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Archiv "Das passende Gen zum Film" (02.04.1993)

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Dt. Ärztebi. 90, Heft 13, 2. April 1993 (23) A1-935

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT DER BESONDERE FILM

L

orenzos Oil" lautet der Titel eines im April in deutschen Ki- nos anlaufenden Films. Wohl- habende Eltern entdecken, daß ihr Sohn eine schwere erbliche Krank- heit hat, für die keine Therapie be- kannt ist. Ohne medizinische oder wissenschaftliche Vorkenntnisse en- gagieren sie sich für die ausgedehnte Forschung, organisieren Symposien, entwickeln und vermarkten gegen unkalkulierbare Risiken eine einfa- che Mixtur, die ein wirksames Mittel in der Behandlung ihres kranken Sohnes und vieler anderer Leidens- genossen wird. Das klingt etwas weit- hergeholt? Ja! Aber oft scheint die Wirklichkeit unwahrscheinlicher als die Fiktion. Auf der Basis der o.g.

Geschichte hat „Universal Pictures"

gerade den Film „Lorenzos Oil" her- ausgebracht, der im Januar in den Kinos der USA anlief.

Die Krankheit, an der der fünf Jahre alte Lorenzo Odone 1983 er- krankte, heißt Adrenoleukodystro- phie (ALD). Die Adrenoleukody- strophie oder Adrenomyeloneuro- pathie wird X-chromosomal rezessiv vererbt. Während Männer erkran- ken, sind Frauen in der Regel sym- ptomfreie Anlageträgerinnen. Die Erkrankung wird durch den verän- derten Fettsäuremetabolismus klei- ner intrazellulärer Organellen, der Peroxisomen, verursacht. Die Stö- rung des oxidativen Abbaus langket- tiger Fettsäuren mit 24 bis 30 C-Ato- men führt zu deren überhöhtem Auftreten im Blut und in einzelnen Organen, insbesondere im Zentral- nervensystem und in der Nebennie- renrinde. Nervenzellmembranen werden nach übermäßigem Einbau.

dieser Fettsäuren durch autoimmu- nologische Reaktionen mit Hilfe von T4-Lymphozyten zerstört. Überlade- ne Zellen der Nebennierenrinde zei- gen Fehlfunktionen oder gänzlichen Ausfall.

Bei Auftreten der ALD im er- sten Lebensjahrzehnt stehen klinisch Störungen des ZNS im Vordergrund.

Der Verlauf ist in diesen Fällen schwer. Eher leichter verlaufen die ab dem dritten Lebensjahrzehnt be- ginnende AMN mit nur geringer und eher peripherer neurologischer Sym- ptomatik und die ALD mit primärer Nebennierenrindeninsuffizienz. Die

Krankheitsbilder sind auch inner- halb einer Familie uneinheitlich. Bei Morbus Addison sollte dabei diffe- rentialdiagnostisch an eine ALD/

AMN gedacht werden. Die Diagnose der ALD/AMN ist mit Hilfe der Konzentrationsbestimmung langket- tiger Fettsäuren möglich. Anlageträ- gerinnen zeigen jedoch nur zu 93 Prozent pathologisch erhöhte Werte.

Mit molekulargenetischen Metho- den kann im Rahmen einer Famili- enuntersuchung die Diagnosesicher- heit bei Heterozygoten auf über 99 Prozent erhöht werden.

„Lorenzos Oil": Triumph der Beharrlichkeit

Gleich drei Oscar—Nominierun- gen stehen für die Film—Fallge- schichte von „Lorenzos 01" ins Haus, für die Hollywood die Traum- fabrik heiß laufen ließ. Die Idee zum Film wurde in Australien ausgebrü- tet, namentlich von George Miller, dem Mann hinter Mel Gibson und den „Mad Max"-Radaustreifen. Mil- ler, Filmregisseur mit abgeschlosse-

