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Archiv "Versorgung von Typ-2-Diabetikern" (30.03.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007 A859

M E D I Z I N

B

erthold und Koautoren legen in diesem Heft ei- ne der in Deutschland seltenen Studien zum Versorgungsgeschehen wichtiger Erkrankungen vor.

Die Datenfülle ist beeindruckend, obwohl die Daten- qualität naturgemäß bei großen Versorgungsfor- schungsstudien nicht das Niveau kleinerer klinischer Studien mit engmaschigem Studienmonitoring errei- chen kann. Dafür bilden die Ergebnisse einer Erhe- bung wie der von Berthold et al. die Realität vermut- lich besser ab als es viele aktuelle klinische Studien vermögen, deren strikte Einschlusskriterien die Teil- nahme ganzer Patientengruppen von vornherein ver- hindern.

Die Autoren interpretieren ihre Befunde als den Ausdruck eines Versorgungsparadoxes bei Typ-2-Dia- betikern und verweisen auf die vergleichsweise gut etablierte Behandlung erhöhter Blutzucker- und Blut- druckwerte im Vergleich zur unzureichenden Thera- pie der Hyperlipidämie. Dies ist zweifellos eine mög- liche Lesart der Ergebnisse, man kann die Resultate aber auch in einem anderen Licht sehen.

Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko

Diabetiker haben ein hohes kardiovaskuläres Risiko, und die Mehrzahl bedrohlicher und tödlicher Folgen besteht in makrovaskulären Erkrankungen. In der Re- gel ist also die Behandlung von Hochdruck und Fett- stoffwechselstörung bei diesen Patienten das Ent- scheidende. Die gute „Zuckereinstellung“ ist für die Reduktion der Hauptkomplikationen (1) eher sekun- där – soviel ist bekannt (1–3). Ebenso werden heute kardiovaskuläre Risikofaktoren in ihrer Gesamtheit gesehen (kardiovaskuläres Gesamtrisiko), was sich etwa auch in der Leitlinie der Hochdruckliga wieder- findet. Damit aber relativieren sich Angaben zu Grenzwerten der einzelnen Risikofaktoren (4–6).

Vielmehr geht es um die Beeinflussung eines Gesamt- risikos – zusammengesetzt aus allen Risikofaktoren.

Wenn das Konzept des Gesamtrisikos bisher in ei- ner standardisierten Form, also in Risikotabellen ab- lesbar, nur für die Primärprävention umgesetzt ist, so gilt es konzeptionell doch auch für die Sekundär- prävention. Zudem setzen andere Leitlinien, die als die besten evidenzbasierten Arbeiten angesehen wer- den (3, 7, 10), einen Diabetes nicht mit einer kardio- vaskulären Krankheitsmanifestation gleich, wenden also das Gesamtrisikokonzept der Primärprävention ebenfalls an.

Anders ausgedrückt: Die Dokumentation, welche einzelnen Zielwerte nicht erreicht werden, kann nur der Beginn einer Diskussion sein, denn aus solchen Angaben kann man nur eingeschränkt auf die Versor- gungsqualität schließen. Um diesen Zusammenhang wissen auch die Autoren und kündigen dankenswer- terweise eine derartige Auswertung mit Berücksichti- gung eines Gesamtrisikos an.

Dennoch kann grundsätzlich festgehalten werden: Je stärker ein Risikofaktor ausgeprägt ist, desto höher ist auch das Risiko für Folgeschäden. Daher ist es das Beste, Risikofaktoren möglichst weit abzusenken. So richtig dies prinzipiell ist, so unbestritten ist auch, dass der Grenznutzen – gemessen etwa als „number needed to treat“ – abnimmt, je weiter man einen Risikofaktor absenkt (4–6, 8). Daher muss man sich fragen, zu wel- chem Preis eine drastische Reduzierung der Risikofak- toren zu erreichen ist und welchen Gewinn man damit erzielt (9). Es mag durchaus Patienten und Ärzte geben, die in bestimmten Situationen den Aufwand einer Risi- kofaktorabsenkung im Verhältnis zum erwartbaren Nutzen als nicht mehr lohnenswert erleben.

