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Burgen und Stadtmauern - Ausdruck des "Staufischen"? Die Profanarchitektur in Südwestdeutschland war nicht durch eine "Ideologie", sondern durch hohe Qualitätsansprüche geprägt

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Burgen und Stadtmauern - Ausdruck des „Staufischen“?

Die Profanarchitektur in Südwestdeutschland war nicht durch eine „Ideologie“ , sondern durch hohe Qualitätsansprüche geprägt

Buckelquader hier wie dort: Der Bergfried von Burg Steinsberg im Kraichgau (links) und rechts der „Hochturm“ in Rottweil als Teil der stauferzeitlichen Stadtbefestigung (um 1220-40) sind Beispiele für die qualitätvolle Architektur sowohl beim Burgenbau wie in der Stadt.

20 MOMENTE 412016

Originalveröffentlichung in: Momente : Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Nr. 4 (2016), S. 20-21

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Dass Burgen nicht nur verteidigungsfähi­

ge Wohnsitze des mittelalterlichen Adels waren, sondern zugleich wirkungsmäch­

tige Symbole seiner Herrschaft über Land und Leute, das hat die neuere Forschung immer wieder betont. Und wohl fast alle, die in Baden-Württemberg leben, wissen aus eigener Anschauung, dass ihr Land viele beeindruckende Burgen besitzt, die sich durch besondere Klarheit der Bau­

körper, sauberes Buckelquaderwerk und spärliche, aber qualitätvolle Schmuck­

formen auszeichnen. Lange Zeit wurde diese Burgenarchitektur - die auch in Nachbarlandschaften wie dem Elsass, der Schweiz oder Bayern zu finden ist - gerne als „staufisch“ etikettiert, also einer direkten Initiative der 1138 bis 1245/50 regierenden Dynastie zuge­

schrieben. Inzwischen ist man da vor­

sichtiger, denn die meisten dieser Burgen waren keineswegs „staufisch“ in dem Sinne, dass sie dem Herrscherhaus oder seinen treuen Gefolgsleuten gehörten, sondern höchstens insoweit, als sie in dessen Regierungszeit entstanden - sie waren stauferzeitlich, aber nicht „stau­

fisch“ im Sinne des direkten Besitzes der Herrscherfamilie oder auch nur eines ideologischen Bekenntnisses zu ihr. Als Bauten zahlreicher Adelsfamilien, deren politische Parteinahme oft wechselte, veranschaulichen sie vielmehr die archi­

tektonische Kultur des (süd-)deutschen Adels in seiner Gänze, keineswegs nur die einer Dynastie.

Weniger bekannt ist, dass dieselben architektonischen Merkmale auch an Stadtbefestigungen des 12./13. Jahr­

hunderts festzustellen sind. Denn Stadt­

mauern stehen traditionell weit weniger im Fokus eines besonderen Forschungs­

interesses als Burgen. Zwar werden erhaltene Teile der Stadtmauer auch in manchen Städten durchaus als „stau­

fisch“ eingeschätzt, aber dies beruht in der Regel weniger auf ihren Bauformen, ändern vielmehr auf historischen Fak­

ten, vor allem dort, wo die Staufer sicher oder wahrscheinlich die Stadtgründer

^aren. Betrachtet man etwa die älte­

ren Türme und gewisse Mauerpartien in Städten wie Rottweil, Esslingen, Villin- gen oder Schwäbisch Hall, so findet man dort anspruchsvolle Buckelquader- oder Quaderbauten, deren Qualität nicht hin­

ter den Burgen der Region zurücksteht.

