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Zur Semantik der Natur in Albert Camus Der Fremde

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Zur Semantik der Natur in Albert Camus „Der Fremde“

„Der Fremde“ ist ein 1942 veröffentlichter Roman des französisch-algerischen Schriftstellers und Philosophen Albert Camus, der zu seinen bekanntesten Werken zählt. Der folgende Text soll ein Versuch sein, sich Camus´ Verbildlichungen der Natur in „Der Fremde“ anzunähern und mögliche Bedeutungsebenen zu erfassen und aufzuzeigen. Camus gilt nicht nur als Meister der verbal- nuancierten Naturdarstellung, sondern vielmehr lassen sich „… reine Naturbeschreibungen als absichtslose Betrachtungen in Camus´ Texten“ weder vermuten noch sind sie de facto zu finden.1 „Das Bild ist immer nur so viel Wert wie seine Bedeutung. (…) Das Bild trägt die Bedeutung.“2

Um sich dem Inhalt des Romans angemessen annehmen zu können, ist ein kurzer Vorgriff auf Camus´

Werk und sein philosophisches Denken hilfreich, der sein Naturverständnis in ein größeres Bild einzuordnen und so für den Zweck dieses Textes zu präzisieren vermag. Als Grundlegend und prägend für sein Denken über Natur, drängt sich seine Jugend in der algerischen Hafenstadt Algier auf. So lautet auch ein viel zitierter Satz Camus´: „Ein Menschenwerk ist nichts anderes als ein langes Unterwegssein, um auf dem Umweg über die Kunst, die zwei oder drei einfachen, großen Bilder wiederzufinden, denen sich das Herz ein erstes Mal erschlossen hat.“ Ausgehend von dieser Selbsterkenntnis/These treten im Besonderen zwei Naturereignisse in seinem Schaffen hervor. Das Meer und die Sonne. Ein Bad im Meer, beispielsweise, bringt Menschen aller Klassen zusammen und ist in vielen der Werke, des überzeugten Sozialisten Camus, ein Moment der Befreiung, an dem die Geschichte kurz aussetzt und sich gleichermaßen neu ausrichtet. Die unbarmherzige Sonne Nordafrikas hingegen, wie Camus sagt, lehrte ihn, „dass die Geschichte nicht Alles ist.“ Diese Erkenntnis findet ihren Ursprung im mediterranen Leben. Nicht der Mensch gibt die geschäftigen Zeiten des Tages vor, sondern die Sonne diktiert sie dem Menschen auf. Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt in der Naturphilosophie Camus´.

Das Leitmotiv seiner Äußerungen über die Natur ist im Wesentlichen die Erfahrung, dass es neben der, vom Menschen geschaffenen, Geschichte noch eine andere Wirklichkeitsform gibt, die bedrohlich und schön zugleich, aber auf jeden Fall dauerhaft ist, und damit der Geschichte überlegen.3 Als Geschichte bezeichnet er dabei Alles, was vom Menschen ausgeht und was von Ihm bleibt. Sei es materiell oder rein geistiges Schaffen. Seine Auffassung ähnelt der Karl R. Poppers, der Geschichte als, aus der Perspektive von den Mächtigen, in ihrem Interesse, geschriebene Verkehrung von Tatsachen und Entscheidungen, versteht. Dem setzt Camus seine „Philosophie der Grenze und des Maßes“ entgegen.

Eine Geschichtsphilosophie in der die Welt als Natur und die Welt als Geschichte um einen Ausgleich

1 Schillinger-Kind, Asa A, „Albert Camus zur Einführung“, S.13,Junius, Hamburg, 1999.

2 Vgl. ebd. S.13

3 Schlette, Heinz Robert, „Zur Interpretation der Natur bei Camus“, in Pieper, Annemarie (Hrsg.), „Die Gegenwart des Absurden- Studien zu Albert Camus“, A. Francke Verlag, Tübingen/Basel, 1994, S.91.

