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Universitätsprofessoren dabei vom Lehrkörper der Ludwig-Maximilians- Universität München zeigen lassen . . . Diese deutsch-vietnamesische Kooperation in Zentralvietnam orientiert sich in ihrer Ausrichtung an einem der Millenniumsziele der Weltgesundheitsorganisation („Millennium Development Goals 2015, WHO“): der Bekämpfung der Kindersterblichkeit. In Zentral- vietnam beträgt die Kindersterblich- keitsrate 1,4 Prozent versus 0,38 Pro- zent in Deutschland, die neonatale Mortalität sogar 9,4 Prozent versus 0,28 Prozent in Deutschland.
Literatur bei den Verfassern
PD Dr. Robert Dalla Pozza, Prof. Dr. med. Heinrich Netz,
Abteilung für Kinderkardiologie, Ludwig-Maximilians- Universität München, Campus Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München
ASD, VSD oder persistierendem Ductus arteriosus. Dazu wurden mehrere Trainingsaufenthalte deutscher Kollegen (v.a. Dr. Trong-Phi Le, UKE Hamburg) in Danang organi- siert und finanziert, aber auch Studienaufenthalte vietnamesischer Fachärzte in Deutschland. Derzeit werden an diesem Zentrum rund 600 Herzkatheteruntersuchungen pro Jahr durchgeführt. Ausgehend von dem großen Erfolg der deutsch- vietnamesischen Kooperation in der klinischen Versorgung vietnamesischer Kinder, hat die Universität Danang eine medizinische Fakultät gegründet, deren erster Studiengang 2008 be- gann. Als Ziel gilt, bis zum Jahr 2015 insgesamt 1 000 Medizinstudenten auszubilden. Moderne Unterrichts- methoden, wie beispielsweise problem- orientiertes Lernen, wollen sich die
VIETNAM
Die vietnamesische Regierung kümmert sich kaum um Men- schen mit Behinde- rungen (DÄ 9/2009:
„Die stillen Opfer von Agent Orange“
von Martina Merten).
Sehr mutig
Den oben genannten Beitrag finde ich sehr mutig . . . Ich denke, dass wir Ärzte solche „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ öffentlich dis- kutieren müssen. Es kann uns nicht gleich sein, dass die Verantwortlichen für solche Taten sich noch nicht mal bei über einer Million Menschen entschuldigt haben! Was für eine Ignoranz! Es werden weitere Tausende Menschen in Vietnam mit Behinde- rungen und Missbildungen zur Welt kommen. Jede andere Regierung wäre beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gelandet, warum nicht diese Verantwortlichen?
Dr. med. M. Rezai,Adenauerstraße 2, 59174 Kamen
Hilfe für Vietnam
Mit großem Interesse haben wir die Beiträge zu Vietnams Gesundheits- system gelesen. Ergänzend dazu sei auf ein humanitäres deutsches Groß- projekt an der Universität Danang (Zentralvietnam) hingewiesen. Seit 2005 entsteht im „General Hospital“
Danang durch eine Kooperation der Abteilung für Kinderkardiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und finanzieller Unter- stützung der Stiftung „Herz für Herz“
sowie Siemens Medical Solutions ein Zentrum für Kinder mit angebo- renen Herzfehlern. Inkubatoren für die neonatologische Intensivstation des Kinderkrankenhauses, Geräte zur Blutgasanalyse sowie zur Echokardiografie wie auch eine komplette Herzkatheteranlage wurden angeschafft. Ein wesentlicher Schwerpunkt zur nachhaltigen Wirkung dieser Unterstützung ist die Ausbildung von Kinderkardiologen vor Ort, speziell in der interventio- nellen Therapie von Herzfehlern wie
BEHINDERTE MENSCHEN
Experten und Betrof- fene suchen nach Lösungen für eine bedarfsgerechte Versorgung für Menschen mit Behin- derung (DÄ 8/2009:
„Zeit zum Hinhören, Hinschauen und Mitfühlen“ von Gisela Klinkhammer).
