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Archiv "Neuronavigation: Computerassistierte Neurochirurgie" (25.09.1998)

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rundlage einer jeden operativen Therapie ist die genaue Kenntnis so- wohl der normalen Anatomie als auch der individuellen Pa- thoanatomie des Operations- gebietes. Durch die hohe Kom- plexität der Neuroanatomie und der anatomischen Strukturen im Schädelbereich werden an den Operateur in dieser Hin- sicht besondere Anforderungen gestellt. Erschwerend kommt hinzu, daß die anatomischen Strukturen infolge von Tumo- ren oder Anomalien verändert sein können. Nur durch eine vorsichtige schichtweise Prä- paration und ein langsames Herantasten an den Befund kann in diesen Fällen eine Verlet- zung wichtiger Strukturen vermieden werden.

Eine kaum zu überschätzende Hilfe stellen hier die modernen bild- gebenden Verfahren der Magnetreso- nanztomographie (MRT) und der Computertomographie (CT) dar, die mit hoher Auflösung die individuelle Anatomie abbilden. Durch gedank-

liches Zusammensetzen der Einzel- schichten läßt sich ein dreidimensio- naler Eindruck gewinnen. Dies setzt aber ein hervorragendes räumliches Vorstellungsvermögen voraus und ist mit Ungenauigkeiten behaftet. Die

schnell fortschreitende Ent- wicklung der Computertechno- logie hat die Voraussetzungen für ein rechnerisches Zusam- mensetzen der Schichtbilder zu plastischen dreidimensionalen (3-D) Rekonstruktionen (4, 5, 37, 47) geschaffen und dem Operateur diese Aufgabe so ab- genommen beziehungsweise er- heblich erleichtert. Diese Bil- der können auf dem Monitor aus jedem Betrachtungswinkel dargestellt werden, was die Möglichkeit einer computeras- sistierten Operationsplanung in dreidimensionaler Form eröff- net, um Zugangswege und Freilegungen optimal, das heißt mit möglichst geringer Trauma- tisierung der gesunden Strukturen, zu planen (24, 31, 37, 44)(Abbildung 1).

Parallel zur rein bildlichen Dar- stellung wurden Methoden der Indu- strietechnik angewandt, wie die com- putergestützte Fertigung gefräster oder stereolithographischer Modelle zur Anfertigung von Implantaten auf der Basis solcher Modelle (13). Auch zur Planung von Operationen an der

G

Neuronavigation:

Computerassistierte Neurochirurgie

Christian Rainer Wirtz, Stefan Kunze

Schlüsselwörter: Computerassistierte Operationsverfahren, Neuronavigation, rahmenlose Stereotaxie, intraoperative Magnetresonanztomographie, bildgeführte Chirurgie Fortschritte der Computertechnologie und Bildgebung haben zur Entwicklung computerassistierter Operations- verfahren in der Neurochirurgie geführt. Die Neuronaviga- tion erlaubt die genaue Übertragung der Bilddaten auf das Operationsfeld zur Definition von Tumorgrenzen oder wichtigen Gehirnarealen. Bei mehr als 230 Operationen mit

verschiedenen Navigationssystemen erwies sich die Methode als äußerst

hilfreich, besonders bei kritisch, tief im Gehirn oder an der Schädelbasis, gelegenen Tumoren. Der Hauptnachteil, die Verwendung präoperativer Bilder, kann durch operations- bedingte Veränderungen der Anatomie zu Ungenauigkeiten führen. Mit der in Heidelberg entwickelten Methode der intraoperativen MRT können diese Veränderungen einbe- zogen und die Navigation intraoperativ aktualisiert werden.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Computer assisted surgery, neuronavigation, frameless stereotaxy, intraoperative magnetic resonance imaging, image guided surgery

Improvements in computer technology and modern neuro- imaging have led to the development of intraoperative com- puter assistance in neurosurgery. Neuronavigation or frame- less stereotaxy allows the accurate transfer of the individual patient´s images onto the operative field helping to define tumour margins or critical brain areas. In more than 230

operations performed with different systems the method proved to be helpful allowing the use of

less invasive procedures, particularly in tumours in deep or critical locations or at the base of the skull. The major disadvantage is the use of preoperative data for navigation leading to inaccuracies, when anatomical structures are altered during the operation. With the method of intraoperative MRI developed in Heidelberg it is possible to update navigation with images reflecting intraoperative changes of anatomy.