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kreisen. Die Natur nimmt hierbei die bedeutende Rolle als begrenzende, korrigierende und Maß gebende Realität ein.4

„Für Marx, ist die Natur das, was man unterwirft, um der Geschichte zu gehorchen. Für Nietzsche das, dem man gehorcht, um die Geschichte zu unterwerfen.“5 Hier kulminiert das Denken Camus´ in einer interessant einfachen Weise. Das Naturverständnis Marx´ repräsentiert die christliche Lehre, nach der der Mensch die Erde untertan macht. Nietzsche hingegen verschreibt sich der griechischen Philosophie, die eine harmonische, ausgleichende Weltanschauung zwischen Mensch und Natur entwirft. Die Welt ist da und sie ist sinnvoll und gut. Albert Camus selbst, fühlte sich zu den Griechen hingezogen. Was natürlich vereinfacht ausgedrückt ist und auch nicht den Anspruch erhebt, Camus´

Denken im Ganzen reflektieren zu wollen, soll genügen, ein Gefühl für das Naturverständnis des Autors von „L´Etranger“, entwickelt zu haben. Die Natur ist also als eine der Welt des Menschen übergeordnete Realität zu verstehen, die uns Maß gibt, wo wir sonst maßlos sind. Das Licht, die Sonne scheinen dabei eine besondere Funktion zu haben. Diese Gedanken im Hinterkopf wird nun im Folgenden, anhand von exemplarischen Textstellen, der Versuch gemacht, die Bedeutung der Natur für die Geschichte herauszuarbeiten und zu schauen, in wie weit es sich bei „Der Fremde“, möglicherweise, um eine literarische Anwendung der dargelegten Naturphilosophie handelt.

„Heute ist Mama gestorben.“ Die Geschichte beginnt mit dem Tod der Mutter des lyrischen-Ichs, Meursault. Zur Totenwache und Beisetzung muss Meursault von Algier aus 80 Kilometer ins Landesinnere reisen. Hier kommt es zu den ersten interessanten Naturbeschreibungen. Zu Beginn der Totenwache im Altersheim, ist „der Raum von einem schönen Nachmittagslicht erfüllt. […] Und ich fühlte wie mich Müdigkeit überkam.“6 Diese recht einfache Erwähnung des Lichts, eröffnet sogleich den Raum für mehrere Lesarten. Man kann es als Herzlosigkeit und fehlenden Respekt für die tote Mutter werten, dass Meursault schon zu Beginn der Totenwache müde wird, fast schon gelangweilt ist. Aus den zuvor gefassten Gedanken entwickelt sich eine andere Perspektive, eine weniger urteilenden, nach der Meursault´s Müdigkeit ein natürliches Empfinden in der gedämpften goldenen Nachmittagssonne ist, dem der Mensch sich nicht erwehren könne.

Nach der Totenwache „war es heller Tag. Über den Hügeln, die Marengo vom Meer trennen, war der Himmel voller Rottöne. Und der Wind der darüberstrich, trug einen Salzgeruch hier her. Ein schöner Tag stand bevor. (…) ich fühlte, welchen Spaß es mir gemacht hätte, spazieren zu gehen, wenn da nicht

4 Vgl. ebd. S.95.

5 Vgl. ebd. S.98.

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Mama gewesen wäre.“7 Die hier harmonisch dargestellte Natur, weckt in dem Protagonisten Gefühle, neben denen der Tod der Mutter wie ein lästiges Übel erscheint, dem genüge getan werden muss.

Seinem Herz allerdings drängt sich etwas Anderes auf. Man kann sagen, das Licht, beeinflusst, über die Geschichte hinweg, seinen Gemütszustand. Es lässt sich hier auch zum Teil die, den Charakter des Fremden so prägende, Gleichgültigkeit gegen die Welt, erklären, denn sie resultiert wohl auch aus jener Hin,- fast schon Aufgabe Meursaults gegenüber der Natur.

Das Altersheim, in dem seine Mutter verstorben ist, befindet sich etwas außerhalb des Dorfes Marengo, wo sie beigesetzt werden soll. Die Eindrücke Meursaults während des Totenzuges zum Dorf lesen sich wie folgt. „Der Himmel war schon voll Sonne. Sie begann auf die Erde zu drücken, und die Hitze nahm schnell zu. Ich weiß nicht, warum wir ziemlich lange gewartet haben, bevor wir uns in Bewegung setzten. Mir war heiß in meiner dunklen Kleidung.“8 Bereits zu Beginn stehen die beiden Elemente im Vordergrund, die, um es vorwegzunehmen, den gesamten Totenzug über, bestimmend sein werden.

