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Archiv "Kontinente Harnableitung - Mainz Pouch 1 und II" (17.09.1993)

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Kontinente Harnableitung Mainz Pouch 1 und II

Robert Wammack Margit Fisch

und Rudolf Hohenfellner

D

ie klassische Indikation zur radikalen Zystektomie und Harnableitung in der Urolo- gie ist das muskelinfiltrieren- de Blasenkarzinom. Aufgrund der in randomisierten Studien gewonnenen Erfahrungen hat die Zahl der Harn- ableitungen in den letzten Jahren drastisch zugenommen.

Durch frühzeitige Entfernung der Harnblase direkt nach Diagnose- stellung eines infiltrierenden Blasen- karzinoms konnte die Prognose deut- lich verbessert werden im Vergleich zu einer Entfernung des Tumors erst nach mehrfachen transurethralen Eingriffen (9). Beim fortgeschritte- nen Blasenkarzinom konnte durch eine Kombination von Radikalopera- tion und adjuvanter Chemotherapie gleichfalls das Überleben verlängert werden (11). Erfolgversprechend ist auch die Kombinationstherapie aus radikaler Chirurgie und Bestrahlung bei fortgeschrittenen gynäkologi- schen Tumoren oder Tumorrezidi- ven, Voraussetzungen, bei denen frü- her höchstens ein Palliativeingriff durchgeführt worden wäre (6).

All diese Faktoren sind für die steigende Zahl an Zystektomien und Exenterationen und damit auch an Harnableitungen verantwortlich. Da- neben erfordern Unfälle, Entzün- dungsprozesse der Harnblase (Tu- berkulose, Bilharziose, Interstitielle Zystitis), neurogene Störungen, so- wie kongenitale Mißbildungen (Me- ningomyelozele, Blasenexstrophie) nicht selten einen funktionellen Bla- senersatz.

Welche Ansprüche sind an eine ideale „künstliche Blase" zu stellen?

Ein internes Reservoir sollte die Speicherung von Urin unter niedri- gem Druck zum Schutze des oberen Harntraktes erlauben. Die Entlee-

Zur Erweiterung und zum Ersatz der Harnblase nach vorderer Exenterati- on, Unfall oder kongenitalen Mißbil- dungen wurde innerhalb der letzten zehn Jahre ein Operationsverfahren entwickelt, welches auch die Um- wandlung bereits bestehender inkon- tinenter Formen der Harnableitung in kontinente erlaubt. Ist das Risiko einer Inkontinenz bei Anschluß an die Harnröhre im Einzelfall zu hoch, liefert das „unsichtbare" Nabelstoma ausgezeichnete kosmetische Ergeb- nisse. Für Patienten mit intaktem analem Schließmuskel bietet sich im Sigma-Rektum-Pouch (Mainz Pouch II) eine alternative Lösung an.

rung sollte in angemessenen Zeiträu- men erfolgen, ein unwillkürlicher Urinabgang sollte nicht auftreten.

Zudem sollte das kosmetische Ergeb- nis befriedigen. Nicht nur für den Ju- gendlichen oder jungen Erwachsenen ist das unversehrte „body image"

wichtig. Auch der Tumorpatient möchte sich nicht einer verstümmeln- den Operation unterziehen. Beutel oder sichtbare künstliche Ausgänge werden heutzutage von kaum einem Patienten akzeptiert.

Formen der kontinenten Harnableitung

Ein Kapazitätsverlust der Harn- blase ist nicht nur mit den bekannten Symptomen von häufigem, schmerz- haftem sowie nächtlichem Harn-

drang belastet. Je kleiner die Kapazi- tät, desto größer ist auch die Wahr- scheinlichkeit des unwillkürlichen Harnabgangs, des Refluxes in die oberen Harnwege und damit des Ri- sikos einer aszendierenden Infektion mit konsekutiver Pyelonephritis. Die Kapazitätserweiterung (Blasenaug- mentation) durch ausgeschaltete Darmsegmente verfolgt somit drei Ziele:

1. Senkung des intravesikalen Drucks

2. Schutz der oberen Harnwege 3. Verbesserung der Harnkonti- nenz

Erfolgt aus Gründen der Radi- kalität bei Vorliegen eines Karzi- noms die vollständige Entfernung der Harnblase, so kann durch ausge- schaltete und sphärisch rekonfigu- rierte Darmsegmente ein Harnbla- senersatz gebildet werden, der dann mit der verbleibenden Harnröhre verbunden wird (Blasensubstitution).

