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Kurs für PrüfungsexpertInnen Fachgespräch auf Grundlage der Lerndokumentation
Berufsfeld Landwirtschaft und deren Berufe
Michaela Krummen, michaela.krummen@bfh.ch HAFL, Zollikofen
2021
Inhaltsverzeichnis
1 Fachgespräch: Die wichtigsten Neuerungen 3
2 Expertenvorlage Fachgespräch 7
3 Aufträge für das Fachgespräch 8
4 Zuteilen der Aufträge 9
5 Fachgespräch durchführen Fehler! Textmarke nicht definiert.
6 Modell zur Gesprächsführung 10
7 Grundsätze für gute Prüfungsgespräche 10
8 Weiterführende und vertiefende Fragen formulieren 12
9 Protokollführung 14
10 Bewertung 14
11 Fallstricke bei mündlichen Prüfungen 15
12 Umgang mit «Spezialfällen» 16
1 Fachgespräch: Die wichtigsten Neuerungen
2 Expertenvorlage Fachgespräch
Serie 2021 Qualifikationsverfahren
Landwirtin / Landwirt EFZ Praktische Arbeiten
Bereich: Fachgespräch praktische Arbeiten auf Grundlage der Lerndokumentation Positionsnote: LW_Fachgespräch _p
E X P E R T E N V O R L A G E
Vorgaben
Für das Fachgespräch praktische Arbeiten auf Grundlage der Lerndokumentation stellt die OdA eine Serie von Aufträgen zur Verfügung. Die Aufträge sind bei jedem Beruf wenn möglich in drei Bereiche gegliedert.
Die Experten erhalten von den Kandidaten vorgängig die Betriebsdaten zu allen Lehrbetrieben (gemäss Lerndokumentation Arbeitsumfeld), sowie die Gesamtplanung der Lerndokumentation.
Gestützt auf diese Dokumente wählen die Experten 3 passende Aufträge aus.
Aus jedem der Bereiche
090_LW_Fachgespräch A_p_Pflanzenbau, 091_LW_Fachgespräch B_p_Tierhaltung und
092_LW_Fachgespräch D-T_p_Mech-ProduktÜbergreifend
wird ein Auftrag erteilt. Die Auftragserteilung an den Kandidaten/die Kandidatin erfolgt schriftlich.
Der Kandidat bearbeitet während 45 Minuten die Aufträge mithilfe der Lerndokumentation. Das anschliessende Fachgespräch mit den Experten dauert 45 Minuten.
Der Lernende präsentiert seine Lösungen zu den Aufträgen, die Experten stellen weiterführende und vertiefende Fragen. Dabei stehen auch das Vergleichen, das Beurteilen, Planen und die MSS im Fokus.
Die Experten hören zu, beobachten und protokollieren.
Die Experten nehmen die Beurteilung anhand der vorgegebenen Bewertungskriterien vor. Im Kurzprotokoll halten die Experten Gesprächsverlauf, Kommentare, vertiefende Fragen sowie die Teilnoten fest.
Jeder Auftrag wird mit einer Teilnote von 1 bis 6 bewertet. Die Prüfungsnote ergibt sich aus dem Durchschnitt der drei Teilnoten mit Rundung auf halbe Noten.
Erlaubte Hilfsmittel: Eigene Lerndokumentation
3 Aufträge für das Fachgespräch
Bei diesem Beispiel handelt es sich um einen Auftrag aus dem Bereich Mechanisierung/
Produktionsübergreifend in der Expertenversion.
Bezeichnung Bereich Nummerierung und möglichst aussagekräftiger Auftrags-Titel
Hinführung zum Auftrag (nicht zwingend nötig)
Teilaufträge
Die Lernenden sollen:
aufzeigen, beschreiben, vergleichen, beurteilen…
Beurteilungs-kriterien (nur für die Experten sichtbar)
Die Anzahl der Kriterien muss nicht zwingend mit der Anzahl Teilaufträgen übereinstimmen
Schnitt der Kriterien ergibt die
Gesamtbeurteilung des Auftrags
Hier Gesprächsverlauf stichwortartig festhalten. Leistungen des Kandidaten und Kommentare auseinanderhalten.
