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IN DER TROCKENEN STEINWÜSTE BEI PALPA IN PERU WURDEN RIESIGE BODENBILDER ANGELEGT. Darunter sind Darstellungen von Tieren, wie die des Orca-Wals, die mit Wasser in Verbindung stehen. Foto: Isla

DER MENSCHLICHE EINFLUSS IM KLEINEN UND GROSSEN

Welchen Anteil hatten die Bewohner Elaias und seines Hinter- landes an den geschilderten Veränderungen des Naturraums?

Obwohl der Fluss Kaikos (Bakır Çay) nur wenig westlich von Elaia in die Ägäis mündet, war die Ausdehnung seines Deltas nicht für die Verlandung von Bucht und Häfen verantwortlich. So belegt die Analyse von Sedimenten den starken Eintrag von Erdmaterial aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt, die seit etwa 850 v. Chr.

intensiv landwirtschaftlich genutzt wurde und infolgedessen be-sonders anfällig für Erosion war. Die Untersuchung von Pflanzen-pollen aus dem Hafenbecken hat nicht nur den Rückgang bewal-deter Flächen und die Zunahme an Kulturpflanzen wie der Olive ergeben, sondern konnte die Erosion der Böden anhand spezifi-scher Pilzsporen sogar direkt nachweisen. Ab etwa 180 n. Chr. nah-men der Anbau von Oliven ab und die Weidewirtschaft zu, was nochmals die Erosion steigerte und eine mögliche Erklärung für die anschließende Verlandung des geschlossenen Hafens liefert.

Das Beispiel Elaia zeigt, wie der Mensch mit Eingriffen in den Naturraum durch Landwirtschaft, Städtebau und die Anlage von Häfen neue Lebensgrundlagen schuf und zugleich deren Zer-störung verursachte. Was sich hier auf lokaler Ebene zwischen 850 v. Chr. und 600  n. Chr. vollzogen hat, geschieht auch in ande-ren Regionen und zu verschiedenen Zeiten. Die Erforschung des historischen Mensch-Umwelt-Verhältnisses ist für die Archäologie eine wichtige Aufgabe, die sich nur in interdisziplinärem Rahmen und unter Berücksichtigung sozial-ökologischer Ansätze erfüllen lässt. Das DAI und seine Partner führen zu diesem Thema unter an-derem das seit 2019 von der DFG geförderte Langfrist-Projekt „Die Transformation der Mikroregion Pergamon zwischen Hellenismus und römischer Kaiserzeit“ durch.

DIE BUCHT VON ELAIA MIT DEN STEINREIHEN DER SALINEN.

Im Hintergrund das antike Stadtgebiet.

Foto: Ludwig

KOOPERATIONSPARTNER DFG-PROJEKTE „ELAIA“ UND

„TransPergMicro“:

Archäologisches Institut der Universität Manisa (Türkei) Fachgebiet Historische Bauforschung und Baudenkmal-pflege, TU Berlin

Geographisches Institut, CAU Kiel

Geographisches Institut, Universität zu Köln Institut für Geographische Wissenschaften, FU Berlin Institut für Geowissenschaften, CAU Kiel

Ministerium für Kultur und Tourismus der Republik Türkei

Markus Reindel von der Kommission für Archäologie Außereuro-päischer Kulturen (KAAK) erforscht die Klima- und Siedlungsge-schichte in den Anden und erklärt, wie die Menschen der Nasca-Kultur ihre Götter baten, ihre Versorgung mit dem kostbaren Gut Wasser zu sichern.

Die Menschen der Nasca-Kultur lebten vorwiegend in den Flussoasen des Rio Grande zwischen der Wüste an der Südküste Perus und den Westhängen der Anden. Innerhalb von nur 100 Kilometern folgen hier diverse ökologische Zonen aufeinander, der Höhenunterschied von West nach Ost beträgt 5000 Meter. Es handelt sich um eine Region, die äußerst empfindlich auf Klima-schwankungen reagiert.

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DIE UNTERSUCHUNGSREGION DES ‚ANDEN-TRANSEKTS‘

LIEGT AN DER WESTSEITE DER ANDEN IM SÜDLICHEN PERU.