SUMMARY

Neurochirurgische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Stefan Kunze), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Abbildung 1: Dreidimensional rekonstruierter Datensatz bei einem postzentralen Kavernom. Gyrus prä- und postcentralis sind ebenso wie kortikale Venen und das Kavernom plastisch zu erkennen.

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Schädelbasis werden diese Modelle verwendet, allerdings ohne die Mög- lichkeit, Weichteilmanipulationen si- mulieren zu können. Mit diesen bild- gebenden Verfahren, die ohne zusätz- liche Strahlenbelastung, basierend auf den einmal erfaßten Daten, verschie- dene Einblicke und Ansichten der knöchernen Strukturen des Schädels erlauben, ist ein entscheidender Schritt zur Optimierung der präope- rativen Diagnostik und Operations- planung eingeleitet worden.

Trotz dieser Fortschritte bleibt für den Operateur das Problem, die bei der Planung erhaltenen Informa- tionen und Erkenntnisse auf die intra- operative Situation mit der zum Teil nur noch in Form des Operationsfel- des sichtbaren Anatomie bei sonst ab- gedecktem Patienten zu übertragen.

So sollte eine genaue Übertragung der räumlichen Information der dia- gnostischen Bilder auf die operative Situation möglich sein. Dazu müssen

die Raumkoordinatensysteme des Pa- tienten und der Bilder zur Deckung gebracht werden. In der Neurochirur- gie wird dies mit dem bereits seit lan- gem etablierten Verfahren der Stereo- taxie erreicht. Hier wird mit Hilfe ei- nes vor der CT- oder MRT-Untersu- chung bis nach der Operation fest am Schädel des Patienten angeschraub- ten Lokalisationsrahmens ein punkt- genaues Anzielen, zum Beispiel eines tiefliegenden kleinen Tumors, anhand der Bilddaten möglich (1, 28). Die Applikation dieses Rahmens ist aber umständlich, für den Patienten bela- stend und während der Operation teilweise hinderlich.

Lösungsmöglichkeiten bieten hier Systeme zur intraoperativen Na- vigation, die es dem Operateur er- möglichen, seine Position im Operati- onssitus auf dem dreidimensional re- konstruierten Bilddatensatz des je- weils operierten Patienten darzustel- len (2, 12, 17, 28, 38, 39), ohne daß ein

stereotaktischer Rahmen angebracht werden müßte. Nahezu gleichzeitig wurden in den USA (29), Japan (38), der Schweiz (26) und in Deutschland (23) verschiedene Systeme zur intra- operativen Navigation entwickelt.

Damit war erstmals der Schritt von der reinen Darstellung – wenn auch dreidimensional – von Bilddaten zur interaktiven bildgeführten Operation („computer assisted surgery“) getan.

Es ist mit diesen Navigationsverfah- ren möglich, die Lage einer auf den Bildern dargestellten pathologischen oder anatomischen Struktur in der individuellen Anatomie des Patienten im Operationssitus festzulegen und damit computerunterstützt zu ope- rieren. Zur Korrelation zwischen Bilddatensatz beziehungsweise drei- dimensionalen anatomischen Rekon- struktionen und der räumlichen Lage der Patientenanatomie bedient man sich der Methoden der rahmenlosen Stereotaxie, welche einen nötigen Ab- Abbildung 2: Ablaufdiagramm einer Operation mit Neuronavigation. Obere Reihe: Am Tag vor der Operation werden dem Patienten Markierungen (Fiducial- Marken) aufgeklebt und im CT oder MRT ein 3-D-Datensatz angefertigt. Die Daten werden zur Navigationsworkstation übertragen, wo die präoperative Auf- arbeitung des Datensatzes mit Erstellung eines 3-D-Modelles erfolgt. Untere Reihe: Zur Operation wird das Digitalisierinstrument (Arm, Kamera oder Mikroskop) aufgestellt und der Patient gelagert. Dann wird der Datensatz mit dem Kopf des Patienten korreliert, indem gleiche Markierungen der Reihe nach auf dem Daten- satz und am Kopf definiert werden (links). Ist die Registrierung einmal erfolgt, so kann intraoperativ jederzeit die aktuelle Position der Spitze des Navigationsin- struments auf dem Datensatz lokalisiert werden (rechts).

