiegel auf. Diese Plasmaspiegel waren augenschein- lich hoch genug, um auf das visuelle System zu wirken, aber noch zu nied- rig, um die Häufigkeit der Migräne- anfälle zu reduzieren. Die in der vor- liegenden Untersuchung beschriebe- nen elektrophysiologischen Verän- derungen sind Gruppeneffekte. Da- her kann auf Grundlage der VEP- Amplitude nicht auf die mögliche Wirksamkeit der Betablocker beim Individuum in der Migräneprophyla- xe geschlossen werden.

Demnach können die gesteiger- ten VEP-Amplituden, wie die durch Betablocker induzierte Abnahme der VEP-Amplituden bei Migräne- patienten sowie die Diskrepanz zwi- schen klinischer Wirkung und VEP- Amplitude auf der Grundlage einer ausschließlich retinalen oder rein kortikalen Wirkung oder aber einer Kombination aus beiden erklärt wer- den. shu

Diener, H. Ch.; E. Scholz; J. Dichgans; W.

D. Gerber; A. Jäck; A. Bille; U. Nieder- berger: Central effects of drugs used in mi- graine prophylaxis evaluated by visual evoked potentials. Annals of Neurology 25:

125-130, 1989.

Dr. H. C. Diener, Neurologische Universi- tätsklinik, Kliniken Schnarrenberg, Hop- pe-Seyler-Straße 3, 7400 Tübingen 1

A-774 (68) Dt. Ärztebl. 87, Heft 10, 8. März 1990

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