4 Zuteilen der Aufträge
Diese Dokumente müssen von den Kandidaten vorgängig abgegeben werden und sind für die Zuteilung der Aufträge relevant.
Es werden Aufträge zu Kulturen und Tierarten zugeteilt, die der Lernende/die Lernende in der Lerndokumentation beschrieben hat.
Link zum Dokument Planung, Bewertung, Kontrolle LW:
https://lerndokumentation.agri-job.ch/images/%C3%9Cbersicht_Planung_Bewertung_d_2017.docx
5 Modell zur Gesprächsführung
Ablauf
Verhalten ExpertenAufgabe mit Vorbereitungszeit Aufgabe zuteilen, Zeitplan einhalten
Begrüssung Gute Atmosphäre schaffen
K macht Ausführungen K aussprechen lassen
Wertung der ersten Ausführungen unterlassen (Sicherheit vermitteln)
Reaktion des Experten
• Rückfrage
• Begründung verlangen
• Präzisierung verlangen
• Weiterführende Fragen zum gleichen Thema stellen
Gespräch beim Thema halten Weitschweifigkeit bremsen Gespräch beleben
Fragen präzis formulieren Augenkontakt haben
Nicht zu früh auf Detail drängen
K formuliert Antwort zuhören
Themenbereich abschliessen Ohne Wertung gegenüber Kandidat*in klaren Schnitt machen
Nächste Aufgabe
Prüfung abschliessen
Gestützt auf Metzger/ Nuesch 2004, S. 114
6 Grundsätze für gute Prüfungsgespräche
Gute Atmosphäre schaffen
Vom weiten Impuls zur gezielten Vertiefung
Die Kandidatin zuerst zeigen lassen, was sie zum Thema erarbeitet hat und welche Zusammenhänge sie herstellen kann. Damit werden zukunftsorientierte Fähigkeiten geprüft. Gleichzeitig gewinnt die Kandidatin Sicherheit. Erst in einem zweiten Schritt und vermehrt gegen Ende des Prüfungsgesprächs auch engere Fragen stellen, um Können und Nicht-Können genau zu eruieren.
Zuhören und warten
In erster Linie den Kandidaten sprechen lassen. Ihm gehören mindestens ¾ der Zeit. Immer wieder
genügend Überlegungszeit gewähren, auch nach Teilantworten nochmals mindestens 3 Sekunden warten.
Nicht ständig in den Denkprozess der Kandidatin eingreifen.
Den Meinungen der Kandidatin relativ weiten Raum lassen und sie nicht durch Widerspruch verunsichern, keine Streitgespräche.
Fragen in Kontext einbetten, kurz und verständlich formulieren
Mit ein bis zwei Sätzen zur Frage hinführen, kurz den fachlichen Zusammenhang erläutern, die relevante Berufssituation vor Augen führen oder in Erinnerung rufen.
Die eigentlichen Fragen eindeutig und klar stellen. Vielleicht sogar explizit darauf hinweisen. „Die Frage ist:
...“. oder etwas offener: „Erläutern Sie uns, wie Sie in dieser Situation vorgehen würden“. Keine unverständlichen Schachtelsätze. Fragen zu verschiedenen Themen gut voneinander abgrenzen.
Hilfestellungen bieten, aber keine Nachhilfestunde inszenieren
Unterscheiden zwischen Missverständnissen, die vielleicht auf schlecht formulierte Aufträge
zurückzuführen sind und tatsächlichen Unsicherheiten. Zusatzfragen und Hinweise bieten, ohne aber die Warteregel zu verletzen und ohne eine Nachhilfestunde zu inszenieren. Belehrungen gehören nicht in eine Prüfung. Auch nicht suggestive Fragen, also Fragen, welche die Antwort praktisch schon enthalten, stellen.