Bei Frauen kann jedoch eine Blasen- substitution aufgrund der Kürze des verbleibenden Harnröhrenstumpfes nicht zur Anwendung kommen.

Wird das Reservoir nicht an die Harnröhre angeschlossen, sondern unter Verwendung der Appendix veriformis oder eines invaginierten Dünndarmsegmentes als Kontinenz- mechanismus an den Nabeltrichter angeschlossen, bezeichnet man das Verfahren als kontinente Harnablei- tung. Die Verwendung des Nabels als

„unsichtbares Stoma" führt zu her- vorragenden kosmetischen Ergebnis- sen, die selbst den Ansprüchen jun- ger Patientinnen mit ausgeprägtem

„body image" gerecht werden (Abbil-

Urologische Klinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. R. Hohenfellner) der Johan- nes Gutenberg-Universität Mainz A1-2376 (28) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 37, 17. September 1993

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dung 1). So hat die kontinente Harn- ableitung schon seit langem den An- schein einer „verstümmelnden" Ope- ration verloren.

Differentialindikation

Limitierender Faktor für alle Formen der kontinenten Harnablei- tung ist die Nierenfunktion. Bei ei- nem Serum-Kreatininwert von 1,5 mg/dl ist die Grenze der renalen Kompensationsfähigkeit meist er- reicht. Dies unterstreicht zugleich die Bedeutung einer rechtzeitigen Harn- ableitung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, bevor Harnrück- stau und rezidivierende hochfieber- hafte Harnwegsinfekte einen irrever- siblen Funktionsverlust der Nieren verursacht haben. Mißglückte Auf- bauplastiken bei Blasenekstrophie und Patienten mit Meningomyelozele sind besonders betroffen.

Abbildung 1: Das „unsichtbare" Nabelstoma der kontinenten Mainz Pouch Harnableitung wird auch dem „body image" junger Patientinnen gerecht.

Verfahren bei Frauen aufgrund von anatomischen Verhältnissen nicht anwendbar ist, sollte die Blasensub- stitution aus mehreren Gründen nur in besonders ausgewählten Fällen zur Anwendung kommen. Beim multifo- kalen Blasenkarzinom, Karzinoma in situ oder organüberschreitenden Tu- moren ist der Blasenersatz wegen des hohen Risikos eines Lokal- oder Harnröhrenrezidivs (9,2 Prozent), wie in großen retrospektiven Studien gezeigt werden konnte (10), kontra- indiziert. Die Prognose derartiger Lokal- oder Urethralrezidive ist na- hezu infaust. Dies erklärt den Trend, in Analogie zur „frühzeitigen" Zyst- ektomie eine Harnröhrenentfernung in gleicher Sitzung durchzuführen (primäre Urethrektomie).

Abbildung 2: Mainz Pouch I-Technik: 12 cm Colon ascendens und zwei 12 cm lange Ileumschlingen werden ausgeschaltet, antimesenterial eröffnet und durch Seit-zu-Seit-Anastomose eine Pouch- platte gebildet.

Das intermediäre Kolon-Con- duit, die Harnableitung über ein aus- geschaltetes Sigma-Segment mit nas- sem Stoma, bildet hier eine akzep- table Zwischenlösung. Als „Null- Druck-System" kann es später nach Konsolidierung der Nierenfunktion und Rückbildung der Harnstauung in eine kontinente Harnableitung (Mainz-Pouch I oder II) umgewan- delt werden.

Für die Frage, welches Harnab- leitungsverfahren für welche Patien-

ten am besten geeignet ist, sollte die beratende Institution einerseits über alle technischen, urodynamischen und rektodynamischen (13) Einrich- tungen verfügen, andererseits ein breites operatives Erfahrungsspek- trum aufweisen.

Entsprechend der geringen Inzi- denz der entzündlichen Prozesse, die zu einer Schrumpfblase führen (Tu- berkulose, Bilharziose), ist die Blasen- augmentation in Europa allerdings- selten.

Auf den ersten Blick mag die Harnblasenneubildung mit Anschluß an die Harnröhre (Blasensubstituti- on) den Idealvorstellungen einer

„künstlichen Blase" am nächsten kommen Abgesehen davon, daß das

Abbildung 3: Mainz Pouch I-Technik zum Blasen- ersatz: Anschluß an die Harnröhre.

Ein weiteres Problem der Bla- sensubstitution ist die bis zu fünfzig- prozentige Inkontinenzrate bei den über siebzigjährigen Patienten (14).

