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Energieversorgung in Friedrichshafen in ihrem ökonomischen, technischen und ikonographischen Umfeld

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Academic year: 2022

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Universität Konstanz Sommersemester 2005

Geisteswissenschaftliche Sektion Fachbereich Geschichte

Arbeit zur Erlangung des Magistergrades (M.A.) im Fach Geschichte Erstkorrektur: Prof. Dr. Rainer Wirtz

Zweitkorrektur: Prof. Dr. Lothar Buchhardt

Energieversorgung in Friedrichshafen

in ihrem ökonomischen, technischen und ikonographischen Umfeld.

Zwei Arbeiter der Technischen Werke Friedrichshafen1

vorgelegt von:

Ulrike Leu Sonnenbühlstr. 40 78464 Konstanz

ulrike.leu@uni-konstanz.de Studienfächer:

Geschichte, Kunst- und Medienwissenschaften, Deutsche Literatur, Deutsch als Fremdsprache 9. Semester

1 Archiv TWF, Bildarchiv Fach 6: "Strom".

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Danksagungen

Ein besonderer Dank gilt den Technischen Werken Friedrichshafen, insbesondere Herrn Dix, dem Pressesprecher der TWF, und Herrn Senftleben von der Unternehmenskommunikation sowie Herrn Ebner, dem ehemalige Technische Leiter, die mir erlaubten, die Akten der Technischen Werke zu benutzen. Auch Herrn Wirtz und Herrn Buchhardt von der Uni Konstanz sei für die freundliche Beratung gedankt.

An dieser Stelle möchte ich ebenfalls meinen Eltern Brigitta und Peter herzlich danken, die mir mein Studium ermöglichten, sowie Arno, Nadja und Nadine für die technische Erklärungen, die Bildbearbeitungshilfen und das Korrekturlesen.

Dankeschön.

Vorwort zu Inhalt, Vorgehensweise und verwendeter Literatur

In der vorliegenden Arbeit geht es um die Entwicklung der Stromversorgung in Friedrichshafen. Die Energieversorgungsgeschichte dieser Stadt ist besonders interessant, da sie mit der Stadtgeschichte in außerordentlich engem Zusammenhang steht, so dass das hundertjährige Bestehensjubiläum des Städtischen Elektrizitätswerks im Januar 2007 einen guten Anlass bietet, die Grundlagen und Bedingungen des heute so erfolgreichen Werks vorzustellen.

Dabei soll insbesondere untersucht werden, inwiefern die Stromversorgung in engem Zusammenhang zu den Industriebetrieben der Stadt steht, die sich aus der Zeppelinforschung entwickelt haben, da die Zeppelinindustrie durch die beiden Weltkriege einen enorm großen Aufschwung erfuhr, der sich auch in der Energieversorgung widerspiegelte.

Um die Besonderheiten Friedrichshafens zu verdeutlichen, wird in der Arbeit ein allgemeiner Überblick über das Umfeld, also die Stromversorgung in Deutschland und insbesondere in Württemberg, gegeben, wie er in der aktuellen Forschungsliteratur dargestellt ist. Der Zeitraum der Untersuchung reicht von den Anfängen in den 1880er Jahren bis zur Gesetzesänderung 1935, die eine staatliche Kontrolle der Elektrizitätswirtschaft vorbereitete. Auf die weitere Entwicklung bis in

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die Gegenwart wird in der Schlussbetrachtung zu Friedrichshafen sowie in einem allgemeinen Ausblick eingegangen.

Thematisch wird neben den technischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten auch die Präsentation und Darstellung der Elektrizität in der Kunst untersucht.

In den ersten beiden Kapiteln wird ein allgemeiner Abriss der Stromversorgung bis in die 30er Jahre dargestellt, um den Hintergrund für die Entwicklung in Württemberg und Friedrichshafen zu geben. Dabei beziehe ich mich auf verschiedene Texte zu den technischen und historischen Aspekten der Stromversorgung.

Die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Stromversorgung werde ich im dritten Kapitel exemplarisch an der Ikonographie der Elektrizität beschreiben. Die zugrunde liegende Literatur setzt sich hauptsächlich aus den Arbeiten zur Industriekultur von Hermann Glaser und Alexander Kierdorf sowie dem Ausstellungskatalog des Badischen Landesmuseums, den Gisela Grasmück betreut hat, zusammen.

Im vierten Kapitel wird der Focus auf Württemberg gerichtet, um die spezifischen Besonderheiten herauszustellen, die Württemberg von anderen Regionen im Reich unterschied und somit auch Einfluss auf Friedrichshafen hatte. Zu der hauptsächlich verwendeten Literatur zählen hier vor allem die Arbeiten von Wolfgang Leiner zur Elektrizitätsversorgung in Württemberg und die Arbeiten Bernhard Stiers über Energiepolitik.

Da die Energieversorgung der Stadt Friedrichshafen, die im folgenden untersucht werden soll, eng an die Bedingungen der Stadt gebunden ist, werde ich im fünften Kapitel kurz auf die Entwicklung der Stadt eingehen. Dabei waren besonders die Texte von Elmar Kuhn hilfreich, des ehemaligen Leiters des Stadtarchivs Friedrichshafen.

Im sechsten Kapitel werde ich dann konkret die Stromversorgung der Stadt Friedrichshafen vorstellen und dabei insbesondere die Bedingungen der Entwicklung in Abhängigkeit von den strukturellen Veränderungen durch die zunehmende Industrialisierung. Die Informationen zu diesem Kapitel habe ich aus dem Archiv der Technischen Werke Friedrichshafen (TWF) bezogen. An dieser Stelle sei den TWF und insbesondere Herr Dix nochmals herzlich für die Nutzung der Quellen gedankt.

Zur Auswertung der Quellen ist zu bemerken, dass keine Findbücher oder systematische Archivierungen zu den frühen Jahren vorhanden waren. Die verwendeten Akten sind im Archivraum der TWF im ersten Gang im letzten Regal in

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den mittleren Fächern abgestellt. Bei den Quellenangaben halte ich mich an die Beschriftungen auf den Aktendeckeln. Das verwendetet Bildmaterial stammt aus dem Bildarchiv der TWF, das ebenfalls im Archivraum gleich am Eingang in einem Rollregal untergebracht ist. Die Bilder sind in beschrifteten Fächern angeordnet, innerhalb dieser Fächer jedoch nicht weiter unterteilt. Soweit vorhanden, sind Art der Quelle und Datum angegeben.

In den Fußnoten werden technische Erklärungen und Hinweise gegeben, die für den Text zu speziell sind. Die verwendeten Quellen und Sekundärliteratur werden bei der ersten Erwähnung voll genannt, im Folgenden nur noch mit dem Autor. Wurden von einem Autor mehrere Titel verwendet, ist jeweils noch ein Titelstichwort angegeben.

Bei den verwendeten Bildern ist in den Fußnoten jeweils angegeben, aus welchen Werken sie übernommen wurden.

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Inhaltsübersicht

Einleitung S. 8

I. Ausgangssituation. Entwicklung der Energielieferanten seit der Mitte

des 19. Jahrhunderts S. 10

II. Allgemeine Geschichte der Stromversorgung S. 16

III. Darstellung der Elektrizität in der Kunst S. 38

IV. Stromversorgung in Württemberg S. 54

V. Der industrielle Aufstieg der Stadt Friedrichshafen S. 71 VI. Geschichte der Stromversorgung Friedrichshafens S. 89

Ausblick S. 117

Inhaltsverzeichnis

Einleitung S. 8

I. Ausgangssituation: Entwicklung der Energielieferanten seit der Mitte_______

des 19. Jahrhunderts S. 10

1.Gesteigerter Leistungsbedarfbedarf durch die Industrialisierung S. 10

2. Wasserkraft S. 10

3. Dampfkraft S. 13

4. Gasmaschinen S. 14

5. Elektromotoren S. 15

II. Allgemeine Geschichte der Stromversorgung S. 16 1. Technische Entwicklung der Stromnutzung bis zur Bogenlampe S. 16 2. Die Pariser Elektrizitätsausstellung 1881: Edisons Glühbirne S. 17 3. Energieversorgungsentwicklung und erste Elektrizitätswerke S. 19 4. Stromübertragung von Lauffen zur Frankfurter Elektrizitätsausstellung 1891 S. 20 4.1. Die Elektrizitätsausstellung in Frankfurt S. 21

4.2. Die Drehstromübertragung S. 23

5. Gleich-, Wechsel- und Drehstrom: Übertragbarkeit und Loslösung aus

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regionaler Gebundenheit S. 26

