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Archiv "Multisystemische Erkrankungen im Kindesalter durch erbliche Defekte der Glykoproteinbiosynthese" (17.11.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006 A3101

S

toffwechselerkrankungen in der Synthese von Glykoproteinen, die durch monogenetische, au- tosomal rezessiv vererbte Defekte hervorgerufen wer- den, sind im Vergleich zu vielen anderen erblich be- dingten Stoffwechselstörungen erst im Verlauf der letzten Jahre erkannt worden. Dies ist vor allem auf das sehr heterogene klinische Erscheinungsbild der Erkrankungsgruppe zurückzuführen. Vermutlich ist daher eine erhebliche Zahl betroffener Patienten bis- her noch nicht identifiziert worden. Darüber hinaus ergibt sich aus der Komplexität des gesamten Glyko- sylierungsvorgangs (Grafik 1), dass die bisher be- schriebenen 18 molekularen Ursachen für Congenital Disorders of Glycosylation (CDG) nur einen kleinen Ausschnitt aller existierenden Erkrankungen in die- sem Stoffwechselweg repräsentieren (1, 2).

Die einzelnen CDG-Erkrankungen können viele Organe betreffen, wobei häufig neurologische De- fekte im Vordergrund stehen (Tabelle Internet). Neben Symptomen wie Entwicklungsverzögerungen kombi- niert mit gestörter Nahrungsaufnahme und häufigem Erbrechen, Ataxie, Mikrozephalie, verminderter Ner- venleitgeschwindigkeit, persistierenden Infektionen und Hydrops fetalis werden bei vielen CDG-Patienten bei der Geburt invertierte Brustwarzen und Fettan- sammlungen im Gesäß- und Oberarmbereich beob- achtet. Als ophthalmologische Befunde werden Stra- bismus, Retinitis pigmentosa, optische Atrophie, Ko- lobome der Iris und Katarakte beschrieben. Weiterhin weisen einige CDG-Patienten hormonell bedingt ver- mindertes Wachstum, Hypogonadismus und Hyperin- sulinämie auf.

Orthopädische Probleme können sich als Osteope- nie, Exostose und Gelenkkontrakturen manifestieren.

Häufig werden Koagulationsstörungen beobachtet, die mit Thrombosen, Hämophilie und Phlebitis ein- hergehen können. Besonders in den ersten Monaten nach der Geburt erleiden einige Patienten lebensbe- drohliche kardiale Probleme, die durch Kardiomyopa- thie, Perikarditis oder Perikardergüsse hervorgerufen werden können. Im gastrointestinalen Bereich werden bei CDG-Patienten chronische Diarrhöe, Hepatome- galie und Enteropathie mit Proteinverlust beschrie- ben. Proteinurie, Mikrozysten und proximale Tubulo- pathien sind die häufigsten renalen Veränderungen (1, 2, 3).

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: „Congenital Disorders of Glycosylation“ (CDG) sind erblich bedingte Defekte der Glykoproteinbiosynthese, die zu Multiorgan-Erkrankungen mit oftmals schweren neurologischen Störungen führen. Sie stellen eine neue, sich rasch vergrößernde Gruppe von Stoffwechseldefekten beim Menschen dar, die noch vor 25 Jahren völlig unbe- kannt war. Methoden: Übersichtsartikel anhand ausgewähl- ter Publikationen. Ergebnisse: Die Aufklärung der geneti- schen und biochemischen Grundlagen von CDG haben bisher nicht nur die Diagnostik und das Verständnis pathobioche- mischer Zusammenhänge bei Störungen der Glykoprotein- biosynthese verbessert, sondern in Einzelfällen auch zu einfachen und wirkungsvollen Therapieansätzen innerhalb dieser Erkrankungsgruppe geführt. Diskussion: Bis heute wurden 18 verschiedene autosomal rezessiv vererbte CDG- Typen identifiziert, die wahrscheinlich nur die Spitze eines Eisbergs darstellen. Da der biochemische Prozess der Gly- kosylierung von vielen Genen gesteuert wird, ist zu vermu- ten, dass die Zahl der molekularen Ursachen für CDG deut- lich höher liegt. Dtsch Arztebl 2006; 103(46): A 3101–7.

