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Das Problem der Dido: Das passt auf keine Kuhhaut!

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Das Problem der Dido: Das passt auf keine Kuhhaut!

Andreas de Vries

1 Das Problem

Das Problem der Dido hat seinen Ursprung in den Sagen der Antike. Dido (punisch f¨ur”Jungfrau“) hieß urspr¨unglich Elissa und war die Prinzessin von Tyros (im heuti- gen Libanon). Sie fl¨uchtete im Jahre 814 v. Chr. vor ihrem eigenen Bruder an die K¨uste Libyens in Nordafrika.

”Hier erkaufte sie anfangs nur ein St¨uck Landes, welchesByr- saoder Stierhaut genannt wurde; mit diesem Namen aber verhielt es sich so: Dido, in Afrika angekommen, verlangte nur so viel Feldes, als sie mit einer Stierhaut zu um- spannen vermochte. Diese Haut aber schnitt sie in so d¨unne Riemen, dass dieselbe den ganzen Raum einschloss, den jetzt Byrsa, die Burg Karthagos, einnimmt.“[5] Daher kommt die Redewendung

”Das passt auf keine Kuhhaut.“

Die Frage ist nun: In welche geometrische Form legt Dido die Riemen, um eine m¨oglichst große Fl¨ache zu umspannen? Mathematisch formuliert ist das das

”Problem der Dido“ oder das

”isoperimetrische Problem“ [4, §6], von griech. iso

”gleich“ und perimeter

”Umfang“.

2 L¨osung mit Steiner-Symmetrisierung

Der Schweizer Mathematiker Jakob Steiner lehrte Mitte des vorletzten Jahrhunderts in Berlin. Er bewies 1836 die isoperimetrische Eigenschaft des Kreises mit geome-

Abbildung 1:Jakob Steiner (1796 – 1863)

trischen Mitteln. F¨ur diesen Beweis ben¨otigt man den Begriff der

”konvexen“ Kurve.

Eine geschlossene ebene Kurve ohne Selbst¨uberschneidungen hat stets ein Inneres. Die

(2)

Abbildung 2:Links ist eine konvexe, rechts eine nichtkonvexe Kurve. In konvexen Kurven befindet sich jede Verbindungsgerade zweier Punkte des Innern komplett innerhalb der Kurve. Quelle: [4]

Kurve heißtkonvex, wenn f¨ur zwei beliebige Punkte im Inneren auch deren geradlinige Verbindung vollst¨andig im Inneren liegt, vgl. Abbildung 2.

Theorem 2.1 (

”Isoperimetrische Eigenschaft des Kreises“) Unter allen m¨oglichen geschlossenen Kurven gegebener L¨ange L ist diejenige, deren Innengebiet den gr¨oßt- m¨oglichen Fl¨acheninhalt besitzt, die Kreislinie.

Beweis.Wir gehen davon aus, dass eine L¨osung des isoperimetrischen Problems ¨uber- hauptexistiert. (Das d¨urfen wir streng genommen nicht, aber die Existenz einer L¨osung kann bewiesen werden; dieser Beweis allerdings w¨urde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.) Dann gibt es also eine KurveC, die unter allen m¨oglichen Kurven gegebe- ner L¨ange die gr¨oßte Fl¨ache einschließt. Wir zeigen, dass die KurveC ein Kreis sein muss. Der Beweis verl¨auft in drei Schritten. [Die Grafiken stammen aus [4].]

(i) Das Innere der Kurve ist notwendig konvex. W¨areC nicht konvex, so k¨onnte man durch zwei geeignete PunktenPundQaufCeine Gerade Llegen, so dassCauf einer Seite vonLund bis aufP undQaußerhalb vonCliegt; spiegelt man an ihr das Teilst¨uck vonCzwischenPundQ,

so erhielte man eine neue Kurve, die genau so lang wieCw¨are, jedoch einen gr¨oßeren Fl¨acheninhalt h¨atte.

(ii)Halbiert eine Gerade die Kurve in zwei gleich lange Teilst¨ucke, so halbiert sie auch den Fl¨acheninhalt.

(3)

W¨ahlen wir zwei Punkte R und S auf der als konvex erkannten Kurve C, um diese in zwei gleich lange B¨ogenC0 undC00 zu zerlegen. Die Gerade durch R und S zer- schneidet dann das Innere vonCin zwei St¨ucke B0undB00. Nehmen wir an, eine der beiden Fl¨achenst¨ucke w¨are gr¨oßer als das andere, z.B.B0. Spiegelten wir dann B0 an der Geraden, so entst¨unde ein neues Gebiet, das schraffierte Spiegelbild von B0. Die Vereinigung vonB0mit seinem Spiegelbild erg¨abe dann eine Fl¨ache, die gr¨oßer als das Innere vonCw¨are — der Rand jedoch h¨atte die gleiche L¨ange wieC. Damit w¨areC nicht optimal.