6. Verbundbetriebe und „Großkrafterzeugung“ S. 28

7. Das Energieversorgungsgesetz 1935 S. 32

III. Darstellung der Elektrizität in der Kunst S. 38

1. Mythologisierung der Elektrizität S. 38

1.1. Göttin Elektrizität: Allegorien der Antike und Renaissance S. 40

1.2. Helios S. 47

2. Neues Selbstbewusstsein: Vom Jugendstil zum Bauhaus S. 49

2.1. Neue Sachlichkeit S. 51

2.2. Eigener Symbolcharakter S. 52

IV. Stromversorgung in Württemberg S. 54

1.1880-1900 S. 55

1.1. Von den Vorversuchen zu den ersten Elektrizitätswerken S. 55 1.2. Drehstrom und elektrotechnische Firmen S. 57 2. 1900-1914

Auf dem Weg zur Vollabdeckung durch die Überlandwerke S. 59 Exkurs:

Der Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) S. 60 3. 1914-1918

Rüstungsaufschwung S. 63

4. 1918-1933 S. 64

4.1. Politische Unruhen und mögliche Wege aus der Versorgungskrise S. 64 4.2. Die Leitungsgesellschaften auf dem Weg zur Energie-Versorgung

Schwaben (EVS) S. 67

V. Der industrielle Aufstieg der Stadt Friedrichshafen S. 71

1. Gründung Friedrichshafens und Residenzstadt S. 72

2. Wirtschaftliche Lage S. 74

Exkurs: Graf Zeppelin S. 74

2.1. Anfänge S. 74

2.2. Erster Weltkrieg S. 77

2.3. Zwischenkriegsjahre S. 78

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3. Soziale Lage:

Die Arbeiterschaft als Grund des enormen Bevölkerungswachstums S. 79

3.1. Anfangszeit S. 79

3.2. Kriegsende und politische Unruhen S. 80

3.3. Bevölkerungswachstum S. 83

4. Politische Lage: Kommunalpolitik S. 85

VI. Geschichte der Stromversorgung Friedrichshafens S. 89

1. Die Anfänge der elektrischen Beleuchtung S. 90

2. Von der privaten Stromversorgung zum städtischen Elektrizitätswerk S. 95 3. Die Entscheidung zwischen Gleich- und Drehstrom S. 100 4. Der Beitritt Friedrichshafens zur OEW S. 103 5. Erweiterung der Versorgung in der Weimarer Republik S. 104

6. Der Einfluss der Industrie S. 108

6.1. Sondertarife für die beteiligten Großindustrien S. 109

6.2. Abgabe- und Kostenentwicklung S. 110

7. Schlussbetrachtung S. 113

Zusammenfassung S.115

Ausblick S. 117

Quellen- und Literaturangabe, Bildnachweise S. 121

1. Quellen S. 121

1.1. ungedruckte Quellen S. 121

1.2. gedruckte Quellen S. 121

2. Sekundärliteratur S. 122

3. Web-Adressen S. 125

4. Filmmaterial S. 126

Anhang S. 127

Abkürzungsverzeichnis S. 127

Abgabetabelle TWF S. 128

Zeittafel S. 130

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Einleitung

Die Industrialisierung und Technisierung der Welt scheinen Prometheus2 von seinen Fesseln entbunden zu haben, so dass die Menschen einen erneuten Siegeszug über die Götter oder, im modernen Sinn, über die Naturgewalten führen können. Wie sehr gerade die Nutzbarmachung der Elektrizität als ein Sieg über die ungezügelte Elektrizität, wie beispielsweise bei energetischen Gewitterentladungen, empfunden wurde, wird an den Darstellungen der Elektrizität deutlich, wo oft Glühlampen und technische Geräte über Gewitterlandschaften triumphieren.

Mit der Entwicklung des elektrischen Lichts wandelte sich die ganze Gesellschaft.

Die Städte wurden zu einem Meer von Lichtern aus Straßenbeleuchtungen und Reklamen. Die Nutzung elektrischen Stroms3 revolutionierte nicht nur die Wirtschaft sondern auch die Privathaushalte. Die Haushaltsmaschinen wie Herde, Kühlschränke, Bügeleisen und Staubsauger verkürzten die Arbeitszeit und trugen so maßgeblich zur Entlastung und somit zur Möglichkeit einer Loslösung der Frauen aus dem Haus bei. In der Landwirtschaft ermöglichten die Elektromaschinen eine Entwicklung zu Großbetrieben und Monokulturen. Das kulturelle Leben wurde auf neue Weise von einer Illusion der Realität bestimmt, die in Lichtspielhäusern (Kinos), Radios und später auch im Fernsehen und den Unterhaltungselektroniken wie Musikabspielgeräten und Computern regelrechte Parallelwelten entstehen lies. Alle diese neuen Geräte schufen neue Wünsche und prägten so auch modernes Konsumentenverhalten aus. Auch die Kommunikation wurde durch Telegraphie und Telephon revolutioniert. Mit der Elektrifizierung des Verkehrs ermöglichten Straßenbahnen und später Elektrische Eisenbahnen eine immer größere Mobilität.4 Besonders diese durch die elektrotechnischen Innovationen möglichen Veränderungen in Kommunikation und Mobilität haben so in den rund 120 Jahren der

2 In der antiken Mythologie stahl der Titan Prometheus für die Menschen, seine Geschöpfe, das Feuer aus dem Olymp. Als Strafe dafür wurde Pandora mit einer Büchse, in der alles Unheil steckte, auf die Erde geschickt und Prometheus im Kaukasus an einen Felsen geschmiedet, wo ihm jeden Tag zwei Adler die Leber aushacken. Als Lichtbringer ist er zum Urbild des Aufklärers und Revolutionärs geworden.

3 Elektrischer Strom entsteht durch Bewegung von Ladungsträgern (Elektroden, Ionen) in metallischen Leitern, Halbleitern, Flüssigkeiten, Gasen und Plasmen. Stromstärke: Pro Sekunde durch den Leiter fließende Ladungsmenge, Einheit Ampere (A). Elektrische Ladung außer von elektrischem Feld auch ringförmig von Magnetfeld umgeben.

4 Zur gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen durch die Elektrifizierung siehe: Sandgruber, Roman: Strom der Zeit. Das Jahrhundert der Elektrizität. Linz 1992; sowie Grasmück, Gisela: Die

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Elektrizitätsnutzung die Welt zum „global village“5 gewandelt. Die optimale Nutzung von Energie als der Zentralressource der technischen Zivilisation6 ist bis heute ein Ziel der Forschung geblieben. Jeder entscheidende Schritt in der Weiterentwicklung des Lebens und der menschlichen Kultur war mit einer Steigerung des Energieangebots verbunden, wie auch Rückschritte und Stillstände mit einer Verringerung des Energiepotentials verbunden waren.7

Die Entwicklung des Elektrizitätssystems ist aber keineswegs eine reine Folge der technischen Entwicklung sondern wird erst durch politische und gesellschaftliche Kategorien erklärbar. 8

In dieser Arbeit soll dargestellt werden, wie sich die Stromversorgung seit ihren Anfängen bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung und dem damit verbundenen Zwangszusammenschluss der Werke entwickelt hat. Ausgehend von den Vorbedingungen im Rahmen der Industrialisierung möchte ich zunächst einen kurzen Abriss über die allgemeine Entwicklung der Stromversorgung geben, um dann näher auf Württemberg und insbesondere die Stadt Friedrichshafen einzugehen. An dieser Stadt lässt sich besonders gut erkennen, wie eng Stromversorgung und voranschreitende Industrialisierung miteinander in Verbindung stehen und das Gesicht einer Stadt und das Leben ihrer Bürger prägen. Die Entwicklung des Stromumsatzes der Stadt spiegelt eindeutig die wirtschaftlichen Höhen und Tiefen der Stadt und ihrer Bevölkerung wieder.9 Seit fast hundert Jahren, seit Januar 1907, ist die Versorgung der Stadt mit Wärme, Wasser und Strom eine zugleich beständige und dynamische Herausforderung.

Doch ehe ich auf Friedrichshafen eingehen möchte, sollen zunächst die allgemeinen Bedingungen und Entwicklungsstufen der Stromversorgung beschrieben werden.

Aus welchen grundlegenden Vorbedingungen heraus sich die Nutzung der Elektrizität ergeben hat, wird im Folgenden dargestellt.

elektrisierte Gesellschaft. Ausstellung des Badischen Landesmuseums in Zusammenarbeit mit dem Badenwerk aus Anlaß des 75jährigen Jubiläums. Karlsruhe 1996.

5 Begriff erstmals 1962 von Marshall Mc Luhan in `The Gutenberg Galaxy` benutzt.

6 Sandgruber S. 14.

7 Leiner, Wolfgang / Leiner, Gabriele: Energie – Faktor der Geschichte. Stuttgart 1987. S. 6.

8 Stier: Württembergs energiepolitischer Sonderweg. S. 229f. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte. Stuttgart 1995. S. 227-279.

