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Wie der Mensch seine Umwelt verändert KLIMAWANDEL

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Academic year: 2022

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C U LT U R A L H E R I TAG E Das „Palmyra-GIS“ für

D A S O B J E K T Die Casa Tarpeia – F O K U S

Klimawandel und

TITELTHEMA

1 • 2019

Archäologie Weltweit – Siebenter Jahrgang – Berlin, im Mai 2019 – DAI

KLIMAWANDEL

www.dainst.org

Magazin des Deutschen Archäologischen Instituts

Wie der Mensch seine Umwelt verändert

ARCHÄOLOGIE WELTWEIT 1 • 2019TITELTHEMA KLIMAWANDEL

Wenn wir unser kulturelles Erbe erhalten

wollen, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Wie Sie uns helfen können, sehen Sie hier:

W W W. T W G E S . D E

Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts Theodor Wiegand Gesellschaft e.V.

Wissenschaftszentrum Bonn Ahrstraße 45, 53175 Bonn

Nadja Kajan Tel.: +49 228 30 20 Fax: +49 228 30 22 70 twg@wzbonn.de

Theodor Wiegand Gesellschaft Deutsche Bank AG, Essen IBAN DE20 3607 0050 0247 1944 00 BIC DEUTDEDEXXX oder Bonner Sparkasse, Bonn IBAN DE88 3705 0198 0029 0058 08 BIC COLSDE33XXX

Ihre Spenden sind steuerbegünstigt.

Vielen Dank!

T W G

Ulrike Wulf-Rheidt-Stiftungsfonds

Grundlage aller Maßnahmen zur Konservierung und zum Erhalt von Bauwerken der Vergangen- heit ist deren Erforschung. Hierfür hat sich die Disziplin der Bauforschung entwickelt. Der Zukunft der Bauforschung ist der Ulrike Wulf-Rheidt-Stiftungsfond gewidmet. Mit ihm werden in Erinnerung an die Bauforscherin Prof. Dr. Ulrike Wulf-Rheidt junge Bauforscherinnen und Bauforscher gefördert.

Ulrike Wulf-Rheidt hat mit ihren Projekten und Publikationen das Fach der Archäologischen Bauforschung inhaltlich und methodisch maßgeblich geprägt. Mit ihrem Wirken als Leiterin des Architekturreferats des Deutschen Archäologischen Instituts, Professorin an der FU Berlin und Mentorin zahlreicher Bauforschungs- und Kulturerhaltprojekte im In- und Ausland hat sie wesentlich zur Profilierung des Fachs beigetragen. Eines ihrer zentralen Anliegen war die Förde- rung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Um ihr Werk nach ihrem zu frühen und tragischen Tod fortzusetzen, haben ihre Eltern und ihr Ehemann den Ulrike Wulf-Rheidt-Stiftungsfonds gegründet. Mit Ihren Spenden können Sie die- sen Stiftungsfond unterstützen und damit zum Erhalt unseres kulturellen Erbes beitragen, indem Sie in die Zukunft junger Bauforscherinnen und Bauforscher investieren.

Weitere Informationen: www.twges.de/stiftungsfonds.html

Spenden zur Unterstützung der Fördermaßnahmen des Ulrike Wulf-Rheidt Stiftungsfonds sind möglich auf das Konto der Theodor-Wiegand Gesell- schaft. Bitte geben Sie als Verwendungszweck „UWR Stiftungsfonds“ an.

Ihre Spenden sind steuerbegünstigt.

Foto: Wulf-Rheidt

Ulrike Wulf-Rheidt Stiftungsfonds

UWR

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ARCHÄOLOGIE WELT WEIT

Orte und Regionen in dieser Ausgabe

Tayma, Saudi-Arabien – Fokus, Seite 8 Palmyra, Syrien – Cultural Heritage, Seite 18 Tharsis und Munigua, Spanien –

Landschaft, Seite 26

Rom, Italien – Das Objekt, Seite 32

Dulan, China – Titelthema, Seite 38 Nasca, Peru – Titelthema, Seite 47

Pergamon u. Ephesos, Türkei – Titelthema, S.42 Sibirien, Russland – Titelthema, Seite 65 Hokkaido, Japan – Titelthema, Seite 53

Amazonien, Südamerika – Titelthema, Seite 57 Kephissostal, Griechenland – Titelthema, Seite 61 Berlin, Deutschland, Standort, Seite 80

Olympia, Griechenland, Panorama, Seite 82

D A S T I T E L B I L D

wurde im Jahr 2018 35 Kilometer östlich von Trinidad, der Hauptstadt des Departements Beni, im Nordosten Boliviens aufgenommen. Wie fast alle Wege in der Region ist auch diese Schneise durch den Regenwald schnurgerade angelegt, da es kaum Geländerelief gibt, das bei der Anlage von Straßen zu berücksichtigen wäre.

Lediglich Furten durch einen der zahlreichen Flüsse können zu einer Richtungsänderung der geraden Straßen führen.

Das Foto ist im Rahmen eines Projekts der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK) entstanden, das der Untersuchung vorspanischer Siedlungszentren im boliviani- schen Amazonasgebiet dient. Diese Siedlungen sind heute vom Regenwald verschluckt.

Wie es dazu kam, lesen Sie ab Seite 57.

Geoinformationssysteme, LiDAR-Scans, Massenspektrometrie zur Analyse von antiken Münzen… Die Beiträge in diesem Heft zeigen bereits, dass der Einsatz moderner Technik mittlerweile auch zur

„Wissenschaft des Spatens“ gehört.

So nutzen Archäologinnen und Archäologen hochauflösende Vermessungstechniken nicht nur, um dreidimensionale Ober- flächenmodelle von Landschafts- und Siedlungsarealen zu erstel- len, sondern beispielsweise auch, um Kulturerhaltmaßnahmen millimetergenau zu planen und auszuführen. Das structure-from- motion-Verfahren erlaubt es, 3D-Modelle von Objekten, Bau-

KARAKORUM, DIE HAUPTSTADT DES MONGOLENREICHES, WURDE 1220 VON DSCHINGIS KHAN GEGRÜNDET.

Das DAI erforscht in enger Zusammenarbeit mit der Mongolischen Akademie der Wissenschaften und der Nationaluniversität der Mongolei seit 1999 ausgewählte Areale Karakorums. Dabei wurde das Gelände hochauflösend vermessen, so dass die Strukturen der altmongolischen Hauptstadt sichtbar werden.

Grafik: HTW Karlsruhe

Archäologie trifft Hightech

werken und Landschaften zu konstruieren. Mithilfe der Röntgen- fluoreszenzanalyse können Metall, Glas und Keramik non-invasiv untersucht werden. Und die immer weitergehende Verfeinerung naturwissenschaftlicher Technologie ermöglicht es mittlerweile, sogenannte Umwelt-DNA aus Bodenproben zu bestimmen.

Spannende Möglichkeiten, die sich der Archäologie in Zukunft bieten. Grundlage dafür ist jedoch immer die fundierte Kenntnis der Methoden und das Wissen, wie und wo diese eingesetzt werden können. Notwendig dafür ist die Zusammenarbeit mit entsprechenden Institutionen und Spezialisten.

LESEN SIE MEHR DARÜBER IM NÄCHSTEN HEFT!

UM DEN GROSSEN TEMPEL VON YEHA (ÄTHIOPIEN) VOR DEM DROHENDEN EINSTURZ ZU BEWAHREN, WURDE ER MITTELS 3D-SCAN DETAILLIERT VERMESSEN. Anschließend wurde ein Stützgerüst aus Edelstahl virtuell in das Bauwerk eingepasst und auf den Millimeter genau „maßgeschneidert“.

Foto: Schnelle

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EDITORIAL

EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, es mag Sie als Leser erstaunen, dass sich ein Heft zur Archäologie dem Thema Klima- wandel widmet. Moderne Archäologie er- forscht jedoch alle Facetten menschlichen Lebens. Dies umfasst auch, die Auswirkun- gen von klimatischen Veränderungen auf die Umweltbedingungen zu verstehen, unter denen Menschen in der Vergangen- heit lebten. Zugleich veränderten schon frühe Gesellschaften durch die Nutzung von Ressourcen und die Entwicklung von Kulturtechniken wie Ackerbau und Vieh- zucht ihre Umwelt. Abholzung und Land- wirtschaft förderten bereits in der Antike die Erosion fruchtbarer Böden durch Was- ser und Wind. Zugleich trug die Verände- rung der Umwelt zur Entwicklung neuer Kulturtechniken bei, wie beispielsweise der Entstehung der Oasentechnologie auf der Arabischen Halbinsel im 4.  Jahr- tausend v. Chr.

Die Menschen haben aber auch bereits in der Antike durch den Abbau von Ressour- cen tiefe Wunden in die Erde geschlagen.

Löcher und Schächte zeugen ebenso von der Gewinnung von Metallen wie end-

los scheinende Schlackenhalden. Durch Steinbrüche wurden halbe Berge abge- tragen, die Landschaft wurde nachdrück- lich verändert. Zugleich kannte die Antike auch nachhaltige und schonende Nut- zungsformen. Zur Holzkohlegewinnung wurden nicht zwingend ganze Wälder gerodet. Es wurden ausgefeilte Techniken zur Nutzung der Ressource Wasser ent- wickelt. Auch dies zeigen die Bewässe- rungssysteme früher Gesellschaften auf der Arabischen Halbinsel oder im heutigen Jordanien. Die Beispiele in diesem Heft sollen daher auch zum Nachdenken über den heutigen Umgang mit Ressourcen anregen und zu einem verbesserten Ver- ständnis der komplexen Mensch-Umwelt- Beziehungen beitragen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihre

Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless

Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts Foto: Kuckertz

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INHALT

INHALT

NACHRICHTEN

FOKUS Klimawandel und menschliche Anpassung – Die Entwicklung der Oase von Tayma in Nordwestarabien

CULTURAL HERITAGE

Das „Palmyra-GIS“ für Forschung und Kulturerhalt – Ein Projekt im Rahmen von „Stunde Null“ und des Syrian Heritage Archive Project

STANDPUNKT Klimawandel

LANDSCHAFT

Antike „Mondlandschaften“ – Bergbaureviere in Südspanien

DAS OBJEKT

Die Casa Tarpeia – Das „Geburtshaus“ des DAI

TITELTHEMA

Mensch, Umwelt und Klima –

Über Veränderung, Einflussnahme und Anpassung Archiv im Holz –

Was Bäume über Klimaveränderungen verraten Hafenstädte in Kleinasien –

Mensch und Umwelt an der Schnittstelle von Land und Meer Muscheln in der Wüste – Wasserkulte der Nasca

