Die Computertechnik ver- dankt ihre großen Fortschritte der letzten Jahre kleinen Sili- ziumplättchen. Auf ihrer Oberfläche scheint der Minia- turisierung von elektroni- schen Schaltkreisen kaum Grenzen gesetzt zu sein. Ein Mikrochip von der Größe ei- nes Daumennagels trägt Mil- lionen von mikroskopisch kleinen Bauteilen, die die enormen Rechen- und Spei- cherleistungen der gegenwär- tigen Computergeneration er- bringen. Ein Biotechnologie- Unternehmen in Kalifornien kombinierte Techniken aus
der Mikrochipherstellung mit molekularbiologischen Test- methoden. Heraus kam dabei der GeneChip, mit dem sich die als Desoxyribonuklein- säure (DNA) gespeicherte Erbinformation auf klein- stem Raum schnell und effek- tiv handhaben läßt. For- schungseinrichtungen in den USA testen jetzt ein Gene- Chip-System für die Untersu- chung von HIV-Genen. Die Wissenschaftler erwarten, daß sich damit die Entwick- lung von Medikamenten für die HIV-Therapie beschleu- nigt.
Ein Mikrochip, der che- misch gebundene DNA-Pro- ben trägt, bildet das Herz- stück dieses DNA-Analyse- systems. Die Kunst bei der Herstellung des GeneChips liegt darin, mit möglichst we- nigen chemischen Reaktions- schritten eine große Zahl ver- schiedener Sequenzen auf der Siliziumoberfläche zu- sammenzusetzen. Der Chip, nicht größer als eine Brief- marke, bietet Platz für rund 20 000 verschiedene DNA- Fragmente. Im ersten Schritt erhält der Chip eine Be- schichtung aus künstlichen DNA-Bausteinen. Diese Nu- kleotide tragen eine photola- bile Schutzgruppe, die weite- re chemische Reaktionen zunächst verhindert. Durch photolithografische Masken, die bei der Mikrochipherstel- lung üblich sind, wird der Chip nach einem bestimmten Schachbrettmuster beleuch- tet.
An diesen Stellen verlie- ren die DNA-Bausteine ihre Schutzgruppe, so daß hier ein neuer Buchstabe aus dem ge- netischen Alphabet ankop- peln kann. Die nächste Be- lichtung trifft andere Quadra- te auf dem Mikroschachbrett und aktiviert sie für die Bin- dung weiterer Nukleotide.
Mit der richtigen Kombinati- on der Lithografiemasken er- hält jedes Quadrat nach weni- gen Zyklen ein kurzes DNA- Fragment mit einer definier- ten Buchstabensequenz. Mit dieser Form von kombinato- rischer Chemie lassen sich die Einwegchips an die Anforde- rungen der jeweiligen DNA- Analyse anpassen.
Die Testreaktionen mit der zu untersuchenden DNA- Probe steuert ein automati- sches Analysegerät, in das der GeneChip einfach hinein- gesteckt wird. Die Auswer- tung übernimmt ein Laser- scanner, der die 20 000 Probe- reaktionen auf dem Chip in 15 Minuten auslesen kann.
Um die große Vielfalt des natürlichen Datenspeichers DNA zu bewältigen, kommt der Beschleunigung von Ana- lyseverfahren immer größere Bedeutung zu.
Das Human Genome Pro- ject will die humane Gense- quenz innerhalb des nächsten Jahrzehntes entschlüsselt ha- ben. Die Kenntnis der Gen- struktur ist eine wichtige In- formationsbasis bei der Su- che nach den Ursachen für Erbkrankheiten, aber auch bei Krebs- oder Viruserkran- kungen. Hier kann der Gene- Chip Fortschritte für die mo- lekulare Medizin bringen, vor allem durch vergleichende DNA-Analyse. Noch hat der GeneChip einige Hürden vor sich, bevor er in die breite Anwendung gehen kann. Die Zuverlässigkeit bei der Er- kennung der verschiedensten DNA-Sequenzen muß gesi- chert sein.
Erste Tests
Den ersten Test außerhalb des Entwicklungslabors hat das GeneChip-System nun bei der Untersuchung von HIV-Resistenzen zu beste- hen. Die meisten antiviralen Medikamente, die zur Zeit für eine HIV-Therapie in Frage kommen, richten sich gegen Proteine, die die Viren für ih- re Vermehrung produzieren.
Auf die beiden Virusproteine Reverse Transkriptase (RT) und Protease (PRO) zielen viele neu entwickelte Wirk- stoffe. Doch die Viren bilden immer wieder Resistenzen aus. Der Grund dafür: das Erbgut der Viren, und damit auch die Genprodukte RT und PRO, verändert sich so rasch, daß sie jedesmal dem Angriff der verschiedenen Wirkstoffe entkommen. „Um den Zusammenhang zwi- schen HIV-Therapie und den dabei auftretenden Virusresi- stenzen verstehen zu können, benötigen wir DNA-Analy- sen vieler HIV-Proben“, er- klärt Thane Kreiner, Project Manager des GeneChip-Her- stellers. „Das GeneChip-Sy- stem findet Mutationen der RT- und PRO-Gene in kürze- ster Zeit. Mit den Daten wird es hoffentlich gelingen, The- rapien besser an die Bedürf- nisse der HIV-Patienten an- zupassen.“ Dr. Lisa Kempe A-2960 (70) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 45, 8. November 1996
V A R I A TECHNIK FÜR DEN ARZT