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Archiv "Sexuell übertragene Infektionskrankheiten" (20.03.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Sexuell übertragene Infektionskrankheiten

Kurzbericht über das II. Hauptthema des IX. Interdisziplinären Fo- rums der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin" vom 9. bis 12. Januar 1985 in Köln

D

as Spektrum der sexuell übertragenen Infektions- krankheiten hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch bessere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten we- sentlich gewandelt. Zu den klassi- schen Geschlechtskrankheiten Gonorrhoe und Lues sind zahlrei- che neue ätiologische Gruppen, so Erkrankungen mit Chlamydien, Mykoplasmen, Herpes-Viren, He- patitis-B-Viren und Trichomona- den getreten.

Neuerdings wissen wir, daß vor al- lem im Zusammenhang mit homo- sexuellen Praktiken auch ver- schiedene gastrointestinale Affek- tionen (Gay bowel syndrome) wie Infektionen durch Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Amö- ben, Lamblien, Hepatitis-A-Viren und schließlich insbesondere das dem erworbenen Immundefekt- Syndrom oder „Acquired Immune Deficiency Syndrome" (AIDS) zugrunde liegende Retrovirus HTLV-III sexuell übertragen wer- den können.

Die Situation bei den sexuell übertragenen Infektionserkran- kungen ist heute gekennzeichnet durch lokalisierte Erkrankungen im Genital-, Ano-Rectal- und Oral- bereich, aber auch durch genera- lisierte Erkrankungen, die lokal gar nicht in Erscheinung zu treten brauchen und deshalb oftmals diagnostische Probleme stellen.

Die interdisziplinäre Ausrichtung der Thematik über sexuell über- tragene Erkrankungen beruht auf

der Tatsache, daß heute primär, neben den Dermato-Venerologen, Urologen und Gynäkologen, ins- besondere auch Allgemeinmedi- ziner und Internisten mit den da- mit zusammenhängenden Frage- stellungen konfrontiert werden.

Aus dem erwähnten breiten Spek- trum konnten aus zeitlichen Grün- den nur besondere aktuelle Aspekte sexuell übertragener In- fektionserkrankungen herausge- griffen und besprochen werden.

Es betrifft dies Erkrankungen durch Chlamydien, Mykoplasmen, Herpes-Viren, das Arthritis-Der- matitis Syndrom und das erworbe- ne Immundefekt-Syndrom oder AIDS.

Heute wird die sogenannte nicht gonorrhoische oder auch unspe- zifische Urethritis wesentlich häu- figer gesehen als die Gonorrhoe, und Chlamydia trachomatis (Sero- typen D—K) wird in bis zu 50 Pro- zent der Fälle als verantwortlicher Erreger angesehen.

Klinisch kann eine Chlamydien- Urethritis im Einzelfalle nicht von einer gonorrhoischen Urethritis unterschieden werden. Je nach Zusammensetzung des Kranken- gutes kommen Doppelinfektionen mit N. gonorrhoeae in über 30 Prozent vor. Chlamydien sind es denn auch, die in 70 bis 80 Pro- zent der Fälle für die sogenannte postgonorrhoische Urethritis ver- antwortlich sind, und nicht etwa psychogene Faktoren, wie früher angenommen wurde. Während Chlamydien als aetiologisches

Agens bei der Epididymitis jünge- rer Männer und bei der Proctitis von Homosexuellen gesichert er- scheinen, ist dies bei der Prostati- tis eher fraglich.

Bei der Frau verlaufen Chlamy- dieninfektionen der Cervix und Urethra unter dem klinischen Bild von Fluor oder einer Dysurie, je- doch ist zu bedenken, daß sehr oft auch symptomlose Verläufe mög- lich sind. Die Chlamydien-Salpin- gitis kann ebenfalls klinisch mit unspezifischen Symptomen ein- hergehen und so in Folge einer fehlenden oder falschen Behand- lung zu Sterilität oder zu einer Ex- trauteringravidität führen.

Der relativ einfache Direktnach- weis von Chlamydien mittels fluo- reszein-konjugierter monoklona- ler Antikörper scheint in absehba- rer Zeit die als Standardmethode verwendete Gewebekultur zu er- setzen, doch ist wichtig festzuhal- ten, daß diese neue Methode sich immer noch in klinischer Erpro- bung befindet.

Die Therapie, die in jedem Falle auch den Partner einschließt, be- steht in einer mindestens zehntä- gigen peroralen Gabe von 2 mal 1 g Tetracyclin oder 1 mal 200 mg Doxycyclin beziehungsweise Mi- nocyclin oder 4 x 500 mg Erythro- mycin (Petzoldt, Heidelberg).

Neben Chlamydien können auch Mycoplasmen ähnliche Krank- heitsbilder verursachen und unter anaeroben Bedingungen mittels einer 3- bis 6tägigen Kultur nach- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 12 vom 20. März 1985 (89) 847

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Sexuell übertragene Infektionskrankheiten

gewiesen werden. Da Mycoplas- men ebenfalls auf Tetracycline und Erythromycin empfindlich sind, kann in der Praxis eine nicht- gonorrhoische Urethritis auch oh- ne differenzierten Erregernach- weis mit den oben erwähnten Me- dikamenten therapiert werden.

Rezidive und schwere Krankheits- bilder bedürfen jedoch einer spe- ziellen Diagnostik (Hofstetter, Lü- beck).