Zwischen Land und Ozean – Die Meeresjäger von Hokkaido Unter den Wäldern Amazoniens – Versunkene Städte Das fruchtbare Kephissostal –

Wie sich die antike Landschaft Phokis verändert Die archäologischen Archive verschwinden – Klimawandel und die Archäologie der Arktis IM PORTRÄT Norbert Benecke Reinder Neef

ALLTAG ARCHÄOLOGIE

Digitales Geld – Numismatik heute

STANDORT Der Blick geht nach Osten – Die Eurasien-Abteilung

PANORAMA Grabungsdokumentation 2.0 – Ein neues Datenbanksystem im Feldversuch

NACHRUF IMPRESSUM TITELTHEMA

MENSCH, UMWELT UND KLIMA

Über Veränderung, Einflussnahme und Anpassung

FOKUS

KLIMAWANDEL UND MENSCHLICHE ANPASSUNG

Die Entwicklung der Oase von Tayma

CULTURAL HERITAGE

DAS „PALMYRA-GIS“ FÜR FORSCHUNG UND KULTURERHALT

Ein Projekt im Rahmen von „Stunde Null“

und des Syrian Heritage Archive Project

LANDSCHAFT

ANTIKE „MONDLANDSCHAFTEN“

Bergbaureviere in Südspanien

PANORAMA

GRABUNGS- DOKUMENTATION 2.0

Ein neues Datenbanksystem im Feldversuch

8

26 34

74 18

ALLTAG ARCHÄOLOGIE

DIGITALES GELD

Numismatik heute 82

4 8

18

24 26

32

34 38 42

47 53 57 61 65

68 74

80

82

87 88

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Jubiläumsfeier am 17. Mai 2019

Am 21. April 1829 wurde in Rom der Grundstein für das Deutsche Archäologische Institut gelegt. In diesem Jahr wird das DAI somit 190 Jahre alt. In diesen 190 Jahren entwickelte sich aus einem europäischen Netzwerk von Gelehrten und Diplomaten eine welt- weit tätige Forschungseinrichtung mit bedeutenden Forschungs- infrastrukturen.

Der Geburtstag wird zum Anlass genommen, am 17. Mai mit einem Festkolloquium in Berlin an die Geschichte des Instituts zu erinnern. Die Festveranstaltung ist aber vor allem der aktuellen Arbeit der Abteilungen und Kommissionen gewidmet. Berichte aus den derzeitigen Forschungen werden mit Präsentationen an 16 Stationen verbunden. Die Veranstaltung wird mit einer Fest- rede der Präsidentin und dem Jahresempfang des Instituts am Abend beschlossen. Die Hundertneunzigjahrfeier ist für das DAI nicht nur ein Moment des historischen Rückblickes, sondern dient auch der Diskussion zukünftiger Perspektiven.

Seit seiner Gründung 1829 in Rom ist es Ziel des DAI, die Vergan- genheit zu erforschen und das neu gewonnene Wissen zu veröf- fentlichen. Auf einer europäischen Idee beruhend, war das Insti- tut Teil der Entwicklung nationaler Forschungseinrichtungen und europäischer Konkurrenzen. Von einer privat organisierten Ein- richtung in Rom entwickelte es sich zu einer staatlichen Institu- tion, die 1874 dem Auswärtigen Amt zugeordnet wurde. Nukleus der Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts ist seine in- ternationale Kooperation. Das DAI besteht aus einem weltweiten Netzwerk von Mitgliedern, Kooperationspartnern und Förderern.

NACHRICHTEN

1929 WURDE DAS DAI 100 JAHRE ALT.

AUSSENMINISTER GUSTAV STRESEMANN SPRACH IM REICHSTAG zur international zusammengesetzten Festgesellschaft. Die „runden Geburtstage“, die das DAI im Laufe seines Bestehens feierte, waren auch immer wieder Anlass, neue Standorte zu begründen.

Foto: DAI Berlin, Archiv

UND GEFIEDERTE

SCHWINGEN…?

LÖWENPRANKEN,

VOGELKOPF

NACHRICHTEN

190 Jahre

Deutsches Archäologisches Institut

IN 190 JAHREN UM DIE WELT…

Anlässlich des Institutsjubiläums hat das DAI einen Bildband veröffentlicht, der schlaglichtartig die Geschichte des Instituts illustriert.

Cover: Denkinger

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– ein Mischwesen mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf eines Greifvogels, das große Schwingen auf dem Rücken trägt – verbindet

das DAI auf besondere Weise mit der antiken Welt.

Die Gründung des DAI vor 190 Jahren in Rom geht zurück auf die „Gesellschaft der Hyperboreer“ – eine Gruppe von Gelehrten, Diplomaten und Künstlern, die sich der Erforschung der Antike verschrieben hatten. Die Hyperboreer waren ein friedliebendes Volk der griechischen Mythologie, das im Dienste des Gottes Apollon Reichtümer sammelte, die von Greifen beschützt wurden.

Die „römischen Hyperboreer“ wählten sich den Greif als Tier des Apollon als Emblem.

Als das DAI 1929 sein hundertjähriges Bestehen feierte, stiftete das Ehrenmitglied des Instituts Fürst Johann II. von Liechtenstein die Winckelmann-Medaille für besondere Ehrungen. Sie wurde seitdem zehnmal verliehen, vor allem an Städte und Einrichtun- gen.

Auf der Rückseite der Medaille ist der Greif als „Wappentier“ des Instituts abgebildet. Seither erscheint er auch auf den Publika- tionen des Instituts.

DIE WINCKELMANN-MEDAILLE wurde vom Bildhauer Edwin Scharff entworfen. Sie wird seit 1929 vom DAI für besondere Verdienste um die Archäologie verliehen. Foto: Wagner

DER GREIF

90 JAHRE ABTEILUNG ISTANBUL

Als das DAI 1929 sein hundertjähriges Bestehen feierte, wurde das Jubiläum zum Anlass genommen, neue Institute im Ausland zu

gründen.

Nach ihrer Gründung 1929 war die Abteilung Istanbul zunächst in einem Nebengebäude des Deutschen Krankenhauses in Istan- bul untergebracht, bis das Institut in seinem 60. Jahr in das Deut- sche Generalkonsulat umzog. Die Abteilung feiert ihr 90-jähriges Bestehen mit einem Festvortrag von Dr.-Ing. Katja Piesker, der Wis- senschaftlichen Direktorin der Abteilung. Am 24. Oktober spricht sie im DAI Istanbul über „Krankenhaus, Konut, Konsulat: Zur Unter- bringung des DAI Istanbul seit seiner Gründung 1929“.

190 JAHRE ABTEILUNG ROM

Am 21. April 1829 wurde das „Instituto di correspondenza archeo- logica“ als Grundstein auch der heutigen Abteilung Rom auf dem römischen Kapitol gegründet. Aus diesem Grund fand in Zusam- menarbeit mit der Antikenbehörde Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali und den Kapitolinischen Museen am 30. April 2019 ein Festakt auf dem Kapitol statt, um an die 190-jährige Geschich- te des Instituts aus internationaler Sicht zu erinnern.

Auch die jährlichen Frühjahrsführungen der Abteilung Rom stehen in diesem Jahr unter dem Motto „190 Jahre Deutsches Archäologisches Institut“. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung bringen den Teilnehmenden archäologisch und historisch bedeutsame Stätten nahe, an denen Wissenschaftler des römischen Instituts in den letzten 190 Jahren geforscht haben.

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND EHRTE DAS DAI 1979 MIT EINER

5-DM-GEDENKMÜNZE.

Die Hundertfünfzigjahrfeier wurde mit einem internationalen Kolloquium began- gen und markierte mit der Gründung der KAAK die weltweite Ausrichtung des Instituts.

Foto: Wagner

40 JAHRE KAAK

Anlässlich des 150-jährigen Bestehens wurde 1979 die „Kommis- sion für Allgemeine und Vergleichende Archäologie“ (KAVA), heute

„Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen“ (KAAK) gegründet. Damit erweiterte das DAI seine Perspektive über die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes hinaus hin zum Konzept der „Weltarchäologie“. Seit vierzig Jahren arbeiten Forscherinnen und Forscher der KAAK in zahlreichen Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und Ozeaniens mit lokalen Kooperationspartnern.

Anlässlich des vierzigsten Geburtstags findet am 23. Mai 2019 ein Festakt im Institutsgebäude der KAAK in Bonn statt.

50 JAHRE GRABUNG ELEPHANTINE (ABT. KAIRO)

Die Abteilung Kairo wurde vor 90 Jahren dem DAI zugeordnet.

Sie feiert in diesem Jahr auch den ersten Spatenstich der Gra- bung auf Elephantine vor 50 Jahren. Am 9. Januar 1969 began- nen die archäologischen Arbeiten des DAI Kairo auf der Insel Elephantine am Nordende des ersten Nilkatarakts bei Assuan.

Ein halbes Jahrhundert Feldforschung hat in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo eine Fülle von Ergebnissen her- vorgebracht, die die Vorstellung vom Leben im alten Ägypten grundlegend befördert haben. Anlässlich des Jubiläums fand im März 2019 die internationale Konferenz „Daily Life in Ancient Egyptian Settlements“ in Kairo statt.

Abteilungsjubiläen 2019

Mehrere „runde Geburtstage“ am DAI

1969–2019: SEIT EINEM HALBEN JAHRHUNDERT GRÄBT DIE ABTEILUNG KAIRO AUF DER NILINSEL ELEPHANTINE.

NACHRICHTEN

Foto: © DAI Kairo

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FOKUS

FOKUS

KLIMAWANDEL UND

MENSCHLICHE ANPASSUNG

Die Entwicklung der Oase von Tayma in Nordwestarabien

nmitten von Wüstenlandschaften gelegen, sind Oasen ein Sinnbild für landwirtschaftlichen Reichtum, der auf dem Vorhandensein von Wasser beruht. Im Unterschied zu Gebieten mit reichen Niederschlägen sind die Lebensbedingungen hier auf klein- flächige Gunsträume konzentriert.

