• Keine Ergebnisse gefunden

Charakteristika des agitiert-aggressiven Syndroms (AAS) bei Patientinnen und Patienten mit psychotischen Störungen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Charakteristika des agitiert-aggressiven Syndroms (AAS) bei Patientinnen und Patienten mit psychotischen Störungen"

Copied!
79
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Charakteristika des agitiert-aggressiven Syndroms (AAS) bei Patientinnen und Patienten mit psychotischen Störungen

Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie vorgelegt der Fakultät für Psychologie der Universität Basel von

M. Sc. Lisa Hochstrasser aus Luzern (LU) Basel, Dezember 2018

Originaldokument gespeichert auf dem Dokumentenserver der Universität Basel edoc.unibas.ch

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0

(2)

Genehmigt von der Fakultät für Psychologie auf Antrag von Gutachter 1: Herr Prof. Dr. rer. nat. Rolf-Dieter Stieglitz Gutachter 2: Herr Prof. Dr. med. Christian Huber

Tag der mündlichen Promotionsprüfung: 19.12.18

__________________________________________________________________________________

Dekan der Fakultät für Psychologie: Prof. Dr. Alexander Grob

(3)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 3

Erklärung zur wissenschaftlichen Lauterkeit

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne die Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel selbstständig verfasst habe. Zu Hilfe genommene Quellen sind als solche gekennzeichnet. Die veröffentlichten oder zur Veröffentlichung in Zeitschriften eingereichten Manuskripte wurden in Zusammenarbeit mit den Koautoren erstellt und von keinem der Beteiligten an anderer Stelle publiziert, zur Publikation eingereicht, oder einer anderen Prüfungsbehörde als Qualifikationsarbeit vorgelegt. Es handelt sich dabei um folgende Manuskripte:

Artikel 1: Huber, C. G., Hochstrasser, L., Meister, K., Schimmelmann, B. G., & Lambert, M. (2016).

Evidence for an agitated-aggressive syndrome in early-onset psychosis correlated with antisocial personality disorder, forensic history, and substance use disorder. Schizophrenia Research, 175(1-3), 198-203. doi:10.1016/j.schres.2016.04.027

Artikel 2: Hochstrasser, L., Borgwardt, S., Lambert, M., Schimmelmann, B. G., Lang, U. E., Stieglitz, R. D., & Huber, C. G. (2018). The association of psychopathology with concurrent level of functioning and subjective well-being in persons with schizophrenia spectrum disorders. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 268(5), 455-459. doi:10.1007/s00406-017-0780-3

Artikel 3: Hochstrasser, L., Studerus, E., Riecher-Rössler, A., Schimmelmann, B. G., Lambert, M., Lang, U. E., Borgwardt, S., Stieglitz, R. D., & Huber, C. G. (2018). Latent state-trait structure of BPRS subscales in clinical high-risk state and first episode psychosis. European Psychiatry (under review).

Basel, Dezember 2018

_________________________

Lisa Hochstrasser

(4)

Dank

Mein herzlichster Dank geht an Prof. Dr. med. Christian Huber, der mir durch die Anstellung in seiner Forschungsgruppe die vorliegende wissenschaftliche Arbeit ermöglicht hat. Ich konnte sehr von seiner grossen Erfahrung und Kompetenz profitieren und schätzte ihn als Ansprechperson für wissenschaftliche sowie klinische Fragen. Besonders sind mir die vielen anregenden und interessanten Diskussionen über aktuelle oder geplante Projekte und Artikel in Erinnerung. Bedanken möchte ich mich weiter für das entgegengebrachte Vertrauen und die stets wohlwollende, unterstützende und oft auch humorvolle Zusammenarbeit.

Auch herzlich bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. rer. nat. Rolf-Dieter Stieglitz für die Begutachtung der Dissertation, die fachliche Unterstützung und die unkomplizierte Handhabung organisatorischer Dinge. Ein weiterer Dank geht auch an Prof. Dr. phil. Roselind Lieb für die Übernahme des Vorsitzes der Promotionskommission.

Weiter möchte ich mich bei meinen Koautoren herzlich bedanken, die wesentlich zum Gelingen der Artikel beigetragen haben. Besonders erwähnen und danken möchte ich Prof. Dr. med. Benno Schimmelmann und Prof. Dr. med. Stefan Borgwardt für die vielen hilfreichen Kommentare und Anregungen, Dr. Erich Studerus für die wertvolle Unterstützung bei statistischen Fragen und die konstruktive Kritik und Prof. Dr. med. Undine Lang für die generelle Unterstützung und ihren motivierenden Führungsstil.

Danke auch an meine Mit-Doktorandin Sonja Widmayer, die mit mir durch alle Höhen und Tiefen der letzten drei Jahre gegangen ist und die mich nicht nur inhaltlich unterstützt hat, sondern mit der ich auch viele tolle Momente neben der Arbeit verbringen durfte. Bei Daniela Fröhlich bedanke ich mich ebenfalls für die angenehme Büronachbarschaft und ihre aufmunternde Art.

Schliesslich möchte ich auch meinen Eltern und meiner Schwester von Herzen danken, die mich stets unterstützt haben und deren Türen und Ohren immer für mich offen waren. Meinem Vater zusätzlich vielen Dank für das Korrekturlesen.

(5)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 5

Abkürzungsverzeichnis AAS Agitiert-Aggressives Syndrom

AOP Adult Onset Psychosis CHRS Clinical High Risk State BPRS Brief Psychiatric Rating Scale

BSIP Basler Screening Instrument für Psychosen CGI Clinical Global Impressions

CGI-A Clinical Global Impressions - severity of Aggression CGI-S Clinical Global Impressions - Severity

DSM-IV Diagnostic and Statistical Manual fourth edition DSM-5 Diagnostic and Statistical Manual fifth edition DUP Duration of Untreated Psychosis

DUPP Duration of Untreated Prodromal Phase DUI Duration of Untreated Illness

EOP Early Onset Psychosis

EPFQ Early Psychosis File Questionnaire FEP First Episode Psychosis

FePsy Basler Projekt zur Früherkennung von Psychosen GAF Global Assessment of Functioning

IQ Intelligenzquotient

MEP Multiple Episode Psychosis MLCI Modified Location Code Index MVSI Modified Vocation Status Index

PACE Personal Assessment and Crisis Evaluation PANSS Positive And Negative Syndrome Scale

PEDIC Psychosis Early Detection and Intervention Center PSP Personal and Social Performance scale

SANS Scale for the Assessment of Negative Symptoms

(6)

SAPS Scale for the Assessment of Positive Symptoms

SKID-I Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV – Achse I: Psychische Störungen SKID-II Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV – Achse II: Persönlichkeitsstörungen SPSS Statistical Package for the Social Sciences

SUD Lifetime Substance Use Disorder

SWN Subjective Well-being under Neuroleptic treatment scale TAU Treatment As Usual

(7)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 7

Inhaltsverzeichnis

ZUSAMMENFASSUNG ... 8

EINLEITUNG ... 10

THEORETISCHER HINTERGRUND ... 10

Psychose und Aggression ... 10

Agitiert-aggressives Syndrom (AAS)... 12

FORSCHUNGSFRAGEN ... 13

Zusammenhang zwischen AAS und Erkrankungsbeginn ... 13

Zusammenhang zwischen AAS und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum ... 14

Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden/ Funktionsniveau ... 16

State-Trait-Struktur des AAS... 17

METHODIK ... 18

STUDIENDESIGNS ... 18

STUDIENPOPULATIONEN UND MESSZEITPUNKTE ... 20

DEFINITION DER VARIABLEN UND MESSINSTRUMENTE ... 21

Erkrankungsbeginn: Early Onset Psychosis (EOP) vs. Adult Onset Psychosis (AOP) ... 21

Antisoziale Persönlichkeitsstörung ... 21

Forensische Vorgeschichte ... 21

Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen... 21

Funktionsniveau ... 22

Subjektives Wohlbefinden ... 22

Wohn- und Arbeitssituation ... 22

Krankheitsschwere ... 22

Agitiert-aggressives Syndrom ... 23

STATISTISCHE ANALYSEN ... 24

Zusammenhang zwischen AAS und Erkrankungsbeginn ... 24

Zusammenhang zwischen AAS und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum ... 24

Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden/ Funktionsniveau ... 24

State-Trait-Struktur des AAS... 25

RESULTATE... 25

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN AAS UND ERKRANKUNGSBEGINN ... 26

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN AAS UND ANTISOZIALER PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG, FORENSISCHER VORGESCHICHTE UND SUBSTANZMISSBRAUCH... 27

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN SUBJEKTIVEM WOHLBEFINDEN UND FUNKTIONSNIVEAU ... 27

STATE-TRAIT-STRUKTUR DES AAS ... 28

DISKUSSION ... 28

EINORDNUNG IN DIE BISHERIGE LITERATUR ... 29

STÄRKEN UND SCHWÄCHEN ÜBER ALLE ARTIKEL HINWEG ... 30

STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER EINZELNEN ARTIKEL... 31

FAZIT UND AUSBLICK ... 32

LITERATURVERZEICHNIS ... 34

ANHANG ... 48

ANHANG 1:ARTIKEL 1EVIDENCE FOR AN AGITATED-AGGRESSIVE SYNDROME IN EARLY-ONSET PSYCHOSIS CORRELATED WITH ANTISOCIAL PERSONALITY DISORDER, FORENSIC HISTORY, AND SUBSTANCE USE DISORDER ... 49