Nachdenklich stimmt auch, dass selbst in den meisten klinischen Studien die Patienten im Mittel nicht die Grenzwerte erreicht haben, die in der Arbeit von Berthold et al. zugrunde gelegt werden, obwohl hier ausgewählte Patientengruppen unter in der Regel besonders intensiver ärztlicher Betreuung stehen. So erreichten zum Beispiel in der ALLHAT-Studie den angestrebten Blutdruck von < 140/90 lediglich 60 % – und dies waren auch nur Personen mit initial leichtem bis mittelschwerem Blutdruck (10).

Unterschiedliche nationale Leitlinien

In anderen Nationen gelten andere Maßstäbe, wie die Leitlinien aus England (3), den Niederlanden (10) oder Neuseeland (7) zeigen. Legt man einmal als Gedanken- experiment die in diesen Leitlinien verwendeten Grenz- werte zugrunde, dann kommt man zu einem anderen Bild auf der Basis der von Berthold et al. präsentierten Daten:

Ungefähr 6 von 10 Patienten (64 %) haben eine ausrei- chende Blutzuckereinstellung mit einem HbA1c bis 7,5 mg % – sogar 77 %, wenn man einen HbA1cbis 7,9 akzeptiert. Einen ausreichenden systolischen Blutdruck bis 150 mm Hg erreichten 63 %; 60 % hätten eine gute Einstellung bei einer Orientierung an einem diastolischen Blutdruck bis 85 mm Hg oder 70 %, wenn man als Grenzwert bis 89 mm Hg definiert. Und 74 % kommen EDITORIAL

Versorgung von Typ-2-Diabetikern:

Eine Arbeit, zwei Interpretationen

Heinz-Harald Abholz

Abteilung Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf: Prof. Dr.

med. Abholz

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A860 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007

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mit ihrem LDL-Cholesterin nicht über 159 mg/dL (alle Zahlen aus den Abbildungen bei Berthold entnommen).

So betrachtet, könnte man die Zahlen sogar als Do- kument einer relativ guten Versorgungslage interpre- tieren, weil doch etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Versorgten die einzelnen Grenzwerte erreicht und ver- mutlich ein nennenswerter Teil der Patienten auch nur ein eher niedriges Gesamtrisiko haben dürfte. Aber auch dies wäre natürlich eine vereinfachende Darstel- lung – nur diesmal aufgrund anderer Grenzwerte. War- ten wir also auf die Auswertung des Gesamtrisikos.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 31. 1. 2007, revidierte Fassung angenommen: 15. 2. 2007

LITERATUR

1. Sawicki PT, Vester EG: Kardiale Komplikationen bei Diabetes mellitus. In: Berger M (ed.): Diabetes mellitus, 2. Auflage München:

Urban & Fischer 2000.

2. Hovens NM, Tamsma JT, Beishuizen ED, Huisman HV: Pharmacolo- gical strategies to reduce cardiovascular risk in typ 2 diabetes mellitus: an update. Drugs 2005; 65: 433–45.

3. The Royal College of General Practitioners/Effective Clinical Practice Unit, Sheffield/NICE: Clinical guidelines for typ 2 diabetes – Blood pressure management/lipid management.

www.shef.ac.uk/guidelines

4. De Baker G et al.: European guidelines on cardiovascular disease prevention in general practice. Europ Heart J 2003; 24: 1601–10.

5. Borgers D: Kardiovaskuläre Primär-Prävention: wie behandelt man multifaktorielles Risiko? Zeitschr Allg Med 2004; 80: 463–9.

6. Jackson R, Carlene M, Lawes M et al.: Treatment with drugs to lower blood pressure and blood cholesterol based on an individu- al's absolute cardiovascular risk. Lancet 2005, 365: 434–41.

7. New Zealand Guidelines: Evidence based best practice guide- lines: Assessment and Management of cardiovascular risk. 2003.

www.nzgg.org.nz/guidelines/0035/CVD_Risk_Full.pdf 8. Snow V, Weiss KB, Matur-Pilson C et al.: The evidence base for

tight blood pressure control in the management of typ 2 diabetes mellitus. Ann Intern Med 2003, 138: 587–92.