Neueste interdisziplinäre Unter- suchungen des DAI in der Oase von Tayma im heutigen Saudi-Arabien

können nun nachzeichnen, auf welche Weise dort Oasen entstanden und wie

sich die klimatischen Veränderungen auf das Leben vor Ort auswirkten.

I

TAYMA WAR ÜBER JAHRTAUSENDE EINE DER BEDEUTENDSTEN OASEN NORDWESTARABIENS. Mit 9,2 Quadratkilometern ummauerter Fläche zählt sie zu den größten Oasen der Region.

Foto: Hausleiter

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Klimaveränderungen auf unserem Planeten erfordern bis heute Anpassungsstrategien menschlicher Gemeinschaften. Für die Erforschung dieser komplexen Mensch-Umwelt-Beziehungen in der Vergangenheit sind klimasensitive Regionen, wie zum Bei- spiel die Wüstenregionen im Nordwesten der Arabischen Halb- insel, besonders geeignet. Hier, an der Schnittstelle von Afrika und Asien, lassen sich am Beispiel der Oase Tayma lokale und regionale Adaptionsprozesse untersuchen, die ein Leben in der Wüsten- region ermöglichten. Sie stehen in engem Zusammenhang mit globalen klimatischen Entwicklungen.

An den Untersuchungen waren im Rahmen einer internationalen Kooperation unter anderem Archäologen, Bauforscher, Archäo- hydrologen, Archäobotaniker, Geowissenschaftler und Biogeo- chemiker beteiligt.

Der afrikanisch-arabische Raum unterlag während der vergange- nen Jahrtausende starken Klimaschwankungen. Weite Teile der Sahara verwandelten sich im Früh- und Mittelholozän (11.500 bis 5000 Jahre vor heute) in grüne Savannenlandschaften. Die dann einsetzende Entwicklung hin zu trockenerem Klima (Aridisierung) erforderte unterschiedliche Anpassungsstrategien von Menschen, Tieren und Pflanzen. Einige Arten starben aus, andere überdau- erten in „Überlebensinseln“ in Oasen oder im Gebirge. Menschen

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt in der Oase von Tayma in Saudi-Arabien wurde zwischen 2004 und 2018 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert, seit 2008 als Langfrist- vorhaben. Die Untersuchungen durch die Orient-Abteilung des DAI wurden gemeinsam mit der Saudi Commission for Tourism and National Heritage (SCTH) und der Technischen Hochschule Lübeck, Labor für Siedlungswasserwirtschaft, durchgeführt.

Assoziierte Projekte zur Stadtmauerforschung (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg / DAI Architekturrefe- rat) sowie zur Vegetationsgeschichte (Freie Universität Berlin / DAI Referat Naturwissenschaften) förderte die Fritz Thyssen Stiftung.

www.dainst.org/project/42027

Seit 2015 vereint das DFG-Projekt CLEAR (Holocene CLimatic Events of Northern ARabia) ein multidisziplinäres Team von Forscherinnen und Forschern der Universität zu Köln, dem Geoforschungszentrum Potsdam (GfZ), der Freien Universität Berlin, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dem Max-Planck- Institut für Biogeochemie (Jena), der Technischen Universität Braunschweig und dem Deutschen Archäologischen Institut zur Erforschung des geologischen Archivs von Tayma.

https://clear2018.wordpress.com/

DIE SATELLITENAUFNAHME ZEIGT NÖRD- LICH DER HEUTIGEN OASE DIE SABKHA (SALZTONPFANNE). Hier lag früher ein See, dessen Sedimente das Klimaarchiv der Region bilden.

Karte: Lora

FOKUS

TAYMA LIEGT AUF DER ARABISCHEN HALBINSEL, CIRCA 360 KM NÖRDLICH VON MEDINA UND CIRCA 210 KM SÜDÖSTLICH DER MODERNEN PROVINZHAUPTSTADT TABUK.

Karte: © DAI Orient-Abteilung

DIE KLIMAKARTE DER ARABISCHEN HALBINSEL ZEIGT, DASS TAYMA HEUTE IN EINER EXTREM TROCKENEN REGION LIEGT.

Karte: Dinies nach M. Almazroui (2011), Calibration of TRMM rainfall cli- matology over Saudi Arabia during 1998-2009. Atmospheric Research 99, 400-414.

DIE SABKHA VON TAYMA mit einer Herde von Dromedaren. Im Hintergrund die moderne Oase.

Foto: Dinies

und Tiere wanderten in angrenzende Regionen aus. Die Men- schen passten darüber hinaus ihre Wirtschaftsweise an die ver- änderten Lebensbedingungen an.

Während erste klimagesteuerte Besiedlungsmodelle für Nord- ostafrika bereits vorliegen, steht die Erforschung der arabischen Wüstengebiete noch am Anfang. Die Forschungen der Orient- Abteilung des DAI und der beteiligten Kooperationspartner zur holozänen Klimaveränderung und der Besiedlung der Region um Tayma schaffen dafür nun Grundlagen. Damit schließt sich eine wichtige Forschungslücke zwischen Afrika, der Levante und Syro- Mesopotamien, der Golfregion und Südarabien.

Am Beispiel der Oase Tayma lässt sich im Kleinen rekonstruieren, wie und mit welchen Auswirkungen sich die Umweltverhältnisse dort änderten. Anhand naturwissenschaftlicher und archäologi- scher Untersuchungen lässt sich die Geschichte Taymas über meh- rere Tausend Jahre – vom Beginn des Holozäns vor etwa 11.500 Jahren bis zur Bronzezeit vor mehr als 4000 Jahren – überblicken.

(9)

FOKUS

DIE WÜSTE ERGRÜNT

Vor 11.500 Jahren veränderte sich das Klima. In Erdzeitaltern ge- sprochen endete die lange andauernde Epoche des Pleistozäns mit zahlreichen Kalt- und Warmzeiten und ging in die (bis heute andauernde) Warmzeit, das Holozän, über. In trockenen Gebieten führte dies zu erhöhten Niederschlägen, so dass ab Beginn des Holozäns die afrikanische Sahara wie auch die arabische Wüste, in der Tayma liegt, ergrünten.

In dieser Phase mit feuchterem Klima, die man auch als „African Humid Period“ bezeichnet, entstanden Savannen und Grasland- gebiete. Die veränderten Umweltbedingungen ermöglichten es den Menschen vor Ort, neue Wirtschaftsweisen zu entwickeln.

Vor 9300 Jahren entwickelte sich nördlich der Oase Tayma ein See mit hohem Salzgehalt, der im Lauf der Jahrtausende zu der heuti- gen Salztonpfanne (Sabkha) wurde. Die naturwissenschaftlichen Analysen der Seesedimente zeigen für die Zeit vor circa 8500 bis 8000 Jahren eine noch feuchtere Periode an. Das Grasland brei- tete sich aus. Diese zusätzlichen Weideressourcen könnten die Ausbreitung mobiler oder halbmobiler Gruppen, die Weidewirt- schaft betrieben, in der Region begünstigt haben. In Tayma deu- ten erhöhte Anteile verkohlter pflanzlicher Partikel auf eine inten- sivere menschliche Tätigkeit während der kurzen Feuchtphase.

Vor etwa 8000 Jahren erreichte der See infolge höherer regionaler Niederschläge seine größte Tiefe. Aus meterdicken Ablagerungen zahlloser Schnecken und Seepocken lassen sich die maximalen Seespiegelstände ermitteln. Diese Lebewesen sind nicht typisch für Binnenseen. Vermutlich haben Seevögel für die Verbreitung dieser Organismen gesorgt. Fische lassen sich im See von Tayma nicht nachweisen.

ES WIRD WIEDER TROCKENER

Nach den vorausgegangenen feuchten Jahrhunderten wurde es vor circa 8000 Jahren wieder trockener. Die Aridisierung Nord- west-arabiens begann, der Seespiegel sank. Das Grasland ging abrupt zurück.

In den Seesedimenten finden sich weniger verkohlte Partikel. Dies könnte darauf hindeuten, dass weniger Menschen in der Region um Tayma lebten. Allerdings breiteten sich vor circa 8000 Jahren wieder vermehrt Rimth-Sträucher aus, die bis heute als Feuerholz und Weide hochgeschätzt sind. Diese regionale Ressource könnte die Folgen der Aridisierung teilweise aufgefangen und mensch- lichen Gemeinschaften ein Verbleiben in der Region von Tayma ermöglicht haben. Ansonsten verändert sich die Vegetation um Tayma in der Zeit zwischen 8000 und 42000 Jahren vor heute nur geringfügig. Damit blieb in dieser Zeit die Lebensgrundlage für die Hirtennomaden in der Region relativ konstant.

EIN SEE ALS UMWELTARCHIV

Tayma besitzt ein außergewöhnliches Umweltarchiv in nächster Nähe zu den archäologisch erschlossenen Siedlungsresten. Es handelt sich um einen ehemaligen See, der nördlich der Oase liegt. Er wandelte sich im Lauf der Zeit zu einem Feuchtgebiet, bis er schließlich zu der noch heute vorhandenen, periodisch über- fluteten Salztonpfanne (arabisch: Sabkha) wurde.

In den Sedimenten des früheren Sees ist die Klimageschichte Taymas gespeichert. Die Schichten, die sich Jahr für Jahr ablager- ten, enthalten pflanzliche Überreste, die sich naturwissenschaft- lich datieren (14C) lassen. So entstand eine absolute Chronologie der Umweltgeschichte der Oase. In den Sedimenten abgelagerte Pflanzenpollen erlauben zudem eine Rekonstruktion der Vegeta- tion. Ihre Analyse ergibt Auskunft über die Veränderung der Land- schaft und lässt Rückschlüsse auf die Nutzung lokaler Ressourcen wie Weideflächen, Feuerholz und wild wachsende Nutzpflanzen zu. Damit ist auch der direkte Brückenschlag zum Menschen mög- lich: Wirtschaftsweisen sowie Auswirkungen der Landnutzung werden fassbar.

WÄHREND DER FEUCHTPHASE mit den höchsten Seespiegelständen sind die Seesedimente jahreszeitlich gewarvt, das heißt, es lassen sich saisonale Unterschiede in der Ablagerung erkennen.

WÄHREND DER TROCKENEN PERIODEN entstehen homo- gene, nicht mehr gewarvte, Sedimentabfolgen.

