A1576 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 31–32⏐⏐3. August 2009
P H A R M A
D
ie Lebensqualität und das Überleben bei chronischer Hepatitis B (HBV) verbessern, indem die Krankheitsprogression zu Zirrho- se, dekompensierter Zirrhose, Le- bererkrankung im Endstadium so- wie hepatozellulärem Karzinom und Tod verhindert wird – so lautet das therapeutische Ziel der aktuel- len europäischen Therapieleitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL-Guide- lines; J Hepatol 2009; 50: 227–42).Erreicht werden kann das mit einer anhaltenden Unterdrückung der HBV- Replikation.
Dabei ist der ideale Endpunkt ei- ner Hepatits-B-Therapie nach den Worten von Prof. Dr. med. Jörg Petersen (Hamburg) der dauerhafte HBsAG-Verlust oder die Serokon- version zu Anti-HBs. Das sei mit modernen Nukleosidanaloga wie Tenofovir (Viread®) nach einem Jahr Behandlung bei drei Prozent der Pa- tienten der Fall – und somit bei ver- gleichbar vielen Patienten, die mit Interferon behandelt werden kön- nen. Bei HBeAG-positiven Patien-
ten ist die dauerhafte HBe-Serokon- version ein zufriedenstellender End- punkt. Bei Patienten, die keine HBe- Serokonversion erreichen sowie bei HBe-negativen Patienten sollte das Therapieziel sein, die HBV-DNA dauerhaft unter die Nachweisgrenze zu halten.
Priv.-Doz. Dr. med. Heiner We- demeyer berichtete, dass die eu- ropäischen Leitlinien für HbeAG- positive und HBeAG-negative Pati- enten den Therapiebeginn bei einer Viruslast von > 2 000 IU/ml vorsä- hen (das entspreche 104 HBV-DNA- Kopien/ml) und/oder erhöhten Le- berwerten empföhlen. Die Leitlini- en der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrank- heiten (DGVS) aus dem Jahr 2007 forderten für einen Therapiestart noch > 104 HBV-DNA-Kopien/ml und zusätzlich um das mehr als Zwei- fache erhöhte Leberwerte (Cronberg M et al.; Z Gastroenterol 2007; 45:
1–50).
Ging es nach den Worten von Wedemeyer in den DGVS-Leitlini- en noch um Resistenzmanagement,
fordern die EASL-Guidelines nun eine konsequente Resistenzvermei- dung. Aus diesem Grunde empfiehlt die EASL für die First-Line-The- rapie hochpotente Substanzen mit hoher Resistenzbarriere als Mono- therapie, und zwar das Nukleotid- analogon Tenofovir und das Nu- kleosidanalogon Entecavir.
Für Tenofovir (seit 2008 für die Therapie der chronischen Hepatitis B und seit 2002 für die HIV-Thera- pie zugelassen) liegen von zwei Zu- lassungsstudien 72-Wochen-Daten vor: 91 Prozent der HbeAG-positi- ven Patienten (Heathcote J et al.
43rd EASL 2008; Abstract 72) und 79 Prozent der HBeAG-negativen Patienten (Marcellin P et al. 43rd EASL 2008; Abstract 57) hatten zu diesem Zeitpunkt eine nicht nach- weisbare Viruslast. Eine Resistenz konnte nach 96 Wochen bisher bei keinem Patienten, der Tenofovir als Erstlinientherapie erhielt, nachge- wiesen werden (Snow-Lampert A et al. Hepatology 2008; 48: 745A).
Die HBV-DNA sollte das erste Mal zwölf Wochen nach Therapie- beginn und danach alle zwölf bis 24 Wochen kontrolliert werden. Da- bei sollte mittels Real-Time-PCR die HBV-DNA nicht mehr nach- weisbar sein (< 10 bis 15 IU/ml), um Resistenzen zu vermeiden. So- lange die Patienten nicht HBsAG- negativ sind, müssen die Patienten die Tabletten weiter einnehmen. Ob eventuell nach vier bis fünf Jahren ein Auslassversuch gemacht werden kann, da nach dieser Zeit eine dauer- hafte Kontrolle der Virusvermeh- rung erreicht sein könnte, muss We- demeyer zufolge in großen Studien
untersucht werden. I
Andrea Warpakowski
Symposium „Therapie der chronischen Hepatitis B – ein Paradigmenwechsel?“ im Rahmen des 115.
Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden, Veranstalter: Gilead Sciences
CHRONISCHE HEPATITIS B
Resistenzen vermeiden
Die europäischen Leitlinien empfehlen, für die Erstlinientherapie hochpotente Substanzen zu verwenden.
HBV-INFEKTIONEN BLEIBEN ZU LANGE UNERKANNT
Hepatitis B? – am besten testen!, so lautet das Motto einer Initiative der Deutschen Leberstiftung und der Deutschen Leberhilfe e.V., die vom Unter- nehmen Bristol-Myers-Squibb unterstützt wird.
Dass Aufklärung über Hepatitis B wichtig ist, zeigen die Daten des Robert-Koch-Instituts: Demnach le- ben in Deutschland 400 000 bis 500 000 Men- schen, die chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infi- ziert sind. Diagnostiziert seien aber nur 25 Prozent und behandelt würden nur neun Prozent der chro- nisch Infizierten, berichtete Priv.-Doz. Dr. med. Heiner Wedemeyer (Hannover). Online ist die Aufklärungs- kampagne unter www.hepb.de einzusehen.
Wedemeyer wies darauf hin, dass in Deutsch- land etwa ein Viertel der Erwachsenen erhöhte Leberwerte aufweise und diese häufig auf zu viel
Alkohol oder Übergewicht zurückgeführt würden, ohne dass an eine Hepatitis B gedacht werde. Die Deutsche Leberstiftung hat deshalb einen Algo- rithmus für die Differenzialdiagnose und weitere Abklärung von pathologischen Leberwerten vor- geschlagen (www.deutsche-leberstiftung.de/
check-up-fuer-die-leber/GPT-Website-Algorith mus.pdf).
Diagnostiziert wird die Hepatitis B mit der Be- stimmung des HBsAG (Hepatitis-B-Surface-Anti- gen) und Anti-HBcAG (Antikörper gegen das He- patitis-B-Virus-Core-Antigen); für den Test gilt die Befreiungsziffer 32 006. Fehlt das HBsAG und be- steht trotzdem Verdacht auf eine akute Hepatitis- B-Infektion, sollten die HBV-DNA sowie das Anti- HBc-IgM untersucht werden. awa
Foto:
Gilead Sciences