Schlüsselwörter: kongenitale Fehlbildung, Glykoproteinbio- synthese, molekulare Medizin, Genmutation, pädiatrische Er- krankung

SUMMARY

INHERITED DISORDERS OF GLYCOPROTEIN BIOSYNTHESIS

Introduction: Inborn errors of glycoprotein biosynthesis lead- ing to multiorganic diseases, often associated with severe neurological deficiencies, are termed congenital disorders of glycosylation (CDG). CDG comprise a new, rapidly expand- ing group of metabolic diseases in men which were com- pletely unknown 25 years ago. Methods: Selective literature review. Results: The identification of the genetic and biochemical basis of CDG has not only improved clinical diagnosis and the understanding of pathobiochemical effects caused by deficiencies in glycoprotein biosynthesis, but has led in some cases to simple and effective therapies.

Discussion: The 18 different autosomal recessive CDG which have been identified so far are probably only the tip of an iceberg. Due to the genetic complexity of the affected metabolic pathway, the total number of CDG is probably much higher. Dtsch Arztebl 2006; 103(46): A 3101–7.

Key words: congenital malformation, glycoprotein biosynthe- sis, molecular medicine, pediatric genetic disorder

ÜBERSICHT

Multisystemische Erkrankungen im

Kindesalter durch erbliche Defekte der Glykoproteinbiosynthese

Christian Körner, Kurt von Figura

Universitätskinderkli- nik, Abteilung I, Sekti- on Metabolische und Endokrinologische Er- krankungen, Ruprecht- Karls-Universität, Hei- delberg (Prof. Dr. rer.

nat. Körner) Zentrum für Molekulare Zellbiolo- gie, Abteilung Bioche- mie II, Georg-August- Universität, Göttingen (Prof. Dr. med. Dr. h.c.

von Figura)

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Die Untersuchung von CDG-Erkrankungen (Grafik 2) wird durch die Analyse der Zuckerketten, die mit dem Serumprotein Transferrin verknüpft sind, einge- leitet. Dabei bedient man sich der isoelektrischen Fokussierung, die es erlaubt, den Ladungszustand die- ses Proteins im elektrischen Feld zu analysieren (Gra- fik 3a). Obwohl dieser Suchtest relativ einfach durch- zuführen ist, und es viele Anstrengungen von Fachärz- ten, Wissenschaftlern und Elternvereinen (beispiels-

weise www.cdg-syndrom.de) gibt, das CDG-Syndrom bei den Ärzten allgemein bekannt zu machen, werden sehr viele CDG-Patienten bisher vermutlich nicht er- kannt.

Das Verständnis der molekularen Ursachen für CDG (Tabelle Internet) hat die Diagnostik dieser neu- en Erkrankungsgruppe verbessert und darüber hinaus in einigen Fällen zu Therapieerfolgen geführt. So konnten durch die orale Gabe des Zuckers Mannose Biosynthese von N-Glykanen. Die Biosynthese von N-Glykanen beginnt mit dem Transfer Nukleotid-aktivierter N-Acetylglucosamin- und Mannosereste auf das Lipid Dolicholphosphat. Dabei entsteht auf der äußeren Seite des endoplasmatischen Retikulums zunächst das Dolichol-verknüpfte Oligosaccharid-Intermediat Dolichol-PP- GlcNac2Man5, das anschließend in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums (ER) transferiert wird. Dort wird die Oliogosaccharidkette um weitere Mannose- und Glucosereste verlängert, wobei Dolicholphosphat-Mannose und Dolicholphosphat-Glucose als Donorsubstrate dienen. Alle Reaktionen außerhalb und innerhalb des en- doplasmatischen Retikulums werden von verschiedenen Glykosyltransferasen katalysiert. Das Oligosaccharid GlcNac2Man9Glc3wird durch die komplex aufgebaute Oligosaccharyltransferase (OST) auf neusynthetisierte Glykoproteine übertragen. Im Rahmen der nachfolgenden Prozessierung werden die drei Glucosereste und ein Mannoserest entfernt. Dieser Vorgang spielt eine zentrale Rolle innerhalb der Qualitätskontrolle der Proteinfaltung. Die neusynthetisierten Glykoproteine werden durch vesikulären Transport in den Golgi-Apparat überführt. Dort finden weitere Prozessierungsschritte statt, in deren Verlauf zunächst verschiedene Mannosidasen die Oligo- saccharide auf GlcNaAc2Man3verkürzen. Das verkürzte Oligosaccharid wird anschließend mithilfe von N-Acteylglucosaminyltransferasen, Galactosyltransferasen, Sia- lyltransferasen und Fukosyltransferasen verlängert, bevor die reifen Glykoproteine an ihren Bestimmungsort transportiert werden.