9 Archiv TWF, Entwurf Broschüre 75 Jahre Stromversorgung, 1982, Akten „Strom“.

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I. Ausgangssituation: Die Entwicklung der Energielieferanten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts

1. Gesteigerter Leistungsbedarf durch die Industrialisierung

In welcher Beziehung Elektrizität zur Industrie steht und welche besondere Rolle der Sekundärenergieträger Elektrizität innerhalb der Energiewirtschaft einnimmt, hat Joseph Schumpeter treffend beschrieben:

"Sie hat zweifellos neue Industrien und Waren, neue Einstellungen, neue Formen sozialen Handelns und Reagierens hervorgerufen. Sie hat also industrielle Standortbindungen völlig umgeworfen, indem sie das Element der Energie praktisch von der Liste der determinierenden Faktoren gestrichen hat.

Sie hat die relative wirtschaftliche Stellung der Nation und die Bindungen ihres Außenhandels verändert- oder verändert sie vielmehr noch."10

Mit dem wirtschaftlichen Wandel vom Primären zum Sekundären Sektor seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, der in Deutschland durch Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 und den darauf folgenden Anlauf des Eisenbahnbaus ab 1835 noch maßgeblich mitgefördert wurde, stieg auch der Energiebedarf stetig an. Während der Industriellen Revolution zwischen circa 1850 und 1875 trat mit dem zunehmenden Maschineneinsatz das Problem der Energiequellen auf, da die neuen Maschinen eine leistungsstarke Kraftquelle brauchen.

Bevor Elektrizität als Antriebskraft genutzt werden konnte, um, wie im Zitat von Schumpeter beschrieben, standortunabhängige Energie zu liefern, waren zunächst Wasserkraft und darauf folgend Dampfkraft zum Antrieb nötig.

2. Wasserkraft

Wasserkraft wurde im Allgemeinen aus kleinen Flüssen und Bächen gezogen, an denen sich lokale Handwerksbetriebe angesiedelt hatten. Dort, wo Mühlen und

10 Schumpeter, Joseph: Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses. Bd. 1 1961. S. 409. Zitiert nach: Ott, Hugo (Hrsg.): Statistik der

öffentlichen Elektrizitätsversorgung Deutschlands 1890-1913. St. Katharinen 1986. S. VI.

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Wasserräder schon lange zum wirtschaftlichen Bild gehörten, wurden die alten Papier-, Getreide- und Sägemühlen zunehmend von Unternehmern aus den industriellen Bereichen ausgebaut, um eine bessere Ausnutzung der Wasserkraft zu ermöglichen. Die Mahlmühlen hatten durch Großmühlen, die Sägemühlen durch das Ende der Flößerei ihre wirtschaftliche Grundlage verloren. In der ersten Hälfte des 19.

Jahrhunderts ließen sich Fabrikanten mit ihren Betriebe in Tälern und an Flussläufen in den alten Mühlen nieder.11 Heute sind diese Anlagen weitgehend verschwunden.

Bei der Umstellung wurden die alten Wasserräder zur Verbesserung der Leistung durch Turbinen12 ersetzt. Wie viel Energie aus Wasser gewonnen werden kann, hängt von der Menge des Wassers und von der Fallhöhe ab, was verschiedene Turbinenmodelle zur Folge hatte.13 Mit den Turbinen wurde nicht mehr nur das fließenden Wassers (unterschlächtige Wasserräder) oder das Gewicht des von oben in die Schaufeln fließende Wasser (oberschlächtige Wasserräder) ausgenutzt, sondern auch die Druckhöhe zwischen dem Wasserspiegel im Sammelbecken und der Stromöffnung auf dem Laufrad (Spiegel des Unterwassers). Damit konnte aus dem gleichen Wasser viel mehr Energie gewonnen werden.14 So ermöglichte die 1880 entwickelte Peltonturbine das Ausnutzen geringer Wassermengen bei hohem Gefälle,15 was besonders für die Textilindustrie der Bergregionen in der Ostschweiz, Vorarlberg und Süddeutschlands wichtig war. Die dortigen Unternehmer waren oft Schweizer, die an den hiesigen Wasserläufen noch genügend ungenutzte Stellen fanden, wohingegen die Wasserkräfte der Schweiz bereits gut erschlossen waren.16 Bis 1900 waren auch in Württemberg die meisten Kleinwasserkräfte ausgenutzt.

Mit den neu erfundenen Dynamos17 konnte die Wasserkraft ab den 1880er Jahren auch optimal zur Elektrizitätsgewinnung eingesetzt werden. Die Ausnutzung vorhandener Energiequellen in den kleinen Elektrizitätswerken, die aus der

11 Kierdorf, Alexander / Hassler, Uta: Denkmale des Industriezeitalters. Von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur. Berlin 2000. S. 17.

12 Entzieht Wasser, Gas oder Dampf Energie und wandelt sie in mechanische Energie. Wasser,... tritt durch feste Leiteinrichtung, wird dann auf die gekrümmten Schaufeln des Laufrads geleitet und treibt sie an. Die Turbine gibt Leistung an der Welle des Laufrads ab.

13 Janzing, Bernward: Baden unter Strom. Eine Regionalgeschichte der Elektrifizierung. Vöhrenbach 2002. S. 284: Francisturbine: Niederdruck, Kaplanturbine: geringer Druck, hoher Durchfluss,

Peltonturbine: Hochdruck, Ossbergerturbine: Durchströmturbine.

14 Kaufmann, Johann: Wasserkraft und Stromerzeugung im Einzugsgebiet der Bregenzerach.

Dornbirn 1987. S. 17.

15 Fessler, Klaus: Neue Fabriken- Neue Arbeit-Neue Existenz. In: Jahrhundertwende- Jahrtausendwende im Bodenseeraum. 1999.

16 Kuhn, Elmar: Industrialisierung in Oberschwaben und am Bodensee. Reihe: Geschichte am See.

1984. S. 134.

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Verbindung mit Mühlen entstanden, wurde nicht nur durch die Orientierung an gewinnbringendem Kapital vorangetrieben, sondern bedeutete für viele Müller oft den einzigen wirtschaftlichen Überlebensweg. 18 Auch die Industrieunternehmen benötigten nicht nur Strom, teilweise stellten sie ihn auch her und verkauften ihn an die Gemeinden wie die Spinnerei Troetschler, die von 1896 bis 1926 Singen mit Strom versorgte.

Hans Dominik urteilte in der "Gartenlaube" 19 1912 in einem Beitrag zur Funktionsweise von Überlandzentralen und der Nutzung der Wasserkraft zur Elektrizitätserzeugung:

"Seitdem das Wasser gefangen wurde, hat die Bevölkerung Licht und Kraft in freigiebiger Menge und zu wohlfeilem Preis zur Verfügung...Das eroberte Sonnenlicht strahlt nun aus den gläsernen Birnen durch das nächtliche Dunkel." 20

So begann 1895 unter der Förderung Emil Rathenaus21 der Bau des Kraftwerks in Rheinfelden, das in dieser Zeit das größte Kraftwerk Europas war. Es bestand aus Stauwehr, Kanal, Wasserbauten und Krafthaus mit Turbinen, Generatoren22 und Rechenanlage. Dazu gehören auch eine Schalt- und Transformatorhaus und eine Übersatzstelle für Schiffe. Es ist heute ein Kulturdenkmal mit besonderer Bedeutung, denn aus der Gründerzeit sind noch vier Turbinen der Firma Escher Wyss und der Drehstromgenerator der AEG23 erhalten, die zu den ältesten noch laufenden Anlagen dieser Art in Deutschland gehören. Emil Rathenau meinte dazu:

17 Selbsterregender Gleichstromgenerator.

18 Leiner: Geschichte der Elektrizität in Württemberg. 3 Bände. Stuttgart 1982 und 1985. Bd. 2,1. S. 14.

19 Deutschlandweite Illustrierte, von 1853 bis 1944 in Leipzig erschienen.

20 Zitiert nach: Janzig S. 8.

21 Emil Rathenau (1838-1915): 1881 Nutzungsrechte der Patente von Edison für Deutschland

erworben, darauf 1883 "Deutsche Edisongesellschaft für angewandte Electrizität" gegründet, die 1887 zur AEG wurde.1903 zusammen mit Werner von Siemens "Telefunken" gegründet.

22 Generatoren: Maschinen zur Stromerzeugung. (Im Gegensatz zu Motoren: Maschinen zur Erzeugung mechanischer Kraft aus elektrischem Strom.)

23 Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, 1883 gegründet als „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität“ von E. Rathenau, seit 1887 AEG. 1985 Teil des Daimler-Benz-Konzerns, 1996 aufgelöst.

