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Archiv "Hirnforschung: Kartierung eines unbekannten Kontinents" (05.01.2004)

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T H E M E N D E R Z E I T

A

A26 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1–25. Januar 2004

1. Quartal 2004 bei einer Reihe von Fehlern in der Diagnosenverschlüsse- lung nur Warnungen erzeugen und nicht die gesamte Abrechnung blockie- ren. So bleibt ausreichend Zeit, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen.

Das ist angesichts der vielen in den Praxiscomputersystemen gespeicher- ten „Dauerdiagnosen“ und der indivi- duellen Praxis-Diagnosenlisten wich- tig, denn deren Schlüsselnummern dürfen nicht ungeprüft übernommen werden, sondern müssen in den näch- sten Monaten teilweise aktualisiert werden (zum Beispiel von I10 auf I10.0 oder I10.1, besser und zukunftsträchti- ger aber gleich auf die fünfstelligen Codes). Die Softwarehäuser werden dabei auf der Grundlage einer DIMDI- Umschlüsselungstabelle Unterstützung leisten.

Gleichzeitig mit der ICD-10-GM 2004 ist der Operationen- und Proze- durenschlüssel OPS-301 2004 veröf- fentlicht worden, den die Krankenhäu- ser benutzen müssen. Er enthält in der erweiterten Version einen amtlichen und einen nicht amtlichen Teil. Über seine Verwendung bei der Dokumen- tation des ambulanten Operierens ist noch nicht abschließend entschieden.

Für seine Buchausgaben gilt das zur ICD-10-GM Mitgeteilte analog.

Langfristiges Ziel der ICD-10-GM- Verschlüsselung ist es, eine hohe Qualität der medizinischen Dokumen- tation zu bewirken, die wesentlich zu einem möglichst wirklichkeitsge- treuen Abbild des Morbiditäts- und Leistungsgeschehens in der ambulan- ten und stationären Gesundheitsver- sorgung beiträgt und damit auch zu einer leistungsgerechten Finanzierung führt. Eine genauere Diagnosenver- schlüsselung wird die Grundlage für die Berechnung morbiditätsbezoge- ner Regelleistungsvolumina bilden, mit denen im Jahr 2007 die Abschaf- fung der starren Budgetierung erreicht werden soll.

Dr. med. Bernd Graubner Dr. rer. pol. Gerhard Brenner

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland

Höninger Weg 115 50969 Köln

E-Mail: Bernd.Graubner@mail.gwdg.de und Gbrenner@kbv.de

H

irnforschung ist aufregend. Sie wirkt auf das Bild, das wir uns von uns selbst machen.“ Prof. Dr. Karl Zilles, Forschungszentrum Jülich und Direktor des Vogt-Instituts für Hirnfor- schung an der Universität Düsseldorf, sieht darin einen wesentlichen Grund für das große Interesse, das den Jahres- kongress des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zum Thema „Neuro-Visionen: Hirnforschung im 21. Jahrhundert“ begleitete. Hinzu kommt: Infolge der älter werdenden Bevölkerung ist die Zahl der Hirn- erkrankungen stark gestiegen. An der Alzheimer-Erkrankung und deren Vari- anten leiden zurzeit rund eine Million Menschen – in 15 Jahren wird sich diese Zahl voraussichtlich mehr als verdop- peln. Die Zahl der Hirnerkrankungen, wie Morbus Parkinson, die endogene Depression und die Schizophrenie, nimmt ebenfalls zu. Mehr als 50 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen entfallen auf Erkrankungen des Ge- hirns. Allein die Behandlung der De- menzerkrankungen kostet rund 20 Milli- arden Euro jährlich. Zilles ist überzeugt:

„Die Erkrankungen des Zentralen Ner- vensystems werden zu dem Thema der nächsten Jahrzehnte.“ Das vom Ministe- rium für Wissenschaft und Forschung von Nordrhein-Westfalen gestartete

„Netzwerk Neurowissenschaften NRW“

soll künftig die neurowissenschaftliche Forschung vorantreiben.

