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Archiv "Öffentliche Finanzen: Es wird eng" (22.03.1996)

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A-713 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 12, 22. März 1996 (1)

Laien lesen mit

eine Pick-Zellen zeigen ein geblähtes Zytoplasma oh- ne Nissl-Substanz“ – in ei- nem der letzten Hefte dieser Zeit- schrift stand dieser Satz. Man könnte sich vorstellen, daß ein Pa- tient, über dessen Krankenbett hinweg sich zwei Ärzte diesen Be- fund mitteilen, versucht wäre, auf- zustehen und zu protestieren (was er aber im Zustand einer Demenz schwerlich könnte).

Nun gut; das ist Fachsprache, und sie ist wohl auch Ausdruck für das Bestreben der Ärzte, den Pati- enten zu (ver)schonen. Dies hat sehr viel für sich; es muß aber neu bedacht werden. Ärzte müssen heutzutage stets damit rechnen, daß Laien sie auf ihren Umgang mit der mündlichen und schriftlichen

Sprache hin genau beobachten.

Das ist vielen Ärzten auch längst klar. Deshalb sind in den letzten zehn oder zwanzig Jahren ja auch Floskeln wie „Krankengut“ oder

„kam ad exitum“ fast völlig aus der ärztlichen Fachpresse verschwun- den. Hier haben auch Fachjourna- listen viel dafür getan, den Ärzte- stand weniger angreifbar zu ma- chen.

Aber es ist noch viel zu tun.

Warum verwenden Ärzte zum Bei- spiel viel zu oft das Passiv, wo man ohne weiteres das Aktiv setzen könnte (das meist für eine kräftigere Ausdrucksmöglichkeit sorgt)? Warum merkt der Verfas- ser eines Aufsatzes zum Beispiel nicht, daß der Ausdruck „die ange- gebenen Angaben“ unbeholfen

wirkt? Und warum erfinden Auto- ren regelrecht ihre eigenen fal- schen „Übersetzungen“, die sie dann für Fremdwörter halten? Ein

„immakulates Verhalten“ zum Beispiel gibt es im Deutschen nicht. „Nullipara“, „Multipara“

und so weiter sind Fachwörter der Medizin; das Fremdwort „Parität“

gehört aber keineswegs in diesen Zusammenhang.

Das alles ist eine Frage des Sprachgefühls. Ein paar Voka- beln zu lernen, das bringt nicht viel; der ganze Hintergrund einer ganzen (Sprach-)Kultur gehört dazu. Montesquieu hat das viel eleganter formuliert: „Jusqu’à ce qu’un homme ait lu tous les livres anciens, il n’a aucune raison de leur préférer les nouveaux.“ gb er Bundesfinanzminister

hat die Notbremse gezo- gen und eine Haushalts- sperre verkündet. Ursache für das Riesenloch in seiner Kasse – wahr- scheinlich rund 14 Milliarden Mark – sind die lahmende Kon- junktur und die steigende Arbeits- losigkeit.

Was hat das mit der Gesund- heitspolitik zu tun? Die Haushalts- sperre ist ein Signal, das eine kri- senhafte Lage der öffentlichen Fi- nanzen insgesamt anzeigt. Wenn es kein Wachstum gibt, dann wach- sen weder die Steuereinnahmen noch die Einnahmen der Sozial- versicherungsträger. Wenn die Ar- beitslosenzahlen steigen, dann fehlen nicht nur dem Bund Steuer- einnahmen; auf Einnahmen ver- zichten oder gar zahlen müssen auch die Sozialversicherungsträ- ger. Die Grundlohnsumme, seit Jahren ein Maßstab im Gesund- heitssektor, wird nicht mehr stei- gen oder hinter den Erwartungen

zurückbleiben. Bereits im letzten Jahr wurde zu hoch geschätzt.

Für die anstehende sogenann- te Gesundheitsreform bedeuten die knappen öffentlichen Kassen, daß manche Wunschvorstellungen nicht realisiert werden können. Das betrifft unmittelbar die versiche- rungsfremden Leistungen. Ärzte und andere Beteiligte des Gesund- heitswesens fordern mit Recht, sol- che Leistungen aus der Kranken- versicherung herauszunehmen und durch Steuern zu finanzieren. Das ist fürs erste nicht drin.

Man wird vielmehr aufpassen müssen, daß der Krankenversiche- rung nicht im Gefolge der knappen Kassen erneut Aufgaben zuge- schoben werden. Der Bundesge- sundheitsminister hat sich in den vergangenen Monaten dafür stark gemacht, einem solchen Verschie- bebahnhof widerstehen zu wollen.

Sein Standvermögen dürfte in Kür- ze auf die Probe gestellt werden.

Die Finanzpolitiker trauen sich

kaum, es öffentlich zu sagen, aber die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Noch in diesem Jahr wird man mit Steuererhöhungen rechnen müssen. Wahrscheinlich wird an der Mehrwertsteuer- Schraube gedreht. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sollte an sich dazu verwandt werden, die direk- ten Steuern zu senken. Es ist frag- lich, ob es dazu kommen wird.

Steigende Steuern wirken sich auch auf das Gesundheitswesen aus. Denn wenn die Steuerbela- stung, entgegen früheren Verspre- chungen, steigt, dann werden die Bonner Parteien nach Kräften dafür sorgen, daß zumindest die Beitragssätze in den Sozialversiche- rungen stabil bleiben. Das gilt vor allem für die Krankenversicherung.

Wollen wir wetten, daß in Kürze wieder die ominösen Rationalisie- rungsreserven im Gesundheitswe- sen beschworen werden und die Budgetierung der Ausgaben als das kleinere Übel gepriesen wird! NJ

Es wird eng

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Seite eins

Ärzte-Sprache Öffentliche Finanzen

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