Fotos: Dinies

Die Standardmethode der Vegetationsgeschichte ist die Pollen- analyse (Palynologie). In Seesedimente oder Moore eingetrage- ne Pollen erhalten sich unter Luftabschluss über Tausende bis Millionen Jahre. Dies sind somit hervorragende Archive für die Vegetationsgeschichte. Durch die palynologische Analyse von Proben unterschiedlicher Tiefen und unterschiedlichen Alters aus Bohrkernen lässt sich die Vegetationsabfolge eines Gebie- tes rekonstruieren. Aus den Änderungen der Vegetation lassen sich Klimaänderungen sowie menschliche Landnutzungen wie Beweidung oder Ackerbau ableiten.

Die Vegetationsgeschichte der Region Tayma erforscht Michèle Dinies vom Labor für Archäobotanik des DAI.

https://www.dainst.org/project/256266

Die Sedimentabfolge des Sees lässt sich wie ein umweltgeschicht- liches „Jahrbuch“ lesen und ermöglicht es, die klimatische, wirt- schaftliche und kulturelle Entwicklung der Oase miteinander zu verknüpfen. Verbunden mit Daten zum globalen Klimaverlauf lässt sich so rekonstruieren, was in Tayma seit Beginn des Holo- zäns vor circa 11.500 Jahren geschah.

PISTAZIEN breiteten sich während der holozänen Feuchtphase im Mittelmeerraum aus. Auch in Tayma sind die höchsten An- teile dieses Baumes während der Feuchtphase dokumentiert, zusammen mit GRÄSERN. AKAZIEN als typische Gehölze

der Wadis und Seeufer sind kontinuierlich mit gleichen Anteilen belegt wie auch

Vertreter der AMARANTH- GEWÄCHSE, typische Pflanzen

der Wüstenvegetation.

PISTAZIEN GRÄSER

AMARANTH

DER WEINPOLLEN mit seinen drei „Einbuchtungen“ (Poren) und der kleinere FEIGENPOLLEN belegen den Beginn der Oasenkultivation vor 7000 Jahren in Tayma.

Fotos: Dinies

WEIN

FEIGE AKAZIEN

Fotos: Dinies

GROSSE MENGEN VON SCHNECKEN UND SEEPOCKEN markieren das Ufergebiet des einstigen Sees von Tayma. Foto: Cusin

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ANBAU VON WEIN UND FRÜCHTEN

Vor circa 7000 Jahren lässt sich für die Oase Tayma eine zuneh- mend intensivere Bewirtschaftung nachweisen. Spätestens jetzt beginnen die Menschen hier Wein und Feigen anzubauen.

Da die Grenze des Verbreitungsgebietes des Wilden Weins min- destens 500 Kilometer nördlich von Tayma verläuft, ist ein natür- liches Vorkommen auszuschließen. Trauben wurden bereits lange vor der Domestikation der Weinrebe genutzt. Pollenanalytisch lässt sich wilder Wein von domestiziertem nicht unterscheiden.

Daher ist nicht zu entscheiden, ob dieser frühe Wein in Tayma be- reits domestiziert war.

Spätestens vor 6800 Jahren war der nunmehr flache See zu einem Sumpf geworden. Die regelhaften und teils hohen Anteile von Wein und Feigen im Pollenbefund machen einen kontinuierlichen Gartenbau im Randbereich des Sumpfgebietes wahrscheinlich.

Das sollte für die nächsten 2000 Jahre auch so bleiben – bis zur Einführung der Dattelpalme.

In Tayma begann die Oasenkultivation somit nicht mit den klas- sischen dreistöckigen Palmengärten, wie sie für Oasen in Meso- potamien und der Golfregion beschrieben werden, sondern mit einer Hortikultur am Seeufer. Ob die Menschen, die hier Früchte ernteten, auch selbst permanent hier lebten, ist noch unsicher.

Mehr als ein halbes Jahrtausend später, vor etwa 6000 Jahren, wird die „industrielle“ Fertigung von Karneolperlen datiert. Wahr- scheinlich wurden die Schmuckperlen am Ostrand des Sumpf- gebietes hergestellt.

Erste Analysen der Karneolfragmente deuten auf eine weite Ver- breitung der Perlen aus Tayma hin, während vor Ort nur Bruch-

DIE BRONZEZEITLICHE NEKROPOLE VON TAYMA

Auf archäologischer Grundlage lässt sich die Geschichte Taymas noch weiter, bis in die Bronzezeit hinein, erzählen. Die Bewohner der Oase hinterließen nicht nur im Leben, sondern auch nach ih- rem Tod Spuren. Südlich der Oase erstrecken sich ausgedehnte Friedhofsgebiete, in denen bislang Bestattungen vom Übergang des 3. zum 2. Jahrtausend v. Chr. identifiziert wurden. Die Grab- bauten lokaler Prägung stehen in der regionalen Tradition sicht- barer, an der Oberfläche errichteter Anlagen vorausgehender Pe- rioden, die in der gesamten Region verbreitet sind.

In einem Bereich der Nekropole, der mehr als 8000 Grabbauten zählen dürfte, wurden Bronzewaffen syro-levantinischer Prägung gefunden. Sie verdeutlichen die weitreichende kulturelle Ver- netzung der Oase in der Bronzezeit.

Die weitreichenden Handelsbeziehungen und kulturellen Kon- takte, die immer wieder in der Geschichte Taymas aufscheinen, zeigen, dass die dort lebenden Menschen sich bereits vor mehr als 4000 Jahren in einem überregionalen Netzwerk bewegten – bereits 1000 Jahre vor der globalen „Erfolgsgeschichte“ des Weih- rauchhandels, die die Region später berühmt machen sollte.

Bis auf wenige Ausnahmen wurden in Tayma ausschließlich Bruchstücke von KARNEOLPERLEN gefunden.

Die scheibenförmigen Perlen wurden mit SILEXBOHRERN durchbohrt.

Foto: Kramer

VOR ETWA 5000 JAHREN WURDE IN TAYMA KERAMIK PRODUZIERT. Es handelt sich überwiegend um bauchige Töpfe, die von Hand hergestellt wurden.

Foto: Becker

DIE FAST 5000 JAHRE ALTE LEHM- ZIEGELMAUER IST AN MANCHEN STELLEN NOCH MEHR ALS 8 METER HOCH ERHALTEN.

Foto: Lora

stücke und Produktionsrückstände anzutreffen waren. Wie in ähnlichen Fällen in der Region ist hier davon auszugehen, dass die Schmuckstücke von in Wüstengebieten lebenden mobilen Gruppen produziert und verbreitet wurden.

Wann genau die Menschen begannen, in Tayma sesshaft zu wer- den und ob dies „abrupt“ geschah, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Fest steht aber, dass mitten in der Oase Tayma vor etwa 5000 Jah- ren ein monumentales Gebäude errichtet wurde, das wahrschein- lich öffentlichen Zwecken diente. In dieser Zeit begann auch die standardisierte Keramikproduktion in Tayma, ein Zeichen hand- werklicher Spezialisierung.

Etwas später als das monumentale Gebäude wurde auch eine mehr als zehn Kilometer lange massive Maueranlage um die Sied- lungs- und Anbaufläche der Oase gebaut. Die Konzeption und Errichtung dieses Bauwerks, das aus einer Lehmziegelmauer auf Steinfundament bestand, setzt administrative und organisatori- sche Strukturen innerhalb des Gemeinwesens voraus.

Vor 4200 Jahren trocknete der Sumpf, der sich aus dem früheren See gebildet hatte, aus. Damit endet der Überlieferungszeitraum dieses einzigartigen Klimaarchivs.

NEUESTE 14C -DATIERUNGEN deuten darauf hin, dass das Gebäude im Zentrum der Oase vor etwa 5000 Jahren errichtet wurde.

Foto: Krumnow

FOKUS

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Die Ergebnisse der Forschungen zur Oase Tayma werden in der gleich- namigen Publikationsreihe des DAI veröffentlicht. Der erste Band erschien 2018 und ist online verfügbar (https://publications.dainst.

org/books/index.php/dai/catalog/book/61). Weitere Bände sind in Vorbereitung.

KOMPLEXE MENSCH-UMWELT-BEZIEHUNG

Schaut man sich die Geschichte der Oase Tayma und ihre Nut- zung durch den Menschen in dieser Form an, so erscheint die Ent- wicklung relativ gradlinig. Wahrscheinlich liegt dem Prozess aber ein komplexeres System von wechselseitigen Abhängigkeiten zugrunde. In früheren Erklärungsmodellen zur Mensch-Umwelt- Beziehung wurde häufig die Abhängigkeit des Menschen von kli- matischen oder umweltlichen Bedingungen in den Vordergrund gestellt, ohne das Einwirken des Menschen und die von ihm ge- nutzten Handlungsspielräume zu beleuchten. Nicht alle menschli- chen Handlungen sind jedoch als Anpassungen an sich ändernde Klimabedingungen zu verstehen. Auch führt nicht jede Klimaän- derung zur Änderung von Umweltverhältnissen. Ökosysteme weisen jeweils spezifische Pufferkapazitäten auf, so dass auch in

„schwierigen Phasen“ Ressourcen verfügbar bleiben. Zudem be- ruht das menschliche Handeln nicht ausschließlich auf ökologi- schen Bedingungen, sondern es sind soziale, wirtschaftliche, poli- tische wie religiöse Motivationen zu berücksichtigen, welche die Entscheidungen der damaligen Akteure beeinflussten. So ist zum

NOCH IN DEN 1950ER-JAHREN FÖRDERTEN BIS ZU 100 DROME- DARE WASSER AUS DEM BIR HADDAJ, um es in die Bewässerungs- kanäle der Oase einzuspeisen. Heute hat eine Elektropumpe

diese Funktion übernommen. Foto: Hausleiter

PD DR. ARNULF HAUSLEITER ist Vorderasiatischer Archäologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Orient-Abteilung des DAI.

Er leitet seit 2004 die Ausgrabun- gen in Tayma.

Foto: Intilia

DIE BIOLOGIN MICHÈLE DINIES arbeitet als Archäobotanikerin am DAI und untersucht anhand von Pollenanalysen die Vegetations- geschichte der Region Tayma.

Foto: Walter Beispiel der Anbau von Wein in der Oase von Tayma das Ergebnis

einer überregional entwickelten, lokal adaptierten Gartenkultur, deren Verbreitung mit kulturellen Faktoren verbunden ist.