ANHANG 2:ARTIKEL 2THE ASSOCIATION OF PSYCHOPATHOLOGY WITH CONCURRENT LEVEL OF FUNCTIONING AND SUBJECTIVE WELL-BEING IN PERSONS WITH SCHIZOPHRENIA SPECTRUM DISORDERS ... 55

ANHANG 3:ARTIKEL 3LATENT STATE-TRAIT STRUCTURE OF BPRS SUBSCALES IN CLINICAL HIGH- RISK STATE AND FIRST EPISODE PSYCHOSIS ... 60

(8)

Zusammenfassung

Einleitung: Seit den neunziger Jahren wächst die Evidenz für einen Zusammenhang zwischen psychotischen Störungen und Agitation, Aggression sowie Gewalt. Agitiertes oder aggressives Erleben und Verhalten wird in der Literatur als eine klinisch relevante Dimension der Psychopathologie psychotischer Störungen beschrieben. Ausserdem zeigt sich auch in faktorenanalytischen Untersuchungen, dass das Agitiert-Aggressive Syndrom (AAS) bei psychotischen Störungen eine wichtige und stabile Komponente der Psychopathologie darstellt. Bisher gehen jedoch nur einzelne Studien über die psychopathologische Beschreibung und Validierung des AAS hinaus, weswegen wir in der vorliegenden Dissertation die folgenden potentiell mit dem AAS zusammenhängenden Variablen untersuchen möchten, um zu einem ganzheitlicheren Verständnis des AAS beizutragen:

Erkrankungsbeginn, antisoziale Persönlichkeitsstörung, forensische Vorgeschichte, Substanzkonsum, Funktionsniveau, subjektives Wohlbefinden und State-Trait-Struktur. Methodik: In Artikel 1 wurden Daten von 52 im Rahmen des Psychosis Early Detection and Intervention Center (PEDIC) rekrutierten First Episode Psychosis (FEP) PatientInnen präsentiert, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinweg beobachtet und hinsichtlich Erkrankungsbeginn, antisozialen Persönlichkeitszügen, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum befragt und untersucht wurden. In Artikel 2 wurden mithilfe des „Global Assessment of Functioning“ (GAF) und der „Subjective Well-being under Neuroleptic treatment scale“ (SWN) Daten zum Funktionsniveau und zum subjektiven Wohlbefinden und mithilfe des „Modified Location Code Index“ (MLCI) und des „Modified Vocation Status Index“

(MVSI) Daten zur Wohn- und Arbeitssituation erhoben. Insgesamt 131 FEP und 71 Multiple Episode Psychosis (MEP) PatientInnen wurden zu folgenden Messzeitpunkten untersucht: 1 Woche, 2 Wochen, 4 Wochen, 6 Wochen, 8 Wochen, 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate und 12 Monate. In Artikel 3 wurden anhand der „Brief Psychiatric Rating Scale“ (BPRS) erhobene Daten von 196 Clinical High Risk State (CHRS)- und 131 FEP-Individuen hinsichtlich ihrer latenten State-Trait-Struktur analysiert. Neben der Anfangsmessung wurden die StudienteilnehmerInnen zu folgenden Zeitpunkten untersucht: 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate und 12 Monate. Ergebnisse: Das AAS zeigte sich als ein mit frühem Erkrankungsbeginn, antisozialen Persönlichkeitszügen, forensischer Vorgeschichte und teilweise auch mit Suchterkrankungen assoziiertes Syndrom. Bezüglich subjektivem Wohlbefinden und

(9)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 9

Funktionsniveau fanden sich keine bedeutenden Zusammenhänge mit dem AAS. Der Trait-Anteil des AAS war im Vergleich zu den anderen Subdimensionen psychotischer Symptomatik gering und unterschied sich nicht hinsichtlich der Krankheitsphase. Diskussion: Aufgrund des episodischen Charakters des AAS sollte ihm in Bezug auf das Monitoring von Agitation und Aggression in der klinischen Praxis eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Weiter scheinen FEP PatientInnen mit frühem Erkrankungsbeginn ein stärker ausgeprägtes AAS aufzuweisen als PatientInnen mit Erkrankungsbeginn im Erwachsenenalter, was zusammen mit der gefundenen Assoziation zwischen AAS und Substanzkonsum, antisozialen Persönlichkeitszügen und der forensischen Vorgeschichte die Wichtigkeit von für Adoleszente zugeschnittenen Präventions- und Behandlungsprogrammen unterstreicht. Aufgrund der schwachen Zusammenhänge zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden könnte bei diesen PatientInnen eine ganz oder teilweise fehlende Krankheitseinsicht vermutet werden.

Diese Annahme würde die grosse Herausforderung verdeutlichen, diese PatientInnen zu einer Behandlung zu motivieren bzw. eine bestehende Behandlung aufrechtzuerhalten.

(10)

Einleitung Theoretischer Hintergrund

Psychose und Aggression. Seit den neunziger Jahren wächst die Evidenz für einen Zusammenhang zwischen psychotischen Störungen und Agitation, Aggression und Gewalt (Bo, Abu- Akel, Kongerslev, Haahr, & Simonsen, 2011; Elbogen & Johnson, 2009; Hodgins, 2008; Modestin, 1998; Nederlof, Muris, & Hovens, 2013; Wallace, Mullen, & Burgess, 2004; Walsh, Buchanan, & Fahy, 2002). So zeigten die systematischen Übersichtsarbeiten von Angermeyer (2000) und Gillies and O'Brien (2006) beispielsweise einen moderaten positiven Zusammenhang zwischen Schizophrenie und gewalttätigem Verhalten. Eine 204 Studien umfassende Meta-Analyse ergab eine 49 % bis 68 % höhere Wahrscheinlichkeit für Personen mit einer psychotischen Erkrankung, Gewalt gegenüber anderen anzuwenden, verglichen mit Personen ohne eine solche Diagnose (Douglas, Guy, & Hart, 2009). Eine Längsschnittstudie mit einem Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren fand, dass 17.1 % der männlichen und 5.6 % der weiblichen Patienten der 13’806 Personen in der Gesamtstichprobe, die wegen einer Schizophrenie hospitalisiert worden waren, nach ihrem psychiatrischen Aufenthalt wegen gewalttätiger Handlungen strafrechtlich verurteilt wurden (Fazel, Grann, Carlstrom, Lichtenstein, &

Langstrom, 2009). Die Studie von Swanson et al. (2006), die 1’410 PatientInnen mit Schizophrenie untersuchte, ergab eine Sechsmonatsprävalenz von Gewalt von 19.6 %. In einer Meta-Analyse von Fazel, Gulati, Linsell, Geddes und Grann (2009) wiesen die männlichen Patienten mit Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung ein vier Mal höheres Risiko auf, gewalttätiges Verhalten zu zeigen als die untersuchten Personen aus der Allgemeinbevölkerung. Unter den weiblichen Patienten war dieses Risiko 7.9 Mal höher.

Agitation, Aggression und Gewalt können schon in den frühen Phasen des psychotischen Krankheitsverlaufs auftreten (Khalid, Ford, & Maughan, 2012; Spidel, Lecomte, Greaves, Sahlstrom,

& Yuille, 2010; Starling, Williams, Hainsworth, & Harris, 2013). Gerade First Episode Psychosis (FEP) PatientInnen weisen aufgrund der nicht oder insuffizient erfolgten Behandlung zum Zeitpunkt des Erstkontakts mit dem psychiatrischen Versorgungssystem häufig bereits eine forensische Vorgeschichte wie zum Beispiel strafrechtliche Verurteilungen in der Vergangenheit auf (Dean et al., 2007; Large &

Nielssen, 2011; Payne, Malla, Norman, Windell, & Nicole, 2006).

(11)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 11

Die Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen psychotischen Erkrankungen und Aggression ist aus verschiedenen Gründen unabdingbar. Zum einen ist persistierendes aggressives oder feindseliges Verhalten bei PatientInnen mit Schizophrenie oder schizoaffektiven Störungen mit Therapieresistenz assoziiert, die wiederum zu längeren Hospitalisierungen, einer erschwerten Integration in sozialpsychiatrische Settings und einem schlechteren Behandlungsverlauf führen kann, was neben der persönlichen Belastung der PatientInnen auch mit einer finanziellen Belastung des Gesundheitssystems verbunden ist (Huber, Naber, & Lambert, 2008). Ausserdem wirken sich aggressive Vorfälle durch den damit verbundenen Einsatz kostenintensiver Ressourcen wie beispielsweise der zusätzlichen Zeit des Klinikpersonals, die für die Deeskalation aggressiver Durchbrüche benötigt wird, oder auch die zusätzlich applizierte Medikation finanziell auch klinikintern aus (Hyde & Harrower-Wilson, 1995).

Weiter besteht das Risiko, dass durch das aggressive Verhalten von PatientInnen MitpatientInnen, Angehörige und/oder Klinikpersonal in Gefahr gebracht werden, was neben körperlichen Verletzungen auch psychische Folgen nach sich ziehen kann (Franz, Zeh, Schablon, Kuhnert, & Nienhaus, 2010). In einer qualitativen Studie von Kindy, Petersen und Parkhurst (2005) beispielsweise berichten Pflegerinnen und Pfleger einer Akutstation von auf gewalttätige Übergriffe folgenden Gefühlen wie Demoralisierung, Hypervigilanz und Schuld. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine systematische Übersichtsarbeit von Needham, Abderhalden, Halfens, Fischer und Dassen (2005), die die folgenden Reaktionen auf aggressive Übergriffe zusammenfasste: Wut, Angst, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schuld, Selbstvorwürfe und Scham. Diese negativen Folgen von Agitation, Aggression und Gewalt wirken sich jedoch nicht nur auf das persönliche Wohlbefinden des involvierten Klinikpersonals, sondern auch auf die Qualität der Behandlung aus. So zeigte eine systematische Übersichtsarbeit von Robinson, Craig und Tonkin (2016) einen Zusammenhang zwischen der Reduktion aggressiver Vorfälle und einer besseren Stationsatmosphäre. Ausserdem führen Vorfälle von Gewalt gegen das Klinikpersonal oder PatientInnen zu einer verminderten Effizienz und Wirksamkeit der rehabilitativen Massnahmen (Bowers et al., 2011). Als eine weitere Konsequenz aggressiver Durchbrüche auf psychiatrischen Akutstationen zeigt sich die höhere Anzahl Fehltage des Klinikpersonals (Nijman, Bowers, Oud, & Jansen, 2005).