Das Licht, diesmal hart und dramatisch geschildert und die Bewegung. „Ich sah die Landschaft um mich her an. Bei den Zypressenreihen, die zu den Hügel am Himmel führten, diesem rotbraunen und grünen Land, diesen vereinzelten, klar gezeichneten Häusern verstand ich Mama. Der Abend musste in dieser Gegend wie eine melancholische Atempause sein. Heute machte die übermächtige Sonne, unter der die Landschaft erzitterte, sie unmenschlich und deprimierend.“9 Die Landschaft wechselt mit dem Licht ihre Gestalt. Erst erscheint sie wie gemalt, um dann wieder dem unmittelbaren Moment zu weichen.

Durch seine Begrifflichkeiten verwandelt Camus das Licht zu etwas körperlich Erfahrbarem. Es verschafft eine „Atempause“ und kann „deprimierend“ sein. In jedem Fall drückt es uns seine Wirklichkeit auf. Im weiteren Verlauf des Totenzuges wird diese Idee untermauert. „Ich war überrascht von der Schnelligkeit, mit der die Sonne am Himmel stieg. Ich hab gemerkt, dass das Land schon lange vom Zirpen der Insekten und vom Knistern vom Gras summte. Schweiß lief mir über die Wange.“10 Die Darstellung des Lichts bleibt dramatisch und drückt sich als körperliche Erfahrung aus. „Um mich herum war immer noch dieselbe leuchtende, von der Sonne gesättigte Landschaft. Die Helligkeit des Himmels war unerträglich.“11 So setzt es sich auch im weiteren fort, „ich war ein bisschen verloren zwischen dem blau weißen Himmel und der Monotonie dieser Farben (…) All das, die Sonne, der Geruch des Wagens, (…) trübte meinen Blick und meine Gedanken.“12 Hier wird ausgesprochen, was

7 Vgl. ebd. S.18

8 Vgl. ebd. S.22

9 Vgl. ebd. S.23

10 Camus, Albert, S.23

11 Vgl. ebd. S.24

12 Vgl. ebd. S.25

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sich während der Lektüre dieser Seiten als Eindruck aufgedrängt hat. Die gnadenlose Sonne diktiert Meursault seine Gedanken,- und Gefühlswelt auf.

Die angeführten Textzeilen umfassen dabei nur die direkten Beschreibungen der Natur. Vielmehr muss auch auf den Umstand hingewiesen werden, dass in der gesamten Schilderung des Totenzuges seiner Mutter, nur ein einziges Mal die Rede von seiner Mutter ist. Ein Angestellter des Bestattungsinstituts beklagt sich zunächst in Meursaults Richtung über die Hitze, um dann nach seiner Mutter zu fragen, was Meursaults lediglich mit „Ja“ und „Ziemlich“ beantwortet. Ansonsten dreht sich die Erzählung an dieser Stelle, wie angeführt, um das Licht, und um die Bewegung, die Anstrengung, die natürlicherweise aus der Hitze folgt. Um den Gang des Heimleiters. Um den alten Perez, dem es schwer fiel Schritt zu halten. Es wird deutlich, wie die Sonne unmittelbaren Einfluss auf die Realität der Menschen nimmt. Man kann sagen, selbst der Tod steht in ihrem Schatten.

Im zweiten Kapitel, nimmt das Meer eine interessante Rolle ein. Im Wasser in einer Badeanstalt, trifft Meursault seine ehemalige Arbeitskollegin Maria wieder. Die beiden gefallen sich und kommen sich während des Schwimmens näher. Auch der Himmel präsentiert sich nun „blaugold“. Erst beim Anziehen wird für Maria ersichtlich, dass Meursault in Trauer ist. Als sie erfährt, dass seine Mutter seit gestern Tod ist, zuckt sie ein bisschen zusammen.13 Es ist natürlich höchst spekulativ zu sagen, dass sie nicht zusammen gekommen wären, wenn sie von Beginn an von seiner Situation gewusst hätte.

Zweifelsfrei lässt sich aber festhalten, dass sie es, wie es die Umstände eines Bades mitbringen, nicht wusste.