Werbung und Wirklichkeit
Meine Frau und ich sind als Ärzte tätig. Wir haben drei Kinder. Nach- dem wir mittels Pränataldiagnostik erfahren haben, dass unsere Tochter Betty Trisomie 21 hat, hat sich in unserem Leben etwas geändert: Wir sind sehr glücklich mit unserem dritten Kind. Die Umstände sind aber anders als bei unseren nicht behinder- ten Kindern, und wir haben Sorgen, wie es unserem Kind in Zukunft hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung ergehen wird. Nachdem die Kleine eine Herzoperation im Alter von sechs Monaten gut über- standen hat, sind doch zeitweise Krankenhausaufenthalte wegen Pneumonien o.ä. erforderlich. In Aussicht auf den zu erwartenden höheren medizinischen Behand- lungsbedarf, haben wir uns erlaubt,
eine private Zusatzversicherung für unser Kind zu beantragen. Diese wurde natürlich abgelehnt. Dies entlarvt den schönen Schein des Gesundheitswesens: Zusätzlichen Krankheitsschutz gibt es nur für Nichtbehinderte oder Gesunde! Öko- nomisch ist das sinnvoll. Ethisch ist es verwerflich. Wer über die gesetz- liche Versicherung hinaus mehr An- sprüche sichern möchte, braucht dies nur zu beantragen und mittels Ver- sicherungsaufschlag bezahlen . . . So suggeriert es die Werbung der PKV, und so vertritt es auch die Politik. Es ist nicht wahr. Ehrlicherweise müsste in den Hochglanzbroschüren der Krankenversicherungen stehen:
„Obwohl in der GKV Leistungskür- zungen zu befürchten sind, sollten Sie eine private Zusatzversicherung nur beantragen, wenn Sie nicht behindert sind und keine chronischen Krankheiten haben.“ Das hört sich natürlich nicht so gut an. Wir sehen in der Verweigerung von zusätzlichem Versicherungsschutz eine Diskrimi- nierung unserer behinderten Tochter . . . Wir meinen, dass behinderte Menschen dieselben Rechte haben sollten wie andere Menschen auch.
Im Bereich des Gesundheitswesens und der Gesundheitsfinanzierung trifft das nicht zu. Wie andere Eltern behinderter Kinder auch, schöpfen
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In der Zweigsprechstunde in Bethel werden zusätzlich zu den oben genannten Patienten circa 400 bis 450 Patienten pro Quartal untersucht und behandelt, diese gehören überwiegend dem Kreis der schwer- und mehr- fachbehinderten Menschen an. Hier wurden nach gleichen Kriterien über 21 Prozent manifeste Osteoporosen diagnostiziert. Es handelt sich also um Zahlenangaben, die speziell unser Klientel betreffen, ein Rück- schluss auf die Verteilung in der Bevölkerung ist nicht möglich. Ich werde in dem Artikel mit dem Satz zitiert: „Ich habe hier Fälle gesehen, die ich vorher überhaupt nicht gekannt hatte.“ Dazu möchte ich anmerken: Im Klientel der Schwerst- und Mehrfachbehinderten gibt es seltene Syndrome, ungewöhnlich starke Ausprägungen von Erkrankun- gen und immer noch Krankheitsbilder, die sich bis heute keiner bekannten Bezeichnung zuordnen lassen. Da ich seit 14 Jahren regelmäßig eine große Anzahl dieser Patienten betreue und medizinisch versorge, möchte ich an dieser Stelle noch ein- mal betonen, dass der erhebliche Mehraufwand bezüglich der Anamnese (bei z. B. schwer kommunikations- gestörten Patienten), der Unter- suchung (z. B. bei ängstlichen, psychisch erkrankten oder erheblich in der Mobilität eingeschränkten Patienten) und letztlich auch in der Durchführung der Therapie (mangeln- de Einsichtsfähigkeit) von Gebühren- reform zu Gebührenreform weniger berücksichtigt wurde, beziehungs- weise im Leistungskatalog immer mehr verloren gegangen ist. Fremd- anamnesen, Behandlung kommuni- kationsgestörter Patienten etc. sind in immer niedrigeren Pauschalen eingeschmolzen worden. Die Tätigkeit für diese Patienten kann in dem bestehenden EBM in keiner Weise auch nur annähernd darge- stellt/abgebildet werden. Hier muss dringend eine Korrektur erarbeitet werden. Man kann nur hoffen, dass die momentane Sensibilisierung für die Problematik der Behinderten vor aufwandsgerechter medizinischer Versorgung und Entlohnung nicht haltmacht.