Was die Wichtigkeit des Themas weiter unterstreicht, ist die immer noch starke Stigmatisierung

(12)

von PatientInnen mit Schizophrenie, die unter anderem durch das Vorurteil geprägt ist, dass Menschen mit dieser Diagnose gewalttätig seien, was zu sozialer Isolation, einer erschwerten beruflichen Integration, Selbststigmatisierung und somit wiederum zu einer ungünstigeren Prognose führen kann (Angermeyer & Matschinger, 2004).

Agitiert-aggressives Syndrom (AAS). Agitiertes oder aggressives Erleben und Verhalten wird in der Literatur als eine klinisch relevante Dimension der Psychopathologie psychotischer Störungen beschrieben. So zeigten Huber et al. (2012) beispielsweise, dass Aggression und Zwangsmassnahmen durch BPRS-EC-Werte (Brief Psychiatric Rating Scale – Excited Component; Huber et al., 2011) prädiziert werden können. Auch die PANSS-EC (Positive And Negative Syndrome Scale – Excited Component) zeigte sich als valides Instrument, um Aggression und Agitation von FEP PatientInnen zu messen (Emsley, Rabinowitz, Torreman, & Group, 2003; Lindenmayer, Browne, et al., 2004; Wolthaus et al., 2000). Ein weiteres Instrument, um das agitiert-aggressive Syndrom (AAS) zu erfassen, ist die Clinical Global Impression - severity of Aggression scale (CGI-A; Frazier et al., 1999; MacMillan et al., 2006; Sharif, Raza, & Ratakonda, 2000; Sival et al., 2004), die eine grosse Äquivalenz mit der PANSS-EC aufweist (Huber, Lambert, et al., 2008).

Ausserdem zeigt sich in faktorenanalytischen Untersuchungen, dass das AAS bei psychotischen Störungen eine wichtige Komponente der Psychopathologie darstellt. Die Faktorenstruktur der in Klinik und Forschung häufig verwendeten Instrumente PANSS und BPRS wurde in der Vergangenheit hinsichtlich Anzahl und Auswahl der Faktoren kontrovers diskutiert (Tueller et al., 2017; Van den Oord et al., 2006). Ein Grossteil der Studien kam zum Ergebnis, dass das AAS bei Patienten mit psychotischen Störungen als Faktor einbezogen werden sollte (Frésan et al., 2005; Huber et al., 2012; Lancon, Aghababian, Llorca, & Auquier, 1998; Levine & Rabinowitz, 2007; Lindenmayer, Grochowski, &

Hyman, 1995; Overall & Beller, 1984). Walsh-Messinger et al. (2018) untersuchten zudem die Faktorenstruktur einer Population von Clinical High Risk State (CHRS) PatientInnen und kamen zum Ergebnis, dass das AAS auch in dieser speziellen Gruppe einen der fünf Faktoren darstellt.

Bisher gehen nur einzelne Studien über die psychopathologische Beschreibung und Validierung des AAS hinaus. So zeigten Huber et al. (2014), dass das AAS nicht nur bei FEP sondern auch bei CHRS PatientInnen stärker ausgeprägt ist, als bei Kontrollpersonen. Ausserdem wurden bei FEP

(13)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 13

PatientInnen, die sich schwer aggressiv oder suizidal zeigten, erhöhte AAS-Werte festgestellt (Fusar- Poli et al., 2012). Die Operationalisierung von Agitiation und Aggression durch das AAS und nicht durch harte Faktoren wie beispielsweise die Anzahl oder Art der Vorstrafen bietet den Vorteil, dass die Erhebung von AAS-Daten in der klinischen Praxis häufig zur Routine gehört, was zu einer grossen Verfügbarkeit dieser Daten führt und somit den Weg für retrospektive Sekundärauswertungen ebnet.

Ausserdem können mithilfe des AAS auch Fragestellungen untersucht werden, die sich auf niedrigere Ausprägungen von Agitation und Aggression beziehen als harte Fakten, zu deren Erhebung meist ein Kontakt mit dem Justizsystem stattgefunden haben muss.

Forschungsfragen

Obwohl das AAS auf der psychopathologischen Ebene bereits in mehreren Studien beschrieben wurde, ist die Studienlage bezüglich mit ihm in Verbindung stehender Variablen schwach. Um das AAS ganzheitlicher zu verstehen und Implikationen für die klinische Praxis ableiten zu können, möchten wir deswegen im Rahmen dieser Dissertation die untenstehenden Fragen beantworten.

Zusammenhang zwischen AAS und Erkrankungsbeginn. Ein früher Erkrankungsbeginn bei psychotischen Störungen ist mit mehreren prognostisch ungünstigen Variablen assoziiert. So zeigen PatientInnen mit frühem Erkrankungsbeginn eine stärkere Negativsymptomatik (Ballageer, Malla, Manchanda, Takhar, & Haricharan, 2005; Pencer, Addington, & Addington, 2005), ein tieferes prämorbides Funktionsniveau und eine längere Duration of Untreated Psychosis (DUP; Ballageer et al., 2005; Schimmelmann, Conus, Cotton, McGorry, & Lambert, 2007). Ausserdem weisen PatientInnen mit frühem Erkrankungsbeginn stärkere kognitive Defizite (Rajji, Ismail, & Mulsant, 2009) und einen stärkeren Cannabiskonsum (Compton et al., 2009; Large, Sharma, Compton, Slade, & Nielssen, 2011;

Leeson, Harrison, Ron, Barnes, & Joyce, 2012; Pencer et al., 2005) auf – alles Variablen, die mit Agitation, Aggression und Gewalt zusammenhängen können (Goodman, 2010; Jester et al., 2008;

Ogilvie, Stewart, Chan, & Shum, 2011; Séguin, Nagin, Assaad, & Tremblay, 2004). Kennedy et al.

(2005) untersuchten den direkten Zusammenhang zwischen Aggression und einem frühen Erkrankungsbeginn bei männlichen Patienten mit einer bipolaren Störung und kamen zum Ergebnis, dass ein früherer Erkrankungsbeginn mit antisozialem Verhalten in der Kindheit assoziiert ist. Chang

(14)

und Lee (2004) fanden einen Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und frühem Erkrankungsbeginn bei PatientInnen mit Schizophrenie-Spektrums- oder einer bipolaren Störung.

Die Frage, ob auch das AAS als psychopathologisches Konstrukt mit einem frühen Erkrankungsbeginn assoziiert ist, wird in Artikel 1 beantwortet.

Zusammenhang zwischen AAS und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, weisen Agitation, Aggression und Gewalt Zusammenhänge mit anderen psychischen Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Cannabiskonsum auf. Neben dem Konsum von Cannabis ist auch der schädliche Gebrauch von Alkohol und anderen psychotropen Substanzen mit aggressivem Verhalten assoziiert (DeLisi, Vaughn, Salas-Wright, & Jennings, 2015; Moore et al., 2014). Weitere zum Cluster der Störungen der Selbstregulation und des Sozialverhaltens gehörende Auffälligkeiten sind antisoziale Persönlichkeitszüge und eine forensische Vorgeschichte, die häufig auch mit einem erhöhten Ausmass von Aggressivität einhergehen (DeLisi et al., 2015; Velotti et al., 2016). Eine Meta-Analyse von Witt, van Dorn und Fazel (2013), die 110 Studien umfasst, welche Individuen mit psychotischen Störungen untersucht hatten, weist auf Zusammenhänge zwischen Agitation, Aggression und Gewalt und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum hin. So zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen Agitation, Aggression und Gewalt und der Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung und bezüglich forensischer Vorgeschichte positive Zusammenhänge mit Verhaftungen und Haftstrafen in der Vergangenheit. Bezüglich Substanzkonsum zeigten sich positive Zusammenhänge mit multiplem Substanzmissbrauch und Drogen- und/oder Alkoholmissbrauch (in der Vergangenheit oder/und aktuell).

Volavka und Citrome (2011) präsentieren ein Modell der möglichen Entstehungswege aggressiven Verhaltens bei PatientInnen mit Schizophrenie, welches die oben genannten Faktoren Substanzmissbrauch, antisoziale Persönlichkeitszüge und Kriminalität mit einbezieht (vgl. Abbildung 1).

(15)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 15

Abbildung 1. Mögliche Entstehungswege von aggressivem Verhalten bei PatientInnen mit Schizophrenie (Volavka

& Citrome, 2011).

Die Autoren postulieren zwei unterschiedliche Entstehungswege aggressiven Verhaltens. Zum einen wird davon ausgegangen, dass aggressives Verhalten bei PatientInnen mit Schizophrenie mit bestimmten Facetten der akuten Psychopathologie dieser Störung assoziiert ist (oberer Teil der Abbildung). Zum anderen wird ein Zusammenhang zwischen prämorbiden Bedingungen wie der Störung des Sozialverhaltens oder einer antisozialen Persönlichkeitsstörung und Aggression beschrieben (unterer Teil der Abbildung). Als wichtigste vermittelnde Variable wird der Substanzmissbrauch genannt, der einerseits den Zusammenhang zwischen der Psychopathologie von PatientInnen mit Schizophrenie und aggressivem Verhalten und andererseits den Zusammenhang zwischen der Störung des Sozialverhaltens oder einer antisozialen Persönlichkeitsstörung und aggressivem Verhalten beeinflusst.

