Medizingeschichte
Akribische Quellenarbeit
Gerhard Aumüller, Kornelia Grundmann, Esther Krähwin- kel, Hans H. Lauer, Helmut Remschmidt: Die Marburger Medizinische Fakultät im „Drit- ten Reich“. Academia Marbur- gensis. Beiträge zur Geschichte der Philipps-Universität Mar- burg, Band 8, K. G. Saur Verlag, München, 2001, 736 Seiten, ge- bunden, 50 A
Immer wieder wird darum ge- stritten, ob man Befunde aus der NS-Zeit grundsätzlich wertend darzustellen hat oder ob man sich vor allem an- deren um eine differenzier- te Befunderhebung bemühen muss. Die Autoren des vorlie- genden Werkes liefern ein Musterbeispiel dafür, wie not- wendig Letzteres ist, um die Strukturen und Bedingungen für das Verhalten einer Medi- zinischen Fakultät in der NS- Zeit herauszuarbeiten.
Es gibt bisher sehr wenige und sehr unterschiedliche Fa- kultätsgeschichten über diese Zeit; keine jedoch wurde mit so intensiver Durcharbeitung vorgelegt. Unter der spürbar maßgeblichen Federführung des Marburger Anatomen Gerhard Aumüller und mit einem kompetenten Team von Historikern, Doktoran- den, Mitgliedern der Medizi- nischen Fakultät und anderen Spezialisten wurde das Pro- jekt seit 1994 mit Unterstüt- zung der DFG bearbeitet. Es resultiert das Bild einer 1933 im Wesentlichen konservati-
ven Fakultät, die sich oh- ne erkennbaren Widerstand gleichschalten ließ. Einzelne Ordinarien, vor allem auch jüngere Oberärzte und Do- zenten stellten sich kritiklos in den Dienst des Regimes, während sich die meisten Mitglieder angepasst verhiel- ten. Die Entlassung der ver- gleichsweise wenigen von der rassischen und politischen Verfolgung betroffenen Fa- kultätsangehörigen, Studen- ten und Patienten wurde rei- bungslos durchgeführt. Eben- so wurde das Lehrangebot auf den Gebieten der Rassen- hygiene, der Erbgesundheits- pflege entsprechend den ideologischen Vorgaben um- gesetzt. Berufungen, Habili- tationen, Forschungsaktivitä- ten, die Einflüsse des Krieges auf Lehre und Krankenver- sorgung, die besondere Situa- tion der Psychiatrischen Kli- nik – alles, was in der vorge- legten Studie erarbeitet wor- den ist, beruht auf akribischer Quellenarbeit. Nichts wird ausgesagt, was nicht in um- fangreichen Anmerkungen be- legt ist.
Wer in Zukunft gleichsinni- ge Projekte unternimmt, muss sich an der Umsicht und Sorg- falt dieser Untersuchung mes- sen lassen. Als einziger Man- gel ist das fehlende Sachregi- ster zu nennen. Eduard Seidler
Radiologie
Leitfaden für Klinik und Praxis
Maximilian Reiser, Wolfhard Semmler (Hrsg.): Magnetreso- nanztomographie. 3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg u. a., 2002, XVI, 1104 Seiten, 958 Abbildungen in 2124 Einzeldarstellungen, 161 Tabel- len, gebunden, 299 A
Die Magnetresonanztomogra- phie (MRT) ist ein komplexes Bildgebungsverfahren, das in rasantem Tempo weiterent- wickelt wird. Das Buch will ei- nen Leitfaden für den Weg von der Indikationsstellung bis zur Bildinterpretation bieten, der alle Körperregionen abdeckt – ein hoch gestecktes Ziel, zumal dabei auch die physikalischen
und technischen Grundlagen eingehend abgehandelt wer- den. Die Herausgeber haben dieses Ziel mit einem Team von ausgewiesenen Experten erreicht.
Auf mehr als 1 000 Seiten werden systematisch Unter- suchungs- und Diagnosestra- tegien der einzelnen Kör- perregionen dargestellt, wo- bei weitestgehend ein ein- heitlicher Aufbau beibehal- ten wird. Für jedes Untersu- chungsgebiet werden nach ei-
ner kurzen Einleitung die spe- ziellen Untersuchungstechni- ken, die Normalbefunde und die wichtigen pathologischen Befunde erläutert. Abschlie- ßend wird jeweils die Wertig- keit der MRT im Vergleich mit anderen bildgebenden Verfahren erläutert. Wichtige Fakten und Systematiken werden übersichtlich in den vielen Tabellen dargestellt, und zahlreiche Einzelabbil- dungen vermitteln den nöti- gen Bildeindruck. Am Ende befinden sich Kapitel über die funktionelle und die interven- tionelle MRT, die gegenüber der zweiten Auflage deutlich erweitert wurden. Ein Glos- sar, ein Abkürzungs- und ein ausführliches Sachverzeichnis machen diesen Leitfaden auch zum tauglichen Nach- schlagewerk.
Dieser mit 299 Euro nicht ganz billige Leitfaden ist in erster Linie für den Radiolo- gen in Klinik und Praxis ge- eignet, sollte aber überall da im Regal stehen, wo MR-Un- tersuchungen geplant, durch- geführt oder interpretiert werden. Christian Hohl
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 51–5223. Dezember 2002 AA3461
B Ü C H E R
Orthopädie
Ohne Konkurrenz
Jörg Jerosch, Jürgen Heisel:
Schulterendoprothetik. Indikati- on, Implantate, OP-Technik, Nachbehandlung, Begutachtung.
Steinkopff Verlag, Darmstadt, 2002, 324 Seiten, 272 zum Teil zweifarbige Abbildungen in 364 Einzeldarstellungen, 57 Tabellen, gebunden, 199 A(ab 2003: 219 A) Schulterendoprothetik gehört in die Hände von Speziali- sten. Die Operationszahlen steigen kontinuierlich an, trotzdem ist dieser Fachbe- reich in der durchschnittli- chen orthopädischen Abtei- lung eher selten vertreten.
Die daraus resultierenden Defizite hilft dieses Buch zu beseitigen: Von der Indika- tionsstellung über präope- rative Planung, Implantate, OP-Techniken, Komplikatio- nen und Rehabilitation wird ein mit zahlreichen Litera- turzitaten gespickter Über-
blick geboten. Im deutsch- sprachigen Raum bisher oh- ne Konkurrenz – ein derart komplexer Abriss existierte zu diesem Thema nicht. Ein- ziger Wermutstropfen: Die schwarz-weißen intraopera- tiven Abbildungen lassen manches Detail nicht erken-
nen. Farbig wäre das Werk, das an der oberen Preisgren- ze liegt, wohl noch teurer ge- worden. Thomas Wallny