GRAFIK 1

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A3104 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006 bei CDG-Ib-Patienten lebensbedrohliche Darmblu-

tungen zum Stillstand gebracht werden (Grafik 1) (4).

Weiterhin vermindert die orale Gabe von Fukose bei einigen CDG-IIc-Patienten die schwere Infektanfäl- ligkeit (Grafik 1) (5).

Biochemische Grundlagen

Beim Menschen sind mehr als 100 Glykosyltransfera- sen, Glykosidasen und Transporter am Glykosylie- rungsprozess beteiligt. Sie sind innerhalb der Körper- zellen im Zytosol, dem endoplasmatischen Retikulum und dem Golgi-Apparat lokalisiert (Grafik 1) (6). Er- bliche Defekte, die auf diese Enzyme zurückgeführt werden können, werden in zwei Untergruppen geglie- dert. CDG-Typ I betrifft Glykosylierungsstörungen im Zytosol und im endoplasmatischen Retikulum.

Diese Erkrankungsgruppe umfasst Defekte in der De- novo-Synthese von Oligosacchariden, die an den Li- pidträger Dolichol gebunden sind, einschließlich der nachfolgenden Übertragung der Zuckerstrukturen auf neusynthetisierte Glykoproteine. CDG-II beschreiben Defekte, die die nachfolgenden Prozessierungsschrit- te betreffen. Dabei werden die Oligosaccharide im en- doplasmatischen Retikulum und im Golgi-Apparat

zunächst verkürzt und anschließend durch die Ver- knüpfung mit anderen Monosacchariden in ihre end- gültige Struktur überführt. (Grafik 1, Tabelle Internet) (1, 7, 8).

Die biochemische Grundlage zum Verständnis von CDG besteht darin, dass viele Proteine mit Zuckerre- sten verknüpft werden müssen, um ihre physiologi- schen Aufgaben zu erfüllen. Der komplexe, als Glyko- sylierung bezeichnete Prozess stellt eine der häufigsten und strukturell variabelsten Modifikationen von Ei- weißmolekülen dar. Die Glykosylierung führt zur Ver- änderung der physikochemischen Eigenschaften der Proteine hinsichtlich ihrer Polarität, Löslichkeit und Stabilität. Glykoproteine sind an vielen lebenswichti- gen Vorgängen wie Wachstum, Differenzierung, Ent- wicklung von Organen, Signalübertragung, Abwehr, Entzündung aber auch an maligner Entartung beteiligt.

Die Zuckeranteile der Glykoproteine sind für die kor- rekte Faltung der Proteine, den gerichteten Transport und die biologische Aktivität sehr wichtig. Die Glyko- sylierung ist Träger eines Codes, dessen Speicherkapa- zität aufgrund der Strukturvielfalt der Glykane die Ka- pazität der klassischen Informationsträger wie Nukle- insäuren und Proteine weit übersteigt (6).

GRAFIK 2 Übersicht zur

Diagnose von CDG.

Die initiale labor- chemische Untersu- chung bei Patienten mit CDG-Verdacht besteht in der isoelektrischen Fokussierung des Serumtransferrins.

Bei einem Typ-I- CDG-Muster sollte nachfolgend eine Bestimmung der PMM- oder PMI- Aktivität erfolgen.

Weiterführende Analysen, wie die Bestimmung Dolichol- bzw.

Protein verknüpfter Oligosaccharide, spezifischer Trans- porter- oder Enzym- aktivitäten und DNA-Analysen, können in Labors durchgeführt wer- den, die auf CDG-Erkrankungen

spezialisiert sind.

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Im Folgenden soll auf die häufigsten CDG-Typen, CDG-Ia, CDG-Ib und CDG-Ic, eingegangen werden, die etwa 90 Prozent der CDG-Patienten betreffen. Ei- ne Übersicht aller bisher bekannten 18 CDG-Typen und ihrer Leitsymptome ist in der Tabelle im Internet dargestellt.

