M E D I Z I N DISKUSSION
Die Autoren fordern präoperati- ve „Belastungsaufnahmen“ des Vor- fußes in zwei Ebenen. Es ist zu fragen, wie die Belastungsaufnahme in der zweiten Ebene angefertigt wird. In dem Übersichtsreferat wird nirgend- wo auf diese zweite Ebene zurückge- griffen.
Wofür ist sie dann überhaupt er- forderlich, abgesehen davon, daß man den Vorderfuß kaum in einer zweiten Ebene unter Belastung röntgen kann? Außerdem handelt es sich kor- rekterweise immer um Aufnahmen der Mittel-/Vorfußregion, das heißt, die Basen der Mittelfußknochen soll- ten mitabgebildet sein.
Da man mit einigen Verfahren die Möglichkeit hat, das Mittel- fußköpfchen in der Osteotomie leicht zu senken und damit den Längsge- wölbebogen etwas zu verstärken, wären, wenn denn an eine zweite Ebene gedacht wird, eher Röntgen- aufnahmen des Fußes seitlich im Stand sinnvoll. Meines
Erachtens ist aber die zweite Ebene praktisch nie erforderlich.
Leider ist es tatsäch- lich so, daß Patienten zur Operation von außer- halb fast immer Rönt- genaufnahmen in zwei Ebenen mitbringen, und diese sind dann zudem noch schlecht verwert-
bar, weil in der ap-Ebene nicht unter Belastung geröntgt wurde – der Ope- rateur also unter Umständen zu einer entsprechenden Neuanfertigung ge- zwungen ist.
Ergänzen möchte ich, daß auch die Arthrodese des MTP-I-Gelenkes beim Hallux valgus (bevorzugt beim Hallux rigidus allerdings) subjektiv gute und dauerhafte Ergebnisse bringt und deshalb in ausgewählten Fällen als primäres Verfahren durch- aus ihre Berechtigung hat. Der Erst- Autor gibt die Arthrodesen – ent-
gegen der Erfahrung zahlreicher Operateure – nur für Fehlschläge an- derer Hallux valgus-Operationen an.
Prof. Dr. med. C. Holland Orthopädie
St. Willibrord Spital Emmerich-Rees gGmbH
Postfach 10 08 53 · 46428 Emmerich
Ziel unseres Artikels war es, dar- auf hinzuweisen, daß kein einzelnes Operationsverfahren den unterschied- lichen Formen des Hallux valgus ge- recht werden kann. Eine differenzierte Therapie ist erforderlich. Dement- sprechend müssen vor der Operation die in unserer Arbeit angegebenen Ausmessungen vorgenommen werden und dann über das geeignete Operati- onsverfahren entschieden werden.
Obwohl die seitliche Vorfußaufnahme unter Belastung beim Hallux valgus nicht unabdingbar notwendig ist, ha- ben wir es uns zur Regel gemacht, bei allen Patienten mit Vorfußdeformitä- ten Belastungsauf- nahmen in zwei Ebenen anzufor- dern. Technisch ist die seitliche Auf- nahme gut durch- führbar: Der be- troffene Fuß wird auf ein etwa fünf Zentimeter dickes, strahlendurchlässiges Brett gestellt.
Der gegenseitige Fuß wird, etwas rück- wärts gesetzt, auf den Röntgentisch aufgestellt. Der Patient wird angehal- ten, das Gewicht gleichmäßig auf bei- de Beine zu verteilen. Die Röntgen- röhre wird an der Gegenseite horizon- tal eingestellt, so daß der Strahlengang am betroffenen Fuß von medial nach lateral gerichtet ist.
Wir verwenden die seitliche Vor- fußaufnahme, um die Neigung der Mittelfußknochen nach plantar zu be-
urteilen. Das Gelenk zwischen den Sesambeinen und dem Metatarsale-I- Köpfchen ist ebenfalls gut einsehbar, eine Verschiebung der Sesambeine nach proximal oder nach distal wird abgebildet. Die seitliche Belastungs- aufnahme dient auch dazu, die Gelenkspaltbreite des Metatarso- phalangealgelenks der Großzehe zu beurteilen. Verschleißerscheinungen an diesem Gelenk beginnen in der Regel im mehrbelasteten dorsalen Anteil und treten oft im Frühstadium auf dem Röntgenbild im dorsoplanta- ren Strahlengang noch nicht sicher in Erscheinung.
Die Arthrodese des Metatarso- phalangealgelenks zur Therapie des Hallux valgus verwenden wir nur ganz gelegentlich. Die Indikation hierzu ist selten, da wir die Indikation zur Arthrodese in der Regel nur bei Pati- enten unter 60 Jahren stellen und jen- seits des 60sten Lebensjahres der Re- sektionsarthroplastik den Vorzug ge- ben. Arthrotische Erscheinungen beim Hallux valgus treten aber oft erst jenseits des 60sten Lebensjahres auf.
Literatur:
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6. Wülker N, Wirth CJ, Maßmann J: Erkran- kungen an den Sesambeinen der Großzehe.
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Für die Verfasser:
PD Dr. med. Nikolaus Wülker Orthopädische Klinik der
Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift e. V.
Postfach 61 01 72 · 30625 Hannover
A-2237 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 36, 6. September 1996 (69)