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Forschen für eine nachhaltige Energieversorgung

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Academic year: 2022

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Forschen für eine nachhaltige

Energieversorgung

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Inhalt Grußwort

Prof. Dr. Achim Bachem und Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg Seite 2 JARA-ENERGY

Forschen für eine nachhaltige Energieversorgung Seite 4

Interview mit Prof. Dr. Dirk Bosbach und Prof. Dr. Reinhard Madlener

Schulterschluss in Energiefragen Seite 6

Energieträger und -Quellen

Biosprit der nächsten Generation Seite 8

Energiewandlung

Fossile Brennstoffe, fortschrittliche Kraftwerke Seite 10

Energiespeicherung

Akku der Zukunft: günstiger und langlebiger Seite 12

Mobilität

Gut kombiniert: Batterie und Brennstoffzelle Seite 14

Werkstoffe und Fertigungstechnologien

Dicht, stabil und langzeittauglich Seite 16

Energietransport und -Netze

Neue Netze für Sonne, Wind und Co. Seite 18

Energiewirtschaft und Systemanalyse

Im Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Technik Seite 20

Seed-Fund Projekte

Querdenker Seite 22

Daten und Fakten

JARA-ENERGY Seite 24

Impressum Seite 25

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Grußwort

Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen, und Prof. Dr. Achim Bachem, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich.

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Grußwort

Seit vielen Jahren arbeiten zahlreiche Institute der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich eng zusammen. Gemeinsa- me Berufungen festigen den regen Austausch wissenschaftlicher Exzellenz. Im August 2007 erreichte diese gewachsene Koope- ration mit der Gründung der Jülich Aachen Research Alliance (JARA) eine neue Qualität.

I

n dieser deutschlandweit einzigartigen Allianz bündeln wir un- sere wissenschaftlichen und technischen Ressourcen, um sig- nifikante Beiträge zur Lösung der drängendsten gesellschaft- lichen Fragen leisten zu können. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen sich den Herausforderungen einer nachhaltigen Energieversorgung (JARA-ENERGY), den Möglichkeiten der moder- nen Computerwissenschaften mit Hochleistungsrechnern (JARA- HPC), den Chancen der Informationstechnologie (JARA-FIT) und der Erforschung des menschlichen Gehirns (JARA-BRAIN).

Interdisziplinäre Teams arbeiten in der Sektion JARA-ENERGY mit Hochdruck daran, dass auch in Zukunft Energie in ausreichender Menge, zuverlässig, bezahlbar und umweltschonend zur Verfü- gung steht. Die Diskussion um die Realisierbarkeit einer Energie- wende und deren Kosten hat in jüngster Zeit eine neue Dimension erhalten. Havarien bei der Förderung von Öl und der Energiege- winnung aus Kernenergie zeigen deutlich: Ein „weiter wie bisher“

kann es nicht geben. Aber ein Ausstieg von heute auf morgen aus dem momentanen Energiemix, der heute weltweit zu über 80 Pro- zent auf fossilen Energieträgern beruht, ist aus ökonomischen und technologischen Gründen nicht realisierbar.

In JARA-ENERGY bündeln wir unsere Kompetenzen, um beste- hende Konzepte – wie die Nutzung fossiler Energieträger – zu optimieren und auf der anderen Seite völlig neue Ansätze wie in- novative Batterie-, Solar- oder Brennstoffzellensysteme zu entwi- ckeln. Gleichzeitig richten wir unser Augenmerk auf die effiziente Nutzung vorhandener und zukünftiger Netze sowie einer umfas- senden Analyse der Sicherheit bestehender und der Machbarkeit und Akzeptanz neuer Technologien.

Die vorliegende Broschüre vermittelt Einblicke in ausgewählte Forschungsprojekte der gemeinsamen Energieforschung der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich.

Eine interessante Lektüre wünschen Ihnen

Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg Rektor der RWTH Aachen

Prof. Dr. Achim Bachem

Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich

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JARA-ENERGY

JARA-ENERGY

Forschen für eine nachhaltige Energieversorgung

An einem hochmodernen Teststand prüfen JARA-Forscher den Wirkungsgrad ihrer neu entwickelten Solarzellen.

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J

ARA-ENERGY umfasst rund 50 Insti- tute und 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die konkrete Fragen zur Energieversorgung und Mobilität künftiger Generationen beantworten – und dabei Umwelt und Klima im Blick behalten. Die Forschungsschwerpunkte reichen hier- bei von der Kraftwerks-, Werkstoff- und Antriebstechnik über elektrochemische Energiespeicher und erneuerbare Energien bis hin zur Nuklear- und Fusionsforschung.

Gleichzeitig entwickeln interdisziplinäre Teams Strategien, um Wind und Solarener- gie sowie leistungsfähige Speicher zukünf- tig erfolgreich in eine tragfähige Energie- versorgung zu integrieren.

Einige JARA-ENERGY Projekte sind eng mit der Industrie verknüpft, wie die Effizienzsteigerung von Gas- turbinen durch neue keramische Werkstoffe oder innovative Batterie- und Brennstoffzellenkonzepte für Elektrofahrzeuge. Andere Vorhaben sind noch im Stadium der Grund- lagenforschung mit einem großen Anwendungspotenzial, wie neuarti- ge Lötverfahren oder grundlegende Simulationsmodelle. Wenn sie im wissenschaftlichen Rahmen Erfolg haben, werden sie für die Praxistaug-

Wie die Gesellschaft weltweit in Zukunft mit Energie versorgt werden kann ist eine der zentralen Fragen des 21. Jahrhunderts. Sie lässt sich nur dann nachhaltig beantwor- ten, wenn es gelingt, fossile Brennstoffe künftig effizienter zu nutzen, neue Energie- quellen und -potenziale zu erschließen und den Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix zu steigern.

lichkeit hochfester Materialverbindungen oder energieeffizienter Flugzeugbauteile von zentraler Bedeutung sein. Auch hoch- kontroverse Themen, wie Treibstoff aus Pflanzenmaterial zu gewinnen oder biolo- gische Prozesse zu optimieren, stehen bei den Forschern der JARA auf der Agenda. Sie entwickeln neuartigen Biosprit aus Pflan- zenabfällen und nutzen Biotechnologie, um die Energieversorgung von übermor- gen zu garantieren, ohne die Umwelt zu zerstören.

Wie facettenreich und spannend, manch- mal auch detailintensiv, sich Energiefor- schung heute darstellt, zeichnet die vor-

liegende Broschüre nach. Expertenteams von JARA-ENERGY gewähren Einblicke in die Aachener und Jülicher Labors. Sie sind stellvertretend für den intensiven Ideen- austausch und die umfassende Arbeit, die von den JARA-Projektgruppen geleistet wird.

Modernste Höchstleistungsrechner stehen den Forschern der JARA zur Verfügung.

Das blau-violett schimmernde Plasma eines Fusionsreaktors ist bis zu 100 Millionen Grad heiß. Bei JARA werden Wandmaterialien entwickelt, die diese extremen Bedingungen dauerhaft aushalten.

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Interview

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as sind die drängendsten Auf gaben der Energieforschung?

Professor Bosbach: Das Ziel ist der Um- bau unseres Energiesystems. Dies wird auch im Energiekonzept der Bundesregie- rung abgebildet. Besonders drängende Aufgaben sehe ich dadurch – neben der Effizienzsteigerung herkömmlicher Ener- giesysteme und der CO2-Reduktion – in der Verteilung und Speicherung von Energie.

Wir brauchen kurz- und mittelfristig so- wohl neue Konzepte für intelligente Netze als auch wegweisende Speichertechno- logien, um etwa die hohen Stromschwan- kungen auszugleichen, die bei der Strom- produktion durch Wind- und Solaranlagen auftreten.

Professor Madlener: Die Abkehr von den fossilen Energieträgern ist auch in meinen Augen eine der treibenden Kräfte der Ener- gieforschung. Denn Klimawandel und die knapper werdenden Öl- und Gasressour- cen sind Themen, die nicht nur für uns eine hohe Relevanz haben, sondern die Per- spektiven der kommenden Generationen grundlegend beeinflussen werden. Auf der anderen Seite sehe ich es als Aufgabe der Energieforschung, den erheblichen Inves- titionsbedarf und die künftigen, zum Teil

Schulterschluss in Energiefragen

Energieforschung umfasst weit mehr als Technik, Sicherheit und Verfügbarkeit.

Dies bestätigen die beiden JARA-ENERGY-Direktoren Prof. Dr. Dirk Bosbach vom For- schungszentrum Jülich und Prof. Dr. Reinhard Madlener von der RWTH im Gespräch mit der Redaktion.