Hautmann berichtet, daß in seiner Serie von 215 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 60,3 Jahren gleichfalls nur 78 Prozent al- ler Patienten Tag und Nacht konti- nent waren (5). Erheben Psycholo- gen und nicht Chirurgen die Ana- mnese, so zeigt sich, daß die wahre Inkontinenzrate nach Blasensubsti-

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tution noch höher liegt. Bei einer Be- fragung von 30 Patienten nach Blasenersatz (fünf Jahre postopera- tiv) durch eine Psychologin berichte- ten nur 55 Prozent der Patienten, kontinent zu sein (1). 33 Prozent al- ler Patienten mit einer Ileum-Neo- blase trugen nachts ein Kondomuri- nal. Darüber hinaus täuschen Bewer- tungen wie „soziale Kontinenz" oder

„trocken über zwei Stunden" über die tatsächliche Situation hinweg.

Zusammenfassend dämpfen die psy- chischen und sozialen Folgen einer Inkontinenz den Enthusiasmus des Blasenersatzes und begrenzen die In- dikation zur „idealen künstlichen Blase" mit urethralem Anschluß.

Kontinente Harnreservoire, ins- besondere bei noch vorhandener Ap- pendix, haben hier neue Maßstäbe gesetzt. Großkapazitäre Nieder- druckreservoire, die in bequemen In- tervallen (drei- bis viermal tagsüber, einmal nachts) über ein „unsichtba- res" Nabelstoma entleert werden, ga- rantieren nahezu hundertprozentige Kontinenz.

Im Jahre 1981 entwickelten wir zur Blasenaugmentation, -substituti- on und zur kontinenten Harnablei-

Operative Technik - Mainz Pouch 1

Zur Blasenaugmentation sowie zum Blasenersatz, wie erwähnt mit strenger Indikationsstellung, werden

Abbildung 4: Mainz Pouch I-Technik zur kon- tinenten Harnableitung:

Appendix als Kontinenz- mechanismus mit „un- sichtbarem" Nabelstoma.

tung die Mainz Pouch-Technik (12).

Zehn Jahre später wurde dieses Ver- fahren durch den Mainz Pouch II (Sig- ma-Rektum Pouch) ergänzt (2, 3).

zehn bis 12 cm Zökum sowie die bei- den letzten Ileumschlingen der glei- chen Länge aus dem Darmverband ausgeschaltet und die Darmkontinui- tät durch eine Ileoascendostomie wiederhergestellt. Nach antimesente-

rialer Längseröffnung des ausge- schalteten Darmes entsteht durch Seit-zu-Seit-Anastomose eine Pouch- platte (Abbildung 2). Die Harnleiter- implantation erfolgt mittels submu- kösem Tunnel als Refluxschutz. Im Rahmen der Blasenaugmentation wird die Pouchplatte mit dem bis auf den Blasenhals resezierten Blasen- rest anastomosiert. Durch spärische Konfiguration der Pouchplatte ent- steht die Ersatzblase. Zur Anastomo- se an die Harnröhre wird der tiefste Punkt des Zökalpols inzidiert (Abbil- dung 3).

Zur kontinenten Harnableitung benötigt man ein zusätzliches Ileum- stück von 8 bis 12 cm Länge zur Bil- dung des Kontinenzmechanismus.

Bei der Eröffnung des Darmes wird die Ileozökalklappe intakt gelassen.

Das Mesenterium des zusätzlichen Ileumstückes wird von Fett und der Serose befreit und der Darm invagi- niert. Zwei Staplerreihen bei drei und fünf Uhr sichern die Invaginati- on. Der so gebildete Ileumnippel wird durch die Ileozökalklappe gezo- gen und mit einer weiteren Stapler- Abbildung 5: Mainz Pouch II-Technik: Eröffnung des Rektosigmoids und Seit-zu-Seit Anastomose.

Antirefluxive Harnleitereinpflanzung.