Auch nach dem Austrocknen des Sees von Tayma blieb die Was- serversorgung der Oase gesichert. Archäohydrologische Unter- suchungen wiesen nach, dass aufgrund spezifischer geologischer Bedingungen (des sogenannten Tayma-Grabens) der Wasserhaus- halt der Oase auch in trockenen Perioden ausreichend war. Das Grundwasservorkommen garantierte die Versorgung der Oasen- bewohner sowie der Anbaupflanzen und Nutztiere. Die Nutzung der Oase kann als erfolgreiche Optimierung der Lebensverhältnis- se der damaligen Menschen gesehen werden.

Sinnbildlich dafür steht heute noch der Bir Haddaj, einer der größten Brunnen auf der Arabischen Halbinsel. Er wurde wahr- scheinlich im 1. Jahrtausend v. Chr. im Zentrum der alten Oase an- gelegt.

Zukünftige Untersuchungen auf der Arabischen Halbinsel werden sich vor allem auf die Rekonstruktion regionalspezifischer Bedin- gungen und Variabilität konzentrieren. Die ausgeprägte Vielfalt von Landschaftsformen und regionalen klimatischen Unterschie- den machen jeweils spezifische Anpassungsstrategien nötig.

Sie werden durch die Kombination von archäologischen und naturwissenschaftlichen Methoden zunehmend differenzierter darstellbar.

DIE PAARWEISE BEIGABE VON BRONZEWAFFEN kennen wir vom Ende der Frühbronzezeit vor allem in der Levante. In Tayma bezeugen entsprechende Funde die Verbreitung dieser Praxis auch in Nordwestarabien.

Foto: Wagner ZAHLREICHE KREISFÖRMIGE GRABBAUTEN

AUS SANDSTEINBLÖCKEN enthalten bronzezeitliche Einzelbestattungen.

Foto: Hausleiter

FOKUS

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CULTURAL HERITAGE

lle Kulturen der Vergangenheit hinterlassen Spuren: Antike Straßen und Mauern durchziehen Landschaf- ten; Siedlungen und Heiligtümer verteilen sich im Raum. All diese Zeugnisse materieller Kultur lassen

sich kartographisch verorten.

Heute geschieht dies jedoch nicht mehr allein über analoge Karten, sondern vor allem über Geo- informationssysteme (GIS).

Hier werden zum Beispiel die digital erfassten Informationen zum gebauten Kulturerbe digital kartiert.

A

CULTURAL HERITAGE

DAS PALMYRA-GIS

FÜR FORSCHUNG UND KULTURERHALT

Ein Projekt im Rahmen von „Stunde Null“ und des Syrian Heritage Archive Project

ÜBERBLICK ÜBER DIE ANTIKE STÄTTE PALMYRA IN SYRIEN Foto: Bührig

(13)

Unter dem Projektnamen „Palmyra-GIS“ hat das Deutsche Archäo- logische Institut zusammen mit vielen Partnern in den vergan- genen Jahren umfangreiche Datenbestände zur UNESCO-Welt- kulturerbestätte Palmyra in einem Geoinformationssystem (GIS) zusammengetragen. Damit existiert erstmalig eine annähernd vollständige digitale Kartierung existierender Forschungsdaten, die auch online zur Verfügung gestellt wird. Viele Daten stammen aus Forschungsprojekten, die von der Außenstelle Damaskus des DAI betreut wurden und durch Informationen vieler Projektpart- ner sowie von Besuchern der antiken Stätte ergänzt wurden. Eine herausragende Rolle für das Entstehen des Palmyra-GIS spielte die Erstellung der ersten umfassenden topographischen Karte mit kartierten Denkmälern durch Klaus Schnädelbach.

„Mit dem Palmyra-GIS steht der Forschung erstmals ein digitales Kartenwerk mit detaillierten Geodaten zur Verfügung“, erklärt Benjamin Ducke, Leiter der wissenschaftlichen IT des DAI. „Das Palmyra-GIS bildet die Basis für die Erstellung dreidimensiona- ler Geländemodelle. Es kann zukünftig als Grundlage für die Schadenskartierung und für ein systematisches Monitoring der archäologischen Stätte genutzt werden. Damit ließe sich auch eine Planung für einen späteren Wiederaufbau unterstützen. Die Daten waren unter anderem auch Grundlage für Schulungsmaß- nahmen zur Ausbildung von Archäologen und Denkmalpflegern.

Und nicht zuletzt sind Initiativen wie das Projekt ‚Palmyra-GIS‘

die Basis für weitergehende internationale Kooperationen zum Schutz, Erhalt und zur Vermittlung der Welterbestätte“, fasst er die Einsatzmöglichkeiten zusammen.

CULTURAL HERITAGE

EINE DATENSICHT DES PALMYRA-GIS AUF DEM „iDAI.GEOSERVER“, DER ONLINE-PLATTFORM DES DAI FÜR GEODATEN.

Screenshot: Ducke Die Daten, die dem „Palmyra-GIS“ zugrunde liegen, stammen

zum Teil aus Projekten des DAI, teilweise wurden sie von zahl- reichen Projektpartnern zur Verfügung gestellt. Hierzu zählen unter anderen:

em. Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Schnädelbach (TU München) em. Prof. Dr. Andreas Schmidt-Colinet (Universität Wien) Dr.-Ing. Claudia Bührig und Dipl.-Ing. Doris Schäffler (DAI, Orient-Abteilung)

Department für Geo- und Umweltwissenschaften (LMU München) Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut français du Proche-Orient (IfPO) Landesdenkmalamt Bayern

„Palmyra-GIS” ist ein digitales Informationssystem und Karten- werk zur UNESCO-Welterbestätte Palmyra. Es wurde im Rahmen des Projektes „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“ entwickelt, einem Vorhaben, das vom Archa- eological Heritage Network (ArcHerNet) ins Leben gerufen wurde und vom Auswärtigen Amt finanziell unterstützt wird.

www.dainst.org/project/1869856

Die Online-Version des „Palmyra-GIS“ ist über den Geodaten- Server des DAI verfügbar: https://geoserver.dainst.org.

Die dort gespeicherten Daten unterliegen detailliert steuer- baren Zugriffsberechtigungen. Bedeutende Monumente sind mit den Datenbeständen auf arachne.dainst.org verknüpft.

Die bislang freigegebenen Daten stehen unter der Creative- Commons-Lizenz „CC-BY-NC-ND“: Sie sind damit frei verwend- bar, unter der Voraussetzung korrekter Quellenzitate und der freien Verfügbarmachung daraus abgeleiteter Daten.

DIE INHALTE DES PALMYRA-GIS WURDEN GEMEINSAM MIT SYRISCHEN SPEZIALISTEN GEPRÜFT UND WEITERENTWICKELT.

Hier diskutieren Dr. Benjamin Ducke, Leiter der Wissenschafts-IT am DAI, Wassim Alrez und Abdulsalam Almidani, beide Mitarbeiter im Projekt „Stunde Null“, Aspekte zur Entstehungsgeschichte der archäologischen Stätte Palmyra.

Foto: Götting

DERZEITIGE ZUGÄNGLICHKEIT

Die Online-Version des „Palmyra-GIS“ ist über die Geodateninfra- struktur des DAI („iDAI.geoserver“, s. Kasten) verfügbar. Derzeit sind die Basisdaten für registrierte Benutzer des Systems einseh- bar. Weitere Daten werden schrittweise freigegeben.

DIE DATENINHALTE

Das „Palmyra-GIS“ besteht aus zahlreichen Datenschichten (engl.

„Layers“). Wassim Alrez, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projek- tes „Stunde Null“ erklärt, wie das System funktioniert: „Im Kern kommt hier das klassische Prinzip der Kartographie in digita- ler Form zum Tragen: Jeder einzelne GIS-Layer enthält nur eine überschaubare Menge an Informationen und repräsentiert ein bestimmtes kartographisches ‚Thema‘, wie beispielsweise die natürliche Topographie, die Grundrisse der Monumente oder eine Sammlung von Luftbildern. Durch das gezielte Ein- und DAS DIGITALE GELÄNDEMODELL DER STÄTTE

AUF GRUNDLAGE DES „PALMYRA-GIS“

Foto: Götting

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CULTURAL HERITAGE

Ausblenden von Layern lassen sich dann mehr oder weniger kom- plexe Sachverhalte visualisieren.“ Zudem sind die in den Layern kartierten Objekte mit Datenbankeinträgen (sogenannte „Sach- oder Attributdaten”) versehen, die sich auf vielfältige Art und Wei- se abfragen und nach bestimmten Informationen durchsuchen lassen.

Die Bestände digitaler Geodaten im „Palmyra-GIS“ umfassen un- ter anderem detaillierte Vermessungsaufnahmen der sichtbaren Monumente, mit Fotos und Online-Datensätzen verknüpfte Standorte von circa 500 Monumenten, aktuelle Satellitenbilder und historische Luftaufnahmen, Sensordatenbilder (Magnetfeld- messungen) und Grabungsbefunde einiger Areale sowie ein auf Grundlage dieser Daten erstelltes digitales Geländemodell.

DAS „PALMYRA-GIS” ENTHÄLT EINE VIELZAHL VON DATENSCHICHTEN UND VERKNÜPFTEN SACH- UND BILDDATEN.

Hier sieht man die Bau- und Geländedaten aus der Publikation von K. Schnädelbach (2010), das magnetische Messbild des Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München und Bildmaterial aus den DAI-Beständen. Screenshot: Ducke

DIE RÄUMLICHE VERSCHNEIDUNG MODERNER VERMESSUNGS- UND HISTORISCHER LUFTAUFNAHMEN (letztere zur Verfügung gestellt durch das Institut français du Proche-Orient) ermöglichen ein detailliertes Verständnis der Entwicklung Palmyras als archäologische Stätte. Screenshot: Ducke

Weitere Informationen zum „Palmyra-GIS“ vermittelt ein Film des Deutschen Archäologischen Instituts in deutscher und englischer Sprache. Er ist online abrufbar:

https://arachne.dainst.org/project/palmyra-gis

Zahlreiche bedeutende Monumente sind zudem mit den Objektdatenbeständen in der zentralen Objektdatenbank des DAI (iDAI.objects/Arachne) verknüpft. Weiterhin existieren über 15.000 digitale Bilder der Stätte, die ebenfalls in der digitalen Infrastruktur für Forschungsdaten des DAI, der iDAI.world, vorge- halten werden.

DER 3D-DRUCK DES DIGITALEN GELÄNDEMODELLS VERMITTELT EINEN DREIDIMENSIONALEN EINDRUCK DER STÄTTE PALMYRA.