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gleich der Koordinatensysteme der Bilddaten und der Patientenanatomie über Markierungen herstellen, die sich auf den Bildern darstellen und im OP am Patienten eindeutig identifi- zieren und zuordnen lassen.

Systemtechnik

Mit der Neuronavigation ist es möglich, eine genaue Übertragung der Bilddaten auf die Anatomie des Patienten zu erreichen. Dazu werden dreidimensionale Digitalisier- instrumente ver-

wendet, deren Auf- gabe es ist, Punkte im physikalischen Raum (Operati- onsfeld) exakt fest- zulegen und so ei- ne Korrelation mit den entsprechen- den Punkten im vir- tuellen Raum (Bild- daten des Patien- ten) zu ermöglichen.

Die Instrumente, mit denen dies er- reicht wird, bein- halten alle das glei- che Prinzip, arbei- ten aber mit unter- schiedlichen Tech-

niken zur Lokalisation. Als Digitali- sierinstrumente wurden zunächst positionsfühlende Gelenkarme ent- wickelt (17, 39, 45, 48). Elektronische Winkelmesser in den sechs Gelenken und die bekannte Länge der einzelnen Armglieder erlauben, daß die räum- liche Lage des angeflanschten Opera- tionsinstruments innerhalb der Reich- weite von 60 cm in allen sechs Frei- heitsgraden des Raums mit einer tech- nischen Genauigkeit von unter einem Millimeter vermessen werden kann (Abbildungen 2 und 5).Armlose freie Systeme, die nicht mehr mechanisch ankoppeln, arbeiten nach dem Prin- zip der Satellitennavigation. Drei CCD-Zeilenkameras registrieren die Lage von Infrarot-Leuchtdioden, die am Operationsinstrument angebracht sind. Über Distanzmessungen und die bekannte Geometrie des Instruments läßt sich sodann die Lage und räumli- che Orientierung der Instrumenten- spitze berechnen (2, 6, 46). Anstelle

von Infrarot-Licht können auch Ul- traschallwellen oder Magnetfelder verwendet werden (22, 27). Letzte Möglichkeit schließlich ist der Einsatz von aktiv betriebenen Roboterarmen, an deren Ende dann zum Beispiel ein Operationsmikroskop angebracht ist, dessen Fokuspunkt in Koordinaten umgerechnet werden kann (Abbil- dung 3). Die Bilddaten werden auf einer Computerworkstation verarbei- tet, die in der Lage ist, Lokalisations- punkte schnell zu berechnen und auf einem Bildschirm in verschiedenen Ebenen darzustellen.

Das praktische Vorgehen bei der Vorbereitung und Durchführung ei- ner Navigationsoperation soll nun be- schrieben werden.

In der Regel werden am Tag vor der Operation die CT- oder MRT-Un- tersuchungen für die Planung und intraoperative Navigation durchge- führt. Dazu werden Markierungen am Kopf des Patienten aufgeklebt, die sich auf den Bildern genau erken- nen lassen. Eine Verschiebung der Markierungen bis zum Zeitpunkt der Operation muß dabei ausgeschlossen werden. Die Tomographiedaten des Patienten werden über das Klinik- netzwerk per Magnetband auf die Workstation übertragen. Hier erfolgt die Vorbereitung der Daten für die Planung und die Anwendung bei der Operation. Je nach Anforderungen des Operateurs und der Programmie- rung des Navigationssystems können dann die Grenzen interessierender Objekte (zum Beispiel Haut- und

Knochenoberfläche, Hirnoberfläche mit Windungsrelief, Gefäße oder Tu- morgrenzen) in den einzelnen CT- oder MRT-Schichten markiert wer- den. Daraus werden dreidimensiona- le Oberflächendarstellungen berech- net. Diese Darstellungen können ge- dreht und gekippt, mit Farben verse- hen und auch transparent dargestellt werden. Zusätzlich werden die Mar- kierungen auf den Bildern gesucht und als Referenzpunkte definiert.

Nachdem der Kopf des Patienten zur Operation in der Kopfstütze immobi- lisiert ist, wird nun das Navigationssy- stem synchronisiert. Man spricht bei diesem Vorgang auch von Registrie- rung. Dazu werden die zuvor be- stimmten Referenzpunkte (aufge- klebte Markierungen) der Reihe nach mit dem Navigationsgerät am Patientenkopf lokalisiert und mit den entsprechenden Punkten auf den Bil- dern korreliert.