Um zu untersuchen, ob es bei FEP PatientInnen Hinweise auf den mit prämorbiden Bedingungen assoziierten Entstehungsweg aggressiven Verhaltens gibt, widmeten wir uns im Rahmen

(16)

des ersten Artikels der Frage, inwieweit das AAS bei FEP PatientInnen mit dem Vorliegen antisozialer Persönlichkeitsstörungen, einer forensischen Vorgeschichte und/oder Substanzkonsum zusammenhängt.

Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden/ Funktionsniveau. Im Zuge der Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten für PatientInnen mit Schizophrenie-Spektrums- Störungen und der damit einhergehenden besseren Langzeitprognose lässt sich eine vermehrte Nachfrage zuverlässiger Indikatoren für den Behandlungserfolg beobachten. Neben der psychopathologischen Symptomatik können PatientInnen mit psychotischen Störungen Defizite in unterschiedlichen Bereichen entwickeln, was die Wichtigkeit zusätzlicher Remissionskriterien, die sich nicht nur auf die vorliegende Psychopathologie, sondern auch auf funktionelle oder von den PatientInnen subjektiv wahrgenommene Variablen beziehen, unterstreicht. Ausserdem zeigen verschiedene Studien, dass eine symptomatische Remission nicht zwingend mit einer Remission bezüglich Funktionsniveau oder subjektivem Wohlbefinden einhergehen muss (Andreasen et al., 2005;

Karow et al., 2012).

Um die Behandlungsevaluation einerseits möglichst ganzheitlich, andererseits aber auch möglichst effizient und ohne grossen Aufwand für die PatientInnen zu gestalten, wurden bisher einige Studien durchgeführt, um herauszufinden, inwiefern die häufig primär erhobene Psychopathologie mit funktionellen Outcomekriterien wie globalem Funktionsniveau oder subjektivem Wohlbefinden zusammenhängt. So fanden einige Studien einen Zusammenhang zwischen PANSS Gesamtwert und Funktionsniveau (Rabinowitz, Levine, & Martinez, 2010; Samara et al., 2014; Suzuki et al., 2015).

Wenig Evidenz gibt es bis jetzt zu der Frage, ob und wie sich die verschiedenen Subskalen der PANSS bzgl. ihres Zusammenhangs mit funktionellen Outcomekriterien bei PatientInnen mit psychotischen Störungen unterscheiden und ob und wie das AAS im Speziellen mit diesen Kriterien assoziiert ist. In einer Studie von Karow, Moritz, Lambert, Schoder und Krausz (2005) wiesen alle Subskalen der PANSS ausser der Positivsymptomatik einen Zusammenhang mit der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität auf. Studien, die den Zusammenhang der einzelnen Subskalen mit dem Funktionsniveau untersucht haben, fehlen jedoch. Ausserdem wurde bisher noch nicht untersucht, ob Krankheitsphase oder Krankheitsschwere diesbezüglich moderierende Faktoren sein könnten.

(17)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 17

Es gibt Hinweise darauf, dass das AAS einen Zusammenhang mit dem Funktionsniveau oder dem subjektiven Wohlbefinden aufweist. So zeigte die Studie von Nanda et al. (2016) einen Zusammenhang zwischen globalem und sozialem Funktionsniveau und dem mit Aggressivität in hohem Masse korrelierenden Konstrukt der Impulsivität. Weiter fanden Orkibi und Ronen (2017) einen Zusammenhang zwischen Selbstkontrolle und der auf die Schule bezogenen subjektiven Zufriedenheit.

Im Rahmen des zweiten Artikels wird deswegen die Frage beantwortet, ob das AAS auch bei Individuen mit psychotischen Erkrankungen mit dem globalen Funktionsniveau, dem subjektiven Wohlbefinden und der Wohn- und Arbeitssituation als zusätzliche besonders alltagsbestimmende und gut objektivierbare Faktoren zusammenhängt und sich diese potenziellen Zusammenhänge je nach Krankheitsphase oder Krankheitsschwere unterscheiden.

State-Trait-Struktur des AAS. Die psychotische Symptomatik hat nicht nur hinsichtlich ihres klinischen Erscheinungsbildes verschiedene Facetten, sondern unterscheidet sich auch im zeitlichen Verlauf. So zeigte die bisherige Forschung, dass sich die psychotische Symptomatik auf einem Kontinuum von pseudo-psychotischem Erleben in der Normalbevölkerung über einen Zustand erhöhten Risikos für die Entwicklung einer Psychose bis hin zu einer FEP bewegt (van Os, Linscott, Myin- Germeys, Delespaul, & Krabbendam, 2009). Rössler, Hengartner, Ajdacic-Gross, Haker und Angst (2013) konnten belegen, dass der Grossteil der subklinischen Symptomatik episodischer Natur ist, einige Individuen zeigten jedoch auch eine persistierende Symptomatik. Studien, die nicht nur die Stabilität bzw. Persistenz der Gesamtheit der psychotischen Symptomatik, sondern auch die der einzelnen Subdimensionen untersuchen, sind bisher rar. Es gibt jedoch bezüglich des AAS einige Evidenz dafür, dass aggressive Symptome häufig vor allem in der frühen Behandlungsphase auftreten und mit florider psychotischer Symptomatik korrelieren, was für einen eher episodischen Charakter des AAS spricht (Krakowski, Czobor, & Chou, 1999; Lion, Synder, & Merrill, 1981).

Das Konzept, auf dem die bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien und auch die vorliegende Analyse basieren, nennt sich „Latent State-Trait Theorie“ (Steyer, Ferring, & Schmitt, 1992; Steyer, Geiser, & Fiege, 2012). Latent-State-Trait-Modelle erlauben es, die Varianz der beobachteten Variablen in stabile (Trait-Faktoren), messgelegenheitsspezifische (State-Faktoren) und Messfehlereinflüsse zu zerlegen. Psychologische Konstrukte können meist nicht in reine Trait- oder

(18)

reine State-Faktoren eingeteilt werden; vielmehr weisen sie unterschiedliche Anteile von Trait- und State-Faktoren auf.

Da bisher nur die latente State-Trait-Struktur der psychotischen Symptomatik als Gesamtheit untersucht wurde, soll im dritten Artikel die Frage beantwortet werden, ob bezüglich dieser Struktur Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen psychotischer Symptomatik bestehen. Im Rahmen dieser Dissertation wird die AAS-assoziierte Dimension speziell hervorgehoben. Ausserdem werden Subgruppenanalysen durchgeführt, die evaluieren, ob CHRS Individuen und FEP PatientInnen eine unterschiedliche latente State-Trait-Struktur aufweisen.

Methodik

Im Folgenden wird die Methodik kurz beschrieben, für eine detailliertere Darstellung wird auf die entsprechenden Artikel verwiesen.

Studiendesigns

Die in diese Dissertation einbezogenen drei Artikel entstanden im Rahmen von zwei Projekten zur Früherkennung von Psychosen. In allen drei Artikeln wurden Daten des Psychosis Early Detection and Intervention Center (PEDIC) verwendet, für Artikel Nummer 3 wurden zusätzlich Daten des Basler Projekts zur Früherkennung von Psychosen (FePsy) beigezogen.

Im Rahmen des PEDIC wurden seit Januar 2005 verschiedene prospektive klinische Studien durchgeführt, die ihre ProbandInnen, die eine FEP aufwiesen oder bereits zum wiederholten Male eine psychotische Episode erlebten, bis zu einer Zeitspanne von einem Jahr untersuchten.

Einschlusskriterien waren ein Alter von 14-65 Jahren, eine Schizophrenie-Spektrums-Störung nach DSM-IV (American Psychiatric Association, 2000), keine sich mit einem psychotischen Syndrom präsentierenden organischen Störungen und ein Intelligenzquotient (IQ) über 70. Abbildung 2 gibt einen Überblick über das Studiendesign des PEDIC.

(19)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 19

Abbildung 2. Design der PEDIC-Studie.

Die FePsy-Studie ist eine offene, prospektive, klinische Studie, die seit März 2000 Individuen mit einem CHRS und FEP PatientInnen untersucht. CHRS-Individuen werden im Verlauf wiederholt untersucht (im ersten Jahr alle vier Wochen, im zweiten und dritten Jahr alle drei Monate und danach jährlich), bei den FEP PatientInnen wurde nur die Anfangsmessung durchgeführt. Abbildung 3 zeigt gibt einen Überblick über das Studiendesign des FePsy.

Abbildung 3. Design der FePsy-Studie (Riecher-Rössler et al., 2007).

Um festzustellen, ob die diagnostischen Kriterien für einen CHRS bzw. eine FEP erfüllt sind, wurde das

„Basler Screening Instrument für Psychosen“ (BSIP; Riecher-Rössler et al., 2008) verwendet. Das Vorliegen eines CHRS war wie folgt definiert: Abgeschwächte psychotische Symptome oder kurzzeitig begrenzte intermittierende psychotische Symptome gemäss den Personal Assessment and Crisis Evaluation (PACE) Kriterien (Riecher-Rössler et al., 2008), eine familiäre Häufung psychotischer Störungen kombiniert mit mindestens zwei weiteren Risikofaktoren nach den PACE-Kriterien oder eine

Abbildung 1: Design der PEDIC-Studie.