Prof. Dr. Dirk Bosbach ist Direktor am Institut für Energie- und Klimaforschung - Nukleare Entsorgung und Reaktorsicherheit im Forschungszentrum Jülich. An der RWTH Aachen bildet er Studierende im Bereich

„Nuclear Safety Engineering“ aus.

Prof. Dr. Reinhard Madlener ist Professor für Wirtschaftswissenschaften insbesondere Energieökonomik und Leiter des Instituts für Future Energy Consumer Needs und Behavior (FCN) am E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen.

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auch die RWTH-Foren und andere interdis- ziplinäre Einrichtungen bewährt. Zudem ist die Jülicher Helmholtz-Graduierten-Schule

„HITEC“ für Energie und Klima im Aufbau, an der auch Aachener Professoren mitwirken.

Wie profitiert Jülich von der Zusammenar- beit mit der RWTH, Herr Prof. Bosbach?

Professor Bosbach: Die exzellente Arbeit der Kolleginnen und Kollegen der RWTH zeichnet sich einerseits durch einen ho- hen Anwendungsbezug und andererseits durch hervorragende Grundlagenfor- schung aus. Oftmals benötigt man eine kritische Masse an Ideen und Mitarbeitern um ein Arbeitspaket zu bewältigen oder die Machbarkeit einer technologischen In- novation zu beweisen. Das erreichen wir durch den Schulterschluss mit der RWTH in Forschung und Lehre, insbesondere was die Bündelung der Ressourcen und Infra- strukturen anlangt. Auch die Studierenden und Doktoranden, die bei JARA-ENERGY ihre Ausbildung abrunden, profitieren von dem hochinnovativen Umfeld, das sie bei uns finden. Sie arbeiten mit modernsten In- strumenten und Methoden sowie weltwei- ten Kontakten. Das ist ein idealer Start für ihre spätere Karriere in der freien Wirtschaft oder an führenden Forschungsstätten.

sehr kapitalintensiven und risikobehafte- ten Energiesysteme zu analysieren: Sei es beim Ersatz oder der Nachrüstung alter Kraftwerke, dem Ausbau der Netze für die erneuerbaren Energien, oder dem Altbau- bestand, der gedämmt und energietech- nisch saniert werden muss.

Was ergibt sich daraus für die Forschungs- schwerpunkte bei JARA-ENERGY?

Professor Bosbach: Einerseits möchten wir den Bereich der Speichertechnik stärken.

Hierzu wurde ein neuer Jülicher Instituts- bereich gegründet, in dem die elektroche- mischen Grundlagen für neue und ver- besserte Batterien erforscht werden. Auf lange Sicht werden wir die Systemanalyse und Sicherheitsforschung ausbauen. Wir sprechen hier nicht nur über die Sicherheit älterer Kraftwerke – wie man aus der Dis- kussion um die Kernkraft schließen könn- te. Auch jede andere Technik birgt Risiken, die genau erforscht werden müssen, bevor man sie flächendeckend einführt.

Professor Madlener: Nehmen Sie das Beispiel Windkraft. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist groß, aber im eigenen Vorgarten möchte man dann doch kein Windrad stehen haben. Wie aber können

wir den steigenden Strombedarf – bei- spielsweise für Elektroautos – ohne zu- sätzlichen CO2-Ausstoß decken? Gleich- zeitig müssen wir stärker hinterfragen, ob und wie rasch sich eine neu entwi- ckelte, vielversprechende Technik auch tatsächlich am Markt durchsetzen kann.

Da gehen die Meinungen von Ingenieu- ren und Wirtschaftswissenschaftlern oft auseinander. Deshalb ist es wichtig, die bestehenden Professuren und Institute im Bereich Energieforschung in Jülich und Aachen noch stärker zu vernetzen und den Beitrag der sozial- und wirtschaftswissen- schaftlichen Energieforschung weiter zu erhöhen.

Herr Prof. Madlener, was schätzen Sie am meisten an Ihrem Forschungspartner in Jülich?

Prof. Madlener: Ich schätze besonders die herausragende Grundlagenforschung, die in Jülich geleistet wird, die Komplementa- rität zur RWTH Aachen und die vielfältigen Möglichkeiten des interdisziplinären Aus- tauschs. Dieser Austausch findet in lau- fenden Projekten tagtäglich statt – aber für einen umfassenderen Überblick haben sich, neben der Webseite und einer regel- mäßigen gemeinsamen Energietagung,

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Energieträger und -Quellen

Biosprit der nächsten Generation

Noch jahrzehntelang wird die Menschheit nicht gänzlich auf Öl, Gas und Kohle verzichten können. Und sie wird viele verschiedene alternative Energiequellen erschließen müssen, um ihren Energiebedarf möglichst klimaverträglich zu decken. So beschäftigen sich JARA-Wissenschaftler mit fossilen und nuklearen Brennstoffen ebenso wie mit dem „Sonnenfeuer auf Erden“ – der Fusion – oder der Sonnen- und Windenergie. Außerdem entwickeln sie Biokraftstoffe aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen, die nicht als Nahrung dienen. Dieser Kraftstoff soll dabei sogar bessere Verbrennungseigenschaften haben als heutiges Benzin oder Diesel.

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n den Tank eines Mittelklassewagens passen rund 66 Liter Benzin. Wer mit Bioethanol genauso weit kommen möchte wie mit dieser Tankfüllung, müsste 100 Liter von diesem alternativen Kraft- stoff tanken und zu seiner Gewinnung rund 260 Kilogramm Weizen anbauen – eine

Menge, die reichen würde, einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren. „Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Bei der Produktion von Biomasse wird Fläche benötigt, die man theoretisch auch zur Nahrungsmit- telherstellung nutzen könnte – wie immer, wenn die Sonne als Energiequelle genutzt

wird“, sagt Prof. Stefan Pischinger von der JARA-Sektion ENERGY. Trotzdem ist er über- zeugt, dass Biokraftstoffe eine Zukunft haben. Wesentlich dafür sei, dass diese aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen hergestellt werden können, die nicht für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden. Mit anderen Worten: Als Rohstoffe dienen Grünabfälle, Holz und Stroh.

Auf den ersten Blick haftet Biokraftstoffen der gleiche Makel an wie herkömmlichem Benzin oder Diesel: Wenn sie verbrannt werden, entsteht Kohlendioxid (CO2), das als Treibhausgas wesentlich zur globalen Klimaerwärmung beiträgt. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Wenn bei der Herstellung des Biosprits keine fos- sile Energie verbraucht wird, lässt sich eine neutrale Kohlenstoffbilanz erreichen.

Dann wird insgesamt etwa so viel CO2 freigesetzt, wie die Pflanzen kurz zuvor – während ihres Wachstums – aus der Luft aufgenommen haben. Solche Kraftstoffe helfen nicht nur, knapper werdende Erdöl- produkte zu ersetzen, sondern sind auch gut für das Weltklima.

Biologen der JARA untersuchen und optimieren die Eigenschaften von Pflanzen.

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Wäre es aber nicht sinnvoller, anstatt auf Biosprit-angetriebene Autos von vorneher- ein ausschließlich auf Elektrofahrzeuge zu setzen? Pischinger gibt zu bedenken, dass deren Klimafreundlichkeit davon abhängt, aus welchen Quellen der Strom stammt, mit dem die Batterien aufgeladen werden.

Vor allem aber schleppen Elektroautos ei- nen gravierenden Nachteil mit sich herum:

„Mit einer 150 Kilogramm schweren Batte- rie kann man mit einem Kleinwagen etwa so weit fahren wie mit vier Litern flüssigem Kraftstoff“, sagt Pischinger, der auch Leiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftma- schinen der RWTH Aachen ist. Fahrzeuge, die mehrere Hundert Kilometer am Stück zurücklegen müssen, werden daher wohl auch künftig nicht ausschließlich mit Bat- terien fahren, sondern beispielsweise auf Biokraftstoffe angewiesen sein.

Strategie mit einzigartigen Chancen Industrie und Forschungseinrichtungen erproben heute schon die Produktion von sogenannten Biokraftstoffen der zweiten Generation, die aus Gräsern, Stängeln oder

Holz gewonnen werden. Beim Biomass-to- Liquid (BtL)-Verfahren etwa werden die großen und robusten Moleküle des Pflan- zenmaterials zunächst bei sehr hohen Temperaturen vollständig bis auf die Bau- steine Kohlenmonoxid und Wasserstoff aufgebrochen und hinterher zu langketti- gen Kohlenwasserstoffen zusammenge- setzt, die als Biosprit eingesetzt werden können. Die Forscher der JARA verfolgen dagegen eine andere Strategie: „Wir wollen die Biomoleküle des pflanzlichen Gerüst- materials kontrolliert nur so weit umwan- deln und verändern, wie es für die Nutzung als Kraftstoff notwendig ist“, sagt Walter Leitner, Professor für Technische Chemie und Petrolchemie der RWTH Aachen. Dieser Kraftstoff der dritten Generation wird dann zwar mit herkömmlichem Benzin oder Die- sel weniger verwandt sein als etwa der aus dem BtL-Verfahren. Doch wird er – so die Vi- sion der JARA-Wissenschaftler – in einem entsprechend optimierten Motor sogar ef- fizienter und schadstoffärmer verbrennen als Benzin oder Diesel.