Ist dieser Vorgang beendet, kann der Chirurg die aktuelle räumliche Position und Richtung der von ihm am Patientenkopf geführten Instru- mente in Relation zu den Computer- tomographie- und/oder Magnetreso- naztomographie-Daten des Patienten auf dem Monitor verfolgen. Die Be- rechnung einer „Ultraschallansicht“

in der jeweils aktuellen Position und Orientierung der Sondenspitze er- möglicht ein „Vorausschauen“ ins OP-Gebiet (Abbildung 4). Das steri- lisierte oder steril bezogene Naviga- tionsinstrument kann dann während der weiteren Operation zur Orientie- rung und Lokalisierung wichtiger Strukturen jederzeit herangezogen werden.

Erfahrungen mit der Neuronavigation

In der Neurochirurgischen Klinik wurde in Kooperation mit den Nach- barfächern der HNO und insbesonde- re der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgi- schen Kinik Mitte 1993 ein auf einem mechanischen Gelenkarm basieren- des Navigationssystem beschafft und angewendet. Das System Viewing Wand (ISG, Mississauga, Ontario, Kanada) war das erste kommerziell erhältliche System und wurde erst- mals in Deutschland eingesetzt. Spä- Abbildung 3: Roboterarm-System mit integriertem Operationsmikroskop. Die

Lokalisation erfolgt durch Fokussieren auf einen Punkt im Operationsgebiet.

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ter konnten auch andere Navigations- systeme mit den verschiedenen verfügbaren Lokalisationsmethoden wie Gelenkarmen (OAS, Radionics, Burlington, USA), Kamerasystemen (SPOCS, Aesculap, Tuttlingen, BRD, und OTS, Radionics, Burlington, USA) und in das Operationsmikro- skop integriertem Roboter-System (MKM, Carl Zeiss, Oberkochen, BRD) verwendet und im klinischen Einsatz sowie unter Laborbedingun- gen evaluiert werden.

Untersuchungen zur Systemgenauigkeit

Eine der wichtigsten Kenn- größen der Neuronavigation ist die Genauigkeit, mit der die Korrelation zwischen Antomie und Bildern her- gestellt werden kann. Daher unter- suchten wir vor und auch parallel zum klinischen Einsatz die verschiedenen Navigationssysteme mit Hilfe von Phantomstudien. Dazu wurde ein Plexiglas-Phantom mit integrierten Zielpunkten konstruiert, dieses räumlich exakt mit einer Genauigkeit von 0,05 Millimeter maschinell ver- messen und anschließend sowohl CT-

als auch MRT-Datensätze davon angefertigt. Nach Verarbeitung der Bilddatensätze erfolgte die Referen- zierung des Phantoms mit jedem der Navigationssysteme. Dann wurden die Referenzierungsgenauigkeit, die Lokalisationsgenauigkeit der Ziel- punkte und die rein mechanische Ge- nauigkeit des jeweilen Lokalisations- systems ermittelt. Andere Faktoren, die einen Einfluß auf die Genauigkeit der Navigation im klinischen Einsatz haben, wie die Schichtdicke der Bil- der und die Zahl und Positionierung der Markierungen wurden ebenfalls ermittelt. Die mechanische Meßge- nauigkeit der Lokalisationssysteme liegt bei den Gelenkarmen und Kamerasystemen zwischen einem und zwei Millimetern; mit dem mikroskopintegrierten Robotersy- stem (MKM) lag die Genaugkeit un- ter einem Millimeter (40). Die Loka- lisationsgenauigkeit aller Teilkompo- nenten zusammen wird aber zusätz- lich noch von weiteren Faktoren wie Definitionsgenauigkeit der Marker im Bilddatensatz, Anzahl und Lage der Marker sowie der Schichtdicke der Bilder beeinflußt und ist daher insgesamt ungenauer. Wichtige Er-

gebnisse unserer Untersuchungen für die klinische Praxis waren die zu- nehmende Genauigkeit mit der An- zahl der zur Registrierung benutzten Marker und mit der Verringerung der Schichtdicke der CT- oder MRT- Bilder.

Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungen in der Neurochirurgie

Insgesamt wurden seit Juli 1993, um die Methode als solche zu testen sowie die verschiedenen Systeme zu untersuchen und untereinander zu vergleichen, über 230 Operationen mit Hilfe der intraoperativen Naviga- tion durchgeführt. Eine Auswertung von 200 Eingriffen, die bei 189 Patien- ten unter Neuronavigation durchge- führt wurden, sollte den klinischen Einsatz hinsichtlich der Vor- und Nachteile sowie der wichtigsten Ein- satzbereiche untersuchen. Darunter waren 32 Eingriffe an der Schädelba- sis, die zum Teil interdisziplinär mit Beteiligung der MKG- oder HNO- Chirurgie durchgeführt wurden. Die anderen Eingriffe verteilten sich auf 121 Operationen bei Hirntumoren, 28 bei vaskulären Läsionen, 12 Biopsien und sieben funktionelle Eingriffe (Ta-

belle). Zu den Hauptindikationen, bei denen sich die intraoperative Naviga- tion als besonders hilfreich erwiesen hat, zählen Tumoren in Gehirnarealen hoher Funktionalität (Sprach-, Moto- kortex), Schädelbasistumoren, kleine tiefliegende Läsionen, funktionell neurochirurgische Eingriffe, multiple Läsionen und Biopsien (1, 35, 42) (Textkasten).

Tabelle

Übersicht der Läsionen und Eingriffe, die mit Neuronavigation durchgeführt wurden

Art der Läsion Art des Eingriffes

Glioblastome 38 mikrochirurgische Eingriffe 181

Gliome (°I–III) 37 supratentoriell 134

Meningiome 30 Schädelbasis 32

Metastasen 23 infratentoriell 15

Kavernome 23 Biopsien 12

sonstige vaskulär 5 Funktionelle Eingriffe 7

funktionell (z. B. Schmerz) 5 Gesamt 200

Strahlennekrose 4 Lokalisation:

Hypophysenadenome 4 eloquente Areale 83

Chordome 3 Schädelbasis 32

andere Läsionen 17 sonstige 85

Gesamt 189 Gesamt 200

Hauptindikationen, in denen sich die Neuronavigation als be- sonders vorteilhaft erwiesen hat 1. Schädelbasistumoren 2. Tumoren in eloquenten

Arealen

3. Tiefliegende Läsionen 4. Funktionelle Operationen 5. Kleine subkortiale Läsionen 6. Multiple Läsionen

7. Epilepsiechirurgie 8. Biopsien

(5)

Die bei allen Navigationssyste- men vorhandene Möglichkeit der 3- D-Rekonstruktion und Eingriffspla- nung hat sich als besonders vorteil- haft bei Läsionen in funktionell elo- quenten Hirnarealen erwiesen. Hier können über die Analyse des rekon- struierten Hirnwindungsreliefs des Patienten sensible Areale identifi- ziert und intraoperativ die Traumati- sierung in diesen Bereichen mini- miert werden (Abbildungen 1 und 4).

Auch die prä- und intraoperative Pla- nung der Zugangswege oder Über- prüfung der Resektionsradikalität (Abbildung 4)sind wichtige Vorteile der Neuronavigation. Bei einer Be-

fragung der Operateure nach Opera- tionen zeigte sich eine überaus positi- ve Einschätzung der Methodik, so- wohl hinsichtlich der Operationspla- nung als auch in bezug auf die intra- operative Unterstützung. So wurde die verbesserte Festlegung der Trepa- nation in 85 Prozent und die bessere Bestimmung der Tumorgrenzen in 78 Prozent der Operationen als sehr

hilfreich beurteilt. Ein weiterer Effekt ist der subjektive Gewinn an Sicherheit.

Die für die Genauigkeit der Lo- kalisierung in der klinischen Routine- anwendung ermittelten Werte erga- ben höhere Abweichungen als in den Phantomstudien. Dies erklärt sich da- durch, daß die Markierungen, die den Patienten aufgeklebt werden, mit der Haut des Patienten verschieblich sind. Zusätzlich können Bewegungs- artefakte in den Bildern die Genauig- keit verringern, und die Entfernung der Kameras, minimale Verschiebun- gen des Gelenkarmes oder Operati- onstisches in Relation zum Mikro-

skop wirken sich ebenfalls negativ aus. Mit Abweichungen von zwei bis fünf Millimetern lag die klinische An- wendungsgenauigkeit nur geringfü- gig über den Bereichen, wie sie auch für die rahmenbasierte Stereotaxie angegeben werden (8, 19, 20). Bei der Verwendung von Schraubmarkern, die in der Schädelkalotte der Patien- ten verankert werden, konnten wir

mit dem Robotersystem MKM auch in der klinischen Anwendung Genau- igkeiten von unter einem Millimeter erreichen.