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"Die Energiemengen, die anderswo mühsam der Erde abgerungen werden, lagen hier zu Tage und erheischen nur der Fassung und zweckmäßigen Verwendung."24

Diese Verwendung blieb jedoch der sich rasch entwickelnden Industrie in Rheinfelden vorbehalten, für die Arbeiter der neu entstehenden Fabriken war er unerschwinglich. Von einer Bewohnerin der Arbeitersiedlung der „Chemischen Häuser“ in Friedrichshafen ist zu diesem Thema überliefert:

„Vo wege Elektrizität, z´ tüer. Nu` mehr für die Riche und Guatbetuachte. Für d` Induschtrie. S´ hat au niemand g` fragt, ob ma` s ha wolle. Petroleumlampe mit Gaszylinder hän ma g` habt in de Chemische Hüser. `Funzle` hämma immer g` sait. Der Wohlstand isch bi uns ni g`sie.“25

1914 entstand in Lauffenburg am Hochrhein ein weiteres Werk. Da es quer in den Rhein gebaut war, konnte es 40 Megawatt Leistung erzielen, soviel wie kein anderes zu der Zeit.26 Diese technische Errungenschaft konnte jedoch nur auf Kosten der Sprengung der natürlichen Stromschnellen des Rheins erfolgen, die als besondere Naturschönheit galten. Bei den Vorüberlegungen gab es Einwände von frühen Naturschützern wie dem Kunstmaler Hans Thoma, 27 die sich jedoch nicht durchsetzen konnten.

Zum Teil wurden die Flüsse auch aufgestaut, um ihre Gesamtkraft zur nutzen, wie in Lauffen bei Heilbronn und am Hochrhein. An anderen Flüssen wie dem Neckar wurden die ursprünglichen kleineren Werke später zusammengefasst.

3. Dampfkraft

Seit den 1860er Jahren war im Gewerbe die Wasserkraft zunehmend durch die leistungsstärkere Dampfkraft ersetzt worden, was sich allerdings in den Regionen,

24 Zitiert nach: Janzig S. 33.

25 Zitiert nach: Loebbert: Weiße Kohle. SWF Fernsehdokumentation 1996. Timecode: 00:11-00.12.

Übersetzung Alemannisch- Hochdeutsch: „Von wegen Elektrizität, zu teuer. Nur mehr für die Reichen und Gutbetuchten. Für die Industrie. Es hat auch niemand gefragt, ob wir es haben wollen.

Petroleumlampen mit Gaszylindern haben wir gehabt in den Chemischen Häusern. `Funzeln` haben wir immer gesagt. Der Wohlstand ist bei uns nie gewesen.“

26 Janzing S. 130.

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die keine Kohlevorkommen hatten aufgrund der teueren Anlieferungen negativ auswirkte. Denn im Gegensatz zur kostenlosen Wasserkraft musste die Dampfkraft durch das Verbrennen von angekaufter Steinkohle erzeugt werden, die kostspielig per Eisenbahn transportiert werden musste. Auch Holz war als Energielieferant für die Wärmegewinnung wichtig, musste aber ebenso angekauft und transportiert werden. Zudem hatte im Schwarzwald die industrielle und gewerbliche Nutzung von Holz enorme Zerstörungen des Holzbestands hervorgebracht, so dass harte Schutzmaßnahmen eingeführt werden mussten, um den Wald zu erhalten.

Am Wirkungsrad der Energieumwandlung gemessen war also die Wasserkraftnutzung bei weitem fortschrittlicher als die Dampfkraft.28

Auch die Textilfabrikanten benötigten für ihre Produktion leistungsstarke Dampfmaschinen.29 Eine günstigere Energiealternative war also dringend nötig, die durch die Benzin- und Elektromotoren geboten werden konnte.

4. Gasmaschinen

Schon vor diesen neuen Motoren wurden ab den 1860ern Gasmaschinen gewerblich genutzt. Bereits um 1820 hatte in Deutschland der Bau von Gaswerken eingesetzt,30 wodurch ein neuer Energieträger gegeben war. Die Energiebasis war aber immer noch Steinkohle, aus der bis Mitte des 20. Jahrhunderts Leuchtgas gewonnen wurde.

Neu war aber, dass das Gas von einer Zentrale aus zum Verbraucher geleitet werden konnte.

Da nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg und der Kaiserproklamation 1871 in Deutschland eine regelrechte Welle von Unternehmensgründungen ausbrach (der aber 1873 rasch durch unkoordiniert Überproduktionen eine

"Gründerkrise“ folgte), wurde weiter nach Verbesserungsmöglichkeiten in der Energiegewinnung verlangt. Die Gaskraftmaschinen wurden bald zu Maschinen weiter entwickelt, die flüssige Treibstoffe wie Benzin und Dieselöl verbrauchten.

27 Malte bereits 1870 „Der Rhein bei Lauffenburg“, das bekannteste Gemälde der Stromschnellen.

28 Radkau, Joachim: Technik in Deutschland vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Frankfurt 1989.

S. 14.

29 Erste Dampfmaschine 1769 von James Watt in England erfunden: Unter Überdruck stehender Dampf in einem Zylinder bewegt einen Kolben. Druckenergie wird durch Entspannung in

mechanischre Energie umgesetzt. Der Dampf wirkt entweder nur auf eine Seite des Kolbens ein (einfach wirkende Dampfmaschine) oder abwechselnd auf beide Seiten (doppelt wirkende Dampfmaschine).

30 In Friedrichshafen ab 1882 mit privatem Betreiber.

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5. Elektromotoren

Den entscheidenden Fortschritt brachten erst die elektrischen Maschinen, die auf den Grundlagen der Erkenntnisse von Faraday31 aus dem Jahr 1831 beruhen.32 Darauf folgten erste Konstruktionen 33 von elektrischen Generatoren 34 und Elektromotoren.

Der Einsatz von Benzin- und Elektromotoren ermöglichten es kleineren Betrieben, ebenfalls Maschinen einzusetzen, weshalb es zu einer neuen Welle kleinerer Firmengründungen kam. Mit der für diese Maschinen nötigen Elektrifizierung gewannen auch kleinere und mittlere Wasserläufe bis zum Ausbau des Stromverbunds eine neue Bedeutung.35

Neben den Bedingungen der Industrialisierung durchlief die Energieversorgung eine eigene Entwicklung, die außer den Innovationen der Techniker und Elektriker auch wirtschaftlichen und politischen Bedingungen unterlag. Im folgenden Kapitel möchte ich die Geschichte der Stromversorgung, also der Elektrizitätswerke und Verbünde, von den Anfängen bis zum Energieversorgungsgesetz 1935 in ganz Deutschland vorstellen, um im Anschluss die Besonderheiten Württembergs und Friedrichshafens deutlich machen zu können.

31 Michael Faraday (1791-1867), britischer Physiker, Chemiker.

32 Nachweis der elektromagnetischen Induktion und Nachweis der Gleichartigkeit der auf verschiedene Weise erzeugten Elektrizität (Faraday´sches Gesetz).

33 Konstruktionen von Hippolyte Pixii und Salvatore Dal Negro, genannt in Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie, 1833. Band 27. S. 390.

34 Generatoren wandeln mithilfe der elektromagnetischen Induktion mechanische in elektrische Energie um. Antriebsmaschinen sind Wasserkraft-, Dampf-, Gas-, Windturbinen, Dieselmotoren u. a.

Nach der erzeugten Stromart unterscheidet man Gleichstromgeneratoren, Wechselstromgeneratoren (für einphasigen) und Drehstromgeneratoren (für dreiphasigen Wechselstrom). Für die

Elektrizitätsversorgung wird heute v.a. der Drehstromsynchrongenerator eingesetzt.

35 Kuhn: Industrialisierung. S. 135.

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II. Allgemeine Geschichte des Stromversorgung

In diesem Abschnitt soll die Entwicklung der Stromversorgung, die mit der Industrialisierung in Wechselwirkung steht, beschrieben werden. Die Auswirkungen der allgemeinen Elektrifizierung auf Gesellschaft und Kultur werden im Kapitel III.

vorgestellt.

1. Technische Entwicklung der Stromnutzung bis zur Bogenlampe

Die elektrischen Motoren, die in Folge von Faraday´s Erkenntnissen entwickelt werden konnten, waren entscheidend für die weiteren Fortschritte in der Nutzung des elektrischen Stroms. Dauerhaft genutzt wurde in dieser frühen Phase der elektrische Strom jedoch nur in der Telegraphentechnik und in der Galvanotechnik. 36 Entscheidende Verbesserungen, um Strom breiter nutzbar zu machen, brachten erst die Erforschung des elektromagnetischen Prinzips37 und besonders das dynamo- elektrische Prinzip38 durch Siemens39 1866 und wenig später durch Wheatstone40. Bei der Konstruktion wurden Elektromagnete verwendet, die jedoch nicht durch eine getrennte Erregermaschine sondern durch den von der Maschine selbst erzeugten Strom gespeist wurden. Der in jedem Eisen vorhandene Magnetismus bewirkte den Anlauf des Vorgangs der Selbsterregung.