(iii)Die beiden B¨ogen C0 und C00 sind Halbkreise.SeiAein beliebiger Punkt auf einem der beiden B¨ogen, etwaC0, mit den EndpunktenRundS.

Denken wir uns jetzt die SeitenARundASbeweglich um ein Gelenk, das im PunktA angebracht ist, so dass wir den ¨offnungswinkelα vergr¨oßern oder verkleinern k¨onnen.

Wenn zudem die beiden, in der Abbildung farbig dargestellten, sichelf¨ormigen Fl¨a- chenst¨ucke fest mit den Gelenkarmen verbunden sind, so bewegen sie sich bei jeder Winkel¨anderung mit. Nun gilt f¨ur den Fl¨acheninhalt des DreiecksRAS([6],§3.2.1.1)

F =1

2·RA·AS·cosα. (1)

D.h., der Fl¨acheninhalt ist genau dann maximal, wennα =90, ohne dass die L¨ange vonC0sich ¨andert. Da das f¨ur jeden PunktAaufC0 gilt, ist mit dem Satz von Thales

C0ein Halbkreis.

3 L¨osung mit Fourier-Reihen

Wir formulieren das Problem der Dido etwas exakter:

Problem der Dido. Gesucht ist eine geschlossene, regul¨are und st¨uckweise glatte KurveΓ, deren Inneres maximalen Fl¨acheninhalt bei gegebener Kurvenl¨angeLhat.

Hierbei gelten folgende formale Definitionen:

Definition 3.1 Sei f :[0,2π]→R2eine in der Ebene. Dann ist f = (f1,f2)ein Vektor von Funktionen fi: [0,1]→R.

(i) Die Kurve heißt(stetig) differenzierbar, wenn beide Funktionen f1, f2(stetig) differenzierbar sind.

(4)

(ii) f heißt regul¨ar, wenn f¨ur die Ableitung ˙f ¨uberall da, wo sie existiert, gilt:

0<kf˙(t)k<∞. Hierbei ist

kf˙(t)k=

qf˙12(t) + f˙22(t) (2) (iii) f heißt geschlossen, wenn sie stetig ist und wenn gilt: f(0) = f(2π), sonst immer f(s) = f(t)fallss6=t.

(iv) f heißtst¨uckweise glatt, wenn f bis auf h¨ochstens endlich viele Punkte ¨uberall stetig differenzierbar ist. Meist bezeichnet man auch das Bild Γ={f([0,1])} ⊂ R kurz alsKurve, und abgrenzend dazu die Abbildung f alsParametrisierungvonΓ. F¨ur

Details siehe [1, 3].

Ist f eine Kurve, so ist ihreL¨ange(oder:Bogenl¨ange)Lgegeben durch L=

Z

0

kf˙(t)kdt = Z

0

qf˙12(t) + f˙22(t)dt. (3)

Eine regul¨are geschlossene st¨uckweise stetig differenzierbare Kurve hat stets ein Inne- res, das sie umschließt und dessen Fl¨acheninhaltAgegeben ist durch

A= 1 2

Z

0

f1(t)f˙2(t)−f˙1(t)f2(t)

dt. (4)

Beispiel 3.2 Der Rand einesn-PolygonsΓnist eine geschlossene, regul¨are und st¨uck- weise glatte Kurve. Wenn Didos Riemen von endlich vielen Leuten aufgespannt wird,

ist das eine derartige Kurve.

Beispiel 3.3 Es seir>0. Ein Kreis vom Radiusrwird beschrieben durch die Kurve f :[0,2π]→R2, t7→ f(t) = (rcost,rsint).

Hier ist f1(t) =rcostund f2(t) =rsint, und ˙f(t) = (−rsint,rcost), und daherkf˙(t)k

=r. Die L¨angeLund die Fl¨acheAbetragen L=

Z

0

rdt =2πr, A= Z

0

r2(cos2t+sin2t)dt =2πr2.

Insbesondere istL2/(2π) =A.

Theorem 3.4 Sei Γ⊂R2 eine geschlossene, regul¨are und st¨uckweise glatte Kurve.

Dann gilt f¨ur den Fl¨acheninhalt A des Inneren von Γdie

”isoperimetrische Unglei- chung“

A5 L2

4π. (5)

Das Gleichheitszeichen gilt genau dann, wennΓein Kreis vom Radius r=L/2π ist.