Der primär genitale (anale) Her- pes simplex wird vorwiegend durch das Herpes-simplex-Virus Typ II ausgelöst und manifestiert sich durch schmerzhafte Bläs- chen und Erosionen. Übertragun- gen auf den Sexualpartner sind je- doch auch in den Anfangsstadien eines rezidivierenden Herpes ge- nitalis möglich. Die elektronenop- tische Untersuchung des Bläs- cheninhaltes genügt meist zur Diagnose, doch kann mit diesem Verfahren nicht zwischen den Vi- ren der Herpesgruppe unterschie- den werden. Bei primär genitalen Herpes-simplex-Infektionen kön- nen perorale und intravenöse Therapien mit Aciclovir die Virus- ausscheidung und die Schmerzen reduzieren und die Heilung be- schleunigen. Eine positive Wir- kung anderer Präparate ist nicht erwiesen. Dies gilt insbesondere auch für Immunmodulatoren und Interferonpräparate.

Die Therapie des rezidivierenden genitalen Herpes simplex ist schwierig, und bei schweren Fäl- len und häufigen Rezidiven kann eine perorale Prophylaxe für die Dauer der Verabreichung eine po- sitive Wirkung haben. Der Nutzen von Aciclovir-Salben ist nicht si- cher erwiesen (Wassilew, Krefeld) Das durch eine disseminierte Go- nokokkeninfektion verursachte Arthritis-Dermatitis-Syndrom ist durch akute meist wandernde asymmetrische Oligoarthritiden (vor allem am Handgelenk und Knie) und fast pathognomonische hämorrhagisch-pustulöse, teils nekrotische Hautläsionen ge- kennzeichnet.

Das Arthritis-Dermatitis-Syndrom stellt heute noch vor dem Reiter- Syndrom die häufigste Form einer akuten Arthritis bei sexuell akti- ven jüngeren Personen dar. Falls N. gonorrhoeae nicht aus Blut, Gelenkpunktat oder Hautläsion isoliert werden kann, darf eine Diagnose auch auf Grund einer gesicherten Genitalinfektion, den typischen Hautveränderungen und einem Ansprechen auf die an- tibiotische Therapie gestellt wer- den. Therapeutisch werden bis zum Abklingen der akuten Sym- ptome jeweils 10 Millionen Einhei- ten Penicillin G täglich intravenös verabreicht und anschließend 2 g Ampicillin täglich per os über 10 Tage gegeben (Schattenkirchner, München).

Das erworbene Immunmangel- syndrom AIDS ist mit weltweit über 7000 Fällen weiterhin im Zu- nehmen begriffen. Dieser Sach- verhalt gilt auch für Europa mit über 500 Fällen und die Bundesre- publik Deutschland mit 134 Pa- tienten (Stand 9. 1. 85) (Vogt, Lü- thy, Siegenthaler, Zürich).

Mit der endgültigen Charakterisie- rung und Klonierung des AIDS-Er- regers, einem lymphotropen neu- en Retrovirus (HTLV-III = Human T-Gell Lymphotropic Virus), ist den Gruppen um Robert Gallo und Luc Montaigner sicher der bisher wichtigste Schritt in der AIDS-Forschung gelungen. Ob- wohl AIDS sich in den USA und Europa auf relativ kleine Risikopo- pulationen beschränkt (Homose- xuelle, Drogensüchtige, Haitianer, Empfänger von Blut- und Blutpro- dukten), geben neueste Zahlen aus Äquatorialafrika, wo AIDS aus- schließlich durch heterosexuelle Kontakte übertragen wird, zur Be- sorgnis Anlaß.

Mögliche Übertragungswege in die heterosexuelle Population könnten bei uns bisexuelle Män- ner und auch drogensüchtige Pro- stituierte darstellen. Bisher sind weltweit etwa 100 Personen nach Erhalt von Bluttransfusionen er- krankt. Obwohl diese Fälle fast

ausschließlich in den Hochrisiko- gebieten der Vereinigten Staten auftraten (bezahlte Blutspende!) ist sicher auch in Europa, wo bis- her nur Einzelfälle bekannt wur- den, zukünftig an ein Screening von Blutspendern zu denken.

Die heute noch nicht kommerziell erhältlichen HTLV-III-Antikörper Tests sind jedoch aufgrund meh-

rerer übereinstimmender Unter- suchungen bisher zu unspezifisch (etwa 10 Prozent falsch positive Tests!), um im individuellen Falle eine Aussage zu machen. Insbe- sondere muß betont werden, daß ein Antikörpernachweis lediglich aussagt, daß der Betroffene ein- mal mit dem Virus Kontakt hatte.

In der Schweiz zeigten auf Grund einer Multizenterstudie 20 Pro- zent der Homosexuellen und über 30 Prozent der Drogensüchtigen, jedoch keiner von über 100 Blut- spendern zirkulierende Antikör- per. Was nun das Vorliegen von Antikörpern gegen HTLV-III pro- gnostisch bedeutet, ist heute un- klar und muß prospektiven Stu- dien vorbehalten bleiben. Thera- peutisch zeigen Immunmodulato- ren (Interleukin-2- und Interferon- präparate) bisher keinen Effekt.

Möglicherweise können jedoch auf Grund experimenteller Daten gegen Retroviren gerichtete Prä- parate, wie zum Beispiel Suramin, einen positiven Effekt aufweisen.

Mit der gelungenen Klonierung von HTLV-III ist zweifelsohne auch ein Schritt zur Entwicklung einer gentechnisch gewonnenen Vakzi- ne getan. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch wegen vieler Unklar- heiten, wie beispielsweise der zum Teil fehlenden Schutzwir- kung von HTLV-III-Antikörpern bei an AIDS erkrankten Personen, vor einem verfrühten Optimismus zu warnen.

Professor Dr. med.

Walter Siegenthaler P. D. Dr. R. Lüthy Dr. M. Vogt

Departement für Innere Medizin Universitätsspital

CH-8091 Zürich 848 (90) Heft 12 vom 20. März 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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