Michael Markworth,Facharzt für Orthopädie, Kurt-Schumacher-Straße 17, 33615 Bielefeld
Ärzten besondere Kenntnisse, zeit- raubende und schwierige Untersu- chungen sowie einen geduldigen und einfühlsamen Umgang mit diesen Menschen. Darauf sind die meisten Ärztinnen und Ärzte nicht vorbereitet und werden zudem für ihren besonderen und häufigen Einsatz, wie in dem Beitrag deutlich dargestellt wurde, nicht entsprechend vergütet. Die gesundheitliche Ver- sorgung ist, wie der Präsident der BÄK, Professor Hoppe, richtig sagte, unzulänglich. Die Bundes- arbeitsgemeinschaft hat deshalb zur besseren Qualifizierung der Ärzte eine gebietsübergreifende Zusatz- weiterbildung gestartet. Sie setzt sich außerdem mit Professor Seidel von der Geschäftsführung des Stif- tungsbereichs Behindertenhilfe in Bethel für eine adäquate Vergütung und bessere personelle Ausstattung des ärztlich-medizinischen Dienstes ein. Außerdem ist die derzeitige sozialpolitische Entwicklung hin- sichtlich der Reduktion und auch Streichung des integrierten ärztlichen Dienstes in Einrichtungen der Be- hindertenhilfe zu kritisieren. Gerade die sogenannten Heimärzte haben bisher den Kontakt zu den externen Fachärzten und Kliniken hergestellt und diese auf die Besonderheiten geistig behinderter Menschen
„eingestimmt“ . . .
Dr. med. Horst Isermann,Leipziger Straße 52 a, 27356 Rotenburg/Wümme
Mehraufwand wird nicht vergütet
. . . Es gibt zahlreiche Schätzungen über die Häufigkeit der manifesten Osteoporose in Deutschland, sie schwanken jedoch nicht unerheblich (z. B. vier bis acht Prozent laut Orthodoc-online.de). Die im Artikel genannten Zahlen stammen aus dem Klientel unserer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Anästhesiologie in Bielefeld.
Hier können wir konkret sagen, dass von den Patienten, die unsere Praxis aufsuchen, circa sieben Prozent eine manifeste Osteoporose nach den momentan geltenden Kriterien des DVO (Dachverband deutschsprachiger wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie e.V.) aufweisen.
wir aus der Bereitschaft von Ärzten und Pflegepersonal, aus eigenem Antrieb unentgeltlich Mehraufwand zu leisten. Wir sind dafür sehr dank- bar. Die Position von Bittstellern und Almosenempfängern ist aber für behinderte Menschen nicht mehr zeitgemäß und problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Im Berufs- alltag ist aus Sicht unserer ärztlichen Tätigkeit das Problem ebenso offensichtlich: Die allgemeine Krankenhauslogistik und Personal- struktur ist mit der stationären Behandlung von behinderten Menschen überfordert. Wir danken der BÄK für die Thematisierung des Problems und hoffen auf Änderungen im Sinne von Gleichbehandlung behinderter Menschen auch im Gesundheitswesen.
Stephan Eisfeld,Ockershäuser Allee 30, 35037 Marburg
Engagement schon in den Achtzigerjahren
. . . Bereits in der Mitte der Achtziger- jahre des letzten Jahrhunderts haben sich in Süd- und Norddeutschland Ärztinnen und Ärzte aus vorwiegend diakonischen Einrichtungen der Behindertenhilfe (sogenannte Heim- ärzte) zu Landesarbeitsgemeinschaften und im Jahr 2001 zur „Bundes- arbeitsgemeinschaft Ärzte für Men- schen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung e.V.“ zusammen- geschlossen, um sich für eine Ver- besserung der gesundheitlichen Versorgung dieser Menschen einzu- setzen. Auch wenn die geistige Behinderung für sich keine Krankheit, sondern eine Lebensform ist, so geht sie, besonders wenn sie mittelgradig oder schwer ausgeprägt ist, doch häufig mit zum Teil erheblichen gesundheitlichen Störungen (z. B.
psychische Störungen, orthopädische Leiden, Epilepsie, Infektionen, Zahnerkrankungen) einher, die diagnostisch oft schwer zu erkennen sind. Da auch Behinderte heute deutlich älter werden und sich die Qualität der medizinischen Versorgung erheblich verbessert hat, nehmen entsprechend Häufigkeit und Schwere der Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung zu.
Das erfordert von den behandelnden