Chemiker Leitner und Ingenieur Pischinger arbeiten seit 2007 im Aachener Exzellenz- cluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“ gemeinsam an dieser Vi- sion – mit ersten, erfolgversprechenden Ergebnissen. Beide sind überzeugt, dass die Ausweitung der interdisziplinären Kooperation innerhalb der JARA enorme Chancen bietet. Denn die Wissenschaft- ler des Forschungszentrums Jülich sind ausgewiesene Experten, wenn es um eine umweltschonende Ökonomie auf der Ba- sis nachwachsender Rohstoffe geht. Ins- besondere können sie die Eigenschaften von Pflanzen optimieren. „Damit sind wir in der JARA nun in der einzigartigen Lage, die gesamte Wertschöpfungskette vom pflanzlichen Rohstoff bis hin zum fertigen Biokraftstoff mit unserer Forschung abzu- decken“, sagt Leitner.

Das Ziel: Auf kostbarem Ackerland gleichzeitig Nahrungsmittel produzieren und aus den Pflanzenabfällen Biosprit herstellen.

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Energiewandlung

Fossile Brennstoffe,

fortschrittliche Kraftwerke

Atomkraftwerke oder Windräder, Kohlekraftwerke oder Solarmodule: Oft verkürzt sich die öffentliche Dis- kussion auf die Frage, welche Energietechnologie besonders gefördert werden sollte. Dabei fällt unter den Tisch, wie wichtig es ist, die Energie aus den verschiedenen Quellen effizient zu nutzen. Ist es beispiels- weise möglich, Kohle oder Erdgas klimaschonender als bisher in Strom umzuwandeln? Ja, sagen die Wis- senschaftler der JARA, und arbeiten an Kraftwerken, bei denen durch höhere Betriebstemperaturen weni- ger Kohlendioxid entsteht oder bei denen das Treibhausgas abgefangen und gespeichert wird.

Saubere Energie aus Kohle und Gas: JARA Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an wegweisenden Konzepten.

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W

er Strom klimafreundlicher er - zeugen und daher den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) um jähr- lich rund 40.000 Tonnen verringern will, kann fünf Windräder bauen – oder den Wir- kungsgrad eines großen Gas- und Dampf- turbinenkraftwerks um zwei Prozentpunk- te steigern. Gelingt es, diese wichtigste Größe der Energiewandlung zu verbessern, wird zugleich weniger Brennstoff benötigt.

Die scheinbar einfache Erfolgsformel dafür kennen alle Energieforscher: Der Wirkungs- grad steigt mit der Temperatur, bei der die Kraftwerksturbine betrieben wird. Schon in heutigen Gasturbinen herrscht daher ex- treme Hitze: 1.200 Grad Celsius werden er- reicht. Dünne Wärmedämmschichten aus Keramik schützen dabei die metallischen Turbinenschaufeln vor der zerstörerischen Wirkung des heißen Brenngases. Dieser Schutz reicht allerdings nur deshalb aus, weil die Schaufel mit Luft gekühlt wird.

Wissenschaftler der JARA entwickeln nun zum einen neue keramische Dämmschich- ten, die dauerhaft Temperaturen bis 1.450 Grad aushalten. „Über den Daumen gepeilt würde das den Wirkungsgrad der Turbine um vier bis fünf Prozentpunkte verbes- sern“, erläutert Prof. Robert Vaßen vom Forschungszentrum Jülich. Zum anderen erforschen sie auch die weitergehende Möglichkeit, auf Metall ganz zu verzich- ten. „Eine solche vollkeramische Turbine müsste kaum noch gekühlt werden, was die Energieumwandlung noch effizienter macht“, so Vaßen. Das Problem: Kerami- ken sind zwar hitzebeständiger als Metall, aber auch viel spröder. Daher besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der Spannun- gen, die beim Aufheizen und Abkühlen entstehen, und der gewaltigen Fliehkräfte in der laufenden Turbine Risse bekommen und zerstört werden. Abhilfe versprechen Keramiken, die durch Fasern verstärkt sind. Um deren Potenzial für Turbinen aus-

zuloten, hat sich das Jülicher Team um Va- ßen mit den Forschern des Lehrstuhls für Textilmaschinenbau und des Instituts für Gesteinshüttenkunde der RWTH Aachen zusammengetan. „Diese Arbeitsgruppen haben große Kompetenz darin, aus Fasern komplexe, dreidimensionale Bauteile zu produzieren beziehungsweise Hochtem- peraturwerkstoffe zu entwickeln“, sagt Vaßen.

Membranen gegen die Klimaerwärmung Wissenschaftler der JARA gehen aber auch noch einer ganz anderen Möglichkeit nach, Kraftwerke klimafreundlicher zu machen.

Ausgangspunkt ist die Idee, das CO2 aus den Abgasen abzutrennen und für sehr lange Zeit unterirdisch einzusperren, bei- spielsweise in erschöpften Erdgaslager- stätten. Tatsächlich gibt es bereits Kohle- kraftwerke, bei denen CO2 mittels Laugen aus dem Rauchgas ausgewaschen wird.

Doch die Technik ist aufwendig und min- dert den Wirkungsgrad des Kraftwerks um mindestens zehn Prozent.

Dazu gibt es Alternativen, die weni- ger Energieverluste versprechen und in JARA vorangetrieben werden: Eine davon schickt die Abgase nach der Verbrennung über eine CO2-durchläs- sige Membran, die das Treibhausgas gewissermaßen aussiebt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, Kohle und Gas nicht mit Luft, sondern mit rei- nem Sauerstoff zu verbrennen.

Bei diesem sogenannten Oxyfuel- Verfahren entstehen stickstofffreie Abgase, die bereits rund 90 Prozent CO2 enthalten. Dieses lässt sich auf relativ einfache Weise weiter aufkonzen- trieren und einlagern. „Entscheidend ist, dass der Sauerstoff auf möglichst energie- sparende Weise gewonnen wird“, sagt Dr.

Torsten Markus vom Forschungszentrum

Jülich. Er und sein Team setzen dabei auf Membranen, die bei Temperaturen ab 600 Grad Celsius den Sauerstoff aus der Luft abscheiden können. „Weil sich die Mole- külgrößen von Sauerstoff und Stickstoff als Hauptbestandteil der Luft kaum un- terscheiden, sollte man sie sich nicht als Filter vorstellen. Die Abtrennung beruht vielmehr darauf, dass Sauerstoff an einer Seite der Membran Elektronen aufnimmt und dann in dieser ionischen Form hin- durchwandert“, erläutert Markus. Auf der Suche nach dem perfekten Membranma- terial wird er künftig nicht mehr allein auf zahllose Experimente angewiesen sein.

In seinen Seed-Fund-Projekten arbeitet er innerhalb der JARA mit Experten der Lehrstühle für Physikalische Chemie und für Werkstoffchemie der RWTH Aachen zu- sammen. Sie besitzen große Erfahrungen in der Entwicklung und Charakterisierung neuer Membranwerkstoffe sowie der Vo- raussage von Werkstoffeigenschaften mit Hilfe von Modellrechnungen. „Eine der wesentlichen Herausforderungen bei der

Forschung an neuen Membranwerkstof- fen ist die chemische Stabilität unter den Bedingungen des Kraftwerksprozesses“, sagt Dr. Michael Schroeder vom Institut für Physikalische Chemie der RWTH Aachen.

Neuartige keramische Filter entfernen klimaschädliches CO2 sehr effektiv aus den Abgasen herkömmlicher Kraftwerke.

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Energiespeicherung

Akku der Zukunft:

günstiger und langlebiger

Wind und Sonne sind unzuverlässige Kandidaten für die Stromerzeugung. Daher sind leistungsfähige Energiespeicher gefragt: Sie können in sonnigen oder stürmischen Zeiten den produzierten Stromüberschuss aufnehmen, um ihn dann bei Dunkelheit oder Flaute wieder zur Verfügung zu stellen. Es gibt sie in den verschiedensten Größen: Das Spektrum reicht dabei von Pumpspeicher- Wasserkraftwerken über Salztanks als Wärmespeicher bis hin zur kompakten wiederaufladbaren Batterie, einem bedeutsamen Forschungsobjekt der JARA.