A1 -2380 (32) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 37, 17. September 1993

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Ileus 6

exitus letalis (n = 2) 3 Lungenembolie

operative Revision 2 Platzbauch

Darmfistel konservativ 2

1 neuer Ileum-Nippel

Nippelnekrose

Appendixnekrose Ileum-Nippel 2

endoskopische Zertrümmerung

31 Steinbildung

endoskopische Schlitzung 36 Stomastenose

operative Revision 4 Nippelgleiten

Relaparatomie (n = 5)

Tabelle 1: Komplikationen des Mainz-Pouch 1-Verfahrens zur Blasenaugmentation, -substitution und kontinenten Harnableitung zwischen 1983-3/92: n = 314

Frühkomplikationen Behandlung n

Pouchtamponade endoskopische Ausräumung

2

Spontane Pouchruptur operative Revision 1

19/371 (5,1%)

Spätkomplikationen Behandlung n

Harnleiterstenose Neueinpflanzung 20

Nephrektomie 5

Relaparatomie (n = 3)

Ileus 4

Pouchperforation operative Revision 3

Schleimtamponade endoskopische Ausräumung

3

Appendixstomaabriß Ileumnippel 2

Weiterbestehende Inkontinenz nach Blasenhalsplastik bei Blasenekstrophie

Konversion: Augmentation in kontinente Ableitung

2

110/371 (29,6%)

Tabelle 2: Kontraindikationen des Sigma-Rektum-Pouches (Mainz Pouch II) Bestrahlung

Divertikulose/-itis Polypen

anorektale Inkontinenz (Rektodynamik [13]) reihe antimesenterial fixiert. Alter-

nativ zum Ileumnippel kann bei noch vorhandener, nicht obliterierter Ap- pendix diese als Kontinenzmechanis- mus benutzt werden (Abbildung 4).

Die Kontinenz wird durch eine sub- muköse Einbettung der Appendix im Zökalpol erreicht.

Operative Technik - Mainz Pouch II

(Sigma-Rektum Pouch) Vom rektosigmoidalen Über- gang ausgehend werden Sigma und Rektum über eine Länge von zwei- mal zehn bis 12 cm antimesenterial eröffnet, ohne die Darmkontinuität zu unterbrechen. Die medialen Rän- der werden fortlaufend miteinander anastomosiert (Abbildung 5). Die Ure- terimplantation erfolgt jeweils seit- lich der medialen Naht mittels sub- mukösem Tunnel (Abbildung 6). Der oberste Punkt der medialen Naht dient als Fixationspunkt des Pouches am Promontorium, ohne das Mesen- terium und damit die Gefäßversor- gung zu beeinträchtigen, verhindert die Mobilität des Pouches und si- chert einen geraden Harnleiterver- lauf nach durchgeführter antirefluxi- ver Implantation.

Ergebnisse

Mainz Pouch I

Seit 1983 wurden an unserer Kli- nik bei 371 Patienten ein Mainz Pouch I angelegt. 56 Patienten er- hielten eine Blasenaugmentation, 31 Patienten eine Blasensubstitution und 284 eine kontinente Harnablei- tung. 73 Patienten waren Kinder, der jüngste mit neurogener Blase war zwei Jahre alt.

Bezüglich der Mortalitätsrate und dem Auftreten von Frühkompli- kationen (5,1 Prozent) (Tabelle 1) ist der Mainz Pouch I vergleichbar mit einfachen Formen der Harnablei- tung, wie dem Ileumkonduit. Insge- samt traten zwar in 29,6 Prozent Spätkomplikationen auf (Tabelle 1), diese ließen sich jedoch in den mei- sten Fällen technisch einfach und oh- ne Narkose beheben. Steine, die sich

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Abbildung 6: Mainz Pouch II Technik: Verschlossener Pouch.

um Klammern oder nicht resorbier- bare Nähte gebildet haben, können endoskopisch ohne Anästhesie zer- trümmert und entfernt werden. Die Stomastenosen ließen sich gleichfalls in den meisten Fällen problemlos durch zirkuläre Inzision der Haut im Stomabereich unter Lokalanästhesie beheben.

Etwa 30 Prozent aller Patienten bedürfen innerhalb der ersten sechs Monate einer Therapie mit Uralyt-U ®.

Auch nach zehnjähriger Beobach- tungszeit wurden bislang keine weite- ren metabolischen Störungen beob- achtet. Aber weitere Kontrollen, ins- besondere der Vitamine sind erfor- derlich, wobei dem späten B 12-Mangel eine besondere Bedeutung zukommt.

Mainz Pouch II

Seit November 1990 erhielten 67 Patienten, darunter neun Kinder, ei- nen Sigma-Rektum Pouch (Mainz Pouch II). Während der einunddrei- ßigmonatigen Nachbeobachtungszeit beobachteten wir zwei Früh- und zwei Spätkomplikationen. 66 der 67 Patienten sind komplett kontinent.