Follow up study 1: 6 weeks, 3 months, 6 months, 12 months Screening:

- PANSS - SCID-I

- GAF

- CHRS-Screening Referrals from outside and

from Psychiatric Outpatient

Department Follow up study 2: 1

week, 2 weeks, 4 weeks, 6 weeks, 8 weeks I. Individuals without risk

for psychosis

II. Individuals at risk for psychosis

III. Patients with first episode psychosis

IV. Patients with multiple

episode psychosis Follow up study 3: 4

weeks, 3 months, 6 months, 9 months, 12 months

Exclusion according to criteria

(20)

minimale Ausprägung mehrerer durch das BSIP erhobene Risikofaktoren. Um eine FEP zu erfüllen, musste eines der folgenden Symptome mehrmals pro Woche vorliegen und der Psychostatus musste mindestens eine Woche verändert sein: Misstrauen, ungewöhnliche Denkinhalte, Halluzinationen oder formale Denkstörungen (Yung et al., 1998). Ausschlusskriterien waren ein Alter unter 18 Jahren, mangelhafte Deutschkenntnisse, ein IQ unter 70, eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis in der Vorgeschichte, das Vorliegen psychotischer Symptome im Rahmen einer diagnostizierten Depression oder Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Studienpopulationen und Messzeitpunkte

In Artikel 1 werden Daten von 52 FEP PatientInnen (ambulant und stationär) präsentiert, die sich von Januar 2005 bis Dezember 2005 am PEDIC vorgestellt hatten und zwischen 14 und 30 Jahre alt waren, mindestens seit einer Woche Symptome und nicht länger als sechs Monate eine psychosespezifische psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung erhalten hatten. Nach der Anfangsmessung fanden nach sechs Wochen, drei Monaten, sechs Monaten und zwölf Monaten weitere Untersuchungen statt.

In Artikel 2 werden Daten von insgesamt 131 FEP und 71 Multiple Episode Psychosis (MEP) PatientInnen (ambulant und stationär) präsentiert, die zwischen 14 und 65 Jahre alt waren, eine Schizophrenie-Spektrums-Störung nach DSM-IV (American Psychiatric Association, 2000) aufwiesen, kein organisches psychotisches Syndrom zeigten und einen IQ über 70 hatten. Nach der Anfangsmessung fanden die folgenden Follow-up-Messungen statt (da nicht alle PatientInnen zu allen Messzeitpunkten untersucht wurden, ist das jeweilige n in Klammern angegeben): 1-Woche (n = 30), 2- Wochen (n = 30), 4-Wochen (n = 150), 6-Wochen (n = 52), 8-Wochen (n = 30), 3-Monate (n = 172), 6- Monate (n = 172), 9-Monate (n = 120) und 12-Monate (n = 120).

In Artikel 3 werden Daten von 196 CHRS- und 131 FEP-Individuen (ambulant und stationär) präsentiert, die neben der Anfangsmessung zu folgenden Zeitpunkten untersucht wurden: 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate und 12 Monate. CHRS-Individuen wurden von April 2000 bis Mai 2017 im Rahmen des FePsy, FEP PatientInnen von Januar 2005 bis Dezember 2008 im Rahmen des PEDIC rekrutiert.

Für eine genauere Beschreibung der Studienpopulationen wird auf die Anhänge 1 bis 3 verwiesen.

(21)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 21

Definition der Variablen und Messinstrumente

Erkrankungsbeginn: Early Onset Psychosis (EOP) vs. Adult Onset Psychosis (AOP).

Grundsätzlich wurde das Lebensjahr, in dem das erste Mal eine Positivsymptomatik auftritt, als Ersterkrankungsalter definiert. Weiter wurden Personen mit einer Ersterkrankung vor oder während des 18. Lebensjahres als Early Onset Psychosis (EOP) und Personen mit einer Ersterkrankung nach dem 18.

Lebensjahr als Adult Onset Psychosis (AOP) kategorisiert (American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 2001; Ballageer et al., 2005).

Antisoziale Persönlichkeitsstörung. Die antisoziale Persönlichkeitsstörung wurde mithilfe des

„Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV – Achse II: Persönlichkeitsstörungen“ (SKID-II;

Wittchen, Wunderlich, Gruschwitz, & Zaudig, 1997) diagnostiziert. Das in der Forschung und der klinischen Praxis etablierte SKID-II ist ein semistrukturiertes, zweistufiges Verfahren, das aus einem Screening und einem nachfolgenden Interview, in dem nur noch die im Screening bejahten Fragen gestellt werden, besteht (First, Spitzer, Gibbon, & Williams, 1995). Bezüglich Testgütekriterien weist das SKID-II moderate bis starke Interraterreliabilitäten und Koeffizienten der internen Konsistenz zwischen 0.71 und 0.94 auf (Lobbestael, Leurgans, & Arntz, 2011; Maffei et al., 1997; Weertman, Arntz, Dreessen, van Velzen, & Vertommen, 2003).

Forensische Vorgeschichte. Die forensische Vorgeschichte wurde als dichotome Variable mit Hilfe des „Early Psychosis File Questionnaire“ (EPFQ; Conus, Cotton, Schimmelmann, McGorry, &

Lambert, 2007) erhoben. Der EPFQ ist ein Instrument zur retrospektiven Erhebung der Anamnese und Basisdaten der PatientInnen anhand klinischer Akten.

Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen. Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, eingeteilt in Substanzmissbrauch und Substanzabhängigkeit, wurden mithilfe des „Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV – Achse I: Psychische Störungen“ (SKID-I; Wittchen et al., 1997) diagnostiziert. Bezüglich Testgütekriterien weist das SKID-I moderate bis hohe Interrater- und Test-Retest-Reliabilitäten auf (Lobbestael et al., 2011; Zanarini & Frankenburg, 2001). Speziell für den Bereich der Suchterkrankungen fanden Martin, Pollock, Bukstein und Lynch (2000) eine mittlere Interraterreliabilität von κ=0.92, was einem

(22)

ausgezeichneten Wert entspricht (McHugh, 2012). Für die in Artikel 1 beschriebene Analyse wurde die dichotome Variable „Lifetime Substance use Disorder“ (SUD) verwendet.

Funktionsniveau. Das Funktionsniveau wurde anhand des „Global Assessment of Functioning“ (GAF; Jones, Thornicroft, Coffey, & Dunn, 1995) erfasst. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Skala, welche die globale Einschätzung des psychologischen, sozialen und beruflichen Funktionsniveaus auf einer Skala von 1-100 erlaubt. Das GAF ist ein einfach und schnell anwendbares Messinstrument, dessen Testgüte bereits in mehreren Studien untersucht und für objektiv, reliabel und valide befunden wurde (Grootenboer et al., 2012; Söderberg, Tungström, & Armelius, 2005; Startup, Jackson, & Bendix, 2002).

Subjektives Wohlbefinden. Das subjektive Wohlbefinden wurde anhand der „Subjective Well- being under Neuroleptic treatment scale“ gemessen (SWN; Naber et al., 2001). Die SWN ist ein Selbstbeurteilungsverfahren, das die Wahrnehmung des Gesundheitszustands, der antipsychotischen Medikation und nicht-medizinische Aspekte des Lebens auf einer sechsstufigen Likert-Skala erfasst. De Haan, Weisfelt, Dingemans, Linszen und Wouters (2002) untersuchten die SWN bezüglich der Testgütekriterien und fanden eine hohe Test-Retest-Reliabilität, eine hohe interne Konsistenz sowie eine gute Übereinstimmungsvalidität.

Wohn- und Arbeitssituation. Die Wohn- (Location Status = LOC) und Arbeitssituation (Vocation Status = VOC) der ProbandInnen wurde mithilfe des “Modified Location Code Index”

(MLCI) und des “Modified Vocation Status Index” (MVSI) auf einer 5-stufigen Ordinalskala erfasst.

Die Wohnsituation wurde anhand der Antwortkategorien „Haushaltsvorstand“, „Alleine oder in einer Wohngemeinschaft”, “Mit der Familie unter minimaler Supervision”, „In einem Wohnheim oder mit der Familie unter engmaschiger Supervision” oder “Obdachlos” erhoben. Die Arbeitssituation wurde anhand der Antwortkategorien “Berufstätig”, “Hausfrau/-mann“, „StudentIn“, „Ehrenamtliche Arbeit”,

“Krankheitsbedingte Fehlzeit (somatisch oder psychiatrisch)”, “Berentet” oder “Arbeitslos” erfasst (Tohen et al., 2000).

Krankheitsschwere. Die Clinical Global Impressions (CGI; Guy, 1976) Skala ist ein aus den drei Subskalen Krankheitsschwere („Severity of Illness“; CGI-S), globale Verbesserung („Global Improvement“; CGI-I) und therapeutische Wirksamkeit („Efficacy index“) bestehendes

(23)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 23

Messinstrument, das sehr häufig im Rahmen von Routinemessungen in der klinischen Praxis und in der Forschung eingesetzt wird. Sie ist ein valides Fremdbeurteilungsinstrument (Einschätzung durch den zuständigen Behandler), das neben seiner einfachen und schnellen Anwendung weitere Vorteile wie eine grosse Veränderungssensitivität und die Anwendbarkeit über unterschiedliche diagnostische Gruppen hinweg besitzt (Berk et al., 2008).