Der genetisch kran- ke Lorenzo Odone

(Zack O'Malley Greenburg) mit sei- ner Film-Mutter (Susan Sarandon), die um das Leben ihres Sohnes kämpft und die Ent- wicklung eines Me- dikamentes zusam- men mit ihrem Mann selbst in die Hand genommen hat

Foto: (c) United International Pictures

Seit Februar 1993 ist das ALD- Gen bekannt und damit eine direkte Genotyp-Analyse einzelner Betrof- fener und Risikopersonen mit nahe- zu hundertprozentiger Aussagesi- cherheit möglich. Eine Pränataldia- gnostik ist durchführbar. Eine diäte- tische Therapie wird seit einigen Jahren mit teilweisem Erfolg durch- geführt. Langzeitergebnisse stehen jedoch noch aus. In den USA wurden in jüngster Zeit, in Kombination mit der Diät, erfolgreich Knochenmarks- transplantationen durchgeführt.

Ernst Krasemann, Göttingen

nem Medizinstudium, hatte vom Fall der Familie Odone aus der Zeitung erfahren. „Als Arzt", so seine erste Reaktion, „habe ich kein Wort von der Geschichte geglaubt. Dann traf ich mich mit den Odones, recher- chierte sorgfältig und war schließlich unglaublich beeindruckt."

Miller hat seine Faszination für die Ereignisse in spannenden Szenen arrangiert, die die gleiche Faszinati- on auf den Zuschauer ausüben. Der Film beginnt in Ostafrika, wo die

Das passende Gen zum Film

Auf eine ungewöhnliche Duplizität der Ereignisse macht Dr. med.

Ernst Krasemann, Institut für Humangenetik, Universität Göttingen, aufmerksam. Im Januar lief in den USA der spektakuläre Film über eine genetische Erkrankung - „Lorenzos Oil" - an, und im Februar wurde das verursachende Gen bekannt (beschrieben in „Nature"

vom 25. Februar 1993, Vol. 361, No. 6414). Die nachstehenden

Texte berichten aus medizinischer und kineastischer Sicht.

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Risse im Fundament

Auftrag und Herausforderung des Arztes in einem reglementierten System

Ernst-Eberhard Weinhold

Den Auftrag des Arztes als „Behandler", „Anwalt", „Betreuer"

und „Seelsorger" seiner Patienten kann kein Staat aufheben und auch nicht in seiner Kernsubstanz verändern. Allerdings ist die Ausübung des Arztberufes in freier Praxis heute schwieri- ger denn je geworden. Zu sehr sind der Arzt und sein Beruf in staatlich kontrollierte Rahmenbedingungen eingebunden, zu sehr überziehen ein Wust von bürokratischen Reglementierun- gen und komplizierte Vorschriften die ärztliche Praxis und ab- sorbieren einen Teil der Arbeitskraft des Arztes. Vor allem ver- langt der Arzt, daß sich die „Risse im Fundament" der ärztlichen Berufsausübung wieder schließen. Diese Axiome und Postulate sind die Leitgedanken eines Grundsatzbeitrages aus der Feder von Prof. Dr. med. Ernst-Eberhard Weinhold, Arzt für Allgemein- medizin aus Nordholz, Ehrenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (Hannover) und (wiederberufe- nes) Mitglied des acht Mitglieder zählenden Sachverständi- genrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen.

THEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Odone-Familie mehrere Jahre lebte und Sohn Lorenzo in der Landes- sprache aufwuchs. Aus beruflichen Gründen muß die Familie die heile Welt verlassen und zurück nach Washington ziehen. Mit der Rück- kehr in die amerikanische Realität kommt die Geschichte schnell zur Sache, in rascher Folge reihen sich die Zeichen, daß mit dem fünfjähri- gen Lorenzo etwas nicht stimmt:

Tobsuchtsanfälle, Gleichgewichts- störungen, Anzeichen von Gehörver- lust. Im Nu werden die Eltern mit der Tatsache konfrontiert: Lorenzos Erbanlagen tragen ALD, das Ende ist zwingend tödlich. Hier beginnt der Alleingang der Eltern, die sich gegen jede Hoffnung als Laien über Monate und Jahre in die Materie der genetischen Fehlfunktionen hinein- arbeiten und nach verschiedenen Rückschlägen einen Weg finden, die Krankheit zu stoppen.

