A 820 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 17|
30. April 2010 Richard Wilkinson, renommierterbritischer Epidemiologe, hat viele Jahre zu sozialen Determinanten von Gesundheit geforscht. Er und die Koautorin suchten anhand offi- zieller Statistiken von Weltbank, UN und den USA nach Korrelatio- nen zwischen Mustern der Einkom- mensverteilung und dem Ausmaß sozialer und gesundheitlicher Pro- bleme in den entwickelten Indus- trieländern. Ihre Ergebnisse weisen nach, dass einkommensgleiche Ge- sellschaften, wie die skandinavi- schen Länder, Kanada und Japan, deutlich besser abschneiden als Länder mit stark ungleicher Ein- kommensverteilung, wie die USA, Portugal und Großbritannien. Dies betrifft körperliche und seelische Gesundheit, Schulbildung, Kindes- wohl, das Maß an Vertrauen, sozia- le Integration und soziale Mobilität.
In einkommensgleichen Ländern gibt es zum Beispiel weniger De- pressionen und Ängste, Fettsucht, Teenager-Schwangerschaften, Dro- genabhängigkeit, Inhaftierte und Gewalt, und die Lebenserwartung ist höher.Mehr Einkommensgleich- SOZIALE EPIDEMIOLOGIE
Auswirkungen von Ungleichheit
heit ist zusammen mit Bildung – beides hängt eng zusammen – der Prädiktor für gesundheitliches und soziales Wohlergehen.
Diese Ergebnisse sind unabhän- gig davon, wie Gleichheit herge- stellt wird – ob über sekundäre Um- verteilung, wie in den skandinavi- schen Ländern, oder primär über geringere Einkommensunterschie- de, wie zum Beispiel in Japan –, und sie sind weitgehend unabhän- gig von kulturellen Einflüs- sen. Größere Gleichheit wirkt sich selbst für diejenigen am oberen En-
de der Einkommensskala positiv aus. Ein weiteres Ergebnis: Entwi- ckelte Länder mit hohem Durch- schnittseinkommen schneiden hin- sichtlich der genannten Parameter nicht grundsätzlich besser ab als solche mit niedrigem; das heißt, größerer materieller Reichtum und Wachstum führen nicht mehr zwangsläufig zu besserem Wohler- gehen. Viel entscheidender ist das Maß der Einkommens(un)gleich- heit. Große Ungleichheit wirkt, so die gut begründeten Überlegungen der Autoren zur Kausalität der fest- gestellten Zusammenhänge, indi- rekt über Faktoren wie höherer Stress, Unsicherheit, Zukunftsver- lust und Resignation, (Status-)Kon- kurrenz, Wettbewerbsdruck, Konsu- mismus (als Statusmarker) und feh- lender sozialer Zusammenhalt. Dies sind alles Faktoren, die ungleiche Länder weitaus stärker bestimmen.
Auswirkungen der Ungleichheit lie- ßen sich demnach durch Umvertei- lung und Anhebung der Durch- schnittseinkommen beseitigen; so würden die hohen Kosten der durch Armut erzeugten sozialen und ge- sundheitlichen Probleme vermieden.
Eigentlich sind diese Ergebnisse für Sozialmediziner nicht neu. Sie entsprechen ebenso dem gesunden Menschenverstand. Neu ist jedoch die breite empirische Evidenz auf der Basis umfassender Analyse um- fangreicher, vorher nicht so zu- gänglicher Daten, auf die sich die Ergebnisse stützen. Ungleichheit zersetzt die Gesellschaft und deren soziale Matrix, so lässt sich die zen- trale Aussage des Buchs zusam- menfassen. Die bemängelte statisti- sche Analyse wurde in der Paper- backausgabe 2010 inzwischen nachgeliefert. Jede seriöse Debatte über den Weg zu einer sozial und gesundheitlich bekömmlicheren Gesellschaft wird diese Ergebnisse berücksichtigen müssen. Das Buch ist in Großbritannien auf überwie- gend positive Resonanz in der Pres- se gestoßen. Das Magazin „New Statesman“ hat es als eines der zehn wichtigsten Bücher der Dekade be- zeichnet. Wesentliche Ergebnisse, Grunddaten und Methodik sind im Internet unter www.equalitytrust.
org.uk abrufbar. Dieter Lehmkuhl Richard Wilkinson, Kate Pickett: The Spirit
Level. Why Equality is Better for Everyone.
2. Auflage. Penguin Books, London 2010, 347 Seiten, 9,99 Britische Pfund
Medizin/Naturwissenschaft
Eugen Judin (Hrsg.): Unifiziertes Vertebrologisch- Schmerztherapeutisches Konzept. Konzept für eine Schmerztherapie wirbelsäulenbedingter und damit assoziier- ter Krankheitsbilder nach einer originalen Methodik von Eugen Judin. UNI-MED Science. UNI-MED Verlag, Bremen 2009, 144 Seiten, Hardcover, 39,80 Euro
Hartwig-Richard Nürnberger, Frank-Michael Hasse, Axel Pommer (Hrsg.): Klinikleitfaden Chirurgie. Mit Zugang zum Elsevier-Portal. 5. Auflage. Urban & Fischer, Elsevier GmbH, München 2010, 828 Seiten, Kunststoff - einband, 49,95 Euro
Bernd Hamm, Gabriel Paul Krestin, Michael Laniado, Volkmar Nicols, Matthias Taupitz (Hrsg.): MRT von Abdo- men und Becken. 2. Auflage. Kartonierte Sonderausgabe.
Thieme, Stuttgart, New York 2010, 401 Seiten, kartoniert, 89,95 Euro
Friedemann Schmid: Stabilität und Prädiktion von Be- handlungsergebnissen stationärer psychosomatischer Rehabilitation. Angewandte Verhaltensmedizin in For- schung und Praxis. Pabst Science Publishers, Lengerich u. a.
2009, 412 Seiten, kartoniert, 30 Euro
Mario Prosiegel, Susanne Weber: Dysphagie: Diagnostik und Therapie. Ein Wegweiser für kompetentes Handeln.
Springer, Berlin, Heidelberg 2010, 240 Seiten, kartoniert, 32,95 Euro
Siamak Pourhassan, Wilhelm Sandmann (Hrsg.): Gefäß- erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Springer, Berlin, Heidelberg 2010, 278 Seiten, kartoniert, 49,95 Euro Dieter Köhler, Bernd Schönhofer, Thomas Voshaar:
Pneumologie. Ein Leitfaden für rationales Handeln in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart, New York 2010, 358 Seiten, gebunden, 129,95 Euro
Albert Benzing, Torsten Loop (Hrsg.): Anästhesie 65 plus. Patientensicherheit erhöhen – perioperative Kompli - kationen verringern. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2009, 326 Seiten, kartoniert, 49,95 Euro
Thomas Schnura: Diagnose und Punktauswahl nach TCM. 4. Auflage. Urban & Fischer, Elsevier GmbH, München 2009, 227 Seiten, gebunden, 39,95 Euro
Sabine Trautmann-Voigt, Bernd Voigt: Grammatik der Körpersprache. Körpersignale in Psychotherapie und Coaching entschlüsseln und nutzen. Schattauer, Stuttgart, New York 2009, 332 Seiten, gebunden, 45 Euro