9. Pogach L, Engelgau M, Aron D: Measuring progress towards achieving HbA1c goals in diabtes care. JAMA 2007; 297: 520–3.

10. NHG-Standaard: Cardiovasculaire risicomangement;

vers. 2007, N 84. http://nhg.artsennet.nl/content/resources//

AMGATE_6059_104_TICH_R1195991373945248//

States of type 2 diabetes care in Germany: one study, two interpretations Dtsch Arztebl 2007; 104(13): A 859–60.

Anschrift für den Verfasser Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz Abteilung Allgemeinmedizin Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt.de/english

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REFERIERT

Jo-Jo-Effekt erhöht Gallensteinrisiko

Der Jo-Jo-Effekt bei der Gewichtsreduktion adipöser Patienten frustriert diese ebenso wie die behandelnden Ärzte und fördert die Entwicklung symptomatischer Gallensteine. In der Health-Professionals-Follow-up- Studie wurden 26 000 männliche Probanden ohne Gallensteine im Jahr 1992 nach Gewichtsschwankungen in den vergangenen 4 Jahren be- fragt. Während einer 10-jährigen Nachbeobachtungsperiode mit insge-

samt 260 000 Patientenjahren erkrankten 1 222 Patienten neu an ei- nem Gallensteinleiden. Männer mit schwankendem Körpergewicht ent- wickelten dabei signifikant häufiger symptomatische Gallensteine als Personen mit stabilem Körpergewicht: Bei Männern mit stark schwan- kendem Gewicht war das Risiko eines Gallensteinleidens um 42 % er- höht, bei gleichbleibendem Gewicht nur um 11 %. Der Effekt war umso ausgeprägter, je häufiger das Körpergewicht ab- und zunahm. w

Tsai C-J et al. : Weight cycling and risk of gallstone disease in man. Arch Intern Med 2006; 166: 2369–74.

E-Mail: hpcji@channing.harvard.edu

Kolorektale Karzinome häufiger bei Diabetikern

Vielleicht muss der Diabetes mellitus als Risikofaktor für das kolorektale Karzinom in die Leitlinien des Tumorscreenings aufgenommen werden.

Dies legen 2 amerikanische Studien nahe, die im American Journal of Gastroenterology publiziert wurden. Die erste Arbeit basiert auf Daten des Rochester Epidemiology Project. Unter 86 000 Einwohnern fanden die Autoren 1975 Diabetiker (1). Von denen erkrankten 51 innerhalb von 19 000 Patientenjahren an einem kolorektalen Karzinom. Erwartet wor-

den waren 37 Fälle. Die standardisierte Inzidenzrate wurde mit 1,39 er- mittelt. Für Männer betrug diese 1,67, für Raucher 1,77 und für das pro- ximale Kolonkarzinom 1,96. Frauen hatten kein erhöhtes Krebsrisiko.

In der zweiten Studie wurde das Risiko kolorektaler Adenome bei 100 postmenopausalen Frauen mit Typ-2-Diabetes bestimmt (2). Nach Berücksichtigung von Alter, Hypertonus, Hypercholesterinämie, BMI und Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika hatten Diabetikerinnen ein etwa doppelt so hohes Risiko für kolorektale Adenome als Krebsvor-

stufen wie die Kontrollgruppe. w

1. Limburg PJ et al.: Clinically confirmed type 2 diabetes mellitus and colorectal cancer risk: a population-based, retrospective cohort study. Am J Gastroenterol 2006; 101: 1872–9.

E-Mail: limburg.paul@mayo.edu

2. Elwing JE, Gao F, Davidson NO, Early DS: Type 2 diabetes mellitus: the impact on colorectal adenoma risk in women. Am J Gastroenterol 2006; 101: 1866–71.

JE Elwing, Division of Gastroenterology, Washington University School of Medicine, St. Louis, Missouri 63110, USA

Referenzen

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