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Herstellung ortsgebundener Heilmittel in Kurmittelhäusern

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Ärzteblatt Sachsen 9/1999 479

Verschiedenes

Einleitung

Die Kur als vorbeugende Maßnahme zum Erhalt der Arbeitskraft beziehungs- weise als wiederherstellende Maßnahme nach schwerer Krankheit oder Opera- tion ist ins Gerede gekommen: Sie sei zu teuer, lautet ein häufig formulierter Vor- wurf.

Ein zentrales Element der Kur ist die ärztlich verordnete Anwendung von

„ortsgebundenen Heilmitteln” in fester, flüssiger oder gasförmiger Form. Diese Heilmittel stehen zunächst kostenlos zur Verfügung, und auch die Art der An-

Herstellung ortsgebundener Heilmittel in Kurmittelhäusern

Anmerkungen zu einem weitgehend unbekannten Kostenfaktor

wendung erscheint nicht wesentlich auf- wendiger als der Betrieb eines kommu- nalen Hallenbades.

Die erforderlichen Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur sachgerechten An- wendung von ortsgebundenen Heilmit- teln im Rahmen von Kuren sind jedoch wesentlich komplexer und damit ko- stenträchtiger als dies zunächst den An- schein hat.

Gesetzliche Vorgaben

Die ortsgebundenen Heilmittel Meer- wasser, Sole und die Peloide Schlick und Moor werden mit der Absicht ange- wandt, „Krankheiten, Leiden, Körper- schäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten”, und erhalten damit den Status eines Arz- neimittels oder, was die Peloide betrifft, Medizinproduktes.

Die Einstufung der ortsgebundenen Heilmittel als Arzneimittel und die Stel- lung der Kurmittelhäuser als öffentliche Einrichtung zwingt den Gesetzgeber, die Kurmittelhäuser im Sinne des Ver- braucherschutzes mit allen Konsequen- zen als pharmazeutische Hersteller ein- zustufen. Als Betriebe, in denen ortsge- bundene Heilmittel gewonnen, aufberei- tet und für therapeutische Zwecke abge- geben werden, müssen sie unter ande- rem nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) sowie der Betriebsverordnung

für pharmazeutische Unternehmer (PharmBetrV) arbeiten. Im Detail be- deutet das für die Kurmittelbetriebe:

1. Die Gewinnung und Bearbeitung von ortsgebundenen Heilmitteln ist nur mit einer Herstellungserlaubnis nach

§ 13 AMG, erteilt durch die zuständi- ge Behörde (zum Beispiel Arzneimit- telüberwachungsstelle des Landes) möglich.

2. Es muß ein Herstellungs-, Kontroll- und Vertriebsleiter gemäß § 15 AMG benannt sein.

3. Die Betriebsverordnung für pharma- zeutische Unternehmer (PharmBetrV) muß umgesetzt werden. In diesem Regelwerk befinden sich detaillierte Anforderungen an das Qualitätssiche- rungssystem, das Personal, die Be- schaffenheit, Größe und Einrichtung der Betriebsräume, die Dokumenta- tion, die Hygiene, die Selbstinspek- tion sowie Anforderungen an die Her- stellung, Prüfung, Freigabe und Kennzeichnung der Heilmittel.

4. Die Qualitätskontrolle der hergestell- ten Arzneimittel muß in einem Auf- tragslabor nach § 12 PharmBetrV er- folgen.

5. Die einschlägigen pharmazeutischen EU-Richtlinien (zum Beispiel EU- GMP-Leitfaden der guten Herstel- lungspraxis für Arzneimittel) müssen berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch die organisatorisch-technolo- gischen Voraussetzungen ermöglichen es, Heilmittel sicher und in definierter Form anzuwenden und die Grundlage für eine wissenschaftlich fundierte Kurorttherapie zu bilden. In der weite- ren Diskussion zum Thema „Kur” soll- te diesem Punkt verstärkt Beachtung geschenkt werden, da insbesondere der finanzielle Aufwand zur Bereitstellung eines qualitätskontrollierten Heilmit- tels in jeder Hinsicht nachvollziehbar ist.

Es ist damit zu rechnen, daß die Kur- mittelhäuser in naher Zukunft ihre An- gebote durch die Balneo-Phototherapie ergänzen werden. Ihre Infrastruktur bietet sich hierfür in idealer Weise an.

(2)

480 Ärzteblatt Sachsen 10/1999

Verschiedenes

Die zuständige Behörde überwacht ge- mäß § 64 AMG die Einhaltung dieser Gesetzesvorgaben. Eine Herstellungser- laubnis wird zum Beispiel in Schleswig- Holstein erst dann erteilt, wenn folgende Forderungen erfüllt werden:

- Vorlage einer Heilwasser- bezie- hungsweise Peloidanalyse nach den

„Begriffsbestimmungen für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen” des Deutschen Bäderverbandes e.V.

- Vorlage einer Schadstoffanalyse ge- mäß Anlage 2 der TrinkwV.

- Vollständige Qualitätsdokumentation des Rohproduktes.