Das verunsichert eher („Meint er es nun gut, oder will er mich reinlegen?“) und trägt nichts zu einer objektiven Beurteilung bei.
Angemessen rückmelden
Sich der Wirkung von nonverbalen Signalen bewusst sein und angemessen einsetzen. Wichtig ist, dass die Kandidatin die volle Aufmerksamkeit erhält. Es kann Sinn machen, hie und da richtige Antworten z.B. durch Kopfnicken zu bestätigen. Damit gewinnt die Kandidatin Sicherheit. Bei abweichenden Antworten auf die Frage hinweisen. Bei falschen Antworten nur dann auf die Unrichtigkeit hinweisen, wenn dies für die Fortsetzung des Gesprächs nötig ist.
Zu vermeiden ist das Moralisieren. Redewendungen wie: „Das sollten Sie aber bei guter Vorbereitung wissen“ verunsichern die Kandidatin und bringen das Gespräch nicht weiter.
Geschickte verbale und nonverbale Kommunikation dient dazu, die Kandidatin weder unnötig verunsichert noch mit falscher Selbstüberschätzung zu entlassen.
Als Co-Experte nur in Ausnahmefällen eingreifen
Der Kandidat soll möglichst nicht eine 1 gegen 2 Situation erleben. Als Co-Experte auch nicht mit Gestik und Mimik (nicken, zulachen,...) ablenken. Der Co-Experte kommt nur in folgenden Situationen zum Zuge:
• zugunsten des Kandidaten, wenn er ein offensichtliches Missverständnis feststellt (an langen Prüfungstagen verpasst man vielleicht auch mal eine Antwort). Auch das kann aber in vielen Fällen ebenso gut im Beurteilungsgespräch geklärt werden.
• wenn ihn der Kollege am Ende des Prüfungsgesprächs einlädt „Hast du noch etwas?“, und wenn vorher wirklich etwas unklar geblieben ist oder wenn der Co-Experte als Lehrer besser weiss, was unterrichtet
7 Weiterführende und vertiefende Fragen formulieren
Offene, weiterführende Fragen
Klärende, konkretisierende Fragen• Impulse geben
• Können Sie noch etwas sagen …
• zu weiteren Möglichkeiten
• zum Thema XY
• zur Behauptung XY
• Welche Varianten, Möglichkeiten sehen Sie sonst noch?
• Was sind Ihre Erfahrungen und was haben Sie daraus gelernt?
• ….
• Warum haben Sie dieses Vorgehen, diese Lösung gewählt?
• Worauf musste speziell / im Besonderen geachtet werden?
• Gab es Schwierigkeiten? Falls ja, welche?
• Wie würden Sie konkret vorgehen?
• Wie beurteilen Sie…?
• …
Übung:
Nehmen Sie einen Auftrag, den Sie in der vorangehenden Übung ausgewählt haben.
A. Was sind mögliche klärende, konkretisierende und weiterführende Fragen (z.B. wenn Kandidat oberflächlich bleibt oder die Ausführungen nicht vollständig sind):
B. Was sind mögliche erweiternde, offene Fragen zum Thema:
C. Mögliche Hilfestellungen bei unsicheren Kandidaten:
Übung: Lernende in der Kandidatenrolle
Beobachtungsauftrag
Das fällt positiv auf?
Was könnte anders /noch besser gemacht werden?
Gute Atmosphäre schaffen
Kandidat/Kandidatin sprechen lassen und erst gegen Ende engere Fragen stellen
Fragen in Kontext einbetten, kurz und verständlich formulieren
Nach Fragen genügend lange warten
Hilfestellungen bieten, aber keine Nachhilfestunde inszenieren
Angemessen rückmelden (auch nonverbale Rückmeldung beachten)
Als Co-Experte erst am Schluss oder bei Missverständnissen eingreifen
8 Protokollführung
Ein gutes Protokoll dient folgenden Zwecken:
➢ Bewertung im Vergleich zum Verlangten
➢ Verminderung von leistungsfremden Einflüssen
➢ Gleichwertige Gewichtung aller Teilaufgaben von Anfang bis Schluss
➢ Beleg im Falle eines Rekurses
Tipps zur Protokollführung
• Kriterien die bereits festgelegt wurden, berücksichtigen.