Foto: Götting

DAS SYRIAN HERITAGE ARCHIVE PROJECT

Das „Palmyra-GIS” wurde aufbauend auf dem Syrian Heritage Ar- chive Project (SHAP) entwickelt. Das Projekt, in dem ein digitales Denkmalregister erstellt wird, wird gemeinsam vom DAI und dem Museum für Islamische Kunst Berlin (MIK), durchgeführt. Beide In- stitutionen verfügen durch langjährige Forschungstätigkeit über umfangreiche Datenbestände zum syrischen Kulturerbe. Darüber hinaus gibt es historische Bilddaten aus der Zeit vor und aus dem Ersten Weltkrieg, die Landschaften und Monumente noch ohne moderne Veränderung und Bebauung zeigen. Ergänzt wird die Datensammlung zudem durch bedeutende private Nachlässe von Forschern und durch Bilder von Reisenden, die ihre Fotos zur Verfügung gestellt haben.

Das Kooperationsprojekt Syrian Heritage Archive Project (SHAP) digitalisiert analoge Daten, um sie für die Zeit nach der Krise in Syrien für den Kulturerhalt und Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Dafür werden durch deutsch-syrische Teams in Berlin in großer Menge Forschungsdaten gesichtet, in der digitalen Forschungsumgebung des DAI (iDAI.welt) erschlossen sowie standardisiert verwaltet – und somit nachhaltig gesichert und zugänglich gemacht. Das Projekt wird im Rahmen des Kulturerhalt-Programms vom Auswärtigen Amt gefördert.

https://arachne.dainst.org/project/syrher

www.archernet.org/2019/03/06/shap-das-syrian-heritage- archive-project/

Die Sonderausstellung „KULTURLANDSCHAFT SYRIEN – BEWAHREN UND ARCHIVIEREN IN ZEITEN DES KRIEGES“

ist bis zum 26. Mai 2019 im Museum für Islamische Kunst Berlin zu sehen.

https://project.syrian-heritage.org/de/aktuelles

www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/museum- fuer-islamische-kunst/ausstellungen/detail/kulturland- schaft-syrien.html

Im Museum für Islamische Kunst Berlin bietet derzeit eine Sonder- ausstellung Einblicke in die Arbeiten des „Syrian Heritage Archive Projects“. Fotos, Filme, Berichte und Karten nehmen Besuche- rinnen und Besucher der Ausstellung „Kulturlandschaft Syrien – Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges“ mit auf eine virtuelle Erkundungsreise durch die reiche kulturelle Vielfalt Syriens.

(15)

„Jetzt hat das Ereignis einer einzigen, be- sonders regnerischen Nacht die Akro- polis ringsumher abgeschwemmt und von der Erde entblößt.“ So beschreibt der griechische Philosoph Platon im 4. Jahr- hundert v. Chr. ein Starkregenereignis mit folgendem Erdrutsch in Athen. Platon schildert im gleichen Werk noch andere Veränderungen der damaligen Land- schaft: „Damals aber, als die Landschaft noch unversehrt war, hatte sie Berge wie hohe Erdhügel und besaß die nun

‚Steinbodengebiete‘ genannten Ebenen voller festen Ackerbodens, und über viel Holz verfügte sie in den Bergen, wofür es noch jetzt sichtbare Beweise gibt.“ Platon beobachtete also Veränderungen seiner Umwelt. Den kausalen Zusammenhang zwischen Abholzung, Bodenerosion und Erdrutsch sah er aber offenbar nicht.

Wie menschliches Handeln die Umwelt in und seit der Antike veränderte, wird heute in Kooperation vieler Disziplinen erforscht. Die Entwicklung ist dabei nicht immer linear. Aktuell bestimmt in vielen

Regionen Griechenlands die Aufforstung das Bild. Hinzu kommt, dass nur noch wenige Hirten mit ihren Schafen und Zie- gen das Buschwerk abweiden. Dies war Anfang des 20. Jahrhunderts noch anders.

Damals war die Landschaft offen und leer, wie das Forschungsprojekt zur antiken Landschaft Phokis, über das in diesem Heft berichtet wird, zeigt. Erosion durch Wind und Wasser konnten die fruchtbare Erde abschwemmen. Dies verhindert aber auch die Aufforstung nicht gänzlich. Auch heute führen die kleinen Flüsse und Bäche in Griechenland, wie der Kladeos in Olym- pia, bei starkem Regen Erde mit sich fort.

Die mitgerissenen Steine und die Erde werden als Sedimente abgelagert. Ob die- ser Prozess im antiken Olympia ausreichte, um das Heiligtum meterhoch zu verschüt- ten oder ob ein Erdbeben mit folgendem Tsunami Ursache für die Verschüttung war, wird derzeit in einem DFG-Projekt durch den Geowissenschaftler Andreas Vött er- forscht.

Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts Foto: Kuckertz

Klimawandel

Ausnahmeereignisse wie Erdbeben, Tsu- namis oder Überschwemmungen überla- gern jedoch mit all ihren Konsequenzen für die Lebens- und Umweltbedingungen in unserer heutigen Wahrnehmung die kontinuierlichen Veränderungen wie die Erosion von gutem Ackerland und die Verkarstung. Das Erkennen und Verstehen kausaler Zusammenhänge wird durch die Langsamkeit der Vorgänge erschwert.

Noch einmal komplizierter wird die Situa- tion, wenn es um die Veränderung des Klimas mit all ihren Folgen geht. Gesell- schaften in der Vergangenheit erlebten Veränderungen von Temperaturen im Zu- sammenhang von feuchteren und trocke- neren Phasen. Nicht jedes Ökosystem war dabei in gleicher Weise betroffen. Regio- nen mit geringen Niederschlagsmengen reagierten extrem sensibel auf Veränderun- gen der Regenmengen wie die arabische Halbinsel mit der Entwicklung der Oasen- wirtschaft.

Diese Beobachtungen zu klimatischen Veränderungen in der Vergangenheit, zu denen das vorliegende Heft Einblicke gibt, haben auch Auswirkungen auf die heuti- ge Diskussion um den Klimawandel. Die für die Antike gewonnenen Daten werden in jene Datensätze einbezogen, die der Simulation klimatischer Veränderungen über lange Zeiträume hinweg dienen.

Simulation bedeutet dabei, dass man versucht, das komplexe Zusammenspiel von Faktoren wie Meeresströmungen, Temperaturänderungen etc. über längere Zeiträume hinweg zu verstehen, mit Hochleistungscomputern zu simulieren und Prognosen über zukünftige Verände- rungen zu erstellen.

Zugleich birgt der hier extrem vereinfacht dargestellte Vorgang Gefahren. Die Tat-

STANDPUNKT

STANDPU

NKT

sache, dass sich in der Vergangenheit das Klima, scheinbar ohne gravierende Kon- sequenzen für den heutigen Menschen, verändert hat, kann zu der fälschlichen Wahrnehmung führen, dass die aktu- ellen Warnungen vor der von Menschen gemachten Erderwärmung übertrieben seien, da es doch auch schon früher kli- matische Veränderungen gab. Man müsse also das menschliche Handeln nicht son- derlich ändern, sondern eher abwarten und aussitzen, da auf eine Warmzeit schon wieder eine Kaltzeit folge. Unterstützt wird diese simplifizierende und selektive Wahrnehmung durch das Missverstehen von Modellierungen und Simulationen.

Die Veränderung komplexer Systeme wie des Erdklimas vorherzusagen, d. h. eine Prognose zu erstellen, führt bei einer Zu- nahme der historischen Datengrundlage zu einer Verbesserung und zugleich Ver- änderung der Ergebnisse. Einfluss auf die Resultate haben aber auch die mathema- tischen Modelle und Algorithmen sowie die Rechnerleistung. Da die Wissenschaft ständig mit neuen Methoden und mehr Daten weiterarbeitet, unterscheiden sich die Erkenntnisse einzelner Arbeitsgrup- pen. Damit politische Entscheidungs- träger verlässliche Entscheidungsgrund- lagen bekommen, wurde bereits 1988 der sogenannte Weltklimarat gegründet.

Der offizielle Name ist „Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Zwischen- staatlicher Ausschuss für Klimaänderun- gen)“. Der Rat vergleicht und diskutiert die Erkenntnisse und Prognosen. Er be- wertet und publiziert die Ergebnisse in Sachstandsberichten. Aussagen zum Kli- mawandel beruhen also auf den Daten internationaler Forschung und auf einer Bewertung der Resultate durch ein inter-

nationales Gremium. Für eine Verharm- losung der aktuellen Prognosen gibt die- ser komplexe Forschungs- und Bewer- tungsprozess mit seinen Ergebnissen je- denfalls keinen Anhaltspunkt. Manchem Leugner des Klimawandels bleibt daher nur eine populistische Grundsatzkritik an Wissenschaft als solcher.

Die Auswirkung mancher Umweltfaktoren wie der Luftverschmutzung auf unser kulturelles Erbe ist schon lange bekannt.

Objekte im Museum sind oftmals bes- ser erhalten als Objekte, die nicht allein Wind und Wetter, sondern auch Luftver- schmutzung und saurem Regen ausge- setzt waren und sind. Die Auswirkungen des Klimawandels auf das kulturelle Erbe werden hingegen erst in jüngster Zeit the- matisiert. Permafrostböden tauen auf, der Anstieg des Meeresspiegels hat zur Folge, dass Kulturerbe in Küstenregionen die Überflutung droht. Mit diesen Auswirkun- gen des Klimawandels sieht sich auch die Archäologie konfrontiert und muss darauf reagieren.

Im Rahmen archäologischer Projekte werden also die Veränderungen von Mensch-Umwelt-Beziehungen in der An- tike erforscht und dadurch Daten für Simulationen des Klimawandels generiert.

Zugleich muss die Archäologie Lösungen für die Auswirkungen des Klimawandels auf die archäologische Überlieferung finden.

Weiterführende Informationen:

https://whc.unesco.org/en/climatechange/

https://www.nature.com/articles/s41467- 018-06645-9

DER FLUSS KLADEOS BEI OLYMPIA führt bei Starkregenereignissen große Mengen Erde und Geröll mit sich.

Foto: Fless

BIS AUF EINE WAREN DIE KOREN AUF DER AKROPOLIS SEIT DER ANTIKE WIND, WETTER UND DER LUFT- VERSCHMUTZUNG AUSGESETZT.