Im Rahmen des dritten Artikels wurden mithilfe der CGI-S Subgruppenanalysen hinsichtlich Krankheitsschwere durchgeführt. Dabei wurden die Subgruppen wie folgt definiert: PatientInnen mit einem CGI-S-Wert von 1-3 Punkten wurden als leicht Erkrankte, PatientInnen mit einem CGI-S-Wert von 4 als mittelschwer Erkrankte und PatientInnen mit einem CGI-S-Wert von 5-7 als schwer Erkrankte kategorisiert.

Agitiert-aggressives Syndrom. Das Konstrukt des agitiert-aggressiven Syndroms wurde einerseits mit der „Positive And Negative Syndrome Scale“ (PANSS; Artikel 1-3) und andererseits mit der „Brief Psychiatric Rating Scale“ (BPRS; Artikel 3) gemessen und im Rahmen beider Fremdbeurteilungsverfahren durch die Subskala „Excitement“ operationalisiert, die aus den Items

„Excitement“, „Hostility“, „Uncooperativeness“ und „Poor Impulse Control“ (Subskala PANSS-EC;

Lindenmayer, Brown, et al., 2004; Artikel 1 und 2) bzw. aus den Items „Excitement“, „Hostility“,

„Uncooperativeness“ und „Tension“ (Subskala BPRS-EC Huber et al., 2012; Artikel 3) bestand. Die in Artikel 3 präsentierten Daten stammen aus zwei unterschiedlichen Projekten (PEDIC und FePsy), weswegen die Psychopathologie und somit auch das AAS mithilfe zweier unterschiedlicher Messinstrumente erhoben wurde. Leucht et al. (2006) fanden jedoch moderate bis starke Korrelationen zwischen den CGI- und den BPRS- bzw. PANSS-Werten, was für die Äquivalenz dieser beiden Messinstrumente und die Vergleichbarkeit der vorliegenden BPRS-und PANSS-Werte spricht.

Bezüglich der Testgüte fanden Bell, Milstein, Beamgoulet, Lysaker und Cicchetti (1992) hohe Interraterreliabilitäten und gute Kriteriumsvaliditäten von BPRS und PANSS. Laut Kay, Opler und Lindenmayer (1988) weist die PANSS starke Korrelationen mit der „Scale for the Assessment of Negative Symptoms“ (SANS; Andreasen, 1989) und der „Scale for the Assessment of Positive Symptoms“ (SAPS; Andreasen, 1984) auf, was auf eine gute Konstruktvalidität der PANSS hinweist.

(24)

Statistische Analysen

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die statistischen Analysen gegeben werden. Eine ausführlichere Darstellung sowie Tabellen und Grafiken sind in den Anhängen 1 bis 3 zu finden.

Alle Analysen in Artikel 1 und 2 sowie einzelne Analysen im dritten Artikel wurden mit dem Statistical Package for the Social Sciences (SPSS) Version 22 gemacht. Die Hauptanalyse des dritten Artikels wurde mit dem Programm Mplus 7 (Geiser, 2011) durchgeführt. Alle Signifikanztests waren zweiseitig und das Signifikanzniveau wurde auf p < .05 festgelegt.

Zusammenhang zwischen AAS und Erkrankungsbeginn. Um die Frage zu beantworten, ob der Erkrankungsbeginn von Schizophrenie-Spektrums-Störungen mit der Ausprägung des AAS assoziiert ist, wurde der zeitliche Verlauf des AAS hinsichtlich Erkrankungsbeginn (EOP vs. AOP) verglichen. Hierzu wurden gemischte lineare Modelle basierend auf compound symmetry und unter der Annahme einer best variance-covariance matrix durchgeführt. Um zu überprüfen, ob die potentiellen Gruppenunterschiede spezifisch sind, wurden zusätzlich dazu dieselben Analysen für die übrigen PANSS Subskalen gemacht. Als Mass für die Stärke der Effekte wurde Cohen’s d nach Thalheimer und Cook (2002) berechnet und als klein (d = 0.2–0.49), mittel (d = 0.5–0.79) und gross (d ≥ 0.8) definiert.

Zusammenhang zwischen AAS und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzkonsum. Um zu überprüfen, ob es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem AAS und einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, der forensischen Vorgeschichte einer Person oder ihrem Substanzkonsum gibt, wurden Korrelationsanalysen nach Spearman durchgeführt.

Dieses explorative Verfahren wurde gewählt, da unsere relativ kleine Stichprobengrösse keine multivariaten Analysen erlaubte (Tabachnick & Fidell, 2007). Die Effektstärken wurden in r und ρ angegeben und als klein (ρ = 0.10–0.23), mittel (ρ = 0.24–0.36) und gross (ρ ≥ 0.37) definiert (Cohen, 1992).

Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden/ Funktionsniveau. Um den potentiellen Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden und Funktionsniveau zu überprüfen wurden gemischte lineare Modelle basierend auf compound symmetry und unter der Annahme einer best variance-covariance matrix durchgeführt. In einem zweiten Schritt wurden die potenziell konfundierenden Variablen Alter, Geschlecht, Diagnose und Studie in das Modell integriert.

(25)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 25

Da dadurch jedoch vergleichbare Resultate erzielt wurden, wurde die Analyse ohne Kovariablen fortgesetzt. Weiter wurden Subgruppenanalysen hinsichtlich Krankheitsschwere und Krankheitsphase (FEP vs. MEP) durchgeführt. Als Mass für die Grösse der Effekte wurde Cohen’s d nach Hedges (2007) berechnet und als klein (d<0.5), mittel (d≥0.5 und d<0.8) und gross (d≥0.8) definiert.

State-Trait-Struktur des AAS. Um die Frage zu beantworten, wie gross der Trait-Anteil des AAS im Vergleich zu dem der anderen Dimensionen psychotischer Psychopathologie bei CHRS- und bei FEP-Individuen ist, wurden für jede Subskala des BPRS im Sinne eines Strukturgleichungsmodells ein latentes State-Trait Modell erstellt, das die Zerlegung der Gesamtvarianz der BPRS Subskalen in State-, Trait- und Fehlervarianz erlaubt. Jedes dieser Modelle enthält fünf untergeordnete State-Faktoren und einen übergeordneten Trait-Faktor.

Der Konsistenzkoeffizient r2, der die durch Trait-Unterschiede in den BPRS-Subskalen erklärte Varianz quantifiziert, wurde für jede Subskala und jeden Messzeitpunkt berechnet. Zur Einschätzung des Modellfits wurden die Fitindices Posterior-Predictive-P-value (PPP) und die Differenz zwischen den beobachteten und den replizierten Chi-Quadrat Werten (𝜒2) verwendet. PPP-Werte im Bereich 0.5 und positive obere Konfidenzintervallschranken weisen auf einen guten Modellfit hin. Da unser erstes Modell ohne indikatorspezifische Trait-Faktoren keinen guten Modellfit aufwies, integrierten wir in einem zweiten Schritt indikatorspezifische Trait-Faktoren, was zu einem guten Modellfit führte.

Die Frage, ob sich CHRS- und FEP-Individuen (Gruppenvariable) bezüglich Trait-Anteil unterscheiden, wurde direkt im Rahmen der Strukturgleichungsmodelle getestet, indem die Gruppenvariable auf die latente Trait-Variable regressiert wurde. Ausserdem kontrollierten wir in unserer Analyse für Alter und Geschlecht. Alle Berechnungen wurden mit dem Programm Mplus 7 (Geiser, 2011) durchgeführt und dabei wurde eine Bayes’sche Schätzung (Gelman et al., 2013; Muthén, 2010) und ein paarweiser Fallausschluss bei fehlenden Werten verwendet.

Resultate

Im Folgenden werden die AAS-spezifischen Ergebnisse aus den drei Originalarbeiten, auf denen diese Rahmenschrift basiert, dargestellt. Ausführlichere Angaben sowie Tabellen und Grafiken sind in den Anhängen 1 bis 3 zu finden.

(26)

Zusammenhang zwischen AAS und Erkrankungsbeginn

Von den 52 Studienteilnehmern waren 26 bis zum Ende ihres 18. Lebensjahrs an einer psychotischen Störung erkrankt, was im Rahmen der Studie als Early Onset Psychosis (EOP) definiert wurde. Die anderen 26 Studienteilnehmer waren später erkrankt und wurden im Rahmen der Studie zur Gruppe der Adult Onset Psychosis (AOP) gezählt. Der Mittelwert und die Standardabweichung der PANSS-EC- Werte betrugen zur Anfangsmessung 10.3 ± 4.8 in der EOP-Gruppe und 8.3 ± 4.4 in der AOP-Gruppe.

Unterschiede zwischen der EOP- und der AOP-Gruppe zeigten sich zur Anfangsmessung in den folgenden soziodemographischen Variablen: Das Alter bei Studieneintritt (p < 0.001; r = −0.78; grosse Effektstärke) und das Alter bei Erkrankungsbeginn (p < 0.001; r = − 0.86; grosse Effektstärke) war in der EOP Gruppe signifikant tiefer. In der EOP-Gruppe waren die schizophreniformen Störungen häufiger (p = 0.005; φ = 0.39; mittlere Effektstärke) und die akuten polymorphen psychotischen Störungen ohne Symptome einer Schizophrenie weniger häufig (p = 0.002; φ = 0.42; mittlere Effektstärke) als in der AOP-Gruppe. EOP PatientInnen wiesen häufiger die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ in der Vergangenheit (p = 0.002; φ = 0.42; mittlere bis grosse Effektstärke), eine forensische Vorgeschichte (p = 0.005; φ = 0.39; mittlere Effektstärke) oder antisoziale Persönlichkeitseigenschaften (p = 0.004; φ = 0.39; mittlere Effektstärke) auf. Die EOP- Gruppe unterschied sich zur Anfangsmessung in folgenden Variablen nicht signifikant von der AOP- Gruppe: Geschlecht, Diagnose einer Schizophrenie, Diagnose einer schizoaffektiven Störung, Diagnose anderer psychotischer Störungen, DUP, DUPP (Duration of Untreated Prodromal Phase), DUI (Duration of Untreated Illness), Cannabismissbrauch, Cannabisabhängigkeit, Missbrauch oder Abhängigkeit von Cannabis und anderen Substanzen, Missbrauch anderer Substanzen, andere psychische Störungen in der Vergangenheit, Suizidversuche in der Vergangenheit, psychiatrische Behandlungen in der Vergangenheit, familienanamnestisch psychotische oder andere psychische Störungen, Traumatisierungen, Drogendelikte, Beschaffungsdelikte, Gewaltdelikte und fürsorgerische Unterbringungen.