Zur Illustration können folgende Fallbeispiele dienen:

1Fallbeispiel 1:

Bei einem 71jährigen Mann wird aufgrund einer apoplektiform auf- getretenen Parese der rechten Hand ein Kernspintomogramm angefertigt und eine Raumforderung links zen- troparietal festgestellt. Als Lokalisati- on des Tumors stellt sich der vordere Abschnitt des Gyrus praecentralis dar, eine Beziehung, die nach Rekon- struktion der Gehirnoberfläche be- sonders deutlich wird. Es gilt intrao- perativ die Freilegung (Abbildung 5) und die Grenzen des wider Erwarten schlecht abgegrenzten Tumors festzu- legen, was mit Hilfe des Navigations- system gelingt. Durch einen Zugangs- weg über den Sulcus praecentralis mit minimaler Traumatisierung des moto- rischen Kortex kann der Tumor kom- plett entfernt werden. Auch postope- rativ findet sich kein zusätzliches mo- torisches Defizit.

1Fallbeispiel 2:

Bei einem 14 Monate alten Mädchen sind wegen eines Hydro- zephalus bei multiplen intraventri- kulären Zysten bereits zwei Shunt- revisionen mit Zystenpunktion ohne bleibenden Erfolg durchgeführt wor- den. Nun soll endoskopisch mit Hilfe der Navigation eine Fensterung der Zysten durchgeführt werden. Die Pla- nung des optimalen Eintrittspunktes und der besten Punktionsrichtung kann unmittelbar präoperativ erfol- gen (Abbildung 6). Durch die Mög- lichkeit einer flexiblen Instrumenten- Adaptierung bei dem Infrarot-Navi- gationssystem kann intraoperativ auch die Position des Endoskops selbst kontinuierlich verfolgt werden, auch wenn die Orientierung anhand des endoskopischen Bildes aufgrund der komplexen anatomischen Ver- hältnisse extrem erschwert ist.

Zunehmend werden Navigati- onssysteme auch in anderen chirurgi- schen Fächern eingesetzt. So ergeben sich weitere Einsatzmöglichkeiten des Systems in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie der HNO-Chirurgie. Besonders in der Kieferchirurgie erfolgt bereits der Abbildung 4: Monitordarstellung bei intraoperativer Lokalisation der Tumorgrenze eines niedergradigen Glioms

links präzentral. In der mittleren Reihe sind Schnittebenen entlang des Trajektes der Lokalisationssonde und senkrecht dazu rekonstruiert. Die aktuelle Lokalisation wird durch ein Fadenkreuz in den Bildern dargestellt.

(6)

klinische Routineeinsatz bei ver- schiedenen Operationen. Indikatio- nen für die intraoperative Navigation bestehen dabei vor allem in der Lo- kalisation pathologischer Verände- rungen oder von Fremdkörpern, Tu- morresektionen im Knochen und knochennahen Bereich sowie bei der operativen Korrektur von ausge- prägten Kieferfehlstellungen und Gesichtsasymmetrien im Rahmen der kraniofazilen Therapie (10, 11, 24). In der HNO werden die Systeme vor allem zur Orientierungshilfe in der endoskopischen Nebenhöhlen- und Schädelbasischirurgie (14, 25) verwendet.

Diskussion

Techniken der computerunter- stützten Chirurgie haben zum Ziel, dem Operateur stets aktualisierte In- formationen über die Lage kritischer Strukturen in Relation zu seinen

Operationsinstrumenten zu geben.

Durch den Einsatz solcher Systeme wird eine Verringerung der operati- ven Risiken, eine Verkürzung der Operationszeiten und als Folge eine deutliche Verringerung der Bela- stung der Patienten angestrebt (25,

45). Die vorgestellten Systeme er- möglichen die direkte intraoperative Unterstützung des Operateurs. Das gewählte operative Vorgehen kann räumlich exakt mit Hilfe der intrao- perativen Navigationstechnik umge- setzt werden. Von großer Bedeutung ist dabei die Möglichkeit der ständi- gen interaktiven Darstellung der ak- tuellen Position auf dem Bilddaten- satz. Die Anwendungsgenauigkeit der Systeme, die auch in der neuro- chirurgischen Fachliteratur unter- halb von fünf Millimetern angegeben wird (2, 9, 33), ist für den klinischen Einsatz ausreichend und vergleich- bar mit der Präzision der klassischen rahmenbasierten Stereotaxie (20, 30). Die Hauptindikationen, die im Textkastendargestellt sind, umfassen ein breites Spektrum der Neurochir- urgie, werden aber mit zunehmender Integration der Navigation in die Ar- beitsabläufe noch deutlich erweitert werden.