Diese beiden angeführten Textstellen, verdeutlichen nicht nur Beispielhaft wie die Natur, als eine die Realität der Menschen überlagernde Dimension, verstanden werden kann. Vielmehr erwächst, unter anderen, aus den geschilderten Situationen die justizielle-Argumentation, die zu Meursaults Verurteilung führt. Sie führen dadurch zurück in den Rahmen dieser Arbeit. Durch sie ist ein erster Hinweis gegeben, welche Bedeutung, der Natur, in „Der Fremde“, beigemessen werden muss und aus welcher Perspektive dies ersichtlich und verständlich wird.

Im weiteren Verlauf der Lektüre tritt die Natur offensichtlicher und direkter als handlungstragendes Element auf. Die folgenden Zitate sollen dies aufzeigen. Die gesamte Szenerie des Mordes an dem Araber ist geprägt von Schilderrungen des Zusammenspiels des Lichts, der Sonne und der Landschaft.

Doch nicht nur das, schon die Entwicklung zu dieser Situation hin ist an dieser Stelle interessant.

Zunächst ist mit Meursault mit Marie und Masson am Strand. Bevor Meursault ins Wasser geht, ist er

„mit dem Empfinden beschäftigt, dass die Sonne mir guttat.“14 Nach dem Bad „lassen“ ihn die Wärme

13 Vgl. ebd. S.29

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von Marie und von der Sonne einschlafen. Diese angenehme, fast glückselige Erfahrung des Lichts, weicht dann einer dramatischen und sehr eindringlichen Darstellung, bevor Meursault, Masson und Raymond auf die beiden Araber treffen. „Die Sonne fiel jetzt senkrecht auf den Sand und ihr Glanz auf dem Meer war unerträglich. (…) Ich dachte an nichts, weil diese Sonne auf meinem bloßen Kopf mich schläfrig machte.“15 Wie ein schlechtes Vorzeichen für das Unglück, oder eben wie ein Element, eine Dimension, die das Kommende überhaupt erst mitbedingt. Denn ein schläfriger Kopf kann weniger, besonnene Entscheidungen treffen und diese erste Begegnung, bei der Raymond durch das Messer des Arabers zwei Schnittverletzungen erleidet, ist wohl unumgänglich einer der Gründe warum Raymond beim zweiten Aufeinandertreffen den Revolver hervorholt. Vor diesem, während er mit Raymond am Strand entlang geht, empfindet Meaursault die Sonne als drückend, „… sie zerbrach auf dem Sand und auf dem Meer in Splitter.“16 In dem Moment, als Raymond den Revolver hervorzieht, als Antwort auf das Messer des Arabers, kommt alles zum Stillstand „zwischen dem Meer, dem Sand und der Sonne, der zweifachen Stille der Flöte und des Wassers…“17 Meaursault fasst hier den absurden Gedanken, „ man könnte schießen oder nicht schießen.“18 Die Situation wie sie sich ihm darbietet, macht es völlig gleichgültig, zu schießen oder nicht. Sie macht Meaursault völlig gleichgültig.

Die Entscheidung nochmals zurückzugehen, nachdem er mit Raymond wieder zurück beim Haus von Masson war, wo der mit seiner Frau und Marie, wartete, ist ebenfalls der Sonne geschuldet. Die Hitze bereitet ihm Kopfschmerzen, sie hält ihn davor ab, die Treppe hinaufzugehen. „Aber die Hitze war so groß, das es auch qualvoll war, unter dem blendenden Regen, der vom Himmel fiel, stillzustehen.

Hierbleiben oder weggehen lief auf dasselbe hinaus.“19 Meausault geht los. Am Strand dieselbe „rote Explosion“20. Seine Stirn fühlt sich an als würde sie unter der Sonne anschwillen, „diese ganze Hitze stemmte sich auf mich…“21. „Bei jedem Lichtschwert, das aus dem Sand hervorgeschossen kam, aus einer gebleichten Muschel oder eine Glasscherbe, verkrampften sich meine Kiefer.“22 Die Landschaft und sie Sonne, sie bilden eine Einheit, die für Meaursault quälend ist, aus der es kaum ein Entrinnen gibt. Sie drängt ihm einen Gedanken, ein Ziel auf. „Ich dachte an die kühle Quelle hinter dem Felsen.

