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Der innere Drang

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Fast jeder kennt harmlose Zwänge. Dominieren die Störungen jedoch den Alltag, kann das Leben zur Hölle werden. Betroffene fühlen sich oft machtlos – sie wollen zwar die Zwangs- handlungen beenden, „können” es aber nicht.

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rüfen, ob der Herd wirklich aus ist, ob- wohl man genau weiß, dass man ihn gerade abgeschaltet hat, verge- wissern, ob die Tür tatsächlich verschlossen ist – das kennen viele Menschen. Auch das Erle-

ben von aufdringlichen Gedan- ken ist nicht selten. Wer viel- leicht nur bei Licht einschlafen kann, der mag zu einem extre- men Verhalten neigen, doch eine Zwangsstörung liegt nicht gleich vor. Unter gewissen Be- dingungen (z. B. bei psychi-

schen Belastungen oder bei ge- netischer Disposition) kann sich daraus allerdings ein Zwangslei- den entwickeln. Führt der in- nere Trieb zu einer unver- meidbaren Handlung, liegt eine ungesunde Ausprägung vor. Ge- nerell gilt: Je stärker das zwang- hafte vom üblichen Verhalten abweicht und je mehr die Be- troffenen in ihrem alltäglichen Leben eingeschränkt sind, umso eher spricht man dann von einer Störung.

Verlust an Lebensqualität Die Erkrankung verläuft meist chronisch. Dabei kann die In- tensität der Symptome schwan- ken. Typischerweise entstehen sie sukzessive und beeinträch- tigen immer weitere Teile des Alltags. Mögliche Folgen sind Isolation, Partnerschaftsprob- leme und soziale Schwierigkei- ten. Bei einigen Patienten ver- schwinden die Krankheitsan- zeichen zeitweise wieder kom- plett. Manchmal treten gesund- heitliche Konsequenzen auf:

Zum Beispiel bilden sich bei ei- nem Waschzwang häufig Haut- ekzeme. Auch für Angehörige stellt die Krankheit oft eine große Belastung dar. Für sie er- scheinen die Marotten bizarr und irrational. Betroffene sind sich dessen meist bewusst, schä-

men sich für ihre Krankheit und versuchen so gut es geht, sie vor anderen zu verbergen.

Leben nach Regeln und Ri- tualen Im ICD-10 (Internatio- nal Classification of Diseases) sind Zwangsstörungen unter F42 aufgelistet. Dazu gehören Zwangsgedanken und -hand- lungen. Erstere sind Ideen, Vor- stellungen oder Impulse, welche die Personen immer wieder ste- reotyp beschäftigen. In der Re- gel bedeuten sie für Betroffene eine Qual, denn sie sind oft ob- zönen, religiösen oder gewalttä- tigen Inhalts. Die sinnlosen Grübeleien kreisen zum Beispiel darum, jemandem mit einem spitzen Gegenstand die Augen auszustechen oder eine Person vom Bürgersteig auf die Fahr- bahn zu stoßen.

Zwangshandlungen sind laut ICD-10 ständig wiederholte Ste- reotypien. Sie sind weder ange- nehm noch nützlich. Typischer- weise fühlen sich Patienten mit diesem Krankheitsbild genötigt, bestimmte Tätigkeiten wie Wa- schen oder Kontrollieren auf übertriebene Art und Weise durchzuführen. Sie erleben ihr Verhalten selbst als paradox und versuchen, dagegen anzugehen.

Nach jahrelanger Krankheit kann es vorkommen, dass die

Der innere Drang

PRAXIS PSYCHISCHE STÖRUNGEN

© Pim Leijen / fotolia.com

90 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Februar 2013 | www.pta-aktuell.de

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Zwänge stark im Leben inte- griert sind. Folglich geht das Gefühl der Sinnlosigkeit dieser Aktivitäten verloren. Manche Menschen meinen, durch ihr Handeln einer als bedrohlich empfundenen Gefahr vorzu- beugen. Sie waschen sich bei- spielsweise nach dem Kontakt mit bestimmten Gegenständen stundenlang die Hände, um sich vor Keimen zu schützen.

Die Grenze zwischen Zwang und normaler Handlung ver- läuft fließend. Charakteristisch für die krankhafte Variante ist, dass die Personen nicht anders können. Begleitend treten bei vielen Menschen vegetative Angstsymptome und Zustände belastender, innerer Anspan- nung auf. Zwangsstörungen kommen häufig in Verbindung mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Essstörun- gen, schizophrenen Psychosen oder auch dem Tourette-Syn- drom vor.

Leitlinien zur DiagnoseLaut ICD-10 liegt eine Störung vor, wenn über einen Zeitraum von

mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen Zwangsge- danken oder -handlungen auf- treten, welche als quälend emp- funden werden und die normale Dynamik stören. Dabei müssen die Beschwerden folgende As- pekte beinhalten:

k Sie müssen als eigene Gedanken oder Impulse für den Patienten erkennbar sein.

k Wenigstens einem Gedan- ken oder einer Handlung muss noch, wenn auch er- folglos, Widerstand geleistet werden, selbst wenn sich der Patient gegen andere nicht länger wehrt.

k Der Gedanke oder die Handlungsausführung dürfen nicht an sich angenehm sein.

k Die Gedanken, Vorstellun- gen oder Impulse müssen sich in unangenehmer Weise wiederholen.

Bis zur Diagnose vergeht häufig viel Zeit. Zum einen werden die Personen durch ihre Scham daran gehindert, über das Prob-

lem zu reden. Des Weiteren fehlt einigen Betroffenen zu- nächst die Einsicht, dass ihr Verhalten von der allgemeinen Norm abweicht.

Multiple UrsachenZu den Be- dingungen der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Zwangs- störung zählen verschiedene Kriterien. Genetische, psycholo- gische oder hirnorganische Fak- toren kommen als Auslöser in Betracht. Untersuchungen von betroffenen Familien belegen die erbliche Komponente. Für die hirnorganische Beteiligung spricht, dass Patienten mit Zwangssymptomen obendrein Auffälligkeiten in bestimmten Hirnbereichen aufweisen. Man findet eine erhöhte Aktivität im Präfrontalkortex und im Nu- cleus caudatus der Basalgan- glien vor. Auch eine Gleich- gewichtsstörung des Neuro- transmitters Serotonin erhöht das Risiko des Leidens. Aus psy- chologischer Sicht können Ge- gebenheiten wie Ängstlichkeit oder eine übertriebene Rein- lichkeitserziehung die Krank-

heit begünstigen. Traumatische Erlebnisse (z. B. sexueller Miss- brauch) fördern die Zwangs- rituale. Betroffene empfinden sich dann häufig als schmutzig und entwickeln gegebenenfalls einen Waschzwang.

Antidepressiva als Mittel der WahlDie Therapie sollte möglichst früh einsetzen. Doch auch wenn die Krankheit bereits länger besteht, ist die Prozedur vielversprechend: Eine Kombi- nation aus Psychotherapie und einer medikamentösen Behand- lung gilt als sehr erfolgreich.

Der Arzt verordnet gewöhnlich selektive Serotoninwiederauf- nahmehemmer (SSRI). Wird hiermit der gewünschte Effekt nicht erzielt, erhalten die Pa- tienten das trizyklische Antide- pressivum Clomipramin oder ein atypisches Neuroleptikum wie Risperidon.

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Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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