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r. Hans Peter Buchkre mer vom Jüli- cher Institut für Energie- und Klima- forschung bringt es auf den Punkt:

„Um mit den heutigen Lithium-Ionen-Batte- rien als Autoantrieb 1.000 Kilometer fahren zu können, benötigt man das Batteriege- wicht von einer Tonne – hier gibt es erhebli- chen Verbesserungsbedarf“!

Gemeinsam mit den Kollegen der JARA arbeitet er an dem ambitionierten Ziel, einen Akku zu entwickeln, bei dem jedes Kilogramm 2.000 Watt elektrische Leis- tung pro Stunde aufnehmen und wieder abgeben kann – gegenüber den aktuellen

Exemplaren wäre das eine zehnfache Stei- gerung der gespeicherten Energiedichte.

Selbstverständlich lässt sich eine solche Leistungssteigerung nicht von heute auf morgen erreichen. Das Element Lithium ist bereits in vieler Hinsicht ein perfekter Batteriebestandteil: Die Atome des Alkali- metalls sind vergleichsweise winzig, be- weglich und leicht. Außerdem verhält sich Lithium auf dem Laufsteg der elektroche- mischen Elemente besonders elektroposi- tiv: Wird es in einer elektrochemischen Zel- le mit einem Partner zusammengeschaltet, der gerne Elektronen aufnimmt, ergibt sich eine besonders hohe Zellspannung.

Neue Materialien sind der Schlüssel Am Lithium halten die Forscher der JARA daher weitgehend fest. Aber alle anderen Komponenten des Lithium-Ionen-Akkus, der wie jede elektrochemische Zelle aus zwei Elektroden – Anode und Kathode – sowie einem Elektrolyten besteht, ste- hen längerfristig infrage. „Neuartige Ma- terialkonzepte sind der Schlüssel, um die gewünschten hohen Energiedichten er- reichen zu können“, ist Buchkremer über- zeugt.

Bislang sind für die Elektroden Werkstoffe im Einsatz, die Lithiumionen umkehrbar ein- und auslagern können. Bei der Anode handelt es sich meist um Graphit, bei der Kathode um schwere Übergangsmetall- oxide. Eine aussichtsreiche Alternative, die JARA-Wissenschaftler erforschen, ist der Lithium-Luft-Akku. Bei ihm besteht die Anode beispielsweise aus Lithiummetall, während für die Kathode ein leichtes Mate- rial verwendet wird und der Sauerstoff aus der Luft als Reaktionspartner des Lithium- metalls dient. Doch für einen solchen Akku mit hoher Energiedichte haben dann auch die klassischen flüssigen Elektrolyte – zu- ständig für den Lithiumionen-Transport – Nachteile. Daher konzentrieren sich die Wissenschaftler der JARA auf feste Ionen- leiter, darunter auch ionenleitende Gläser.

Eine Wärmebildkamera unterstützt die Forscher bei der Fahndung nach Alterungsprozessen.

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Die Alterung verlangsamen

Allerdings sind auch die Möglichkeiten der herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie noch nicht ausgereizt. Insbesondere sind die Forscher der JARA überzeugt, dass diese Akkus noch billiger und langlebiger werden können. Jülicher Wissenschaftler arbeiten daher an neuen, günstigeren Her- stellungsverfahren für die verschiedenen Komponenten. Andere Wissenschaftler um Prof. Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen und dem interdisziplinären E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen ana- lysieren die Prozesse, durch die Lithium- Ionen-Batterien schneller als gewünscht altern. Einer der wesentlichen Gründe für die nachlassende Leistungsfähigkeit ist, dass sich an der Grenze zwischen Anode und Elektrolyt eine Schicht ausbildet, die Fachleute als Solid Electrolyte Interface

bezeichnen. Das Lithium wird in diese Schicht eingebunden und steht dann für den Lade- und Entladevorgang nicht mehr zur Verfügung.

Die JARA-Forscher entwickeln außerdem Computermodelle, um die Lebensdauer der Batterien vorherzusagen. Durch Analysen und Modelle sollen die Schwachstellen der Lithium-Ionen-Batterie identifiziert wer- den, um sie letztlich umgehen zu können.

Solange die Grundlagen für visionärere alternative Batterienkonzepte noch ge- schaffen werden müssen, ist es sinnvoll, die Leistungsfähigkeit der herkömmlichen Technologie an ihre Grenzen zu treiben.

Die Deutsche Akademie der Technikwis- senschaften acatech hat Anfang 2010 eine Stellungnahme zur Elektromobilität veröf- fentlicht. Klar sei, so heißt es darin, dass

alle Komponenten einer Batterie durch dy- namische Prozesse eng aufeinander ein- wirken und somit nicht separat optimiert werden können. Und weiter: „Trotz vielver- sprechender, aber isolierter Einzelinitiati- ven fehlt zur Umsetzung dieser Aufgabe in Deutschland die geeignete Forschungs- struktur.“ Die Forscher der JARA-Sektion ENERGY mit ihren sich ergänzenden Kom- petenzen in der Chemie, der Physik, den Simulationswissenschaften, dem Maschi- nenbau und der Elektrotechnik entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Material über die Batterien und den An- triebsstrang bis hin zum Fahrzeug – sind angetreten, diese Einschätzung zu wider- legen.

Teamwork ist gefragt, wenn Autos zukünftig mit Batterie statt mit Benzin fahren sollen.

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Mobilität

Gut kombiniert:

Batterie und Brennstoffzelle

Ein Viertel der Energie, die wir in Deutschland verbrauchen, setzen wir ein, um mobil zu sein und Waren zu trans- portieren. Auf das Konto des Verkehrs gehen somit auch rund 20 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes. Um für mehr Effizienz und weniger Emissionen zu sorgen, stehen Batterie und Brennstoffzelle als Autoantrieb in den Startlöchern. Doch wer macht das Rennen? Die Frage sei falsch gestellt, finden die Wissenschaftler der JARA.

Denn es gehe nicht um eine Entweder-oder-Entscheidung. Beide Antriebe könnten nebeneinander existieren – zum Nutzen aller.

Am laufenden Band: Industrienahe Fertigungsprozesse beschleunigen den Transfer der JARA-Brennstoffzellentechnologie in die freie Wirtschaft.

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A

utos, die von Batterien oder Brenn- stoffzellen angetrieben werden, fah- ren geräuscharm und setzen dabei nahezu keine klimaschädlichen oder ge- sundheitsbelastenden Abgase frei. Außer- dem sind sie nicht auf das knapper werden- de Erdöl angewiesen. Angesichts solcher Vorteile scheint es fast erstaunlich, dass die Bundesregierung laut ihrem Energie- konzept vom September 2010 nur eine Mil- lion Elektrofahrzeuge – gemeint sind auch solche mit Brennstoffzellen-Antrieb – bis 2020 auf die deutschen Straßen bringen will. Das entspricht lediglich einem Anteil von rund zwei Prozent am prognostizierten Bestand von PKW, LKW und Bussen. Dabei gibt es die alternativen Antriebstechniken im Prinzip schon: Vor allem kleine, unab- hängige Hersteller haben Elektroautos im Angebot. Derzeit geht erstmals ein Modell eines namhaften Autokonzerns weltweit in die Großserie. Auch die Brennstoffzelle be- weist in Testflotten renommierter Herstel- ler bereits ihre Serienreife.

Kosten verringern

Bisher jedoch sind Batterie- oder Brenn- stoffzellenautos weit teurer als vergleich- bare herkömmliche Fahrzeuge. Wis- senschaftler der Sektion JARA-ENERGY erforschen die vielfältigen Möglichkeiten, mit denen sich die Kosten für den Antrieb verringern lassen: So suchen sie etwa nach Werkstoffen, die einerseits auf güns- tigen Rohstoffen beruhen und anderer- seits besonders leistungsfähig sind. Sie optimieren die Herstellungs- und die Test- verfahren für Batterien (siehe auch „Akku der Zukunft: günstiger und langlebiger“, S. 12–13) ebenso wie etwa die Fertigungs- methoden für Brennstoffzellen. Dabei behalten sie stets das gesamte Antriebs- system und seine industrielle Massenfer- tigung im Blick. Den höheren Kosten von Batterie- oder Brennstoffzellenautos steht eine Klimabilanz gegenüber, die nicht so eindeutig ausfällt, wie es auf den ersten Blick scheint. „Solange man den Strom für die Batterie oder die Wasserstoff-Herstel- lung noch zu großen Teilen aus Erdgas oder

Kohle gewinnt, wird der Ausstoß an Koh- lendioxid (CO2) weitgehend verlagert – weg vom Fahrzeug und hin zur Stromerzeu- gung“, erläutert JARA-Mobilitätsexperte Stefan Pischinger, Professor an der RWTH Aachen. Versuche und Berechnungen sei- nes Teams haben gezeigt, dass zumindest bei dem deutschen Energiemix, der bis zur Reaktorkatastrophe in Japan eingespeist wurde, Elektroautos tatsächlich einen ge- wissen Vorteil in Sachen CO2-Emission mit sich bringen. Doch von einem echten Null- Emissionsfahrzeug ist man angesichts eines hohen Anteils von „fossilem Strom“

noch weit entfernt. Andererseits könnten Batterien oder Wasserstoff künftig als Energiespeicher für temporäre Überschüs- se bei der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie dienen.