- Drei einwandfreie Befunde des abga- befertigen Arzneimittels, jeweils ent- nommen aus jeder in Frage kommen- den Abnahmestelle, aufeinanderfol- gend im Abstand von jeweils zwei bis drei Wochen. Die Prüfprotokolle ent- halten alle Parameter und Spezifika- tionen der Qualitätsstandards.

- Vorlage der gesamten technischen Dokumentation (Entnahmestelle mit Koordinaten/Flurstückbezeichnung, technische Spezifikationen, Fließ- schemata, Grundrißzeichnungen, An- lagenbeschreibung etc.).

- Abnahmebegehung durch die Behör- de.

Die Anforderungen an pharmazeutische Produkte, Herstellungsweisen oder Test- verfahren sind in Monographien der na- tionalen Arzneibücher vorgeschrieben.

Für die ortsgebundenen Heilmittel exis- tieren bisher keine vergleichbaren Spe- zifikationen. Lediglich in Schleswig- Holstein und seit August 1998 auch in Mecklenburg-Vorpommern sind sie - je nach therapeutischer Zweckbestimmung und Entnahmestelle - definiert. Dabei sind für jedes Produkt spezifische An- forderungen an die mikrobiologische sowie chemischphysikalische Qualität und die Kontrollintervalle festgelegt.

Aufbereitung von ortsgebundenen Heilmitteln als Arzneimittel

Neben dem beachtlichen Aufwand zur

Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ist auch die sichere Bereitstellung des Heil- mittels aus technisch hygienischer Sicht mit erheblichen Kosten verbunden.

Dies soll am Beispiel einer scheinbar simplen Kuranwendung, dem Meerwas- serwannenbad, erläutert werden. Es erscheint hier zunächst in keiner Weise einsichtig, warum die Füllung einer Wanne mit Meerwasser für ein an der See gelegenes Kurmittelhaus mit ir- gendeinem nennenswerten Aufwand verbunden sein soll.

Das Problem beginnt allerdings bereits mit der Gewinnung des Meerwassers:

Die Entnahmekonstruktionen müssen so beschaffen sein, daß sie den bekanntlich rauhen Witterungsverhältnissen an der Küste einschließlich Stürmen oder Eisgang widerstehen können und gleichzeitig nicht versanden. Im Bereich des Wattenmeeres ist eine Direktansau- gung aufgrund der örtlichen Gegeben- heiten meistens sogar überhaupt nicht möglich. Hier müssen über Horizontal- brunnen unterhalb des Meeresgrundes gelegene Salzwasservorkommen er- schlossen werden.

Weiterhin nachteilig sind die sehr korro- siven Eigenschaften des Salzwassers.

Dies hat zur Folge, daß in weiten Berei- chen der Wasserinstallationen nur hoch- wertige Materialien verwendet werden können, die zudem ständiger fachge- rechter Wartung und Pflege bedürfen.

Die letztendliche Schwierigkeit besteht nun noch darin, daß Meerwasser zum Baden hinsichtlich der Keimarmut Trinkwasserqualität besitzen muß, was natürlicherweise nicht der Fall ist. Eine einfache Keimreduktion mit aggressi- ven Methoden wie der Chlorung verbie- tet sich aufgrund der Forderung nach Naturbelassenheit des Heilmittels. Die Zielvorgabe kann also nur durch eine Kombination physikalischer Verfahren mit Schnellfilterung, UV-Durchflußdes- infektion und Konstantzirkulation durch Ringleitungen erreicht werden. Dies ge- lingt allerdings nur, wenn die Anlage kontinuierlich betrieben wird.

In der Summe bedeutet dies somit, daß bereits die reine Füllung einer Bade- wanne mit Meerwasser ungleich höhere Kosten verursacht, als dies bei Nutzung von Trinkwasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz der Fall wäre. Eine analo- ge Situation findet sich auch bei anderen Heilmitteln. Die grundsätzliche Forde- rung, ein natürlich vorkommendes Heil- mittel möglichst unverfälscht in tech- nisch und hygienisch sicherer Weise einem Behandlungsbedürftigen zugäng- lich zu machen, ist zwangsläufig immer mit einem erheblichen kostenträchtigen Aufwand verbunden.

Literatur

1. Qualitätsstandards Schleswig-Holstein für die ortsgebundenen Heilmittel Meerwasser, Heilwasser und Peloide vom 28. Mai 1997, herausgegeben von der Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein und der Arzneimittel- überwachungsstelle Schleswig-Holstein 2. Begriffsbestimmungen für Kurorte, Erho- lungsorte und Heilbrunnen, Deutscher Bä- derverband e.V., Deutscher Fremdenver- kehrsverband e.V. (Hrsg.), 10. Auflage, 1991 Dr. med. Stefan Neidhardt Neue Siedlung 15 24790 Schacht Audorf Tel. (01 71) 7 07 81 85 Consulting Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln Dr. Eva-Maria Brunschweiger Fachapothekerin für pharmazeutische Analytik Beselerallee 8 24105 Kiel Tel. (04 31) 8 95 04 16 Fax (04 31) 8 95 04 15

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