Sensibler Forschungsbereich

Hirnforschung werde als hoch sensibler Forschungsbereich in der Öffentlichkeit mit typischem „Dual use“-Charakter wahrgenommen: Einerseits gebe es große Erwartungen hinsichtlich der Be- handlung und Heilung von Krankheiten.

Andererseits bestehe ein hohes Risiko bei einer möglicherweise falschen An- wendung der Ergebnisse, erläuterte Prof. Dr. Gert Kaiser, Präsident des Wis- senschaftszentrums. Er verwies auf die großen Fortschritte der Neurotechnolo- gie, ein Forschungsbereich, in dem Wis- senschaftler daran arbeiten, Nerven mit Mikrochips zu verbinden, um zum Bei- spiel Hör- und Sehprothesen herzustel-

Hirnforschung

Kartierung eines

unbekannten Kontinents

Die interdisziplinäre Hirnforschung entwickelt sich zu einer Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts.

Ein Affe verfolgt per Computer-Maus mit dem roten Punkt den Kreis auf dem Monitor.

Dabei entstehen neuronale Aktivitätsmuster im Gehirn.

Foto:Rubin,Ruhr-Universität Bochum

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len. Darüber hinaus aber entwerfen Hirnforscher auch Visionen für die Zu- kunft, wie „die ,Reparatur des Gehirns‘, die Erweiterung menschlicher Fähigkei- ten durch Mikrochips und die Vorstel- lung von intelligenten Maschinen mit Bewusstsein“, betonte Kaiser.

Ansätze zur Modellbildung

Von einer Erklärung des Phänomens

„Bewusstsein“ ist man immer noch weit entfernt. Doch mit neuen bildgebenden Verfahren, und hier vor allem der funk- tionellen Magnetresonanztomographie, ist es nach Zilles Einschätzung gelungen, in „neue Dimensionen der Sichtbarma- chung des lebenden menschlichen Ge- hirns vorzustoßen“ und die Erforschung der Grundlagen des Bewusstseins vor- anzutreiben. Auf Basis dieser bildgeben- den Verfahren – MRT, Mikroskopie, mo- lekulares Imaging – lassen sich mit dem Computer dreidimensionale Modelle des Gehirns erzeugen und von der ma- kro- über die mikroskopische bis zur molekularen Ebene weiter verfeinern.

Die funktionelle Magnetresonanzto- mographie (fMRT) beruht darauf, dass aktive Nervenzellen Sauerstoff verbrau- chen. Die Möglichkeit, den Sauerstoffge- halt und die Durchblutung einzelner Hirnregionen indirekt zu messen und sichtbar werden zu lassen, dient dazu, Aktivitätskarten des arbeitenden Ge- hirns zu erstellen und funktionelle Un- tersuchungen mit anatomischen Struk- turen zu verbinden. Dabei hat sich ge- zeigt, dass spefizische Funktionsweisen des Bewusstseins mit der Aktivität loka- lisierbarer Hirnregionen korreliert wer- den können. Insbesondere an krankhaf- ten Veränderungen des Ge-

hirns lassen sich biologische Prozesse erkennen und das Zu- sammenspiel jeweils aktiver Hirnregionen beschreiben.

Eindrucksvoll präsentierte ein Video, wie die Hirnfor- schung auf Basis dieser Er- kenntnisse neue Therapien er- möglicht. So wird seit einigen Jahren bereits das stereotakti- sche Stimulationsverfahren bei der Therapie der Parkinson- schen Erkrankung, aber auch bei Zwangserkrankungen, er-

folgreich eingesetzt: Durch „Ankoppe- lung des Gehirns an ein technisches Sy- stem“ (Hirnschrittmacher) können Be- wegungsstörungen gesteuert werden, die medikamentös nicht mehr zu behandeln sind. Dabei wird eine Elektrode ins Ge- hirn implantiert, die mit einem Kabel un- ter der Haut zu einem batteriegetriebe- nen Generator als Impulsgeber in der Brust verbunden ist. Mit einer perma- nenten Reizung von 120 Hertz wird die krankhafte elektrische Überaktivität der Nervenzellen unterdrückt. Dies ist für den Patienten noch nicht ideal – besser wäre eine elektrische Reizung je nach Bedarf. Der Prototyp eines bedarfsge- steuerten Hirnschrittmachers wird in Kürze erstmals implantiert.