Diese Erfindung der Dynamomaschine/des Dynamos gilt als Geburtsstunde der Starkstromtechnik und somit auch der elektrischen Beleuchtung. Siemens selbst sagte am 17. Januar 1867 vor der Berliner Akademie der Wissenschaften:

„Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben, elektrische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen,

36 Elektrolytische Abscheidung von Metall- und die Erzeugung von Nichtmetallüberzügen. Erzeugung von bestimmten Oberflächeneigenschaften auf Werkstücken.

37 Elektrisch geladene Körper beeinflussen sich auch durch magnetische Kräfte, die auftreten, sobald sich elektrische Ladungen bewegen.

38 Induzierung eines Stroms durch den Restmagnetismus mit anschließender Selbstregelung.

39 Ernst Werner Siemens (1816-1892), deutscher Erfinder, Unternehmer. Hat 1847 mit J. Halske in Berlin „Telegraphenanstalt" gegründet, 1875 erste Verlegung eines Transatlantikkabels, 1866 entdeckte er das dynamoelektrische Prinzip (Dynamo).

40 Charles Wheatstone (1847-1931), britischer Physiker, Erfinder.

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wo Arbeitskraft disponsibel ist. Diese Tatsache wird auf mehreren Gebieten derselben von wesentlicher Bedeutung werden.“41

Die neuen Dynamos wurden von Dampfmaschinen oder anderen Motoren angetrieben. Sie wurden besonders zum Betreiben von Bogenlampen gebraucht. In den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden damit Effektbeleuchtungen42 in Theaterhäusern, Fabriken und Straßen inszeniert. Für Wohnungen war das Licht der Bogenlampen jedoch zu hell. Das Bogenlicht entsteht dadurch, dass zwei Kohleelektroden durch Entladung zur Weißglut gebracht werden. Es ist so also Glühlicht, aber auch Verbrennungslicht, da die Kohlepartikel in der Luft verglühen, aber im Unterschied zum luftdicht abgeschlossenen Glühlicht brennt das offene Bogenlicht an den Elektroden.43

Ein weiterer wichtiger Schritt war die anwendungsbereite Entwicklung der Kohlenfadenglühbirne durch Edison44. Bei der Glühbirne wird ein Draht, durch den elektrischer Strom geleitet wird, erwärmt und zum Glühen gebracht.45

2. Die Elektrizitätsausstellung in Paris 1881: Edisons Glühbirne

Edison hatte zwar die Glühbirne nicht als Erster 46 erfunden, aber die erste benutzbare Birne entwickelt, die auf der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Glühlampe von Edison, Original 1879/8047

41 Zitiert nach: Leiner: Geschichte Bd. 1. S. 64.

42 Leiner: Geschichte Bd. 1. S. 93.

43 Schivelbusch, Wolfgang: Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert.

München 1983. S. 56.

44 Thomas Alva Edison (1847-1931), amerikanischer Elektrotechniker.

45 Schivelbusch S. 60.

46 Heinrich Göbel (1818-1893), eigentlicher Erfinder der Glühbirne.

(18)

Die Kohlefadenglühbirne wurde erstmals 1881 bei der Pariser Elektrizitätsausstellung vorgeführt. Hatten sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die prunkvollen Bahnhöfe in der "temps du gard"48 als „Kathedralen der Technik“49 und der Neuzeit gegen die Kathedralen des Mittelalters abgesetzt, begann nun zunehmend eine Zeit der Elektrizität, die sich auch in den Elektrizitätspalästen der Weltausstellung und anderen Elektrizitätsausstellungen zeigte, so wie auf dieser Abbildung des Elektrizitätspalastes auf der Weltausstellung 1900, der das Element Wasser und die von ihm erzeugte Elektrizität veranschaulichte.50

Der Elektrizitätspalast bei der Pariser Weltausstellung 1900

Nachdem Edison 1881 erstmals die elektrische Beleuchtung vorgeführt hatte, meinte Oskar von Miller dazu:

"Das allergrößte Aufsehen aber erregte doch eine Glühbirne von Edison, die man mit einem Schalter anzünden und auslöschen konnte, an welchem die Menschen zu Hunderten anstanden, um selbst diesen Schalter einmal bedienen zu können."51

47 Aus: Leiner: Geschichte Bd. 1. S. 87.

48 Zeit der Bahnhöfe: Seit Beginn des 19. Jahrhunderts Symbol des Fortschritts und der Mobilität, bedeutende architektonische Bauten der Großstädte.

49 Glaser, Hermann: Maschinenwelt und Alltagsleben. Industriekultur und Alltagsleben vom Biedermeier bis zur Weimarer Republik. Frankfurt 1981. S. 22.

50 Petersmann, Johanna: Energisch für Tübingen. Ein Streifzug durch die Geschichte der Tübinger Energieversorgung. Tübingen 2002. S. 42.

51 Miller, Oskar von: in :Deutsches Museum. Abhandlungen und Berichte 4 (1932) Heft 6, S. 154.

Zitiert nach: Herzig: Elektrizität im Dienste der Menschheit. S. 47f.

(19)

Schon die Terminologie „anzünden“ und „auslöschen“ verweist auf die Vorstellung, wie nahe die Vorstellung von Elektrizität noch an den bekannten Formen von Feuern und Gewittern war, die das Licht über Jahrhunderte geprägt hatte.

Edison hatte auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung zusammen mit der Glühbirne Pläne für ein komplettes System eines Elektrizitätswerks vorgelegt, vom Kraftwerk über Verteiler, Schalter, Sicherung und Zähler bis hin zur Zimmerlampe.

Nach der Internationalen Elektrizitätsausstellung stand in größerem Umfang ein brauchbares System für Beleuchtungsanlage zur Verfügung.52

Die Glühbirne ermöglichte dem Siegeszug des elektrischen Lichts auch den Einzug in die Wohnstuben53 und wurde dort schnell zu einem Prestigeobjekt, das sich im Design ganz dem bürgerlich gewordenen Jugendstil anpasste, wie an den folgenden Bildbeispielen zu sehen ist.

Elektrische Leuchten um 188754

3. Energieversorgungsentwicklung und erste Elektrizitätswerke

Mit der technischen Entwicklung von Kraftwerksanlagen, wie sie Edison vorgestellt hatte, ging auch die Entwicklung der öffentlichen Elektrizitätsversorgung55 als eigenständige Branche einher, deren Anfänge in den 70er und 80er Jahren des 19.

Jahrhunderts liegen. Bei diesen ersten Anlagen lässt sich noch nicht von einer öffentlichen Versorgung sprechen, da keine Haushalte, Gewerbe oder Industrie

52 Leiner: Geschichte Bd. 1. S. 249.

53 Herter, Eberhard: Elektrotechnik in Württemberg. Stuttgart 1998. S. 110.

54 Aus: Schivelbusch S. 169.

55 Öffentliche Stromversorgung wird im Allgemeinen definiert als die Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie an Dritte gegen Entgelt. Im Gegensatz zur Eigenanlage definiert sich ein Elektrizitätswerk also über den Verkauf von Strom. Nach: Leiner: Geschichte Bd. 1. S. 14, und Ott,

(20)

versorgt wurden. Es waren Kleinkraftwerke die als private Zentralen der Versorgung von einzelnen Häusern oder Fabrik- und Zechenanlagen dienten. Dennoch bereiteten diese privaten Unternehmer den Boden für eine öffentliche Versorgung, da ihre Anlagen die Vorzüge der neuen Technik demonstrierten. Besonders die elektrische Beleuchtung führte den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen, dass ein neues, ein elektrisches Zeitalter begann. Das erste deutsche Kraftwerk wurde am 15. August 1885 in Berlin in Betrieb gesetzt. Damit endet die Zeit der Erprobung von Kraftanlagen und es begann die eigentliche Kraftwerksgeschichte Deutschlands. Die Voraussetzungen dafür waren ein Konzessionsvertrag, 56 den die „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität“ mit der Stadtgemeinde Berlin ein Jahr zuvor geschlossen hatte. An die Stadt wurden als Gegenleistung für die Nutzung der Straßen zur Verlegung elektrischer Leitungen Abgaben bezahlt, die sich nach dem Reingewinn des Unternehmens richteten.

4. Die Stromübertragung von Lauffen zur Elektrizitätsausstellung in Frankfurt 1891

Wie in Berlin waren auch die weiteren entstehenden Ortszentralen Gleichstromanlagen. Dieser Strom ist zwar zur Beleuchtung von Bogenlampen sehr gut geeignet, hat aber den Nachteil, dass beim Transport große Verluste entstehen.