• Leistungen des Kandidaten und Kommentare auseinander halten. Am besten je eine separate Spalte vorsehen.
• Nach jeder Teilaufgabe eine Note setzen.
9 Bewertung
Bedingungen für eine objektive Bewertung
•
Es liegen klare Kriterien vor, die Bewertung geschieht im Vergleich zum Verlangten (Inhalt und Anspruchsniveau)
•
Teilaufgaben werden einzeln und fortlaufend bewertet. Es gibt nicht einfach eine Note für den Gesamteindruck
•
Die Experten machen sich eine mögliche Beeinflussung durch positive oder negative Erwartungshaltungen bewusst
•
Die zwei Experten setzen Ihre Noten zuerst unabhängig
Risiken für Beurteilungsfehler
Sprechgeschwindigkeit
Schnellsprecher hinterlassen einen kompetenteren Eindruck. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Langsamsprecher bei objektiv identischen Aussagen mit bis zu einer Note schlechter beurteilt werden als Schnellsprecher.
Vorkenntnisse über frühere Leistungen
Kandidaten, von denen die Experten wissen, dass sie in der Schule oder in anderen Prüfungen gute Noten hatten, werden bevorzugt behandelt: Sie erhalten mehr Zeit zum Nachdenken und werden bei
schlechteren Leistungen weniger tief benotet.
Reihenfolge
Die Leistung des vorangehenden Kandidaten beeinflusst die Bewertung des Nachfolgenden. Ein guter Kandidat erhält eine noch bessere Note, wenn der vorangehende schlechter war. Umgekehrt wird eine schlechte Leistung besonders tief bewertet, wenn sie auf eine gute Leistung folgt.
Überstrahlung
Die Leistung am Anfang und am Schluss haben mehr Gewicht als die Leistungen dazwischen. Eine gute Leistung gleich zu Beginn führt zu den gleichen Effekten wie die Vorkenntnisse über frühere Leistungen (rücksichtsvollere Gesprächsführung). Nach einem überzeugenden Schluss wird vorangehendes Ungenügen weniger gewichtet. Analog ist die Wirkung im negativen Sinn, wenn die Leistung gegen Ende der Prüfung nachlässt.
Äussere Attraktivität
Wer die Kandidatin vorher nicht kennt, lässt sich gerne von Äusserlichkeiten leiten. Ungepflegte Haare, wenig ansprechende Kleider und Übergewicht wurden in Untersuchungen als Faktoren für ungeduldigere Gesprächsführung und tiefere Bewertung von gleichen Leistungen nachgewiesen.
Normalverteilung
Für die Notengebung wird oft eine Normalverteilung um den Mittelwert von ca. 4.5 –4.7 postuliert. Die Intelligenz und das Können einer einzelnen Kandidatengruppe ist aber kaum normal verteilt. Wer in einer guten Gruppe startet, wird benachteiligt und umgekehrt.
10 Fallstricke bei mündlichen Prüfungen
Fallstrick Wie mache ich es besser
1. Um eine gute Atmosphäre zu schaffen macht der E. am Anfang ein paar Witze.
2. Der E. will gleich zu Beginn Begriffsdefinitionen wissen.
3. Der E. fragt sofort nach, wenn der K. nicht spricht.
4. Der E. erklärt dem K. ausführlich, wie es richtig wäre und wie man es auch noch machen könnte.
5. Der E. macht die Note erst am Schluss des Prüfungsgesprächs, gestützt auf den Gesamteindruck.
6. Der K. erhält eine tiefe Note, weil er zu vielen Fragen keine Antwort gab. Im Protokoll hat der E. aber nur notiert, was der K. gesagt hat. Das sind alles richtige Antworten.
11 Umgang mit «Spezialfällen»
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