Congenital Disorder of Glycosylation Ia

Die häufigste Form des CDG-Syndroms wird als CDG-Ia bezeichnet. Diese Erkrankung wurde bisher bei mehr als 500 Patienten weltweit diagnostiziert und betrifft damit etwa 80 Prozent aller bekannten CDG- Patienten. Weil der klinische Verlauf und die Sympto- me sehr variabel sind (9), ist es schwierig, CDG-Ia als eine klinische Entität zu erkennen. Bei Neugeborenen können muskuläre Hypotonie, psychomotorische Re- tardierung und zerebelläre Hypoplasie von einigen auffälligen dysmorphen Zeichen wie subkutanen Fett- polstern, invertierten Brustwarzen und Strabismus convergens begleitet werden (Grafik 3 b, c). Etwa 20 Prozent der Kinder sterben innerhalb der ersten bei- den Lebensjahre an Leber- und Nierenversagen oder an Herzmuskelschwäche. Häufig kommt es zu Ge- deihstörungen, die auf Anorexie, Erbrechen und Di- arrhö zurückzuführen sind. In späteren Lebensphasen dominieren geistige Retardierung, motorische Störun- gen und Krampfanfälle, die häufig in Fieberphasen auftreten. Die Kinder können außerdem an throm- boembolischen Störungen leiden, die vermutlich auf

die Hypoglykosylierung des Gerinnungsfaktors XI und der Antikoagulationsfaktoren Protein C und Anti- thrombin III zurückzuführen sind. Bei weiblichen Pa- tienten führt CDG-Ia häufig zu einem Hypogonadis- mus (Tabelle).

Die molekulare Ursache für CDG-Ia ist auf Muta- tionen im PMM2-Gen zurückzuführen. Dieses Gen kodiert für das Enzym Phosphomannomutase 2 (Gra- fik 1, Tabelle Internet) das die Umsetzung von Man- nose-6-Phosphat zu Mannose-1-Phosphat katalysiert.

Ein Defekt des Enzyms führt zur verminderten Syn- these von GDP-Mannose, einem zentralen Stoffwech- selprodukt im Rahmen der Glykoproteinbiosynthese (Grafik 1) (10). Dies hat einen Verlust kompletter Oli- gosaccharidketten an Glykoproteinen zur Folge.

Die klinische Verdachtsdiagnose sollte zunächst an- hand der isoelektrischen Fokussierung des Serum- transferrins überprüft werden (Grafik 3a). Lässt sich eine Akkumulation von Disialotransferrin und Asialot- ransferrin bei gleichzeitiger Abnahme des Tetrasialot- ransferrins nachweisen, sollte die Aktivität der Phos- phomannomutase in Hautfibroblasten oder Leuko- zyten der Patienten bestimmt werden (Grafik 2). Bei einigen CDG-Patienten konnte lediglich eine modera- te Verminderung der Enzymaktivität von Phospho- mannomutase festgestellt werden, obwohl Mutationen im PMM2-Gen vorhanden waren (11). Deshalb ist es bei allen CDG-Verdachtsfällen mit einem CDG-I- Transferrinmuster und einer leicht verminderten Phos- phomannomutase-Aktivität erforderlich, das PMM2-

GRAFIK 3 Isoelektrische Fokussierung von

Serumtransferrin, charakteristische Stigmata von Neugeborenen mit CDG-Ia und typische Kleinhirnatrophie.

a) Bei der isoelektrischen Fokussierung werden Proteine nach ihrer Ladung im elektrischen Feld aufgetrennt. Im Serum- transferrin von Kontrollpersonen liegt der Großteil des Proteins in der Tetrasialoform vor, wobei allerdings auch geringe Men- gen Tri-, Penta- und Hexasialotransferrin nachweisbar sind (Spur 1). Bei CDG-Er- krankungen vom Typ I (CDG-I) erscheinen zusätzlich zur Tetrasialotransferrinbande, Di- und Asialotransferrinbanden, die durch den Ladungsverlust, der durch fehlende Sialinsäurereste hervorgerufen wird, entstehen (Spur 2).

b) Häufig beobachtete Stigmata bei neugeborenen CDG-Ia-Patienten sind Fettpolster im Oberarm und Gesäß- bereich, invertierte Mamillen und Strabismus convergens (siehe Pfeile).

c) MRT-Aufnahme eines CDG-Ia-Patienten mit zerebellärer Hypoplasie (siehe Pfeil).

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A3106 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006 Gen molekulargenetisch zu analysieren. Die Mutati-

onsanalyse ist darüber hinaus die einzige Möglichkeit für eine pränatale Diagnostik, weil das Serumtransfer- rinmuster betroffener Kinder in utero in der isoelektri- schen Fokussierung nicht verändert ist (12).