So konnten Kraftwerke nur in Verbrauchernähe, also oft in den Innenstädten gebaut werden, wo kostspieliger Baugrund und die bereits erwähnte umständliche Kohlezufuhr den Strom deutlich verteuerten. Oft stieg der Preis bis auf 70 Pfennig für eine Kilowattstunde Lichtstrom, wobei ein durchschnittlicher Stundenlohn bei 40 Pfennig lag und elektrisches Licht somit für die meisten unerschwinglich war.57

Ein weiterer wichtiger Schritt in der Elektrizitätsversorgung war daher der Übergang zum Drehstrom.58 Nach der Gleichstromübertragung von Miesbach nach München anlässlich der ersten Internationalen Elektrizitätsausstellung 1882 in München wurde

Hugo: Statistik der öffentlichen Elektrizitätsversorgung Deutschlands 1890-1913. (Historische Energiestatistik von Deutschland, Bd. 1) 1986. S. VIII.

56 Zwischen Kommune und Elektrizitätsversorgungsunternehmen geschlossener Vertrag über die Belieferung von Endverbrauchern im Gemeindegebiet.

57 Herzig, Thomas: Wirtschaftliche Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung 1880 bis 1990. In:

Fischer, Wolfram (Hrsg.): Die Geschichte der Stromversorgung. Frankfurt 1992. S.125.

58 Auch Dreiphasenstrom: Verkettung von drei Wechselströmen gleicher Frequenz und Amplitude, die um 120º phasenverschoben sind. Ein magnetisches Drehfeld wird erzeugt, wenn die drei um 120º gegeneinander versetzte Spulen mit Drehstrom gespeist werden.

(21)

neun Jahre später bei der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main erstmals Drehstrom über eine weite Strecke von 175 km übertragen. Am 25. August 1891 leuchtete in Frankfurt die erste mit Strom aus Lauffen am Neckar betriebene Glühbirne.

4.1. Die Elektrizitätsausstellung in Frankfurt

Wie bereits erwähnt, dienten die Elektrizitätsausstellungen dazu, neue technische Entwicklungen vorzustellen und anzupreisen. Doch trotz der Aufbruchs- und Fortschrittsstimmung, aus der die Ausstellungen entstanden und die sie weiter vorantreiben sollten, gab es auch kritische Reaktionen darauf. Wie zu Beginn des Eisenbahnzeitalters viele Menschen befürchteten, die große Geschwindigkeit könne Krankheiten verursachen, gab es zu Beginn des Elektrizitätszeitalters in der Öffentlichkeit viele Stimmen, die vor den nicht voraussehbaren Folgen warnten. So sei auch das Licht medizinisch schädlich, allein schon, weil die Leute durch ihren nächtlichen Aufenthalt auf der Straße anfälliger für Krankheitern wären. Auch befürchtete man, das Licht würde zu einem Verfall der Sittlichkeit führen und Angst vor der Dunkelheit erzeugen.59 Es sei ein Eingriff in die Ordnung Gottes, der schließlich Licht von Dunkelheit getrennt habe.60 Daher solle die Nacht nicht zum Tage verkehrt werden. Auf juristischer Ebene wurde befürchtet, das Geld für die öffentlichen Beleuchtungsanlagen solle über Steuern aufgebracht werden, eine Angst, die bis heute nicht ganz unbegründet ist.

Ein Beispiel für die Ängste vor den neuen Technologien ist eine Zeichnung, die nach der Frankfurter Elektrizitätsausstellung entstand.

Auch wenn man hier wohl noch nicht von einem Kulturpessimismus im Sinne Adornos und Horkheimers61 sprechen kann, sind doch die Ängste und Befürchtungen, die auch heute noch in kritischen Stimmen gegen den technischen Fortschritt gerichtet sind, bereits angelegt.

59 Janzig S. 6.

60 Siehe Geneseis 1,3, vgl. Anmerkung 107.

61 Theodor W. Adorno (1903-1969), Max Horkheimer (1895-1973), Begriff der "Kulturindustrie"

erstmals in "Dialektik der Aufklärung"(1948): Verwertung kultureller Ereignisse und Erzeugnisse, Individuum als Konsument> Kulturpessimismus.

(22)

Alpträume eines Ausstellungsbesuchers, den Elektroteufelchen in den Schlaf verfolgen62

Oben links ist das Frankfurter Ausstellungsgelände zu sehen, vor dem Siemens und Halske als ägyptische Fabelwesen mithilfe eines Dämons ein Transatlantikkabel63 verlegen. In der Bildmitte liegt der träumende Ausstellungsbesucher, der im Schlaf von Bogenlampen und Scheinwerfern beleuchtet wird und aus dessen Kopf Kabelstränge führen. Auf seinem Bett klettern lebendig gewordene Magneten und Glühbirnen herum, über seine Brust tänzelt eine kleine Figur, die durch die Aufschrift auf ihrem Kleid als die unglückbringende Pandora der Prometheussage gekennzeichnet ist. Am Fußende des Bettes lauert ein Feuer speiender Drache, dessen Schwanz sich als ein Telegraphenband über das Bett zur unteren Bildhälfte schlängelt. Auf dem Band ist unter anderem der Name Edisons zu lesen. Die Codes werden von einem kleinen Teufel eingetippt, der an einem Telegraphenapparat sitzt.

Neben ihm sind weitere Teufelchen damit beschäftigt, Hochmasten und Kabelleitungen zu errichten, in denen sich die herabhängende Hand des Schlafenden verfangen hat.

62 Aus: Petersmann S. 43.

63 Nach mehreren Versuchen erstmals 1874 von Irland nach New York vom Kabelschiff „Faraday“ aus verlegt.

(23)

Trotz solcher besorgten Ansichten überwog letztendlich doch der Stolz auf die Errungenschaften, der auch in der Präsentation und Gestaltung der Ausstellung deutlich wird.

4.2. Die Drehstromübertragung

Der Höhepunkt der Ausstellung war ein künstlicher Wasserfall, der mit Drehstrom betrieben wurde, der aus Lauffen übertragen wurde. Wie schon zehn Jahre zuvor auf der Weltausstellung in Paris standen auch hier Wasser und Elektrizität in engem Zusammenhang.

Auf dem folgenden Bild sieht man den Eingang zum Stromübertragungspark, an dessen Seiten die beiden Partner des Projekts, die Maschinenfabrik Oerlikon und die AEG genannt sind. Die Ausstellungsbesucher flanieren über die Anlage, bewundern den Wasserfall und stärken sich mit Erfrischungen. Ihnen scheint der Besuch keineswegs dieselben Ängste zu bereiten wie dem Schlafenden der oberen Zeichnung.

Kraftübertragung Lauffen/Neckar, Text: "Zur Lauffener Kraftübertragung: Das Schild mit den 1000 Glühlampen und der Wasserfall."64

Zum Vergleich sieht man auf den beiden folgenden Fotos noch einmal den Wasserfall und das Eingangstor, das der Zeichner des oberen Bildes dargestellt hat.

64 Aus: Bocks, Wolfgang: Perspektiven mit Strom. Rheinfelden 1994. S.13.

(24)

Wasserfall65 Eingangsbereich66

Die Stromübertragung, die das Betreiben des Wasserfalls ermöglichte, wurde angeregt von Oskar von Miller, der der Technische Leiter der Ausstellung war. Er gewann Charlos Brown von der Schweizer Maschinenfabrik Oerlikon als Partner, die mit der Entwicklung von Drehstrom beschäftigt war. Weiterhin war auch Michael von Dolivo-Dobrowolsky67 von der AEG an dem Projekt beteiligt. Das Wasserkraftwerk der Portland- Cementfabrik AG in Lauffen, das zur Versorgung Heilbronns ausgebaut worden war, sollte elektrische Energie als Drehstrom zur Ausstellung nach Frankfurt transportieren.

Von Miller war bereits 1889 mit der Planung der Heilbronner Versorgung beauftragt gewesen und kannte daher die Situation dort gut.

Der Drehstromgenerator wurde mit einer 300-PS-Wasserturbine angetrieben. Drei Kupferdrähte mit einem Durchmesser von 4 mm wurden über 3.200 Masten mit rund 10.000 Isolatoren geführt, um den Erregerstrom über die 175 km lange Freileitung zu liefern. Dieser hatte eine Spannung68 von 55 V, die durch Transformatoren auf 8.500 V umgespannt wurde, und in Frankfurt wieder auf 65 V transformiert werden musste.

Mit der übertragenen Energie wurde ein 100-PS-Drehstrommotor beliefert, der Pumpen für den Wasserfall antrieb. Der Wirkungsgrad der Übertragung hatte 75 %.

Die Abbildung zeigt den Verlauf der Leitung.