Eine achtundsechzigjährige Patientin berichtet über eine geringe nächtli- che Inkontinenz.

Diskussion

Als älteste Form der kontinen- ten Harnableitung geriet die Harnlei- terdarmimplantation (Ureterosig-

moidostomie) trotz guter Kontinenz- ergebnisse in Mißkredit. Gründe wa- ren falsche Indikation sowie eine hohe Komplikationsrate mangels an- tibiotischer und antiazidotischer Therapiemöglichkeiten. Unter Be- achtung der aufgelisteten Kontrain- dikationen (Tabelle 2), kann durch einfache Seit-zu-Seit-Anastomose des eröffneten Rektosigmoids ein Niederdruckreservoir konstruiert werden (Mainz Pouch II) (2, 3). Die- ses schützt bei entsprechender Harn- leiterimplantationstechnik suffizient vor einer aszendierenden Infektion und verbessert zugleich die Konti- nenz.

Wie bereits diskutiert, ist die Blasensubstitution — der Ersatz der Harnblase durch einen Pouch mit Anschluß an die Harnröhre — nicht unproblematisch. Mit zunehmender Erfahrung wird vor dem Hintergrund schlechter Kontinenzergebnisse welt- weit die Indikation zu diesem Ver- fahren strenger gestellt. Eine Ver- größerung der Kapazität verbessert zwar die Kontinenz, zugleich steigt aber auch das Risiko, die Ersatzblase nicht mehr ausreichend mittels Bauchpresse entleeren zu können.

Dies macht einen Selbstkatheteris- mus notwendig, der auf Dauer für den männlichen Patienten problema- tisch ist. Neben der Kontinenzrate bleibt die Frage nach dem urethralen Spätrezidiv bei ansonsten geheilten Tumorpatienten unbeantwortet (10).

Alle Versuche, den Pouch an den weiblichen Harnröhrenstumpf anzu- schließen, schlugen fehl.

Für eine Blasenaugmentation, die Erweiterung der geschrumpften Harnblase mit Darm, ist die subtota- le Blasenresektion erforderlich, da die Beschwerden (häufiger Harn- drang und schmerzhafte Miktion) bei zu groß belassenem Blasenrest weiter bestehen könnten. Auch bei diesen Patienten muß man auf einen mögli- cherweise notwendig werdenden Selbstkatheterismus hinweisen.

Abbildung 7: Endoskopische Kontrolle der Harn- leiterimplantationsstelle.

A1 -2384 (36) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 37, 17. September 1993

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Auch die kontinente Harnablei- tung mittels Mainz Pouch I und An- schluß an das unsichtbare Nabelsto- ma zeigt trotz zehnjähriger Erfah- rung eine Reihe von Komplikatio- nen. Die überwiegende Mehrzahl dieser Komplikationen ist jedoch durch kleine Korrekturen in Lokal- anästhesie (Pouchsteinentfernung, Nabeltrichterinzision) ambulant be- herrschbar.

Zwar können zur Reservoirkon- struktion alle beliebigen Darmanteile verwandt werden, doch bietet die Kombination von detubularisiertem Ileum und Zökum (Mainz Pouch I) in dieser Hinsicht verschiedene Vortei- le. Vergleicht man die Motilität von Darmsegmenten in situ mit der Moti- lität von Blasenersatzplastiken nach Nahrungsaufnahme, so zeigt sich, daß Ileozökalblasen im Gegensatz zu Ileum-Reservoiren einen niedrigen Basaldruck, eine geringere Motilität und eine bessere Compliance aufwie- sen (7). Zudem erlaubt der Mainz Pouch I die Verwendung der Appen- dix veriformis als Kontinenzorgan.

Hierbei wird die Anwendung von Me- tallkammern vermieden, die Operati- onszeit erheblich verkürzt und die Komplikationsrate gesenkt. Das Ap- pendixstoma bewährte sich bislang bei 82 Patienten an unserer Klinik.

Noch ist wenig über sekundäre Malignombildungen bekannt. Ob das Risiko der Sekundärmalignombil- dung im Rahmen der Ureterosigmoi- dostomie beziehungsweise des Mainz Pouch II höher ist als bei anderen Formen der kontinenten Harnablei- tung, wird kontrovers diskutiert.