Ich hatte Lust, das Murmeln ihres Wassers wiederzuhören, Lust, der Sonne, der Anstrengung und den Frauentränen zu entfliehen, Lust, den Schatten und seine Ruhe wiederzufinden.“

Doch anstelle der Ruhe, findet er hier, im Schatten liegend, den Araber wieder. „... meistens tanzte sein Bild vor meinen Augen in der lodernden Luft.“ Das Licht und die Hitze trüben seinen Blick, lassen

15 Camus, Albert, S.70

16 Vgl. ebd. S.73

17 Vlg. Ebd. S.75

18 Vgl. ebd. S.75

19 Vgl. ebd. S.75

20 Vgl. ebd. S.77

21 Vgl. ebd. S.77

22 Vgl. ebd. S.78

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ihn den Gegenüber nur unscharf erkennen. Einen Gegenüber, der Raymond zuvor mit einem Messer angegriffen hatte. Das macht es zu einer Situation, in der für Meaursault offensichtlich etwas Bedrohliches liegt. Ihm selbst ist klar, dass er nur umzudrehen brauchte, „aber der ganze vor Sonne flimmernde Sand“ drängt sich hinter ihm. Deswegen tat er es nicht, sondern im Gegenteil, um sich vor der Hitze zu retten geht er einen Schritt vor, was den Araber sein Messer zücken lässt. In Meaursaults Brauen hatte sich Schweiß gesammelt, der ihm über die Lider floss und seine Augen hinter „einem Schleier aus Tränen“ blind machte. Er konnte seinen Gegner also kaum erkennen, lediglich das Messer, das in der Sonne als „glänzendes Schwert“ hervorgeschossen kam. „Diese glühende Klinge zerfraß meine Wimpern und wühlte in meinen schmerzenden Augen.“ Kurz vor dem Schuss „öffnete sich der Himmel in seiner ganzen Weite, um Feuer herabregnen zu lassen.“23 Um es deutlicher herauszuarbeiten, Meaursault trifft in an der kühlen Quelle, im herbeigesehnten Schatten liegend, den Araber, der Raymond kurz zuvor mit einem Messer verletzt hat. Dabei verhindern die „lodernde“ Luft und der Schweiß in seinen Augen, dass er ihn klar erkennt. Lediglich das Schwert blitzt in der Sonne auf, es wirkt größer als es ist. Er wankt und er schießt. Wie aufgezeigt wirkt die Sonne, also die Natur, bis hier her auf Meaursault ein. Sie beeinflusst ihn in seinen Entscheidungen, die schließlich zu dem Mord an dem Araber führen.

Das Urteil über diesen Mord fußt auf einer Argumentation, die im Wesentlichen eine Situation seiner Vergangenheit schildert und interpretiert und zur Grundlage nimmt, diesen Menschen, Meaursault, mit dem Tode strafen zu müssen. Sein Verhalten bei der Beerdigung seiner Mutter, bei der er nicht geweint hat, ihren Leichnam nicht nochmal sehen wollte und mit dem Pförtner einen Milchkaffee getrunken hat, ist es, das ihn ohne Sinn für Menschlichkeit erscheinen lässt. Die vorangegangenen Zeilen haben hoffentlich ersichtlich gemacht, woran es diesem Urteil mangelt. Wie falsch es ist, nicht in seiner Konsequenz, einen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen, sondern in seiner Herangehensweise diesen Menschen und seine Intentionen zu verstehen. Einen Menschen, der scheinbar ganz nach der Idee seines Schöpfers lebt und sich der großen Geschichte der Natur nicht erwehren kann. Meaursault selbst, während der Gerichtsverhandlung nach seinen Motiven gefragt, sagt, „dass es wegen der Sonne gewesen wäre.“24

23 Vgl. ebd. S.79

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Literatur:

Camus, Albert, „Der Fremde“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 2014

Schillinger-Kind, Asa A, „Albert Camus zur Einführung“, S.13,Junius, Hamburg, 1999

Schlette, Heinz Robert, „Zur Interpretation der Natur bei Camus“, in Pieper, Annemarie (Hrsg.), „Die Gegenwart des Absurden- Studien zu Albert Camus“, A. Francke Verlag, Tübingen/Basel, 1994

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