Der Untersuchungskorridor durchquert die Küstenwüste und reicht bis zum westlichen Gebirgszug der Anden in über 4500 Meter Höhe.

Im Rahmen des Projekts konnten hier insgesamt 1500 vorspanische Siedlungen dokumentiert werden.

Grafik: Reindel Grafik: Soßna

VERBUNDPROJEKT

‚ANDEN-TRANSEKT‘ (2008–2011) KOOPERATIONEN

Universität Heidelberg, Geographisches Institut Universität Heidelberg, Institut für Umweltphysik Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (INDEA) Mineralogische Staatssammlung München Georg-August-Universität Göttingen,

Abt. Historische Anthropologie und Humanökologie FÖRDERUNG

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) https://www.dainst.org/project/58701

In der trockenen Küstenregion wurden Sedimente untersucht, die darauf hindeuten, dass hier ehemals feuchtere und vegetations-reichere Verhältnisse als in der heutigen Wüste vorherrschten.

Die Untersuchungen zeigen, dass während der Nasca-Zeit (200 v. Chr. – 650 n. Chr.) stabile, feuchtere Umweltverhältnisse herrschten und das landwirtschaftliche Nutzungspotenzial am Andenwesthang hoch war. Zu dieser Zeit erlebte die Nasca-Kultur dort eine Blütephase. Die Siedlungsentwicklung der Nasca-Kultur hängt demnach eng mit den günstigen Umweltbedingungen zu-sammen. In den breiten Flussauen boten sich bei ausreichenden Wasserressourcen ideale Bedingungen für eine intensive Bewäs-serungslandwirtschaft.

GEOMORPHOLOGEN DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG NEHMEN EINE RAMMKERN-SONDIERUNG VOR, um Bohrkerne aus den zehn Meter mächtigen Schichten des Moores von Llamoca zu gewinnen. Foto: Hein

Im interdisziplinären Verbundprojekt ‚Anden-Transekt‘ hat Mar-kus Reindel gemeinsam mit Kooperationspartnern untersucht, welchen Einfluss Umweltveränderungen und längerfristige kli-matische Schwankungen auf die Entwicklung von Gesellschaften haben.

Für die geowissenschaftliche Rekonstruktion der klimatischen Be-dingungen wurden die Bodenarchive der Region erschlossen. In einem im Hochland gelegenen Moor wurden bis zu zehn Meter tiefe Bohrkerne gewonnen und mittels verschiedener naturwis-senschaftlicher Verfahren analysiert. Die Pflanzen- und Pollenres-te aus diesen Bohrkernen geben Aufschluss über klimatische und landschaftliche Veränderungen der letzten 8000 Jahre

VERTEILUNG VON SIEDLUNGEN AUSGEWÄHLTER ZEITSTUFEN. Klimatische Veränderungen haben im Laufe der Zeit immer wieder zu neuen Siedlungsmustern geführt. In der Paracas-Zeit fand offenbar eine massive Zuwanderung aus dem Hochland statt. In der Nasca-Zeit war die Küste der bevorzugte Siedlungsraum. Der Mittlere Horizont zeichnete sich durch eine geringe Siedlungsdichte aus, während in der Späten Zwischen-periode Großsiedlungen sowohl an der Küste als auch im Hochland entstanden. Grafik: Soßna

RITUELLE BITTEN UM WASSER

Aus der Zeit vor 600 n. Chr. stammen auch die Geoglyphen der Nasca-Kultur, die die trockenen Hochflächen zwischen den Fluss-tälern bedecken. Figürliche Darstellungen von Pflanzen und Tie-ren, vor allem aber mehrere hundert Meter lange Linien und geo-metrische Flächen wurden in den Wüstenboden gescharrt und verwandelten auf diese Weise die Landschaft in kultische Aktions-flächen. Diese wurden für Prozessionen, die im Zusammenhang mit Wasser- und Fruchtbarkeitskulten standen, genutzt. Eines der deutlichsten Zeichen hierfür sind die Spondylusmuscheln, die auf Steinaltären niedergelegt wurden, die die Archäologen auf den Geoglyphen freigelegt haben.