Wie weit die Leistung des menschli- chen Gehirns in vielen Bereichen der des Computers überlegen ist, betonte Prof. Ulf T. Eysel, Ruhr-Universität Bo- chum. Das Gehirn mit mehr als 100 Mil- liarden Nervenzellen und tausendfach mehr Synapsen, einem mittleren Ge- wicht von 1,35 kg und einem Volumen von 1 500 ml ist ein kompakter Super- computer, der bei einem vergleichsweise geringen Energieverbrauch von 15 bis 20 Watt arbeitet. Zwar sind Computer hunderttausendfach schneller getaktet als das menschliche Gehirn, doch Letzte- res macht dies durch massive Parallel- verarbeitung wett. Eysel sieht „keine grundsätzlichen Schranken für einen technischen Nachbau des Gehirns“. Jede Nervenzelle sei letztlich als ein „ana- loger Computer“ zu begreifen. Den- noch: „Die Probleme eines technischen Nachbaus entstehen aus der extremen Komplexität des Systems und der Detailliertheit der neuronalen Bau- steine und ihrer Verbindungen, die im

Computermodell nur sehr reduziert nachgebildet werden können.“

Ausblicke in eine Welt von morgen, in der sich Computer und Gehirne verbin- den lassen, gab der Neurobiologe Miguel Nicolelis, Duke University (North Caro- lina). Er demonstrierte, wie Affen mit- tels Gedankenkraft einen Roboterarm steuern können. Dazu werden Elektro- den in das Gehirn des Tieres gepflanzt, wo sie die elektrischen Signale von Ner- venzellen empfangen. Die Elektroden sind mit einem Computer verbunden, der die neuronalen Bewegungssignale in Computersprache „übersetzt“. Die Im- pulse für die Bewegungsabläufe, die das Tier zuvor in einem Videospiel per Joystick trainiert hatte, werden in die Bewegung des Roboterarms umgesetzt.

Ethische Fragen

Bis Entwicklungen wie diese zu medizi- nischen Anwendungen beispielsweise für querschnittsgelähmte Patienten füh- ren, werden noch Jahrzehnte vergehen.

Dennoch rufen die Ergebnisse schon heute Kritiker auf den Plan, die vor ma- nipulativen Eingriffsmöglichkeiten in die Willensfreiheit und Würde des Men- schen warnen. Diskutiert wurde daher unter den Experten auch, ob und inwie- fern die Hirnforschung unser Weltbild und Selbstverständnis verändert. Die Diskussion verdeutlichte, dass es bis- lang keine einheitliche Begriffsklärung dessen, was unter Bewusstsein, Geist und Seele zu verstehen ist, gibt: Der Neurologe verwendet diese Begriffe anders als der Physiologe, der Psycholo- ge oder der Philosoph. Notwendig ist nach Kaiser daher ein interdisziplinärer Dialog insbesondere über ethische Fragen: Die Neurowis- senschaften müssten verdeutli- chen, was die Methoden der Hirnforschung leisten, und dies der Öffentlichkeit vermitteln.

Die Geisteswissenschaften müss- ten ihre Rolle auf Basis neu- rowissenschaftlicher Erkennt- nisse neu definieren. Erfor- derlich sei eine „Anthropolo- giefolgenabschätzung“, deren Ergebnisse beispielsweise in einer neuen Pädagogik umzu- setzen seien. Heike E. Krüger-Brand T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1–25. Januar 2004 AA27

Die fMRT-Aufnahmen zeigen die Gebiete erhöhter Aktivität von Testpersonen bei bestimmten Bewegungsabläufen im primären Motorkortex (M1), im Perietalkortex (PK) und im mediotempo- ralen Areal (MT). Abbildungen: Rubin, Ruhr-Universität Bochum

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