65 Aus: Sandgruber S. 193.

66 Aus: Sandgruber S. 192.

67 Michael von Dolivo-Dobrowolski (1862-1919), Chefelektriker der AEG.

68 Elektrische Spannung: Formelzeichen U, Einheit Volt (V). Vorraussetzung für Fließen elektrischen Stroms. Die zwischen zwei Punkten eines Feldes herrschende Potentialdifferenz (Potential). Übliche Spannungen im Jahr 2005: Hochspannung: 400.000V, Mittelspannung 10.000-400.000V,

Niedrigspannung: 220-10.000V.

(25)

Transportleitung von Lauffen nach Frankfurt a.M.69

Die Bedeutung dieser Drehstromübertragung wird in einem Zitat Oskar von Millers deutlich:

„Diese Kraftübertragung lieferte den Beweis, daß es nach dem zuletzt beschriebenen System [Wechselstromsystem] möglich ist, nicht nur ganze Städte von einer Centrale aus mit elektrischem Strom zu versorgen, sondern über ganze Provinzen und Länder die Elektrizität zu vertheilen und dadurch nicht nur großen Städten, sondern auch den kleinsten Orten die Vortheile einer großen Centralanlage zukommen zu lassen.“70

Das Projekt wird bis heute im Deutschen Museum71 gewürdigt, wo die damals benutzten Maschinen ausgestellt sind. Das Bild aus der dortigen Ausstellung zeigt den Original- Generator mit 50 V und 40 Hz aus Lauffen von 1891.

69 Aus: Bohn, Thomas / Marschall, Hans-Peter: Die technische Entwicklung der Stromversorgung. S.

112. In: Fischer S. 39-122.

70 Von Miller in der ETZ 1891. Zitiert nach: Bohn S. 53.

71 1903 von Oskar von Miller in München gegründet.

(26)

Deutsches Museum: Drehstromübertragung Frankfurt Lauffen72

5. Gleich-, Wechsel- und Drehstrom: Übertragbarkeit und Loslösung aus regionaler Gebundenheit

Wie bereits erwähnt, waren alle frühen Ortszentralen Gleichstromanlagen. Dieses System war für Glüh- und Bogenlampen sehr gut geeignet, da Gleichstrom in Batterien speicherbar ist. Da er nicht über weite Strecken transportiert werden konnte, war der Anwendungsradius jedoch auf circa zwei Kilometer beschränkt.73 Daher wurde der Gleichstrom bald vom Wechselstrom74 überholt, weil dieser problemlos über große Entfernungen weitergeleitet werden konnte. Da der Drehstrom noch mehr Leistungsmöglichkeiten als der Wechselstrom bot, beschränkte sich der Bau der Wechselstromanlagen auf die 1890er Jahre. Wie die Tabellen zeigen, nahm der Wechselstrom zunehmend gegenüber dem Drehstrom ab, da dieser höher gespannt werden konnte.75

72 Aus: www.deutsches-museum.de.

73 Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 125.

74 Gleichstrom fließt, im Gegensatz zum Wechselstrom, ständig in gleicher Richtung. Wenn Gleichstrom ein Wechselstromanteil überlagert ist, heißt es Mischstrom.

75 Ortsnetzspannungen mit Gleichstrom reichten von 100-220V, bei Drehstromwerken lag Übertragungsspannung bei 3.000-5.000V.

(27)

Elektrizitätswerke nach Stromsystemen 1890-191376 Anteil von Gleich-, Dreh- und Wechselstrom an der Stromerzeugung der öffentlichen Elektrizitätswerke

in Deutschland 1885-193577

In der ETZ hieß es 1895 zu dieser Veränderung:

„Interessant ist übrigens zu beobachten, daß der Drehstrom auf dem Wege ist, den Wechselstrom in unseren Werken zu verdrängen. Die bessere Materialausnutzung in den Generatoren, den Motoren und dem Leitungsnetz hat wohl in erster Linie diesen Umschwung verursacht. Und da es nunmehr gelungen ist, die Regulierung der Drehstromanlagen in der gleichen Weise zu bewerkstelligen wie bei Wechselstrom, so steht dem in anderer Hinsicht vielfach überlegene System kein Hindernis mehr im Wege. Die Verwendung des Stroms zu motorischen Zwecken hat im letzten Jahr ebenfalls große Fortschritte gemacht.“78

Der Übergang vom Gleich- zum Drehstrom ermöglichte den Bau von Kraftwerken, die ohne größere Transportverluste Strom viele Kilometer weit an entfernte Verbraucher liefern konnten. Wasserkraft und Kohle konnten überregional genutzt werden und wurden als elektrische Energie weiträumig zum Verbraucher

76 Aus: Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 125.

77 Aus: Ose, Karl: Die Wechselstrom-Kraftwerke in Deutschland-Übergangslösung vom Gleich- zum Drehstrom. S. 36. in: Jäger, Kurt (Hrsg.): Wechselstrom-Kraftwerke in Deutschland. Der Übergang vom Gleich- zum Drehstrom. Berlin 1987. S. 7-48.

(28)

weitergeleitet. So konnten Großkraftwerke bei Braunkohlegruben, Bergwerken und an Wasserläufen errichtet werden und die Kraftressourcen entsprechend nutzen.

Diese Überlandwerke bedingten auch den Ausbau von Überlandnetzen. Da elektrische Energie leitungsgebunden ist, das heißt, Transport und Verteilung nur über Leitungssysteme möglich sind, muss eine hohe Transportspannung erreicht werden, um die Verlust auf diesen Leitungen möglichst gering zu halten. Da die Transportspannung wesentlich höher ist als die Betriebsspannung, muss zwischen Generator und Leitung ein Transformator79 geschaltet werden, der die Spannungen anpasst.80 So waren die Verluste bei der Drehstromübertragung nach Frankfurt bei 25% auf 175 km, ein Prozentsatz, der bei Gleichstrom schon auf wenigen Kilometern Transportleitung auftrat.81

6. Verbundbetriebe und „Großkrafterzeugung“

Durch die nun mögliche Kraftübertragung entstanden zunehmend Verbundbetriebe.

Sie waren zunächst gegenseitige Aushilfen bei Störfällen, bis schließlich größere und strukturell verschiedene Stromversorgungsgebiete erfasst wurden, um eine bestmögliche Auslastung der Kraftwerke zu bieten. Der Aufbau eines Verbundnetzes am Rhein zwischen Bodensee und Basel war neben der optimalen Kraftausnutzung auch deswegen nötig, weil alle größeren Elektrizitätswerke durch internationale Finanzierungs- und Beteiligungsgesellschaften verbunden waren.82 Der Ingenieur Klingenberg83 hatte im Juni 1916 auf einer Tagung des Verbands deutscher Elektrotechniker in Frankfurt bei einem Vortag das Konzept der „Elektrische[n]

Großwirtschaft unter staatlicher Mitwirkung“ vorgestellt.84 Zu einer tatsächlichen staatlichen Großwirtschaft kam es jedoch erst in den 30er Jahren.

Die öffentliche Stromversorgung erhielt durch den Ersten Weltkrieg einen Aufschwung, da die Kriegswirtschaft auf Rationalisierung drängte und für die

78 ETZ 16 (1895) S. 1f. Zitiert nach: Ose S. 37.

79 Trafo / Transformator: umformen von Wechselspannungen bei gleich bleibender Frequenz. Zwei elektrisch getrennte Spulen sind magnetisch gekoppelt. Die Übertragung der elektrischen Energie von der Wickelung 1 zur Wickelung 2 mittels Induktion wird durch Unterbringung auf einem geschlossenen Eisenkern verbessert. Transformatorenstationen: Energieverteilung bei Umspannung von Mittel- (meist 10 kV) in Niedrigspannung (z.B. 220 V).

80 Bohn S. 107.

81 Bohn S. 112.

82 Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 130.

83 Georg Klingenberg (1870-1925)

84 Leiner: Geschichte Bd. 2,2. S. 267.

(29)

Rüstungsindustrie große Strommengen benötigt wurden. Auch das immer knapper werdende Petroleum führte zu zahlreichen Neuanschlüssen der Kleinverbraucher. Im privaten wie im gewerblichen Bereich wurden in den Kriegsjahren die letzten Vorbehalte gegen die neue Energie vertrieben.

Nach dem Krieg führten die Gebietsverluste durch den Versailler Vertrag, besonders der Kohlenreviere im Saarland und Oberschlesien und die Besetzung des Ruhrgebiets 1923, zu einem rapiden Rückgang der Kohleförderung und damit der Elektrizitätsproduktion, so dass es zu Energiekrisen kam, die in ihrer Intensität regional unterschiedlich waren.85

In der frühen Weimarer Republik gab es daher Bestrebungen zur Verstaatlichung der öffentlichen Stromversorgung, die jedoch nicht in die Tat umgesetzt wurden. Das lag auch daran, dass manche Länder wie Baden (Badenwerk AG), Bayern (Bayernwerk AG) und Sachsen (AG Sächsische Werke) schon staatliche Landesversorgungsunternehmen gegründet hatten und sich Preußen als Freistaat den Plänen in den Weg stellte, um seine eigene Energiewirtschaft zu sichern.