Auch wenn wir dies am eigenen Krankengut von 198 Erwachsenen und 58 Kindern mit Harnleiterdarm- implantation, die über 25 Jahre ver- folgt wurden, nicht bestätigen konn- ten, werden Sekundärmalignome in der Literatur hier häufiger beschrie- ben (4). Dies mag auf den längeren Beobachtungszeitraum zurückzufüh- ren sein. Die erste Ureterosigmoido- stomie wurde 1852 (8), der erste Mainz Pouch 1983 (12) durchgeführt.

Da diese sehr wichtige Frage derzeit noch nicht beantwortet werden kann, sind regelmäßige endoskopische Kontrollen in jährlichen Abständen, beginnend mit dem 5. postoperativen Jahr, unabdingbar (Abbildung 7).

Die kontinente Harnableitung mittels Mainz Pouch hat bei einer nunmehr bis zu zehnjährigen Nach- beobachtungszeit längst den experi- mentellen Charakter verloren. Zu- dem gestattet sie, inkontinente Harn- ableitungen mit nassem Stoma durch Inkorporation des bereits bestehen- den Ableitungssystems in ein konti- nentes System zu überführen. Diese technisch anspruchsvollen Eingriffe haben mittlerweile eine hohe Er- folgsrate erreicht und können so Pa- tienten mit normalem oberen Harn- trakt empfohlen werden.

Neben der Verbesserung von operativen Verfahren zur Harnablei- tung bedarf es der Entwicklung von Methoden, die es erlauben, die Aus- wirkungen dieser Chirurgie auf die Lebensqualität des Patienten zu be- urteilen. Diese Entwicklungen müs- sen Hand in Hand gehen. Nur so können wir unserem Ziel näher kom-

Nutzen und Risiken der PTCS

Von 167 Patienten, bei denen ei- ne perkutane transhepatische chol- angiographische Drainage (PTCD) angelegt wurde, erfolgte bei 101 Pa- tienten eine perkutane transhepati- sche Cholangioskopie (PTCS) zur Differenzierung cholangiographisch unklarer Stenosen, zur Festlegung von Resektionsgrenzen bei cholan- giographisch unzureichend abgrenz- barer intraluminaler Tumorausbrei- tung, zur Sondierung radiologisch nicht passierbarer Gallengangssteno- sen sowie zur perkutanen Behand- lung von Gallensteinen bei mißlun- gener ERC. Cholangiographisch un- klare Stenosen konnten in 63 von 64 Fällen direkt dargestellt werden. Bei den Biopsiestudien (n = 60) der Ste- nosen zeigte sich eine Zuverlässigkeit von 90 Prozent (54 von 60 Fällen), während die Sensitivität der mali- gnen Stenosen 76 Prozent (19 von 25 Fällen) betrug. Ebenso gelang bei 14 von 15 Patienten mit radiologisch nicht passierbaren Gallengangsste- nosen die Sondierung, Dilatation und prothetische Versorgung. Im

men, dem Patienten neben einer chirurgisch optimalen Harnableitung auch alle Informationen und psychi- sche Unterstützung zukommen zu lassen, die unter gesamtmedizini- schen Aspekten diesen Eingriff zum Erfolg werden lassen.

Deutsches Arzteblatt

90 (1993) A 1 -2376-2385 [Heft 37]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Robert Wammack Urologische Klinik und Poliklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langebeckstraße 1 55131 Mainz

Rahmen der therapeutischen Chol- angioskopie konnte mit mechani- schen Maßnahmen (n = 4) oder in- trakorporaler Lithotripsie (n = 37) bei 40 von 41 Patienten mit Gallen- gangskonkrementen eine Steinfrei- heit erreicht werden, während ein Patient intrahepatische Residualstei- ne aufwies, allerdings ohne klinische Manifestation bei einer Nachbeob- achtung von fünf Monaten. Relevan- te Komplikationen infolge einer PTCS traten nicht auf. Aufgrund oben dargestellter Resultate kom- men die Autoren zu dem Ergebnis, daß bei erfolgreicher PTCD die Gal- lengangsspiegelung eine sichere und zuverlässige Methode zur Diagnostik unklarer cholangiographischer Be- funde sowie zur Therapie schwieriger Gallengangsstenosen oder duktaler Steine darstellt. Sch

Neuhaus, H., W. Hoffmann, M. Classen:

Nutzen und Risiken der perkuta- nen transhepatischen Cholangioskopie.

Dtsch. med. Wschr. 118 (1993) 574-581 PD Dr. med. H. Neuhaus, II. Medizini- sche Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universi- tät, Ismaninger Straße 22, 81675 Mün- chen

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