Die mit Hilfe eines Meßarms ge- führten Systeme haben bereits einen Reifegrad erreicht, der sich in einem konstanten und wenig fehleranfälli- gen Betrieb zeigt. Nachteilig kann sich aber der durch den mechani- schen Arm eingeschränkte Aktions- radius und eine gewisse Unhandlich- keit durch Limitierungen in den Ge- lenkstellungen erweisen. An schwer zugänglichen Stellen, mit einer größeren Ausdehnung, wie zum Bei- spiel der gesamte Kopfbereich oder die Wirbelsäule, ist ein armgeführtes System daher im Nachteil. Abhilfe schaffen hier die kopplungsfreien in- frarotlichtbasierten Systeme, die al- lerdings eine direkte Sichtlinie zwi- schen den Kameras und dem zu loka- lisierenden Instrument haben müs- sen. Dies kann in der Operationssi- tuation mit kleinem Operationsfeld bei gleichzeitiger Verwendung des Operationsmikroskops Probleme be- reiten. Die freie Adaptierbarkeit von chirurgischen Instrumenten an diese Navigationssysteme bewirkt eine we- sentlich flexiblere Handhabung und bessere Integration in die Operati- onsabläufe. Beim MKM entfällt auf- grund der Steuerung durch einen Ro- boterarm das Problem der Sichtlinie.

Zusätzlich ist auch die Einspiegelung der Bildinformation direkt in das Blickfeld des Chirurgen möglich.

Durch die ungewohnte aktive Führung kann die Handhabung des Mikroskops in der Operation schwie- riger werden. Bei den in der Konzep- tion aktiven Systemen gehen die Möglichkeiten jedoch über die reine Navigation hinaus. So ist durch die aktive Roboterkomponente eine Führung von Instrumenten, zum Bei- spiel Endoskopen oder Biopsiena- deln, mit stereotaktischer Präzision vorstellbar.

Trotz der technischen Weiter- entwicklungen, die die Genauigkeit und den Umgang mit Navigationssy- stemen wesentlich verbessert haben, bleibt ein grundsätzliches Problem bestehen, das für alle bildgesteuerten Verfahren, die mit präoperativen Da- tensätzen arbeiten, zwangsläufig zu- trifft: Jegliche intraoperative Ver- schiebung der anatomischen Verhält- nisse kann natürlich nicht in den präoperativen Bilddaten dargestellt werden. Dies bedingt zwangsläufig eine mangelhafte Übereinstimmung beziehungsweise Abweichungen zwi- schen dem Operationsgebiet und den Bildern. Die Ursachen für solche Abbildung 5: Intraoperative Lokalisation und Zu-

gangsplanung zur Operation eines links zentral ge- legenen Glioblastoms.

Abbildung 6: Planung des optimalen Zugangsweges zur endoskopischen Fensterung multipler intraventri- kulärer Zysten bei einem 14 Monate alten Kind. Das Infrarot-Navigationssystem (OTS) läßt sich an das En- doskop adaptieren, so daß die Orientierung auch während des Eingriffes bei unübersichtlichen anato- mischen Verhältnissen erhalten bleibt.

(7)

Verschiebungen sind vielfältig und treten in Abhängigkeit von den ana- tomischen Gegebenheiten besonders bei Operationen von Hirntumoren auf. So sind zum Beispiel die Struktu- ren der Schädelbasis kaum ver- schieblich, da knöchern eingebettet, weshalb hier eines der idealen An- wendungsgebiete der Neuronavigati- on liegt. Im Gegensatz dazu reichen die Gründe für Verschiebungen bei Operationen intraparenchymaler Tu- moren von Liquorverlusten über Hirnschwellungen und Weghalten des Gehirnes mit Hirnspateln bis hin zu Veränderungen durch die fort- schreitende Resektion des Tumors selbst. Die daraus resultierenden Ab- weichungen können unter Umstän- den im Verlauf einer Operation ein erhebliches Ausmaß annehmen (Ab- bildung 7). In einem solchen Fall sind die Lokalisationsangaben des Navi- gationsgerätes, die ja auf den präope- rativen Bildern beruhen, am Ende ei- ner Operation, wenn die Radikalität

der Tumorresektion überpüft werden soll, möglicherweise nur noch einge- schränkt verwertbar.

