• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Häusliche Gewalt: Oft unterschätztes Gesundheitsrisiko" (28.11.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Häusliche Gewalt: Oft unterschätztes Gesundheitsrisiko" (28.11.2008)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A2560 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 48⏐⏐28. November 2008

P O L I T I K

R

und 40 Prozent aller Frauen ab dem 16. Lebenjahr in Deutschland haben körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt – er- schreckendes Ergebnis einer reprä- sentativen Umfrage. Oft sind es Ärztinnen und Ärzte, die als erste mit den Verletzungen konfrontiert werden. Oft noch schlimmer als die unmittelbaren Auswirkungen von Gewalt sind die langfristigen Fol- gen für den Gesundheitszustand der Betroffenen. Große Anstrengungen seien nötig, um dagegen anzukom- men, betonte die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Dr. med.

Cornelia Goesmann: „Menschen mit chronischen Schmerzen und mit chronischen psychischen Behinde- rungen haben in großem Ausmaß frühe Gewalt erlitten; Frauen, die als Kind geschlagen wurden, leiden etwa elfmal so häufig an Gelenk- und Rückenschmerzen wie Frauen, die eine glückliche Kindheit hatten;

Kinder, die sexuell missbraucht wurden, leiden später an einem drei- mal höheren Risiko für chronische Schmerzen – einem der Hauptpro- bleme in der allgemeinärztlichen Praxis.“ Bei den Spätfolgen von Ge-

walt gebe es noch ein erhebliches Defizit im Erkennen und Behan- deln, konstatierte Goesmann auf der Tagung in Bonn.

In der Praxis redeten betroffene Frauen heute aber offener über das, was ihnen angetan wurde. Anders als früher, als kaum einmal jemand sich getraut habe, über die Gewalt- erfahrung zu berichten, erwarteten die Opfer heute häufiger vom Arzt rechtsverwertbare Dokumentatio- nen über ihre Verletzungen, um sich gegebenenfalls auch vor Gericht wehren zu können. Gegenwärtig immer noch zu wenig problemati- siert werde dagegen die Gewalt ge- gen Ältere und Pflegebedürftige.

Für einen reflektierten Umgang mit dem Thema „Gewalt in der häuslichen Pflege“ plädierte Prof.

Dr. Rolf Dieter Hirsch, Geronto- psychiater an der Rheinischen Lan- desklinik Bonn. Würden solche Fäl- le bekannt, reagiere die Öffentlich- keit häufig mit großer Entrüstung, ohne sich mit den Hintergründen zu befassen. Man mache es sich aber zu einfach, wenn man lediglich Täter und Opfer kategorisiere. Für Hirsch stellt Gewalt in pflegenden fami-

liären Beziehungen den destrukti- ven Versuch dar, schwierige und be- lastende Situationen zu bewältigen.

Ohne Hilfe von außen könne diese Form der Gewalt kaum verringert werden. Nötig sei eine präventive Struktur im Umfeld der Betroffe- nen, etwa in Form einer gut erreich- baren Anlaufstelle, eines Krisen- und Notruftelefons oder einer Ver- netzung mit der Altenhilfe. Gerade dem Hausarzt komme eine besonde- re Verantwortung zu, ist er doch oft die erste Anlaufstelle für die Betrof- fenen und ihre Angehörigen.

Hirsch war vor elf Jahren maßgeb- lich an der Gründung der „Bonner Initiative gegen Gewalt im Alter – Handeln statt Misshandeln“ betei- ligt, einer Krisen- und Notrufbera- tungsstelle. Bei der alltäglichen Kri- senbewältigung werde schnell deut- lich, dass die Täter-Opfer-Unter- scheidung oft nicht einfach ist. Wich- tig sei in vielen Fällen, die pathologi- schen Verflechtungen einer destruk- tiven gewalttätigen Familienstruktur aufzulösen. Oft seien die pflegenden Angehörigen überfordert und wür- den in einer aussichtslos erscheinen- den Situation alleingelassen. Gerade bei der Pflege Demenzkranker sei der Übergang zwischen pflegerisch notwendigen Maßnahmen und ge- walttätigen Übergriffen fließend.

Rechtzeitig zum Symposium „Ge- walt macht krank“ lag das Heft 42 der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (herausgegeben vom Robert- Koch-Institut) vor, das sich dem The- ma „Gesundheitliche Folgen von Ge- walt unter besonderer Berücksichti- gung von häuslicher Gewalt gegen Frauen“ widmet. Von den Autorinnen besonders hervorgehoben wird die Bedeutung des Gesundheitssektors als eines niedrigschwelligen Präven- tions- und Interventionsbereichs. Der Ärzteschaft komme bei der Ausein- andersetzung mit der Gewaltproble- matik in Zusammenarbeit mit den an- deren Berufsgruppen eine Schlüssel-

rolle zu. n

Thomas Gerst

HÄUSLICHE GEWALT

Oft unterschätztes Gesundheitsrisiko

„Gewalt macht krank – Herausforderungen an das europäische Gesundheitssystem“ war Thema eines Symposiums am 30./31. Oktober in Bonn, veranstaltet von Weltgesundheitsorganisation und Bundes- ärztekammer in Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit.

Foto:epd

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dazu gehört auch, dass Täter- arbeit und Einrichtungen des Frauenunterstützungssystems erfolgreich mit- einander kooperieren und Täterarbeit im Rahmen von interinstitutionellen

Das Frauenhaus steht Frauen ab 18 Jahren aller Nationalitäten – mit und ohne Kinder – offen, die von akuter oder drohender häuslicher Gewalt betroffen sind.. Was müssen Sie im

Bei der Sicherstellung des Schutzes herrschen komplexe Dynamiken. Fachkräfte haben hohe Erwartungen an sich selbst und sehen sich zusätzlich hohen Erwartungen von

Wenn Sie – wie viele andere Opfer häuslicher Gewalt – nicht in Ihrer bisher gemeinsam genutzten Wohnung bleiben wollen und auch nicht bei Verwandten oder Bekannten unter-

Juni 2007 die Umbenennung der Kommission Ge- walt gegen Kinder / Misshandlung Minderjähriger“ in „Kommission Häus- liche Gewalt – Gewalt in der

Der Hausarzt, der sich lediglich um seine Patienten und die Therapieko- sten verdient machen wollte, erhielt eine Anzeige aus dem Kreis der ört- lichen Apotheker, denn

Die Referen- tin stellte hierbei auch die Studiener- gebnisse des Modellprojektes zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Fachkräften im Gesundheitswe- sen für das Thema

Das Lernprogramm gegen häusliche Gewalt richtet sich an Männer, die in Ehe und Partnerschaft Gewalt gegen eine Frau anwenden oder angewendet haben. Das Lernprogramm ist