Heute sind sie durch Kopien ersetzt.

Foto: Fless

(16)

LANDSCHAFT

etall findet sich heute in fast allen Bereichen des Lebens: in Computern und Autos, in Besteck- schubladen und Werkzeugkisten ebenso wie im Portemonnaie. Metall war aber nicht immer einfach da. Erz abzubauen, zu verhütten und zu be- arbeiten, gehört zu den zentralen Innovationen früherer Gesellschaften.

Der dänische Archäologe Christian Jürgensen Thomsen veröffentlichte 1836 seine Unterteilung der europä-

ischen Vorgeschichte in Stein-, Bronze- und Eisenzeit (das sogenannte Drei- periodensystem), dessen Abschnitte

M

ANTIKE

„ MONDLANDSCHAFTEN

Bergbaureviere in Südspanien

WAS VOM TAGEBAU ÜBRIG BLIEB:

IN THARSIS WURDE ÜBER JAHRTAUSENDE ERZ ABGEBAUT.

Foto: Patterson

LANDSCHAFT

durch den Wechsel von vornehmlich

Stein- zu Metallgeräten charakterisiert

sind. Der Übergang verlief jedoch

weltweit nicht gleichzeitig und nicht

mit der gleichen Intensität.

(17)

Um 5000 v. Chr. wurden in Iran und in Anatolien die Grundlagen für die Verarbeitung von Kupfer geschaffen. Von da an verlief die Entwicklung vergleichsweise schnell und führte zu systemati- schem Ressourcenabbau. Dabei zurück blieben nicht selten regel- rechte Mondlandschaften des Tagesbaues, mit Schlackenhalden und Resten der Verarbeitung.

BERGBAU AUF DER IBERISCHEN HALBINSEL

Eine bedeutende Rolle für die gesamte Antike spielten die reichen Metallvorkommen – Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn – auf der Ibe- rischen Halbinsel. Die Erzvorkommen lockten in der Antike unter anderem Phönizier, Griechen und Römer auf die Iberische Halb- insel. Es entstanden Handelsposten und Siedlungen – und Berg- baureviere, in denen systematisch Erz gewonnen und verhüttet wurde. Damit verbunden sind tiefgreifende Veränderungen der Landschaft.

Tharsis bietet eine der wenigen Möglichkeiten, den antiken Erz- abbau auf der Iberischen Halbinsel archäologisch zu untersuchen.

In den anderen großen Minen Hispaniens ist der antike Befund durch die Weiternutzung oder auch Wiedernutzung der antiken Areale weitgehend zerstört.

LANDSCHAFT

Das Forschungscluster 2 „Innovationen: technisch, sozial“ des Deutschen Archäologischen Instituts erforscht als ein Schwer- punkthema den Einfluss, den die Einführung der Metallurgie auf vergangene Gesellschaften hatte.

www.dainst.org/forschung/netzwerke/forschungscluster/

cluster-2

WO HEUTE EIN KRATER GÄHNT, LAGEN EINST DIE SIEDLUNG PICO DEL ORO UND DIE MINEN VON THARSIS. Der Bergbau frisst sich immer weiter in den Berg hinein.

Foto: Patterson

Im späten 9./8. Jahrhundert v. Chr. landeten die Phönizier vom östlichen Mittelmeer aus an der Südküste Spaniens an. Durch sie erhielt die Region vielfältige Impulse. Auch in Tharsis, 40 Kilome- ter von der Küste entfernt, kam es zu technischen und wirtschaft- lichen Entwicklungen. Mit der Ankunft der Phönizier kamen die hispanischen Erzgießer mit der komplizierten Eisenverhüttung in Berührung. Die seit der Kupferzeit im 3. Jahrtausend v. Chr. beste- hende Metallverhüttung stieß in neue Dimensionen vor. Die Öfen wurden größer, sie wurden mit bis dato unbekannten Blasebälgen angefacht, die Erz-Produktion stieg. Die Dimension des Bergbaus in Tharsis wird klar, wenn man die riesigen antiken Schlackehal- den betrachtet.

DAS ERZ IST ALS ROHMATERIAL AUS DER MINE IN DIE UMLIEGENDEN SIEDLUNGEN GEBRACHT UND DORT VERHÜTTET WORDEN.

Foto: Patterson

DIE SCHLACKENHALDEN VON THARSIS MACHEN DEN GEWALTIGEN MASSSTAB DER DORTIGEN ERZGEWINNUNG AUGENFÄLLIG. Die Menge der antiken Schlacken wird aktuell auf bis zu 16 Millionen Tonnen geschätzt.

Foto: Patterson Die intensive Bewirtschaftung der Minen zog gesellschaftliche

Entwicklungen nach sich. Die Bevölkerung konzentrierte sich auf den Bergbau und verlagerte ihre Siedlungen zunehmend auf die Minen selbst. Angesichts der Steigerung der Fördermenge kann man vermuten, dass hier eine völlig neue Art der Spezialisierung zu beobachten ist: Wahrscheinlich lebten die Bewohner der Mi- nensiedlung ausschließlich vom Bergbau und der Verhüttung. Das funktioniert nur mit einem arbeitsteiligen System – umliegende Orte müssen die Bergbausiedlungen mit Nahrungsmitteln ver- sorgt haben.

Die Bewohner des Umlandes hatten darüber hinaus noch unmit- telbar Teil am Abbau: Über den chemischen Fingerabdruck ist es möglich, die Schlacke mit der Fundstelle des Erzes zu verbinden.

Entsprechende Schlackenfunde aus nahezu jeder Siedlung der Region zeigen, dass das Erz, das in Tharsis gefördert wurde, dort ebenso wie in der Umgebung verhüttet wurde.

Die intensive Nutzung der Ressourcen in Tharsis in den folgenden Jahrhunderten ist verbunden mit weiteren wirtschaftlichen und sozio-kulturellen Veränderungen sowie landschaftlichen Eingrif- fen, die mit zu dem Bild führten, das uns dort heute eindrucksvoll vor Augen steht.

PROF. DR. THOMAS SCHATTNER (DAI Madrid) hat von 2007 bis 2010 in Tharsis geforscht.

KOOPERATIONSPARTNER

Archäologisches Institut, Universität Huelva Ayuntamiento de Cerro Andévalo

Servicios Generales de Investigación de Investigación y Desarrollo de la Universidad de Huelva

Universidad Autónoma de Madrid, Departamento de Prehistoria y Arqueología,

Institut für Paläozoologie und Domestikationsforschung Naturwissenschaftliches Referat der Zentrale des DAI, Berlin Instituto Portugués de Tecnología Nuclear

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BLÜHENDE LANDSCHAFTEN: MUNIGUA

Munigua liegt etwa 50 Kilometer nordöstlich von Sevilla und damit deutlich weiter im Hinterland als Tharsis. Die römische Stadt wird seit über 60 Jahren kontinuierlich durch die Abteilung Madrid des DAI erforscht. In den letzten Jahren wurden beson- ders die wirtschaftlichen Grundlagen von Munigua in den Blick genommen. Die Wirtschaft der Stadt gründet in erster Linie auf den Metallvorkommen im Umland. Dort gibt es Kupfer- und Eisen- schlackenhalden in der Größe von Fußballfeldern. Das Erz wurde sowohl über Tage als auch unter Tage abgebaut, die Bergwerke mit ihren Schächten und Stollen sind zum Teil erhalten.

Anders als in Tharsis spielten in Munigua aber noch weitere Er- werbszweige, wie die Kalksteinbrüche und die Ölproduktion, eine wichtige Rolle.

Die Blütezeit Muniguas begann mit der Ausbeutung der Metall- vorkommen zu Beginn der römischen Kaiserzeit im 1.  Jahrhun- dert  n.  Chr. Als die Bodenschätze im 4. Jahrhundert  n.  Chr. aus- geschöpft waren, folgte der Niedergang der Stadt. Vor allem die Eisenverhüttung spielte als Wirtschaftsfaktor eine entscheidende Rolle: Wäre die Eisenmine von Navalázaro auf dem Gebiet von Mu- nigua nicht vorhanden gewesen, so wäre die Stadt – wie viele an- dere Orte auch – wohl schon deutlich früher aufgelassen worden.

So wichtig das Metall für die Stadt auch war, nach heutigen Maß- stäben ist die Tonnage der erhaltenen Schlackenhalden (20.000 Tonnen) recht gering. Das Eisen wurde verhüttet, ohne dass es zum Raubbau an den umgebenden Wäldern kam. Die Eichen- wälder im Gebiet von Munigua wurden nicht flächendeckend abgeholzt, wie Archäologen, Epigraphiker und Paläobotaniker übereinstimmend feststellen. Im Gegenteil scheint die Holzkohle-

gewinnung in eben der Weise praktiziert worden zu sein, wie sie in Südspanien bis in die 1960er-Jahre üblich war. In der Sierra Mo- rena beschnitten die Köhler in regelmäßigen Abständen die Bäu- me und verköhlerten allein den Abfall aus diesem Baumschnitt. Es handelt sich um eine nachhaltige Art der Baumnutzung.

Auch der römische Schriftsteller Plinius empfiehlt die Nutzung junger Zweige für die Herstellung von Holzkohle.

„Am besten ist die [Kohle] von jungen Bäumen. Haufen aufge- schichteter frischer Holzscheite werden mit Lehm wie ein Kamin zusammengesetzt; wenn der Meiler angezündet ist, wird die hartwerdende Schicht mit Stangen durchstoßen und lässt so die Feuchtigkeit austreten.“

Plinius, Naturgeschichte 16, 23 (Übers. R. König)

LANDSCHAFT

DER EINSTIEG IN DIE MINE LA PEPA BEI MUNIGUA.

Foto: Álvarez, GEOS, Sevilla

OLIVEN WERDEN AUCH HEUTE NOCH IN MUNIGUA KULTIVIERT UND ZU ÖL VERARBEITET. Das „grüne Gold Andalusiens“ ist berühmt.

Im Hintergrund des Olivenhains ist das römische Terrassenheiligtum von Munigua zu sehen.

Foto: Patterson

DIE LANDSCHAFT MUNIGUAS IST GEPRÄGT VON KORK- UND STEINEICHEN. Bereits in römischer Zeit wurden in den Eichenwäldern Südspaniens Schweine gehalten.

Foto: Patterson

In den jungen Bäumen und Zweigen ist der Wasseranteil höher.