Neben Nick Nolte und Susan Sa- randon als Eltern und Zack O'Mal- ley Greenburg als Lorenzo ist nach langer Zeit wieder einmal Peter Usti- nov zu sehen in einer ihm auf dem Leib geschriebenen Rolle als Präsi- dent eines Forschungsverbandes.

Der beeindruckendste Auftritt ist der des alternden Londoner Chemi- kers, der auf Vater Odones Anre- gung das Öl in geduldiger Arbeit destilliert. Wie eine surreale Heils- bringerfigur bewegt er sich in einem Röhrenlabor, das an Alphaville- Sience-Fiction der 50er Jahre erin- nert. Und alles ist echt: Don Sudda- by, der Lorenzos Öl als erster in den Händen hielt, spielt sich selbst.

Szenisch und schauspielerisch ist der Film durchweg intensiv und da- bei nie übertrieben. Vor allem die Kameraführung und die Ausstattung bewirken, daß Wohnzimmer, Kran- kenhäuser und Konferenzsäle immer etwas überlebensgroß Kathedrali- sches an sich haben. Für die riesen- hafte Bücherei, in der die Odones sich durch Berge von Literatur durcharbeiten, wurde gar eine still- gelegte Bahnhofshalle umfunktio- niert. Miller scheute keinen Manie- rismus, um einen sehenswerten Film zu schaffen, und folgte damit durch- aus dem Prinzip dieser Geschichte, daß der Zweck die Mittel rechtfer- tigt. Christian Köhl, Brisbane

m Anfang waren Opfergaben, als Glaube oder Aberglaube noch im Dunkel der kosmi- schen Mythen die bösen oder belei- digten Kräfte der Überirdischen um Versöhnung baten. Die Institution vermittelte das durch Priester oder Schamanen, deren Ansehen sie stützte und prägte. Das gibt es auch heute noch und heute wieder, wenn auch in abgewandelter Form zwi- schen Urglauben im Dschungel und modernen Sekten. Bezahlt wird im- mer, mit Diensten, mit Waren, mit Geld oder auch mit Hörigkeit.

Es gab und gibt feste Besoldun- gen, Ehrengaben (Honorare) nach eigener Wertung und Kraft, Vor- schriften, Sitten, Gesetze und, seit die Heilkunde in der Methodik ab- grenzbar und exakter wurde, Gebüh- renordnungen. Sie gehören zur Me- dizingeschichte. In der Praxis der Heilkunde mischen sich die Formen schon seit über 300 Jahren, wenig- stens im abendländischen Kultur- kreis.

Es mag wohl immer so gewesen sein, daß in der Ausübung der ärztli- chen Kunst auch Leistungsanreize von den jeweils erhofften Vergütun- gen ausgegangen sind. Aber immer hat sich die Arzteschaft zugute ge- halten, eigene Interessen hinter Pa- tienteninteressen rangieren zu las- sen. Stets war deshalb das Schreiben von Privatrechnungen ein Greuel.

Nur zu gern wird es deshalb dele- giert an externe Organisationen. So- gar um die gesetzlich vorgeschriebe- ne persönliche Verhandlung zwi- schen Arzt und Patient bei höheren als den üblichen Honorarforderun- gen drücken sich die „Halbgötter in Weiß" gern herum. Viele bescheiden sich sogar mit wenig attraktiven Mul- tiplikatoren, um nicht als „geldgie- rig" dazustehen. Natürlich wollen al- le Ärzte für ihre schwierige und ver- antwortungsvolle Arbeit entspre- chend honoriert werden — da ist es wieder, das Wort mit dem Klang von Ehrung und Wertschätzung —, aber das soll eine Art Bringschuld, eine A1 -936 (24) Dt. Ärztebl. 90, Heft 13, 2. April 1993

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