Reichweite macht den Unterschied Weil die Vorteile und Probleme von Batte- rieautos und Brennstoffzellenfahrzeugen sehr ähnlich sind, könnte man auf die Idee

kommen, dass die Forscher und Entwick- ler alle ihre Anstrengungen auf einen einzi- gen der beiden alternativen Antriebstypen konzentrieren sollten, um den Durchbruch zu schaffen. Dieser Gedanke liegt auch

deshalb nahe, weil man jeweils eine kost- spielige Infrastruktur aufbauen muss: bei- spielsweise Stationen zum Nachladen der Batterien oder Wasserstoff-Tankstellen.

„Und doch sehen wir Batterien und Brenn- stoffzellen nicht in einem Verdrängungs- wettbewerb“, sagt Dr. Bernd Emonts vom Jülicher Institut für Energie- und Klimafor- schung. Batteriefahrzeuge seien aufgrund der begrenzten Speicherkapazität mit einer Reichweite von 100 bis 150 Kilome- tern wie geschaffen für den Stadtverkehr.

Mit Brennstoffzellen ließen sich dagegen Autos bauen, die ohne Zwischenstopp ähn- lich weit fahren wie herkömmliche Fahr- zeuge.

Auch innerhalb eines einzigen Fahrzeugs halten die JARA-Forscher die Kombination von Batterie und Brennstoffzelle für er- folgversprechend: „Mit Hilfe von Elektro- motor und Batterie lässt sich die Energie zurückgewinnen, die man beim Bremsen verbraucht. Genau wie heute schon Hybrid-

autos existieren, die sowohl mit Verbren- nungsmotor als auch mit einem elektri- schen Antrieb ausgerüstet sind, wird es künftig auch Hybride aus Brennstoffzellen und Batterie geben“, ist sich Emonts sicher.

Von der Entwicklung einzelner Bauelemente über komplette Brennstoffzellen bis hin zum Fahrzeugantrieb: JARA-ENERGY deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab.

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Werkstoffe und Fertigungstechnologien

Dicht, stabil und langzeittauglich

JARA-Wissenschaftler koordinieren ihre Arbeiten im Bereich Werkstoffforschung und -verarbeitung um neue Materialien für Dünn- schicht-Solarzellen zu entwickeln, hochfeste Wandverkleidungen für Fusionsreaktoren herzustellen oder beständige Bauteile für Batteriesysteme und energieeffiziente Turbinen zu konstruieren. Ein besonders kniffliger Fall ist die stabile Verbindung zwischen Metall und Keramik. Sie ist essenziell für den langfristigen Betrieb von Brennstoffzellen und ebenso elementar für keramische Membrane, die ein CO2-freies Kohlekraftwerk ermöglichen sollen. Gleich zwei Ansätze aus den Aachener und Jülicher Labors wur- den erfolgreich weiter entwickelt.

E

in Rückgrat bildet dabei das Füge- technische Exzellenzzentrum (FEZ), eine Kooperation des Instituts für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF) der RWTH Aachen und der Zentralabteilung Technologie (ZAT) des Forschungszent- rums Jülich. In den Fachbereichen Schwei- ßen, Löten, Kleben, Formen und Analysie- ren bündeln hier die JARA-ENERGY-Partner ISF und ZAT ihre Kompetenzen. „Das FEZ ist in Europa einzigartig“, betonen Prof. Uwe Reisgen und Dr. Ghaleb Natour, die beiden Direktoren unisono. „Wir verfügen über einen hochmodernen Maschinenpark auf Industrieniveau und – noch viel wichtiger – die fundierten Fachkenntnisse unserer rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir können für die gesamte Bandbreite der Energieforschung fügetechnische Lö- sungen anbieten.“ So werden in den JARA- Labors u.a. Brennstoffzellen entwickelt, die im Dauerbetrieb bereits sehr zuverlässig laufen.

Jedoch führen die Temperaturänderun- gen beim Ein- und Ausschalten dazu, dass sich die Keramik- und Metallkomponenten im Brennstoffzellen-Stack unterschiedlich stark ausdehnen oder zusammenziehen.

Es kann zu Rissen und Brüchen beson- ders an den Verbindungsnähten kommen.

„Heikel ist ein Leck im Dichtungsmaterial“, erklärt JARA-Ingenieur Mihaly Pap, Abtei- lungsleiter in der ZAT. Luft und Brenngase sollen sich in der Brennstoffzelle tun- lichst nicht miteinander mischen, sonst

kommt es zu lokalen Schädigungen oder der gesamte Stack wird gar komplett un- brauchbar. Sein Team hat eine Glaske- ramikdichtung entwickelt, die mehrere Vorteile miteinander verbindet: Sie ist ge- gen Säuren resistent, gasdicht, elektrisch isolierend, hat einen angepassten Ausdeh-

nungskoeffizienten und zeigt sich bei Tem- peraturen zwischen 350 Grad bis weit über 800 Grad als sehr beständig.

Gleichzeitig lässt sich Glas aus verschiede- nen Pulverbestandteilen gut zu einer Pas- te verarbeiten. Mihaly Pap und sein Team testen sowohl das vollautomatische Auf- tragen der Paste mit einem indus triellen Roboterarm als auch ein Siebdruckverfah- ren, das besonders schnell und kosten- günstig ist. Für den Fall, dass eine Glas- dichtung reißt, entwickelt die Gruppe auch hierfür eine Lösung: Mit Hilfe eines Lasers bringen die Forscher zusätzliches Glas an der undichten Stelle zum Schmelzen. Das verflüssigte Glas dringt in den Riss ein, schließt das Leck und härtet beim Abküh- len wieder aus.

Geschmeidiges Metall

Auf Silber als Dicht- und Lotmaterial setzt eine zweite JARA-Arbeitsgruppe. Sie er- probt ein gänzlich neues Lötverfahren, das mit Hilfe von Metalllegierungen Keramik und Stahl dauerhaft miteinander verbinden soll. Es kann statt im Hochvakuum, wie sonst bei Metallloten in diesem Bereich üb- lich, unter Normalatmosphäre – also Luft – ausgeführt werden. „Das schont nicht nur den Geldbeutel sondern auch empfindliche Keramikteile, die sich im Vakuum zerset- zen können“, erklärt JARA-Wissenschaftler Dr. Ewald Pfaff, Akademischer Direktor am Aachener Institut für Werkstoffanwendun- gen im Maschinenbau. Zwar ist Silber teu- Per Laserstrahl wird die

gläserne Masse aufgeschmolzen.

Das neuartige gläserne Dichtungsmaterial ist kostengünstig und leicht zu verarbeiten.

(19)

rer als Glas – aber es ist geschmeidiger.

So kann es das unterschiedliche Ausdeh- nungsverhalten von Stahl und Keramik besser abpuffern. Reines Silber allerdings erwies sich als wenig geeignet. Es benetzt die keramische Oberfläche nicht optimal, sondern bildet beim Abkühlen kugelförmi- ge Strukturen aus. Deshalb experimentie- ren die Forscher mit Zusätzen, beispiels- weise Kupfer oder Aluminium, die das Silber „entspannen“.

„Wir testen, wie viel Prozent anderer Me- talle oder Oxide wir zugeben müssen, da- mit die Verbindung mechanisch stabil ist, Temperaturschwankungen übersteht und auch bei dauerhaft hohen Temperaturen nicht versagt“, erklärt Ingenieurin Anke Kaletsch. In einer ganzen Batterie von Hochtemperaturöfen setzt sie ihre Proben wochenlang extremen Belastungstests aus. Hier werden ihre eigenen Lotmischun- gen sowie die der Kollegen vom Aachener

Institut für Oberflächentechnik getestet.

Unter der Leitung von JARA-Mitglied Prof.