Die Versuche, die Abweichung der Bilder von der tatsächlichen intra- operativen Situation zu beheben, be- ruhten bisher hauptsächlich auf der Verringerung der Weichteilverschie- bung, des sogenannten „Brain-Shift“,

durch Operationstechniken oder Mi- nimierung des Liquorverlustes (8, 21).

Auch der Versuch, die Verschiebun- gen vorherzusagen und den prä- operativen Datensatz entsprechend zu verformen, stellt nur eine unsichere Abhilfe dar. Erst die intraoperative Akquisition von neuen Bilddaten stellt die Übereinstimmung auf ver- läßliche Weise wieder her. Mit der von uns entwickelten Methode der intra- operativen Magnetresonanztomogra- phie (Abbildung 7) (36) ist eine Ak- tualisierung der Navigationsdaten möglich und erstmals durchgeführt worden (41, 43). Andere Verfahren der intraoperativen Bildgebung wie Computertomographie (18, 25, 32) und Ultraschall (3, 15, 16, 34) werden zur Zeit für diese Anwendung weiter- entwickelt. Welches dieser Verfahren sich letztlich durchsetzen wird, müs- sen die Ergebnisse weiterer Untersu- chungen erbringen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß intraoperative Naviga- tionssysteme un- zählige neue In- dikationsgebiete eröffnen. Sie hel- fen, die Sicher- heit und Qualität der operativen Eingriffe zu ver- bessern, das Ver- trauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch plastische Auf- klärung zu stär- ken und letztlich die Behandlungs- kosten zu sen- ken. Ferner kön- nen die Systeme durch Techni- ken der virtuel- len Realität er- gänzt werden, um sie zur Ausbil- dung von Chirur- gen und Studenten einzusetzen. Die Weiterentwicklung der Systeme wird eine zunehmende Integration in die Routine ermöglichen. Die positive Einschätzung führt so weit, daß die Neuronavigation in ihrer Auswirkung auf das Fachgebiet der Neurochirur- gie mit der Einführung des Operati- onsmikroskops und mikrochirurgi-

scher Operationsverfahren verglichen wird. Trotzdem kann der Einsatz die- ser Geräte das ärztliche Denken und Handeln sowie die Verantwortung des Operateurs nicht ersetzen. Das Ziel ist vielmehr, das Operationsspektrum zum Nutzen der Patienten zu erwei- tern.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-2384–2390 [Heft 39]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Dr. med. Christian Rainer Wirtz Neurochirurgische Klinik und Poliklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg

D

Daannkkssaagguunngg

Ohne die Unterstützung der Abteilung für Neuroradiologie (Direktor: Prof. Dr.

K. Sartor), bei der wir uns auch für die großzügige Anfertigung und Bereitstel- lung der Bilddaten bedanken möchten, wäre diese Arbeit nicht möglich ge- wesen. Der Klinik für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie (Direktor: Prof. Dr. J.

Mühling) gilt unser Dank für die gute Ko- operation bei den klinischen und experi- mentellen Untersuchungen.

Abbildung 7: Intraoperativ angefertigtes MRT. Der Rest des rechtsseitigen Gliobla- stoms ist am dorsalen Rand der Resektionshöhle zu erkennen. Die ausgeprägte Verschiebung des Gehirnes, insbesondere des Cortex im dorsalen Abschnitt der Frei- legung ist auf dem Bild ebenfalls zu erkennen. Unter Einbeziehung dieser Ver-

schiebungen kann nun mit den intraoperativen Bilddaten erneut navigiert werden.

Literaturverzeichnisse

Literaturverzeichnisse, die mehr als 15 Zitierungen enthalten, sind im Sonderdruck aufgeführt und können zusammen mit dem jewei- ligen Artikel über die Internet- adresse des Deutschen Ärzteblatts unter http://www.aerzteblatt.de ab- gerufen werden. DÄ/MWR

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