Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 50|
14. Dezember 2012 A 2541 BÖRSEBIUSVor allem Psychohygiene
U
nlängst erhielt ich eine Nach- frage in Sachen Praxisfinan- zierung, aber von einer durchaus komplexeren Dimension. Ein Leser des Deutschen Ärzteblatts finan- zierte letztes Jahr den Kauf einer Praxis mit einem Darlehen über 600 000 Euro. Gleichzeitig legt er zusätzlich pro Jahr eine Summe von 100 000 Euro auf die hohe Kante und will das eigentlich auch beibe- halten. Nun sollte ich ihm raten, ob das Vorgehen denn so richtig sei, sein Steuerberater habe ihm zu diesem Modell geraten, sein betriebswirt- schaftliches Gefühl sei unentschie- den und sein Bauchgefühl so lala.Fangen wir beim Steuerberater an. Nicht, dass ich was gegen diesen Berufsstand hätte, aber es ist schon so, dass, je komplizierter die Steuer- erklärung gerät, umso prächtiger das Honorar sein darf. Insoweit darf es einen nicht groß wundern, wenn hier der Ratschlag nicht unbedingt objek- tiv sein muss. Natürlich ist es ohne
weiteres einsichtig, dass die Praxis- finanzierungskosten die fiskalische Belastung mindern und somit ist es betriebswirtschaftlich angezeigt, die Verbindlichkeiten möglichst hoch zu lassen und nicht durch Sondertilgun- gen zu „belasten“.
Doch ob das, was ökonomisch sinnvoll ist, auch immer der Weis- heit letzter Schluss sein muss, ist noch lange nicht geklärt. Wenn der Praxiskäufer, wie oben geschildert, ein Sondertilgungsrecht vereinbart hat (und das hat er in der Tat), dann sollte er sich genau überlegen, je- den Pfennig, der übrig ist, für die Tilgung des Darlehens einzusetzen und nicht parallel anzusparen. Ge- nau das habe ich ihm auch geraten.
Das alles ist, wie gesagt, wirt- schaftlich möglicherweise subopti- mal, aber für die eigene Psycho - hygiene unbezahlbar. Je schneller Schulden abbezahlt werden, umso besser lässt es sich schlafen, werden die Nerven geschont und die eigene
Gelassenheit gesteigert. Ich persön- lich glaube auch, dass die persönliche Leistungsbereitschaft umso höher ist (und auch länger andauert), je weni- ger einen finanzielle Lasten drücken.
Derlei Maxime gilt erst recht, wenn ich Wertpapiere oder Beteili- gungen aller Art auf Pump finanzie- re. Hier scheint mir noch die Gier als treibendes Motiv hinzuzukom- men. Vor allem, wenn es schiefgeht, wird dann das Nervenkostüm oft- mals aufs Härteste geprüft. Jeder, der sich schon harschen Nach- schusswünschen bei Schiffsbeteili- gungen ausgesetzt sah (und sieht), wird mir das wohl gerne bestätigen.
Nicht die Gier bringt also den er- wünschten Ertrag oder Reichtum, und wohl auch nicht immer das wirtschaftlich scheinbar optimale, sondern die Besonnenheit um das eigene Wohl und Wehe. Es geht schlicht darum, die persönliche Psychohygiene zu pflegen. Vor al-
lem anderen.