Kirsten Bobzin erforschen diese mit hoch- modernen Analysemethoden, bei welchen Temperaturen die neuentwickelten Lote mit den Keramiken und Stählen reagieren, und stellen so punktgenau den Lötprozess ein.

Im nächsten Schritt folgt der Härtetest. Die Verbindungen kommen zu JARA-Forscher Dr. Bernd Kuhn ins Jülicher Institut für Energieforschung. Er zerrt mit Druck-, Zug- und Scherkräften bei unterschiedlichsten Temperaturen an den Fügeverbindungen und überprüft anschließend per Elektro- nenmikroskopie und Feinanalytik, wie stark die Nähte gelitten haben. Zeigen sich ausgeprägte chemische Veränderungen, Mikrorisse oder gar Totalversagen, so geht die Suche nach der optimalen Mischung weiter.

Die JARA-Forscher verlassen sich aber schon längst nicht mehr auf das Proze- dere von „Versuch und Irrtum“. Mit dem Aachener An-Institut Access haben sie ei- nen kompetenten Partner gewonnen, der sich auf die Simulation von Erstarrungs- vorgängen spezialisiert hat. Hier werden Lötprozesse sowie die entstehenden Mi- krostrukturen mathematisch erfasst. „Mit Hilfe der von uns entwickelten Programme ist es möglich, schneller ein stabiles und strapazierfähiges Lot zu finden. Gleichzei- tig helfen uns die Modelle dabei, die Versa- gensmechanismen besser zu verstehen.

Das beschleunigt die Suche nach dem optimalen Lot erheblich“, erklärt Access- Arbeitsgruppenleiter Dr. Markus Apel.

Rasche und extreme Temperaturwechsel sowie Druck und Zugkräfte wirken in diesem Hightech-Ofen auf die Proben ein.

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Energietransport und -Netze

Neue Netze für Sonne, Wind und Co.

Waschen, Bügeln, Kochen, Internetbanking, Rasen mähen – ohne Strom läuft in einem modernen Haushalt nichts. Eine durchschnittliche Familie verbraucht in Deutschland pro Jahr rund 4.000 Kilowattstunden. Das sind, bei den derzeitigen Strompreisen, 1.000 Euro pro Jahr. Doch immer mehr Haushalte sind nicht nur Verbraucher, sondern auch Erzeuger von Strom. Das bisherige Stromnetz ist den Anforderungen einer zuneh- mend dezentralen Energieeinspeisung nicht gewachsen, warnen JARA-Forscher.

Die Prognose: 3.600 Kilometer neue Stromtrassen bis 2020.

(21)

S

ie plädieren für ein „intelligentes“

Netz. Mit Hilfe moderner Kommuni- kationstechnik und Sensoren soll es künftig präzise Informationen über den ak- tuellen Netzzustand und Verbrauch liefern.

„Verknüpft man diese Daten dann mit Wet- terprognosen und voraussichtlichen Ver- brauchsspitzen, so lässt sich ein solches System sehr gut steuern“, ist JARA-For- scher Prof. Armin Schnettler überzeugt. Er leitet das Aachener Institut für Hochspan- nungstechnik und fügt an: „Ein wichtiger Teil des intelligenten Netzes wird zukünftig unser Zuhause sein, da wir ja nicht nur als Verbraucher, sondern auch als Erzeuger oder sogar als Energiehändler auftreten können.“ Ein langfristiges Szenario könnte darin bestehen, private Elektroautos als dezentrale Zwischenspeicher zu nutzen.

Kreuz und quer durch Europa

Kurze Lastspitzen wären damit durchaus abzufangen, sagt JARA-Kollege Jochen Linßen aus dem Institut für Energie- und Klimaforschung – Systemforschung und Technologische Entwicklung des For- schungszentrums Jülich. Er hat hierzu de- taillierte Berechnungen erstellt. Sein Fazit:

„Aus den Batterien von einer Million Elek- trofahrzeugen könnte kurzfristig – also für ein paar Minuten – eine Leistung von bis zu 3.000 Megawatt abgerufen werden.

Das entspricht in etwa der installierten Leistung von 600 Offshore-Windrädern.“

Längere Windflauten könnte dieser Spei- cher jedoch kaum überbrücken.

Interessant sind Elektrofahrzeuge weiter- hin als flexible Verbraucher. „Nehmen wir an, die Ladezeit für mein Elektroauto be- trägt drei Stunden“, beschreibt Linßen die Situation, „wenn es nachts acht Stunden in der Garage steht, dann ist es egal, zu wel- cher Uhrzeit genau der Ladevorgang läuft, Hauptsache, mein Wagen ist morgens aufgeladen.“ Der Energieversorger könnte also beispielsweise während einer nächt-

lichen Starkwindphase überschüssigen und somit kostengünstigen Strom in die Batterien der Elektrofahrzeuge umleiten.

„Steuerbare Verbraucher“, nennen Exper- ten diese Variante, Strom aus Wind oder Sonne genau dann an den Verbraucher zu schicken, wenn er im Überfluss zur Verfü- gung steht.

„Wir sollten einkalkulieren, dass es aus öko- nomischer Sicht auch sinnvoll sein kann, unsere Elektrofahrzeuge nicht nachts auf- zuladen, sondern über Tag – zum Beispiel im Parkhaus, wenn die Sonne scheint.“

ergänzt Prof. Albert Moser vom Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH, der das JARA-ENERGY Team seit kurzem verstärkt. Er geht davon aus, dass es in Zukunft einen stark von der Tageszeit

abhängigen Stromfluss kreuz und quer durch Europa geben wird: Während die Sonne scheint, von Süden nach Norden, und nachts von den Nordischen Wasser- kraftwerken und Meeres-Windanlagen in Richtung Süden.

Neue Trassen unausweichlich

Die JARA-Arbeitsgruppen widmen sich diesen Fragen nicht nur aus rein wissen- schaftlichem Interesse. Sie beraten Ener- giekonzerne, Stadtwerke und politische Entscheidungsträger, damit es durch den steigenden Anteil von Wind und Sonne am

Energiemix nicht zu Stromengpässen oder gar großflächigen Stromausfällen kommt.

In aktuellen Forschungs- und Entwick- lungsarbeiten definieren sie die Anforde- rungen an die Informations- und Kommu- nikationstechnik, die einen reibungslosen Datentransfer zwischen den Netzteilneh- mern ermöglicht.

„Wichtig ist ein hoher Grad an Standardi- sierung, um eine störungsfreie Integration der neuen Technologien und Verbraucher zu ermöglichen“, betont Prof. Schnettler. Er geht davon aus, dass sich ein intelligentes Netzwerk im Normalbetrieb relativ einfach koordinieren lässt. Wie sicher und robust ein solches Netz wirklich ist, zeige sich aber erst, wenn beispielsweise die Strom- versorgung lokal kurzzeitig unterbrochen wird. In aufwendigen Simulationsrechnun- gen berechnen mehrere JARA-Teams, wie ein solches Ereignis abgepuffert werden könnte. Vor allem muss das vorhandene Stromnetz ausgebaut, saniert und erwei-

tert werden. JARA-Mitglied Prof. Schnettler hat eine Studie der Deutschen Energie- Agentur (dena) begleitet. Das Ergebnis:

3.600 Kilometer an neuen Stromtrassen sind in Deutschland bis zum Jahr 2020 mindestens notwendig, um die Integration der erneuerbaren Energien zu meistern und gleichzeitig eine sichere und wirtschaftli- che Stromversorgung zu gewährleisten.

Der Verbraucher als Energieproduzent.

Moderne Steuereinheiten helfen Energie einzusparen.

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Energiewirtschaft und Systemanalyse

Im Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Technik

Energiewende: „Ja“. Windparks in Sichtweite: „Nein“. Sonnenstrom: „Ja“. Neue Hochspannungsleitungen: „Nein“. CO2-arme Kohle- kraftwerke: „Ja“. CO2-Durchleitung und Speicherung unter der Erde: „Nein“. Ist der Wille des Volkes so einfach zusammenzufassen?

JARA-Forscher untersuchen das besonders im Energiesektor eng verwobene Geflecht aus technischer Machbarkeit, ökologischer Verantwortung, ökonomischer Sinnhaftigkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz von Energietechnologien.

B

is 2020 soll nach den Plänen der Bundesregierung der Anteil an Öko- energie nochmals verdoppelt wer- den. Trotzdem bleiben Gas- und Kohlekraft- werke in den kommenden Jahrzehnten die tragenden Säulen der Stromerzeugung.