Mixed model Analysen ergaben signifikante Haupteffekte bezüglich Erkrankungsbeginn (F(1,44.4) = 5.39; p = 0.025; d = 0.66; mittlere bis grosse Effektstärke) und Zeit (F(4,175.9) = 8.62; p

< 0.001; d = 0.83; grosse Effektstärke). Die Interaktion von Erkrankungsbeginn und Zeit war hingegen

(27)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 27

nicht signifikant (F(4,175.9) = 0.13; p = 0.972) – der Verlauf der PANSS-EC-Werte unterscheidet sich also nicht je nach Erkrankungsbeginn. Das Ergebnis, dass die Unterschiede hinsichtlich Erkrankungsbeginn nur in den PANSS-EC-Werten und nicht auch in anderen Subskalen des PANSS bestehen, weist auf die Spezifität des Effekts hin.

Zusammenhang zwischen AAS und antisozialer Persönlichkeitsstörung, forensischer Vorgeschichte und Substanzmissbrauch

Der Mittelwert und die Standardabweichung der PANSS-EC-Werte betrugen in der Gesamtstichprobe von 52 PatientInnen 9.3 ± 4.7 zur Anfangsmessung. Die Lebenszeitprävalenz für die Diagnose

„Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ betrug in unserer Stichprobe 51.9

%. 13.5 % hatten die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung und 19.2 % eine forensische Vorgeschichte.

Spearman Korrelationen ergaben positive Zusammenhänge zwischen den PANSS-EC-Werten 6 Wochen, 3 Monate, 6 Monate und 12 Monate nach der Anfangsmessung und antisozialer Persönlichkeitsstörung (ρ = 0.30 bis ρ = 0.36; mittlere Effektstärke) sowie forensischer Vorgeschichte (ρ = 0.31 bis ρ = 0.34; mittlere Effektstärke). Die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ war 3 und 6 Monate nach der Anfangsmessung mit den PANSS-EC-Werten assoziiert (ρ = 0.30 bis ρ = 0.38; mittlere bis grosse Effektstärke).

Zusammenhang zwischen subjektivem Wohlbefinden und Funktionsniveau

In der Gesamtstichprobe von 202 PatientInnen wurden keine signifikanten Zusammenhänge zwischen PANSS-EC-Werten und subjektivem Wohlbefinden und Funktionsniveau gefunden.

Subgruppenanalysen der verschiedenen CGI-S Schweregrade ergaben jedoch, dass die schwer erkrankte Gruppe (CGI-S von 5-7) in ihrem Funktionsniveau mit steigenden PANSS-EC-Werten stärker eingeschränkt war (F(1, 398.3) = 8.69, p = 0.003, d = 0.23; kleine Effektstärke). Bezüglich subjektivem Wohlbefinden zeigte sich bei den mittelschwer Erkrankten ein positiver Zusammenhang zum PANSS- EC-Wert (F(1, 312.4) = 5.95, p = 0.015, d = 0.20; kleine Effektstärke). Im Gegensatz zu MEP PatientInnen hatten die FEP PatientInnen mit höherem PANSS-EC ein tieferes Funktionsniveau (F(1, 635.2) = 4.18, p = 0.041, d = 0.18; kleine Effektstärke). Die Analysen der Gesamtstichprobe und die der

(28)

Subgruppen ergaben keine Zusammenhänge zwischen LOC und VOC und subjektivem Wohlbefinden oder dem Funktionsniveau.

State-Trait-Struktur des AAS

Die Gesamtstichprobe umfasste 327 PatientInnen. Von diesen 327 waren 175 (53.5 %) weiblich und das gemittelte Alter betrug 25.0 Jahre (SD = 7.1, range: 14-57). 43 (21.9 %) der 196 CHRS PatientInnen transitierten im Zeitraum der Follow-ups zu FEP PatientInnen. Unter den 131 FEP PatientInnen waren die Diagnosen wie folgt verteilt: 53 (40.5 %) Schizophrenie, 37 (28.2 % schizophreniforme Störung, 12 (9.2 %) schizoaffektive Störung, 11 (8.4 %) nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose, 6 (4.6

%) anhaltende wahnhafte Störungen, 12 (9.2 %) andere Schizophrenie-Spektrums-Störungen. 96 (49.0

%) der 196 CHRS PatientInnen und 124 (94.7 %) der 131 FEP PatientInnen wurden irgendwann im Beobachtungszeitraum medikamentös behandelt (Antipsychotika, Antidepressiva, Anxiolytika und/oder Stimmungsstabilisierer).

13.2 % der BPRS-EC Varianz wurde über die fünf Messzeitpunkte hinweg durch Trait- Unterschiede erklärt. Explorative Analysen zeigten, dass die durch Trait-Unterschiede erklärte Varianz des BPRS-EC während des gesamten Beobachtungszeitraums auf einem tiefen Level (range: 0.000 - 0.191) blieb. Der PPP betrug 0.474 und die obere Konfidenzschranke des 95 % Konfidenzintervalls lag im positiven Bereich (CI = -57.679 - 62.703), was auf einen guten Fit des Latent-State-Trait-Modells hinwies.

Hinsichtlich der Trait-Komponente der BPRS-EC Subskala gab es im Gegensatz zu den anderen Subskalen, bei denen sich bei den FEP PatientInnen eine höhere Trait-Komponente zeigte als bei den CHRS PatientInnen, keinen Unterschied zwischen CHRS und FEP PatientInnen.

Diskussion

Im Folgenden werden die Hauptergebnisse hinsichtlich bestehender Literatur und Bedeutung für die Forschung und die klinische Praxis diskutiert. Eine ausführlichere Diskussion der einzelnen Ergebnisse ist in den Anhängen 1 bis 3 zu finden.

Das AAS zeigte sich als mit frühem Erkrankungsbeginn, antisozialen Persönlichkeitszügen, forensischer Vorgeschichte und teilweise auch mit Suchterkrankungen assoziiertes Syndrom. Bezüglich subjektivem Wohlbefinden und Funktionsniveau zeigten sich keine bedeutenden Zusammenhänge mit

(29)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 29

dem AAS. Der Trait-Anteil des AAS war im Vergleich zu den anderen Subdimensionen psychotischer Symptomatik klein und unterschied sich nicht hinsichtlich Krankheitsphase (CHRS vs. FEP).

Einordnung in die bisherige Literatur

Das Ergebnis, dass bei PatientInnen mit einem frühen Erkrankungsbeginn ein ausgeprägteres AAS auftritt als bei PatientInnen mit einem späteren Erkrankungsbeginn ist konsistent zur Studie von Starling et al. (2013), die in ihrer Studienpopulation bestehend aus Kindern und Jugendlichen einen Zusammenhang zwischen frühem Erkrankungsbeginn und selbstverletzendem Verhalten und Aggression fanden. Bezüglich der übrigen Syndrome zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich Erkrankungsbeginn, was darauf hinweist, dass das stärker ausgeprägte AAS in der Gruppe der PatientInnen mit frühem Erkrankungsbeginn einen spezifischen Effekt darstellt und nicht der generell ausgeprägteren Psychopathologie in dieser Gruppe zuzuschreiben ist.

Auch das Ergebnis, dass das AAS mit der Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, einer forensischen Vorgeschichte und zu einem Teil der Messzeitpunkte auch mit Suchterkrankungen assoziiert ist, bestätigt die gefundenen Resultate von Volavka (2014) und Gut-Fayand et al. (2001), die einen Zusammenhang zwischen Impulsivität und antisozialen Persönlichkeitszügen sowie Suchterkrankungen (in der Allgemeinbevölkerung sowie auch in einer Stichprobe mit PatientInnen mit Schizophrenie) postulierten.

Als mögliches Erklärungsmodell dieser Zusammenhänge präsentieren Gouzoulis-Mayfrank (2004) das Affektregulationsmodell, das bei PatientInnen mit Schizophrenie und bei Personen mit einem CHRS von einer Neigung zur Impulsivität ausgeht, die wiederum mit einem grösseren Risiko für die Entwicklung eines Substanzkonsums als Coping negativer affektiver Zustände, die beispielsweise durch erste psychotische Symptome entstehen können, einhergeht, wodurch das Ausbrechen einer Psychose beschleunigt werden kann.