Das verlangsamt die Verköhlerung und erhöht den Anteil der Holzkohle, die man gewinnt. In den Ofenschlacken aus dem an- tiken Munigua haben sich teilweise die Negativabdrücke der ver- wendeten Zweige erhalten. Ihr schmaler Durchmesser zeigt, dass vorwiegend kleine Zweige für die Herstellung der Holzkohle ver- wendet wurden, für die nicht der komplette Baum gefällt werden musste.

RÖMISCHE LANDSCHAFTSGESTALTUNG

Die Einnahmen aus dem Bergbau von Munigua trugen zum Reich- tum der Stadt bei und flossen vermutlich auch in deren architekto- nische Gestaltung. Zu den unter römischer Herrschaft in Munigua errichteten öffentlichen Bauten gehört das etwa 35  ×  55 Meter messende Terrassenheiligtum im Westen der Stadt. Es wurde in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts  n.  Chr. erbaut und stellt mit seinem architektonischen Aufbau einen Bezug zu ähnlichen Anlagen im italischen Mutterland her. Der Komplex „thront“ auf dem höchsten Punkt der Stadt und beherrscht diese und die Um- gebung – eine besondere Form der Landschaftsgestaltung.

IM MAI IST DAS UMLAND VON MUNIGUA BEHERRSCHT VON BLÜTEN- TEPPICHEN, IMMER WIEDER UNTERBROCHEN VON ROTEN FLECKEN:

Krauser Ampfer liebt die Böden, auf denen Metalle beziehungsweise Schlacken lagern. Mit seiner Farbigkeit ist er ein guter Anzeiger für die Existenz von Schlackenhalden. Foto: Patterson

IN KOHLENMEILERN WIRD HOLZKOHLE HERGESTELLT. Holzkohle ist leichter als Holz und damit einfacher zu transportieren. Holzkohle erzeugt eine größere Hitze als Holz und war der einzige Brennstoff, mit dem man die nötige Temperatur für die Eisenverhüttung erzeu- gen konnte. Foto: picture alliance / Arco Images GmbH

PROF. DR. THOMAS SCHATTNER ist Zweiter Direktor der Abteilung Madrid. Er leitet seit 1997 die Untersuchungen der hispano- römischen Stadt Munigua.

Derzeit entsteht eine virtuelle 3D-Rekonstruktion der Stadt.

Foto: Hartl-Reiter DAS MONUMENTALE TERRASSENHEILIGTUM VON MUNIGUA.

Solche aufwändigen Anlagen sind vor allem aus dem römischen Italien bekannt. Foto: Zulueta

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DIE CASA TARPEIA Das Geburtshaus des DAI

DAS OBJEKT

DAS OB

JEKT

Am 21. April 1829 wurde in Rom auf der Südhälfte des Kapitols das Instituto di Corrispondenza Archeologica als Vorläufer des spä- teren Deutschen Archäologischen Instituts gegründet. Hier, auf dem wichtigsten der sieben Hügel Roms, lag in der Antike das religiöse Zentrum der Stadt. Heute erklimmen Touristenscharen über die lange Freitreppe mit den berühmten Dioskurenstatu- en das Kapitol. 1836 entstand hier das vom Architekten Johann Michael Knapp geplante erste Institutsgebäude, die sogenannte Casa Tarpeia.

Der Name nimmt Bezug auf die römische Priesterin Tarpeia, die hier den angreifenden Sabinern nach dem Raub ihrer Frauen durch die Römer das Tor zum Kapitol öffnete. Der Schriftsteller Livius überliefert die Geschichte aus der Frühzeit Roms samt der Bedingung, die Tarpeia für ihren Verrat stellte: Die Sabiner soll- ten ihr das, was sie am linken Arm trugen, übergeben. Statt des

in der Casa Tarpeia führten dazu, dass das Institut 1876/77 in ein neu errichtetes, größeres Gebäude verlegt wurde.

Die preußisch-deutsche Präsenz auf dem Kapitol endete mit dem Kriegseintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915. Die Casa Tar- peia wurden in den 1920er-Jahren abgerissen – nur ihre Fassade wurde vermauert stehengelassen.

AKTUELLE GRABUNGEN IM GARTEN DER CASA TARPEIA 190 Jahre nach der Institutsgründung ist das Deutsche Archäo-

logische Institut erneut auf dem Kapitol tätig. Gemeinsam mit der italienischen Antikenbehörde (Sovrintendenza Comunale di Roma) werden Grabungen im Garten der Casa Tarpeia durchge- führt, um die komplexe antike und neuzeitliche Geschichte des Kapitols eingehender zu untersuchen. 2018 wurden Überreste der ersten Mauern der Bibliothek des Instituts dokumentiert. Unter- halb dieser Überreste wurde ein gewaltiges Fundament aus opus caementitium entdeckt, das vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis in die Kaiserzeit hinein in mindestens drei Bauphasen errichtet wurde.

Das Fundament erstreckt sich bis unter das ehemalige protestan-

tische Hospital und trug wahrscheinlich einen weiteren Tempel- bau im Heiligtum des Jupiter Optimus Maximus.

Damit schließt sich der Kreis zum 19. Jahrhundert: Bei der Erbau- ung des zweiten Institutsgebäudes und Umbauten im Palazzo Caffarelli war man bereits auf antike Überreste der Fundamen- tierung des Jupitertempels gestoßen. Seine Erforschung führt von den Grabungen auf dem Kapitol unter anderem auch in das Archiv des Auswärtigen Amtes. Dessen Geschäftsbereich ist das Institut seit 1874 zugeordnet. Und dort wird ein Teil der seinerzeit von den frühen Institutsangehörigen angefertigten Zeichnungen des Tempelfundaments bis heute aufbewahrt.

TARPEIA UND DIE TODBRINGENDEN SCHILDE SIND LINKS IM GIEBEL ABGEBILDET.

Der kleine Jupiter-Tempel im Hintergrund verortet die Szene beim Kapitol. In der Mitte ist Minerva zu sehen – sie fungierte als Schutzherrin der Gelehrten, die im Instituto zusammenkamen. Rechts versinnbildlichen der Flussgott Tiber und die römische Wölfin die Stadt Rom.

Foto: D-DAI-ROM-28.88

erhofften Goldschmucks trugen die Sabiner jedoch Schilde an ihrem linken Arm, erschlugen Tarpeia damit und stürzten sie den Felsen vom Kapitol hinab.

Der Platz oberhalb des tarpejischen Felsens als Standort des neuen Instituts war nicht nur wegen des mythhistorischen Hin- tergrundes symbolträchtig, sondern auch aufgrund der Nähe zum Staatsheiligtum des antiken Roms, dem Tempel des obers- ten Gottes Jupiter Optimus Maximus. Auf ihn nimmt der von Emil Wolff gestaltete Terrakottagiebel Bezug, der die Sage um Tarpeia aufgreift, den Jupiter-Tempel als Ortsmarke zeigt und als zentra- le Figur die Göttin Minerva abbildet. Sie wurde gemeinsam mit dem Göttervater Jupiter auf dem Kapitol verehrt. Als Göttin der Weisheit und der Kunst beschirmte sie die antikebegeisterten Altertumsforscher, Philologen, Diplomaten und Künstler, die es sich im frisch gegründeten Institut zur Aufgabe gemacht hatten, Altertümer wissenschaftlich zu erschließen und zu publizieren.

PREUSSISCHES ENSEMBLE AUF DEM KAPITOL

Die Casa Tarpeia war Teil eines „preußischen Ensembles“ auf dem Kapitol, das aus dem Palazzo Caffarelli als Sitz des preußischen Ge- sandten beim Heiligen Stuhl, dem protestantischen Hospital und der preußischen Gesandtschaftskapelle bestand. Vierzig  Jahre lang blieb die Casa Tarpeia der Hauptsitz des Instituts. Besonders durch seine schnell wachsende Bibliothek wurde es Anziehungs- punkt für Altertumswissenschaftler in Rom. Der Vorplatz des Ins- tituts entwickelte sich in dieser Zeit zu einer Art Freilichtmuseum, wie die Fotografie zeigt, die um 1870 entstand: Besonders promi- nent erscheinen die Abgüsse der Dioskurenköpfe vom Kapitol in Originalgröße, die von Statuetten und Relieffragmenten umge- ben sind. Zunehmende Raumnot und aufsteigende Feuchtigkeit

PROF. DR. ORTWIN DALLY ist seit 2014 Leitender Direktor des DAI Rom. Das Institut ist seit den Anfangsjahren vielfach umge- zogen und logiert heute beim Quirinalshügel. Foto: DAI

ANLAUFSTELLE FÜR INTERNATIONALE ALTERTUMSWISSEN- SCHAFTLER: DIE CASA TARPEIA UM 1870. Foto: D-DAI-ROM-55.527R

DIE GRABUNG IM GARTEN DER CASA TARPEIA bietet die Möglichkeit, Untersuchungen zur Geschichte des Instituts mit der Archäologie des Heiligtums des Jupiter Optimus Maximus zu verbinden. Im Vordergrund ist das Fundament sichtbar, das wahrscheinlich einen weiteren Tempel in diesem Heiligtum trug. Foto: Behrens

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TITELTHEMA

as heute bei den wöchentlich stattfindenden Klima-Demonstratio- nen auf einem Schild stehen könnte, schrieb der römische Schriftsteller Plinius bereits vor 2000 Jahren.

Die Römer belasteten ihre Umwelt stark: durch Bergbau und großflächige Waldrodungen, durch die Verschmut-

zung der Flüsse durch Kloaken- abwässer und durch intensive Land- wirtschaft, die zu Erosion führte.

Wir Menschen greifen seit mehreren Tausend Jahren, ganz besonders seit

dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht, erheblich in unsere

Umwelt ein.

TITELTHEMA

W

MENSCH, UMWELT UND KLIMA

Über Veränderung, Einflussnahme und Anpassung

BIS ZU FÜNF GRAD TEMPERATURANSTIEG im Vergleich zu vor- industriellen Bedingungen sagen Experten des Weltklimarates bis zum Ende des 21. Jahrhunderts voraus. Gehört dann der Anblick des verschneiten Forum Romanum der Vergangenheit an?

Foto: picture alliance/Photoshot

„Wir vergiften auch die Flüsse und die Elemente der Natur und selbst das, was uns leben lässt

(die Luft), verderben wir.“

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