Hinzu kommt, dass diese Kraftwerke bei einem vorzeitigen Atomausstieg bis 2020 mehr Strom produzieren müssten als vor- gesehen. Das wiederum bedeutet ein Mehr an klimaschädlichem CO2. JARA-Forscher arbeiten an den technischen Möglichkei-

ten, das Gas aus den Abgasen der Kraft- werke abzutrennen (siehe auch „Fossile Brennstoffe, fortschrittliche Kraftwerke“, Seiten 10–11). Gelänge es, CO2 dauerhaft unterirdisch einzuspeichern, ließen sich Kohle und Erdgas einige Jahrzehnte weiter nutzen, ohne das Klima zu belasten.

Aber: Akzeptiert die Öffentlichkeit solche Kraftwerke und die möglichen Lagerstät- ten überhaupt? „Rund 42 Prozent lehn- ten in einer repräsentativen Umfrage die

Möglichkeiten einer CO2-Abtrennung und -Speicherung erst einmal spontan ab“, stellt JARA-Forscherin Dr. Diana Schumann fest. Insbesondere für Regionen, in de- nen Demonstrationsvorhaben umgesetzt werden sollen, plädiert sie für eine ziel- gerichtete Kommunikation: „Diese muss neben glaubwürdiger, ausgewogener und für Laien verständlicher Information auch öffentliche Diskussionen und Bürgerkon- ferenzen beinhalten.“

Infrastruktur für Bio-Wasserstoff

Vorausgesetzt, Akzeptanz und Technik ermöglichen eine reibungslose CO2-Ein- lagerung, bleibt die Frage des Standorts.

Die Forscher rechnen dabei mit ein, dass in den Kraftwerken nicht nur Elektrizität und CO2 erzeugt wird, sondern auch wert- voller Wasserstoff, der Brennstoffzellen antreibt. „Es ist nach unseren Berech- nungen ökonomischer, solche Kraftwerke nahe an der Lagerstätte zu errichten“, sagt JARA-Wissenschaftler Professor Jürgen- Friedrich Hake, der die Systemforschung und Technologische Entwicklung in Jülich leitet. „Der notwendige Ausbau einer flä- chendeckenden Wasserstoff-Infra struktur ließe sich relativ günstig über einen leicht erhöhten Strompreis finanzieren“, so sei- ne Kalkulation. Zugleich würde damit der Wasserstoff tanken – in Zukunft so einfach und sicher wie Benzin nachfüllen?

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Grundstein für eine nachhaltige Wasser- stoff-Wirtschaft gelegt, ist der Mathemati- ker überzeugt. „Es gibt ernstzunehmende Ansätze, Wasserstoff in großen Mengen auf biologischem Weg zu produzieren – mit Hilfe von Algen oder Mikroorganismen“, sagt Hake und fügt an: „Wenn dies auf lan- ge Sicht gelingt, dann wäre die notwendige Infrastruktur zur Verteilung des Bio-Was- serstoffs schon vorhanden.“

Wie entscheiden Häuslebauer?

Bis Brennstoffzellen als modulare Block- heizkraftwerke ins Einfamilienhaus einzie- hen, werden noch einige Jahre vergehen.

Aber schon heute haben Hauseigentümer die Wahl: Soll es eine moderne Öl- oder Gasheizung sein, oder etwa ein Holzpellet- oder Wärmepumpensystem? „Wir haben hierzu 2010 eine deutschlandweit einzig- artige und sehr detaillierte Studie durch- geführt. Über 5.000 Haushalte erhielten einen theoretisch fundierten Fragebogen

mit dem Ziel, mehr über die Entscheidungs- prozesse beim Kauf oder der Modernisie- rung der Heizanlage zu erfahren“, erklärt Volkswirt Christian Michelsen, JARA-For- scher und Mitarbeiter des Aachener Insti- tute for Future Energy Consumer Needs and Behaviour, das von Professor Reinhard Madlener geleitet wird und am interdiszi- plinären E.ON Energy Research Center an- gesiedelt ist. Es zeichnet sich ab, dass sich vor allem Haushalte mit vergleichsweise niedrigerem Einkommen für eine Ölhei- zung entscheiden. „Der genaue Grund hier- für wird zurzeit aus dem umfangreichen Datensatz ermittelt“, erläutert Michelsen.

Hierzu gilt es rund 3.000 Rückantworten auszuwerten. Er ist sich jedoch jetzt schon sicher, dass die Ergebnisse der Studie, die bis Ende 2011 komplett vorliegen werden, unter anderem einen direkten Einfluss auf das Vermarkten der unterschiedlichen Heizsysteme haben wird. „Aber sie liefert auch wichtige Erkenntnisse für die opti-

male Gestaltung von Förderinstrumenten und auch ganz allgemein für Politikmaß- nahmen“, betont Michelsen.

Effizienzziele höher stecken

Enorme Unterschiede fanden die Forscher in einer zweiten Studie zwischen Eigentü- mern und Mietern in puncto Sparen von Heizenergie. „Wenn beispielsweise das Energieeinsparpotenzial einer neuen Hei- zung wegen Verhaltensanpassungen nicht in voller Höhe realisiert wird, dann spre- chen wir vom „Rebound-Effekt“, erklärt JARA-Direktor und Energieökonom Prof.

Madlener. Bei Hauseigentümern betrug dieser Effekt rund 12 Prozent, bei Mietern sogar bis 49 Prozent. „Wir müssen bei allen politischen und technischen Diskussionen darauf achten, dass der Rebound-Effekt nicht unterschätzt wird. Klimaschutz be- nötigt eine absolute Reduktion der CO2- Emissionen, nur dann werden wir die Prob- leme meistern“, mahnt er eindringlich.

CO2 als Dünger für Algen, die daraus Biomasse für Treibstoff und Baumaterial und in Zukunft vielleicht sogar Wasserstoff produzieren.

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Seed-Fund Projekte

Querdenker

Vorschläge, Energie einzusparen oder vorhandene Technik effizienter einzusetzen, gibt es viele. Oft jedoch fehlen grundlegende Antworten aus der Wissenschaft, ob ein solcher Vorschlag überhaupt realisierbar ist. Für besonders innovative Fragen stellt JARA- ENERGY eine Seed-Fund-Finanzierung zur Verfügung. Die zurzeit laufenden Projekte reichen von neuartigen keramischen Filtern für verschiedene Gasabtrennverfahren und innovativen Verbundstoffen für Turbinen (siehe auch „Fossile Brennstoffe, fortschritt- liche Kraftwerke“, Seiten 10–11) bis hin zu zwei Aspekten der Flugzeugtechnik, die hier vorgestellt werden.

Ein gigantisches Puzzle, das keine Fehler verzeiht: ein modernes Triebwerk besteht aus bis zu 60.000 Teilen.

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M

öglichst windschnittig sollte ein Flugzeug – und insbesondere seine Tragflächen sein –, damit es weniger Kerosin verbraucht. Aber ist windschnittig gleich glatt? Ingenieure aus Aachen und Jülich sind vom Gegenteil überzeugt. Gemeinsam konnten sie nach- weisen, dass eine dynamische und wellige Oberfläche Turbulenzen und Reibungswi- derstände erheblich reduziert.

Dabei ergänzten sich die Kompetenzen des Aerodynamischen Instituts der RWTH und des Zentralinstituts für Elektronik vom Forschungszentrum ideal: Auf der einen Seite die Experten für turbulente Luftströ- me, auf der anderen die Fachleute für kom- plexe Steuerelektronik.

Im ersten Schritt galt es, eine dünne Blech- folie in eine kontrollierte Wellenbewegung zu versetzen. Das Geheimnis zur Kontrol- le der Wellen: Piezokristalle, die unter der Folie angeordnet sind. Durch das Anle- gen einer elektrischen Spannung dehnen sich Piezokristalle aus. Ohne Stromzufuhr schnellen sie in ihre Ausgangsposition zurück. Mit Hilfe einer ausgeklügelten Steuerelektronik gelang es den Jülicher Elektrotechnikern, Wellenkämme von 5 bis 90 Mikrometern – also 0,005 bis 0,09 Millimetern – zu erzeugen.

„Mehr als ein leichtes Vibrieren ist mit dem bloßen Auge nicht zu sehen“, sagt Dr.-Ing.

Michael Klaas von der RWTH. Der Effekt je- doch ist eindeutig. Messungen im Windka- nal ergaben, dass bei optimaler Justierung zwischen Wellenbewegung und Luftstrom eine Verringerung des Reibungswiderstan- des um 10 Prozent gegenüber einer star- ren Oberfläche erzielt werden kann.“ Als nächstes möchten die Forscher eine Trag- fläche mit einer dynamischen Oberfläche konstruieren, um zu sehen, ob ihre Idee auch im großen Maßstab funktioniert.