Entgegen der Ergebnisse von Nanda et al. (2016), die einen negativen Zusammenhang zwischen Funktionsniveau und Impulsivität gefunden hatten, zeigten sich in unserer Studie keine oder nur sehr schwache Zusammenhänge zwischen Funktionsniveau und AAS. Dies könnte dadurch begründet sein, dass das AAS, wie auch im dritten Artikel beschrieben, eher episodischer Natur zu sein scheint und sich die kurzen Phasen, in denen das AAS auftritt, so nicht nachhaltig auf das Funktionieren im Alltag

(30)

auswirken. Bezüglich subjektiver Lebensqualität zeigt sich ein ähnliches Bild mit dem Unterschied, dass in der Subgruppe der mittelschwer Erkrankten ein positiver Zusammenhang zwischen AAS und subjektivem Wohlbefinden auftritt. Dieses unerwartete Ergebnis ist eventuell auf die Interaktion von AAS, Einsicht und subjektivem Wohlbefinden zurückzuführen, in dem Sinne, dass ein höheres AAS- Level mit einer verminderten Krankheitseinsicht einhergehen kann, die ihrerseits mit einem grösseren subjektiven Wohlbefinden assoziiert ist (Cuesta, Peralta, & Zarzuela, 1998; Karow et al., 2008).

Ausserdem besteht die Möglichkeit, dass die Ergebnisse zum subjektiven Wohlbefinden durch den Einbezug der affektiven Psychosen in die Stichprobe verzerrt wurden.

Unsere Ergebnisse belegen, dass das AAS eher episodischen als stabilen Charakter hat, was die Resultate mehrerer Studien unterstützt, die zeigen, dass aggressive Symptome sich in Abhängigkeit zur zugrundeliegenden Störung über die Zeit hinweg verändern, häufig vor allem in der frühen Behandlungsphase auftreten und mit florider psychotischer Symptomatik korrelieren (Krakowski et al., 1999; Lion et al., 1981).

Stärken und Schwächen über alle Artikel hinweg

Nach unserem Wissen sind die in die vorliegende Arbeit integrierten Artikel die ersten, die sich mit den jeweiligen Fragestellungen beschäftigt haben. Weiter kann als Stärke von allen drei Artikeln die Zusammensetzung der Stichprobe erwähnt werden. Sie entstammt einem klinischen Patientenkollektiv und erhöht durch diese Realitätsnähe die Generalisierbarkeit der Resultate. Sie erlaubt den Einschluss von PatientInnen mit unterschiedlichen Krankheitsschweregraden und somit auch sehr unterschiedlichen Aggressions- und Agitationsgraden. Eine weitere Stärke ist die strukturierte Erhebung der Diagnosen anhand des SKID (Wittchen et al., 1997).

Neben diesen Stärken müssen jedoch auch einschränkende Aspekte erwähnt werden. So birgt die realitätsnahe Zusammensetzung der Stichprobe neben vielen Vorteilen den Nachteil, dass auch affektive Psychosen wie die schizoaffektive Störung oder die bipolare affektive Störung mit psychotischen Symptomen mit eingeschlossen wurden, was zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben könnte.

Da der Anteil der affektiven Psychosen jedoch jeweils relativ klein ausfiel, schätzen wir die Wahrscheinlichkeit einer relevanten Verzerrung ebenfalls als relativ klein ein. Eine weitere die Zusammensetzung der Stichproben betreffende Limitation sind die fehlenden Informationen und somit

(31)

CHARAKTERISTIKA DES AGITIERT-AGGRESSIVEN SYNDROMS 31

die fehlende Kontrolle über die Medikation und die sozialpsychiatrische Behandlung, was dadurch bedingt ist, dass unsere Daten aus einer „Treatment As Usual“ (TAU)-Population stammen. Da es jedoch ethisch nicht vertretbar wäre, aus Studienzwecken einen Teil der ProbandInnen unbehandelt zu lassen, stellt unsere Vorgehensweise dennoch die bestmögliche Lösung dar. Aufgrund der häufig eher kleinen Stichprobengrössen und des explorativen Charakters eines Grossteils der Analysen, wurde auf eine Korrektur für multiples Testen verzichtet, was die Wahrscheinlichkeit für falsch-positive Ergebnisse erhöht und die Wahrscheinlichkeit für falsch-negative Ergebnisse verringert. Ein grundsätzliches Problem ist auch der zeitliche Bezug der Messinstrumente (bei der BPRS zum Beispiel 14 Tage), weshalb Fluktuationen zwischen den verschiedenen Messzeitpunkten, die bis zu sechs Monate auseinanderliegen, nicht ausgeschlossen werden können.

Stärken und Schwächen der einzelnen Artikel

Eine Stärke der im Rahmen des ersten Artikels beschriebenen Studie ist die hohe Kontinuität der Studienteilnahme. 90 % der ProbandInnen nahmen bis zum letzten Messzeitpunkt, der zwölf Monate nach der Anfangsmessung stattfand, an der Studie teil.

Kritisch an diesem Artikel sind die relativ kleinen absoluten Unterschiede zwischen den PANSS- EC-Werten in der Gruppe der PatientInnen mit frühem Erkrankungsbeginn und der Gruppe der PatientInnen mit späterem Erkrankungsbeginn, die die Bedeutung des Effekts in Frage stellen. Da jedoch bereits ein kleiner Anstieg von Aggressivität und Agitation mit fremdaggressivem Verhalten, Suizidalität und Zwangsbehandlungen verbunden sein kann, ist dennoch von klinischer Relevanz auszugehen (Huber et al., 2012).

Eine Stärke der Artikel 1 und 2 liegt in der Anwendung gemischter linearer Modelle basierend auf compound symmetry und unter der Annahme einer best variance-covariance matrix, die das Einbeziehen von individuellen Intercepts und Steigungsparametern erlauben, was durch die dadurch gewonnene Flexibilität zu einer Verbesserung des Modellfits führt. Eine Schwäche der in Artikel 1 und 2 beschriebenen Analysen ist die kleine Stichprobengrösse, die vor allem die Interpretation der Subgruppenanalysen im zweiten Artikel erschwert, weswegen sie als Pilotstudien gesehen werden sollten.

(32)

Am zweiten Artikel ist grundsätzlich zu kritisieren, dass der Fokus des für die Erhebung des Funktionsniveaus verwendeten Fragebogens zwar auf funktionellen Aspekten liegt, jedoch auch psychopathologische Aspekte enthält, was die Ergebnisse verfälscht haben könnte. Ein geeigneteres Messinstrument würde beispielsweise die „Personal and Social Performance Skala“ (PSP; Morosini, Magliano, Brambilla, Ugolini, & Pioli, 2000) darstellen.

Eine Stärke des dritten Artikels ist die relativ grosse Stichprobe, gerade auch wenn man bedenkt, dass FEP PatientInnen und CHRS Individuen zu den eher schwer zu rekrutierenden StudienteilnehmerInnen gehören. Ausserdem ist die im Rahmen des dritten Artikels durchgeführte Analyse von einer Verzerrung durch unterschiedliche Abstände zwischen den Messzeitpunkten ausgeschlossen, da diese jeweils drei Monate auseinanderliegen. Bezüglich des statistischen Vorgehens ist zu erwähnen, dass die Anwendung der bayesianischen Analyse den Vorteil hat, dass durch die Integration vorhergehender Information in das Modell, Verzerrungen durch eine grosse Anzahl Drop- outs, wie sie in unserer Stichprobe vorliegt, verringert werden können.

In Bezug auf den dritten Artikel sind vor allem methodische Schwächen zu nennen. So wurde das AAS mithilfe von zwei unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten gemessen: Bei den CHRS Individuen wurde die BPRS, bei den FEP PatientInnen die PANSS, deren Ergebniswerte post hoc in BPRS-Werte umgewandelt wurden, verwendet. Allerdings kann aufgrund der grossen Überschneidung der Items und der wissenschaftlichen Evidenz für die Äquivalenz der beiden Erhebungsinstrumente (Leucht et al., 2006) von einer vernachlässigbaren methodischen Limitation ausgegangen werden. Ein grösseres Problem stellt die Datenerhebung im Rahmen von zwei unterschiedlichen Studien dar. Obwohl alle Daten durch geschulte Beurteiler erhoben wurden und es sich bei beiden Studien um etablierte Programme mit vergleichbarer Struktur und sehr ähnlichen Einschlusskriterien handelt, können systematische Unterschiede abhängig von der Studie nicht ausgeschlossen werden, da die CHRS Individuen im Rahmen des FePsy und die FEP PatientInnen im Rahmen des PEDIC erhoben wurden.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend scheint das AAS im Gegensatz zu anderen Syndromen der psychotischen Symptomatik bei den FEP und CHRS PatientInnen einen primär episodischen Charakter aufzuweisen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die mit zunehmendem mütterlichen Alter erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom und das altersunabhängige zufällige Entstehen einer Trisomie ist

Mit den in Ziffern I und II jeweils genannten Gebühren sind sämtliche im Zusammenhang mit den erbrachten Verrichtungen erforderlichen Aufwendungen abgegolten (u. auch die

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie oder ein Familienangehöriger das Marfan-Syndrom haben, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, der sich mit dieser Erkrankung auskennt?. Da

Akewit Chanwangpong*, Robert Sabat*, Sylke Schneider-Burrus, Deborah Metternich, Georgios Kokolakis, Agata Kurek, Sandra Philipp, Daniela Uribe, Kerstin Wolk, Wolfram

G Deegener, Ch Jacoby u M Klaser Tod des Vaters und seine Bedeutung für die weitere Entwicklung des Kindes eine retrospektive Studie (Death of the Father and lts Importance for

Allgemeine Probleme bei der Registrierung aggressiver Verhal-.. tensweisen

Bei der von Greensill 2013 gekauften NORDFINANZ, deren hanseatisch-ruhmreiche Geschichte durch zwei ehemalige Bremer Politiker in die Pleite getrieben wurde, han- delt es sich nicht

Gegen 21 Uhr trafen die KVD-Einsatzkräfte in der Wohnung des 44-Jährigen ein, nachdem die Polizei sie hinzugerufen hatte, um den Mann ins Krankenhaus &#34;Zum Guten Hirten&#34;