Dennoch bemühte sich die Republik weiterhin, in die öffentliche Stromversorgung vorzudringen. Württemberg beschritt einen energiepolitischen Sonderweg, der es ihm ermöglichte, bis zum Ende der Weimarer Republik ohne eine staatliche Großversorgung zu wirtschaften. Auf diesen Punkt wird in Kapitel V. noch näher eingegangen.

Mit der Stabilisierung der Renten- / bzw. Reichsmark 1923/24 zeigte sich auch, dass der Stromabsatz eine stete Aufwärtstendenz verzeichnete. Das lag zum einen an der Einführung der Elektrowärme, zum anderen auch an der zunehmenden Werbung.

Wichtig für den steigenden Strombedarf waren auch die Fortschritte des Elektromotors. Landwirtschaft und Kleingewerbe sahen im Elektromotor eine Chance, dem Konkurrenzdruck der Industrie, die viele Arbeitskräfte zur Abwanderung gebracht hatte, einzudämmen. So urteilte auch die Gesellschaft für Elektrizitätsverwertung 1913: "Der Elektromotor ist das beste Mittel gegen Leutnot auf dem Lande."86 Die Elektroindustrie hatte viele neue Produkte, insbesondere für die Landwirtschaft und die Haushaltsführung entwickelt, die nun an die Leute gebracht werden sollten. Die „Göttin Elektrizität“, die die ersten Werbeplakate der Elektrizitätsfirmen geschmückt hatte, verlies ihr Podest und mischte nun als "Köchin

85 Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 132.

86 Zitiert nach: Sandgruber S. 146.

(30)

Elektrina"87 kräftig in den Privathaushalten mit. Bei der Weltausstellung in Chicago war bereits 1893 eine elektrische Modellküche vorgestellt worden. Neben den Werbekampagnen dienten auch spezielle Koch- und Lichttarife zum Anwerben neuer Kunden.88

Mitte der 20er Jahre konnte sich der Staat über die Elektrowerk AG an neuen Versorgungsunternehmen in Mitteldeutschland und an den dortigen Braunkohlevorkommen beteiligen. Unter dem Schlagwort der

„Großkrafterzeugung“ bemühte sich auch die RWE um ein Verteilungssystem, dass eine Leistungsverwertung an den wirtschaftlichsten Standorten ermöglichte. Das Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk Essen AG (RWE) war zu dieser Zeit das größte Unternehmen, dessen Versorgungsgebiet bis Hessen-Nassau und Hannover reichte. Die westdeutschen Braunkohlekraftwerke waren ausgebaut worden und die

„Weiße Kohle“ der süddeutschen und Vorarlberger Wasserkräfte wurden ins Verbundsystem aufgenommen.89

So entwickelte sich ab Mitte der Zwanziger Jahre die Landesversorgung zunehmend zur nationalen Elektrizitätsversorgung. 1930 veröffentlichte schließlich Oskar von Miller mit dem Reichswirtschaftsministerium einen „Generalplan der deutschen Elektrizitätsversorgung“, der im gesamten Reich Gebiete, die ihren Strombedarf nicht decken konnten, mit Gebieten verbinden sollte, die einen Überhang an Stromerzeugung hatten. Diese Idee der Sammelschiene, der Fernleitung, war bereits von einigen Landesversorgungsunternehmen betrieben worden.

Die folgenden Pläne zeigen das tastsächlich existierende Verbundnetz und einen Vorschlag Oskar von Millers aus einem Gutachten über die Reichselektrizitätsversorgung.

87 Sandgruber S. 105-111.

88 Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 137f.

89 Herzig: Wirtschaftliche Aspekte. S. 135.

(31)

Existierendes Verbundnetz 193090

Vorschlag für ein deutsches Verbundnetz 193091

90 Aus: Bohn S. 115.

91 Aus: Bohn S. 114.

(32)

7. Das Energieversorgungsgesetz von 1935

Die Bemühungen um eine staatliche Regelung der Energieversorgung waren keine Neuerung der 30er Jahre. Die Frage nach der rechtlichen Stellung der Elektrizität hatte die Entwicklung von Anfang an begleitet, ohne zu eindeutigen Ergebnissen zu führen. Zwar gab es bereits seit den 1880er Jahren in den einzelnen Ländern rechtliche und baupolizeiliche Maßnahmen für die Elektrizitätstechnik sowie für die Versorgung und auch eine Regelung im Strafrecht für den Fall des Stromdiebstahls, jedoch fehlte eine umfassende rechtliche Direktive für den gesamten Elektrizitätsbereich. In Württemberg regelte wegen der vielen Wasserkraftwerke ab Dezember 1900 ein Wassergesetz die Verleihung des Nutzrechts öffentlicher Gewässer, in Bayern erging ein solches Gesetz 1907, in Baden 1913.92

Im Rahmen der Kriegswirtschaft ab 1914 bildeten sich zunehmend Großraumelektrizitätswerke, die sich rechtlich absichern wollten. Ende Dezember 1919 legte das Reich einen Gesetzesentwurf zur Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft vor, der dieser Großraumwirtschaft im Wege stand und von ihr und den Ländern, die nach einer Beteiligung der Stromversorgung drängten, verhindert wurde. Formal wurde dieser Entwurf, trotz seiner Wirkungslosigkeit, jedoch erst 1935 vom Energiewirtschaftsgesetz außer Kraft gesetzt. 93

Bereits 1928 war ein Auftrag von der Reichsregierung erteilt worden, die bestehende Stromversorgung eingehend zu analysieren. Ab dem Jahr 1930 war eine Wirtschaftskrise im Stromsektor ausgebrochen, die 1932 mit nur noch vier Fünfteln der Stromabgaben des Spitzenjahres 1929 um 80% auf einen Tiefpunkt abgesunken war, was sich auch am Rückgang der Investitionen im Elektrizitäts-, Gas-, und Wasserversorgungsbereich zeigte. 94 Auch aufgrund dieser Lage schien eine Neuregelung nötig.

Das Dritte Reich hatte zum Zeitpunkt der Machtübernahme 1933 zunächst noch keine allgemeine Grundlage für eine Elektrizitätspolitik. Reichswirtschaftsminister Hugenberg leitete mit seinem „Gutachten über die in der deutschen Elektrizitätswirtschaft zur Förderung des Gemeinnutzes notwendigen

92 Melchinger, Eugen: Ausschnitte aus der Entwicklung des deutschen Elektrizitätsrechts. S. 183. In:

VDEW (Hrsg.): Das Zeitalter der Elektrizität. 75 Jahre VDEW. Frankfurt 1967. S. 183-194.

93 Löwer, Wolfgang: Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung von 1880 bis 1990. In: Fischer S. 191ff.

(33)

Maßnahmen“ eine Diskussion über die Großversorger und über die Neuordnung der Energiewirtschaft ein. Darin wurde ein Versorgungsnetz empfohlen, das sechs bis acht Großversorger unter sich aufteilen sollten. Da diese Erzeugung in Großanlagen im Kriegsfall wegen der Zerstörung durch Bomben problematisch war, entstand eine Debatte um ein Energiegesetz. Es bildeten sich zwei Gruppen heraus, von denen die eine sich für eine staatliche Konzentration, die andere für eine kommunale Versorgung aussprach. Der Leiter der Reichsgruppe Energiewirtschaft schlug vor, ein Energiewirtschaftsgesetz zu erlassen, in dem die Aufsicht über die Energiewirtschaft dem Reich unterstellt werden sollte. Zur Vorbereitung wurde 1934 eine Verordnung über eine Mitteilungspflicht erlassen, die eine Informationspflicht über alle wesentlichen Belange im Bereich der Elektrizitätsversorgung an die Reichsgruppe Energiewirtschaft vorschrieb. Dieser Gruppe oblag auch die Entscheidungsbefugnis über die Werke. Am 13. Dezember 1935 wurde ein Energiewirtschaftsgesetz (EnergG) erlassen, das eine Genehmigungspflicht für Bau, Erneuerung, Erweiterung oder Stilllegung von Energieanlagen vorschrieb.

Reichsgesetzblatt95

Die Abbildung zeigt die erste Seite dieses Gesetzes.

94 Stier. Staat und Strom. Die politische Steuerung des Elektrizitätssystems in Deutschland 1890 - 1950. Mannheim 1999. S. 44.

95 Aus: Meyer, Konrad: Das Zeitalter der Elektrizität. 75 Jahre VDEW. Frankfurt 1967.S. 187.

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