Obwohl in Hautfibroblasten von CDG-Ia-Patienten nach Gabe von Mannose beziehungsweise Reduktion von Glucose eine Normalisierung des Glykosylie-

rungsdefektes erreicht wurde (13, 14), war bisher we- der die orale noch die intravenöse Gabe von Mannose, auch in Kombination mit einer ketogenen Diät, thera- peutisch erfolgreich. Alternative Therapieansätze wer- den zurzeit im Mausmodell getestet.

Congenital Disorder of Glycosylation Ib

Der klinische Phänotyp von CDG-Ib geht im Ver- gleich zu CDG-Ia nicht mit Dysmorphien und neuro- logischen Defekten einher. Stattdessen leiden die bis heute bekannten etwa 30 Patienten hauptsächlich an gastrointestinalen und hepatischen Symptomen.

Chronische Diarrhö und häufiges Erbrechen können zu einer Enteropathie mit Proteinverlust und Wachs- tumsstörungen führen. Duodenale Biopsien weisen in einigen Fällen eine partielle Atrophie der Villi auf. Bei einigen CDG-Ib-Patienten besteht eine hepatische Fi- brose und hyperinsulinämische Hypoglykämie. Durch die vermehrte Neigung zu venöser Thrombose können lebensbedrohliche Darmblutungen entstehen. Die Al- buminwerte sind reduziert, wohingegen die Leber- transaminasen häufig erhöht sind. Ähnlich wie bei CDG-Ia werden Koagulopathien mit verminderten Spiegeln von Faktor XI, Antithrombin III und Protein C beobachtet (4).

Der Defekt von CDG-Ib wird auf Mutationen im Gen für das Enzym Phosphomannose-Isomerase zurückgeführt (Grafik 1, Tabelle Internet), das im Zy- tosol die Umsetzung von Fructose-6-Phosphat zu Mannose-6-Phosphat katalysiert. Diese Reaktion ist dem bei CDG-Ia betroffenen Reaktionsschritt direkt vorgelagert. Vergleichbar mit CDG-Ia führt auch hier die eingeschränkte Enzymaktivität durch die Vermin- derung des GDP-Mannose-Spiegels zur Abnahme der Oligosaccharidketten an Glykoproteinen.

Wie bei CDG-Ia wird die Verdachtsdiagnose bei CDG-Ib zunächst durch die isoelektrische Fokussie- rung des Serumtransferrins überprüft. Ist eine Akku- mulation von Disialotransferrin und Asialotransferrin und eine gleichzeitige Abnahme des Tetrasialotrans- ferrins nachweisbar, kann die Diagnose durch eine Aktivitätsbestimmung der Phosphomannose-Isome- rase in Fibroblasten oder Leukozyten der Patienten und eine genetische Analyse des PMI-Gens gesichert werden (Grafik 2).

Weil Mannose, ähnlich wie Glucose, über Trans- portproteine in Körperzellen aufgenommen und dort von dem Enzym Hexokinase in Mannose-6-Phosphat umgesetzt wird (Grafik 1), bessert bei den meisten CDG-Ib-Patienten die orale Gabe von Mannose die Symptome (4).

Congenital Disorder of Glycosylation Ic

Die klinische Symptomatik bei CDG-Ic verläuft zu- meist milder als bei CDG-Ia. Die für CDG-Ia charak- teristischen Dysmorphien, verminderten Muskelei- genreflexe und die reduzierte Nervenleitgeschwindig- keit fehlen häufig. Die Kleinhirnatrophie ist bei CDG- Ic-Patienten, wenn überhaupt, nur gering ausgeprägt.

Bei den bisher bekannten etwa 50 CDG-Ic-Patienten wurden psychomotorische Retardierung, muskuläre Hypotonie, dystone Bewegung und Krampfanfälle be- schrieben. Analog zu CDG-Ia und CDG-Ib sind Anti- thrombin III und Faktor XI vermindert (15).

Die Erkrankung wird auf Mutationen im hALG6- Gen zurückgeführt. Dieses Gen kodiert das im endo- plasmatischen Retikulum lokalisierte Enzym Gluco- syltransferase I (15, 16, 17) (Grafik 1).