Toleranzen testen

Um winzige Dimensionen mit großen Aus- wirkungen dreht sich ebenfalls alles im Projekt der jungen JARA-Ingenieure Ka- tharina Winter und Jörg Hartmann vom Institut für Strahlantriebe und Turboar- beitsmaschinen der RWTH. Sie entwickeln mathematische Modelle, die die geltenden Fertigungstoleranzen im Triebwerksbau testen. „Wenige hundertstel Millimeter Abweichung vom Idealmaß sind beispiels- weise bei Verdichterschaufeln häufig das absolut erlaubte Maximum“, erklärt Jörg Hartmann und ergänzt: „Alle Bauteile, die diese Toleranzen überschreiten werden im Allgemeinen aussortiert.“ Der Aufwand für die Flugsicherheit ist enorm. Denn ein mo- dernes Strahltriebwerk besteht aus bis zu 60.000 Bauteilen. 20.000 dieser Einzeltei- le tragen eine Seriennummer. Sie gel- ten als „flugkritisch“ und unterliegen daher extrem strengen Fertigungs- regeln und -toleranzen.

„Neben der Flugsicherheit spielen heute auch die Punkte Verbrauch, CO2-Ausstoß und Lärm eine ent- scheidende Rolle“, ergänzt Katha- rina Winter. Denn für den Flugver- kehr wird bis zum Jahr 2020 eine Verdopplung der Passagierkilometer erwartet. Gleichzeitig hat sich die Flugindustrie verpflichtet, die CO2- Emissionen um 50 Prozent und den Treibstoffverbrauch der Triebwerke um 20 Prozent zu senken. Um diese Zahlen in so kurzer Zeit zu erreichen, müssten nicht nur neue Triebwerke entwickelt, sondern auch ältere mo- dernisiert werden. Aber aufgrund der strengen Sicherheitsauflagen wer- den kaum Änderungen an älteren Triebwerken vorgenommen. Zu aufwendig und teuer wären die notwendigen Testläu- fe. Und hinreichende Computermodelle für betagtere Turbinen existieren kaum.

Deshalb nahmen die beiden Ingenieure zu- nächst eine einzelne Schaufel eines Hoch- druckverdichters unter die Lupe: Welche Auswirkung hat eine winzige Schramme, die beim Fräsen entstanden ist? Stören kleinste Wellen im Material die Luftströ- mung innerhalb des Triebwerks? Parallel zu Messungen im Windkanal führte das Team umfangreiche Computersimulatio- nen durch. Das Ziel: die Einflüsse auf einen kompletten Verdichter mit über 80 Schau- feln testen und mögliche Toleranzen prü- fen. Das spart Zeit und Geld – und ermög- licht eine Risikoanalyse von kleinen aber energiesparenden Änderungen in beste- henden Triebwerken. In einem Folgeprojekt wird das Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung die hierfür notwendigen Materialtests ausführen.

An der RWTH stehen mehrere Windkanäle zur Verfügung, um die Aerodynamik von sehr kleinen und enorm großen Bauteilen zu testen.

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Daten und Fakten

Daten und Fakten

Gründung: Dezember 2008

Direktoren (Stand 11/2011): Prof. Dr. Dirk Bosbach, Forschungszentrum Jülich, Prof. Dr. Reinhard Madlener, RWTH Aachen Mitarbeiter: JARA-ENERGY umfasst mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 50 Institu-

ten an den Standorten RWTH Aachen und Forschungszentrum Jülich.

Struktur: Die Sektion JARA-ENERGY unterteilt sich in sieben Handlungsfelder: Energieträger und -quellen, Energiewandlung, Transport und Netze, Speicherung, Mobilität sowie die übergrei- fenden Querschnittsthemen Werkstoffe und Fertigungstechnologien sowie Energiewirt- schaft und Systemanalyse.

Auftrag: · Die Basis für eine zukunftsfähige, wirtschaftlich tragbare, umwelt- und klimaverträgliche sowie verlässliche Energieversorgung schaffen.

· Energietechnologien und -systemlösungen von den Grundlagen bis zur fertigen Anwen- dung erforschen, optimieren oder neu entwickeln.

· Übergreifende Querschnittsthemen gemeinsam lösen, in denen sich die Forschungsinte- ressen der RWTH und des Forschungszentrums Jülich ergänzen.

· Durch Kooperationen in Energiefragen einen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und forschungsstrukturellen Mehrwert erzeugen.

Forschungsfelder: Energiewirtschaft und Systemanalyse

Werkstoffe und Fertigungstechnologien Energieträger

und -Quellen

Energie - wandlung

Transport und

Netze Speicherung Mobilität

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JARA ENERGY – Die Mitglieder: 51 Professorinnen, Professoren und Institutsleiter der RWTH Aachen und des Forschungs- zentrums Jülich (Stand 11/2011)

Prof. Dr. Dirk Abel, Prof. Dr. Hans Josef Allelein, Prof. Dr. André Bardow, Prof. Dr. Tilmann Beck, Prof. Dr. Wolfgang Bleck, Prof. Dr. Kirsten Bobzin, Prof. Dr. Dirk Bosbach, Prof. Dr. Christoph Broeckmann, Prof. Dr. Andreas Bührig-Polaczek, Prof. Dr. Christoph Clauser, Prof. Dr. Reinhard Conradt, Prof. Dr. Rik W. De Doncker, Prof. Dr. Rainer Fischer, Prof. Dr. Günter Gottstein, Prof.

Jürgen-Friedrich Hake, Prof. Dr. Kay Hameyer, Prof. Dr. Gerhard Hirt, Prof. Dr. Peter Jeschke, Prof. Dr. Sabina Jeschke, Prof. Dr. Reinhold Kneer, Prof. Dr. Paul Kögerler, Prof. Dr. Walter Leit- ner, Prof. Dr. Reinhard Madlener, Prof. Dr. Manfred Martin, Prof. Dr. Joachim Mayer, Prof. Dr.

Michael Modigell, Prof. Dr. Albert Moser, Prof. Dr. Dirk Müller, Dr. Ghaleb Natour, Dr. Alexander Olowinsky, Prof. Dr. Herbert Pfeifer, Prof. Dr. Stefan Pischinger, Prof. Dr. Heinz Pitsch, Prof. Dr.

Uwe Rau, Prof. Dr. Uwe Reisgen, Prof. Dr. Martin Riese, Prof. Dr. Georg Roth, Prof. Dr. Bernhard Rumpe, Prof. Dr. Ulrich Samm, Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, Prof. Jochen Schneider, Prof. Dr. Armin Schnettler, Prof. Dr. Wolfgang Schröder, Prof. Dr. Ulrich Schurr, Prof. Dr. Lorenz Singheiser, Dr.

Robert Steinberger-Wilckens, Prof. Dr. Detlef Stolten, Prof. Dr. Bruno Thomauske, Dr. Stefan van Waasen, Prof. Dr. Harry Vereecken, Prof. Dr. Andreas Wahner.

Links

JARA und JARA-ENERGY: www.jara.org

RWTH Aachen: www.rwth-aachen.de

Forschungszentrum Jülich: www.fz-juelich.de Impressum

Herausgeber: JARA-ENERGY

Direktoren: Prof. Dr. Dirk Bosbach, Forschungszentrum Jülich, Prof. Dr. Reinhard Madlener, E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen

Geschäftsführung und Kontakt: Dr. Isolde Arzberger

Forschungszentrum Jülich, 52425 Jülich

Tel.: (02461) 61-4003, E-mail: i.arzberger@fz-juelich.de Konzept und Redaktion: Dr. Isolde Arzberger, Brigitte Stahl-Busse,

Christian Schipke

Texte: Dr. Frank Frick (Seiten 8–15), Brigitte Stahl-Busse (alle weiteren Texte)

Gestaltung/Druck value4business marketing GmbH

Bildnachweis: Shutterstock (Titel), Forschungszentrum Jülich (S. 2, S. 4–5, S. 6 li., S. 8–9, S. 11, S. 14–15, S. 16–17, S. 18, S. 21), RWTH (Peter Winandy S. 13, S. 23), E.ON ERC (Peter Winandy S. 19 re.), Reinhard Madlener (S. 6 re.), Brigitte Stahl-Busse (S. 10), RWTH ISEA (S. 12), Fotolia (Daniel Schönen, S. 19 li.), Linde AG (S. 20), Heribert Stahl (S. 22).

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Jülich Aachen Research Alliance Generalsekretariat

Forschungszentrum Jülich GmbH 52425 Jülich

Tel: 0 24 61- 61 18 15 E-Mail: info@jara.org www.jara.org

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