Aber auch in diesen Fällen gehören Bu­

ckelquader und Staufer keineswegs zwingend zusammen. So ist bei­

spielsweise der Turm des Freiburger Martinstors dendrochronologisch auf 1200/1201 datiert (Dendrochronologie nutzt die Abfolge der Jahresringe im Bauholz zur Datierung). Damit ist er zur­

zeit der älteste exakt datierte Torturm Deutschlands. Jedoch ist er keineswegs ein Bau der Staufer, sondern er wurde in einer Stadt der Zähringer erbaut, die häu­

fig Konflikte mit den Staufern hatten. Ein noch überzeugenderes Beispiel sind die schönen Buckelquadertürme im gleich­

falls zähringischen Villingen, die teils erst weit nach der Stauferzeit entstanden.

Zwar stammt der älteste Torturm dort noch von 1232/33, aber die anderen folg­

ten erst in den Jahrzehnten danach, über den Machtverlust der Staufer hinaus.

Besonders der durch seine Buckelqua­

der beeindruckende Romäusturm wurde gar erst 1390 erbaut. Nochmals später entstand - wie eine bauzeitliche Inschrift angibt - ein ebenfalls qualitätvoller Bu­

ckelquaderturm des Klosters Maulbronn (der „Hexenturm“), nämlich „1441“.

Diese Beispiele, die leicht vermehrbar wären, zeigen, dass wirklich qualität­

volle Buckelquader auch im Raum von Baden-Württemberg keineswegs nur in der Stauferzeit entstanden - für Nach­

barregionen wie das Elsass, die Pfalz oder Franken ist das längst anerkannt.

Und es gibt noch weitere Quellen, die unser Bild von stauferzeitiicher Pro­

fanarchitektur zusätzlich relativieren.

Einen oft zitierten Überblick über viele Städte spätstaufischer Zeit vermittelt nämlich das nur ganz zufällig erhaltene

„Reichssteuerverzeichnis“ aus dem Jahr 1241. Es beschränkt sich bei genaue­

rer Betrachtung allerdings vor allem auf südwestdeutsche Städte, die den

Staufern als „Allod“ gehörten, also als Familie, nicht als Königen bzw. als Ver­

tretern des Reichs. Die dortigen Einträge lassen durch die oft zugesagten Steuer­

erlässe für den Mauerbau recht gut erkennen, welche Städte noch an ihrer Befestigung bauten, welche dies erst planten und welche ihren Bau offenbar bereits abgeschlossen hatten. Schon dies zeigt, dass es kurz vor dem Ende der Stauferzeit noch keineswegs überall Befestigungen in Form von monumenta­

len Mauern gegeben hat. Besucht man die Städte, die im Steuerverzeichnis von 1241 genannt sind, so trifft man nicht überall auf Stadtbefestigungen, die dem vermeintlichen Stil der Staufer entspre­

chen, sondern vielmehr auf sehr unter­

schiedliche Zustände. Manchmal sind die stauferzeitlichen Mauern völlig ver­

schwunden, wie etwa in Heilbronn oder weitgehend in Schwäbisch Gmünd. Man findet aber auch Städtchen, die offenbar nie recht gedeihen konnten und wo man das Fehlen der Mauer am ehesten so erklären darf, dass es aufgrund anhalten­

der wirtschaftlicher Schwäche nie zum Mauerbau gekommen ist (zum Beispiel in Mahlberg bei Lahr).

Als Ergebnis solch kritischer Betrachtung von vermeintlich gesicherten Erkennt­

nissen ist also festzuhalten - durchaus nicht zum ersten Mal in der Mediävistik - dass „große“ Architektur in der Regel nicht im Handeln einer ruhmreichen Dynastie allein begründet sein kann: Die wirtschaftliche Entwicklung hat, ganz besonders im Falle von Städten, immer eine sicherlich noch wichtigere Rolle gespielt.

Dr. phil. Dr.-Ing. Thomas Biller ist Inhaber eines Büros für Baugeschichte und Bauforschung in Frei­

burg i. Br. und hat sich für sein einschlägiges Hand­

buch („Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen'', erschienen 2016 im Verlag Philipp von Zabern) jahr­

zehntelang mit Stadtmauern beschäftigt.

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