Spondylusmuscheln kommen nicht an der Pazifikküste des Nasca- Gebietes vor. Sie sind etwa 2000 Kilometer weiter nördlich, in den warmen tropischen Gewässern des heutigen Ecuador zu finden.

Gelegentlich strömen diese warmen Gewässer Richtung Süden (das sogenannte El-Niño-Phänomen), was zu Starkniederschlägen an der ansonsten trockenen Küste von Peru führt. Auch Spondy-lusmuscheln gelangten mit den warmen Wasserströmungen an die Küste Perus. Der Zusammenhang des Auftretens von Spon-dylusmuscheln und den heftigen Regenfällen wurde von den Andenbewohnern seit Urzeiten beobachtet und die Spondylus-muschel mit Wasser und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht.

Auch die figürlichen Geoglyphen selbst lassen sich mit Wasser-symbolik in Verbindung bringen. Darstellungen von Orcas in ei-ner Entfernung von 60 Kilometern zur Küste weisen auf das Meer.

Der Kolibri ist das Tier, das Flüssigkeit in Form von Nektar aus den Blüten saugt. Selbst Spinnen werden von den Bewohnern der Nasca-Region als Anzeiger von Wasser und Feuchtigkeit in der Wüste benannt.

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SCHEMATISCHER SCHNITT DURCH DEN WESTABHANG DER ANDEN, der die Verlagerung des Wüstenrandes als Folge von klimatischen Veränderungen zeigt.

Grafik: © B. Eitel

AUSGRABUNG VON STEINPLATTFORMEN AUF GEOGLYPHEN BEI PALPA. Diese Plattformen wurden von der Nasca-Bevölkerung im Rahmen von Wasser- und Fruchtbarkeitskulten genutzt.

Hier wurden unter anderem Spondylus-Muscheln abgelegt.

Foto: Reindel

TEILWEISE BEARBEITETE SPONDYLUSMUSCHELN, die mit Feldfrüchten und anderen Objekten als Opfergaben auf den Geoglyphen niedergelegt wurden. Foto: Isla

Ähnliche Verhältnisse prägten auch die sogenannte Späte Zwi-schenperiode (1000 – 1400 n. Chr.). Zwischen diesen Phasen aber – also in der Zeit des sogenannten Mittleren Horizonts zwischen circa 600 und 1000 n. Chr. – lassen sowohl die Sedimentanalysen an der Küste als auch der Rückgang von Graspollen in den Boden-archiven des Hochlandes auf trockenere Verhältnisse schließen. In diese trockenere Zeit fällt der Niedergang der Nasca-Kultur. Die Siedlungsdichte in der Region geht stark zurück.

PROF. DR. MARKUS REINDEL ist Wissenschaftlicher Referent für Amerika an der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK). Seit 1997 leitet er das Projekt Nasca-Palpa in Peru.

Foto: Baumgarten Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass die Nasca durch ihre Ritual-

handlungen, insbesondere auf den Geoglyphen, das Natur- geschehen dahingehend beeinflussen wollten, dass immer genü-gend Wasser für ihre Landwirtschaft gesichert war. Wasser ist das Element, das die Grundlage für das Leben in den Flussoasen im Küstengebiet von Nasca bildete. Als es zum Ende der Nasca-Zeit immer trockener wurde, wurden die Kulthandlungen intensiviert, um das ausbleibende Wasser zu erflehen. Die Bitten halfen je-doch nichts. Das Wasser blieb aus und die Bewohner des Nasca-Gebietes mussten ihr angestammtes Territorium zum größten Teil verlassen.

KOLIBRI UND SPINNE wurden wegen ihrer Verbindung zu Wasser als Boden-bilder in der Wüste angelegt.

Fotos: Picture-Alliance/KEYSTONE

Die Ausstellung „Nasca. Buscando huellas en el desierto“

(„Nasca. Im Zeichen der Götter“) ist noch bis zum 19. Mai 2019 in Madrid zu sehen.

https://espacio.fundaciontelefonica.com/en/event/nazca-looking-for-footprints-in-the-desert/