Wie bei CDG-Ia und CDG-Ib ist der erste Schritt bei der Diagnostik von CDG-Ic eine isoelektrische Fokussierung des Serumtransferrins. Dabei zeigt sich ein typisches CDG-I-Muster mit einem Anstieg des Di- und Asialotransferrins bei gleichzeitiger Vermin- derung des Tetrasialotransferrins. Allerdings ist die Asialotransferrinbande bei CDG-Ic häufig schwächer ausgeprägt als bei CDG-Ia und CDG-Ib (15). Die weiterführende Analytik bei CDG-Ic erfolgt durch die HPLC-Analyse (HPLC, high pressure liquid chro- matography) radioaktiv markierter Dolichol-ver- knüpfter Oligosaccharide aus Hautfibroblasten des Verdachtspatienten. Bei einer für CDG-Ic typischen Akkumulation von verkürzten Oligosacchariden er- folgt eine genetische Untersuchung des hALG6-Gens (Grafik 2).

Eine Therapie für CDG-Ic ist zurzeit nicht möglich.

Allerdings finden pharmakologische Studien am He- femodell statt, und es ist geplant, ein Mausmodell für Therapieversuche zu generieren.

Ausblick

Aufgrund der komplexen Klinik bei CDG sollten alle Patienten mit einem unklaren multiorganischen Lei- den, besonders in Verbindung mit einer Kombina- tion aus mentalen und psychomotorischen Störungen, TABELLE

Klinische Verlaufsformen von CDG-Ia Verlaufsform Beginn (Jahre) Leitsymptome

Frühinfantil 0–3 multisystemisch (psychomotorische Retardierung, Dysmorphien, zerebelläre Hypoplasie, axiale Hypotonie

Spätinfantil 3–10 mentale Retardierung, Retinitis pigmentosa, Ataxie, Anfallsleiden

Adoleszent 10–16 Atrophie der unteren Extremitäten

Adult ab 16 nicht progrediente Ataxie und mentale Retardie- rung, periphere Neuropathie, skoliotische Veränderungen, hypergonadotroper Hypogona- dismus bei weiblichen Patienten

(6)

Strabismus, zerebellärer Atrophie und Koagulopathi- en, auf CDG untersucht werden.

Zurzeit werden unter dem Oberbegriff CDG Er- krankungen zusammengefasst, die vor allem die Ver- knüpfung von Glykanen mit NH2-Gruppen von Aspa- raginresten von Glykoproteinen, die so genannte N- Glykosylierung, betreffen. Es gibt allerdings weitere genetische Defekte der Glykoproteinbiosynthese, die im Rahmen der bestehenden CDG-Nomenklatur bis- her noch nicht erfasst sind. Dazu gehören Störungen der O-Glykosylierung, bei der Oligosaccharide mit Hydroxylgruppen von Serin- und Threoninresten von Proteinen verknüpft werden. Diese Defekte führen zu muskulären Dystrophien und schweren neurologi- schen Behinderungen (18).

Außerdem ist ein Defekt in der Biosynthese von Proteoglykanen bekannt, der mit Progerie-Sympto- men einhergeht (19). Kürzlich wurden auch Mutatio- nen beschrieben, die zur Generierung neuer Glykosy- lierungsstellen in Proteinen und damit zu einer ver- stärkten Glykosylierung führen. Bei den Patienten wurden Mykobakteriosen festgestellt. Die Mutationen führen möglicherweise zu einer neuen oder erweiter- ten Funktion („gain of function“) im Interferon-γ2- Rezeptor (20).

Für den größten Teil der CDG-Patienten gibt es bis- her keine Therapie. Andererseits sind die Möglichkei- ten zur Aufklärung der molekularen und biochemi- schen Ursachen von CDG vorhanden (beispielsweise an der Universitätskinderklinik Heidelberg, Abteilung 1). Mausmodelle, an denen die Pathogenese der ver- schiedenen Formen von CDG analysiert werden kön- nen, sind teilweise schon verfügbar. Auf der Basis sol- cher Untersuchungen lassen sich Therapiekonzepte entwickeln, deren Wirksamkeit an diesen Tiermodel- len erprobt werden können.

Danksagung

Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fond der Chemischen Industrie für die Unterstützung der Forschungsprojekte.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 14. 10. 2005, revidierte Fassung angenommen: 4. 4. 2006.

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Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. rer. nat. Christian Körner Universitätskinderklinik Heidelberg Abteilung I

Sektion Metabolische und Endokrinologische Erkrankungen Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 153 69120 Heidelberg

E-Mail: Christian.Koerner@med.uni-heidelberg.de

Referenzen

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