(5)

Beweis. Sei f :[0,2π]→R2, t 7→ f(t) = (f1(t),f2(t)) eine Parametrisierung von Γ, periodisch auf dem Intervall [0,1]. Dann k¨onnen f1und f2auf eindeutige Weise durch Fourier-Reihen dargestellt werden ([2],§23 Satz 3):

f1(t) = a0 2 +

k=1

akcoskt+bksinkt, f2(t) = c0 2 +

k=1

ckcoskt+dksinkt. (6)

Das liefert die Ableitungen f˙1(t) =

k=1

k(bkcoskt−aksinkt), f˙2(t) =

k=1

k(dkcoskt−cksinkt). (7) Mit den Orthogonalit¨atsbedingungen (11) in Lemma 3.5 erkennt man, dass von al- len Produkten nur die quadratischen TermeR0cos2kt dt undR0sin2kt dt nicht ver- schwinden, so dass

Z

0

12(t)dt =π

k=1

k2(a2k+b2k),

Z

0

22(t)dt =π

k=1

k2(c2k+dk2).

Gehen wir von der Bedingungkf˙(t)k=L/(4π2)aus (d.h. die

”Geschwindigkeit“ ist konstant). Dann gilt ([3]§4, 4.7 und Ende von§4) mit (3) f¨ur die L¨angeLder Kurve

L2=2π2

k=1

k(a2k+b2k+c2k+dk2). (8)

Ferner ist mit (4) A= π

2

k=1

k(akdk+bkck)−π 2

k=1

k(akdk−bkck) =π

k=1

k(akdk−bkck) (9)

Damit ist

L2−4πA = 2π2

k=1

(a2k+b2k+c2k+dk2)−4π2

k=1

k(akdk−bkck)

= 2π2

k=1

[(kak−dk)2+ (kbk+ck)2+ (k2−1)(c2k+dk2)] = 0.

Die letzte Ungleichung gilt, da die Summe innerhalb der eckigen Klammern aus- schließlich quadratische Terme enth¨alt. Damit folgtA5L2/(4π). Gleichheit gilt genau dann, wenn

• f¨ur k >1 gilt: ak = bk = ck = dk = 0 (denn es muss c2k =−dk2 gelten, d.h.

ck=dk=0, sowiekak=dkundkbk=ck);

• f¨urk=1 gilt:a1=d1,b1=−c1.

(6)

Das bedeutet, dass f(t) = (a20 +a1cost+b1sint,c20 −b1cost+a1sint). Da kf(t)− (a20,c20)k2=a21+b21, beschreibt die Kurve f(t)einen Kreis vom Radiusr=

q

a21+b21 um den Mittelpunkt(a20,c20). Mit (8) istL2=4π2r2, und mit (4) istA=πr2. Lemma 3.5 F¨ur k,l ∈N gelten die folgenden so genannten

”Orthogonalit¨atsbedin- gungen“ der Produkte voncosundsin.

Z

0

coskt sinltdt=0, (10)

Z 0

coskt cosltdt= Z

0

sinkt sinltdt=

0 falls k6=l,

1 falls k=l, (11) Beweis.F¨ur das unbestimmte IntegralRcoskt sinltdtgilt

Z

coskt sinltdt=





 1

k2−l2 (k sinkt sinlt+l coskt coslt) fallsk6=l, 1

2k sin2kt fallsk=l,

(12)

wie man leicht durch Ableitung der rechten Seiten nacht nachrechnet. Daraus folgt (10). Entsprechend ist

Z

coskt cosltdt =





 1

l2−k2 (l coskt sinlt−k sinkt coslt) fallsk6=l, t

2+ 1

4k sin 2kt fallsk=l,

(13)

Auch hier rechnen wir einfach nach, indem wir die rechte Seite nachtableiten; f¨ur den Fallk=l m¨ussen wir zus¨atzlich die Additionstheoreme ([2], §14) bem¨uhen, um mit cos 2kt=cos2kt−sin2ktzu erkennen, dass

1 2+1

2 cos 2kt=1

2(1−sin2

| {z }

=cos2kt

+cos2kt) =cos2kt.

Ganz ¨ahnlich sehen wir das dritte Integral,

Z

sinkt sinltdt =





 1

l2−k2 (l coskt sinlt−k sinkt coslt) fallsk6=l, t

2− 1

4k sin 2kt fallsk=l,

(14)

(7)

Literatur

[1] T. Br¨ocker:Analysis II.Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1995 [2] O. Forster.Analysis 1.Vieweg, Braunschweig

[3] O. Forster:Analysis 2.Vieweg, Braunschweig

[4] S. Hildebrandt & A. Tromba:Kugel, Kreis und Seifenblasen. Optimale Formen in Geometrie und Natur.Birkh¨auser Verlag Basel 1996

[5] Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001.http://www.textlog.de/41193.html(20.10.2009)

[6] E. Zeidler (Hrsg.):Teubner Taschenbuch der Mathematik. Teil 1.B.G. Teubner, Leipzig 1996

Hagen, den 20. Oktober 2009 Prof. Dr. Andreas de Vries

FH S¨udwestfalen University of Applied Sciences Haldener Straße 182

D-58095 Hagen

e-Mail:de-vries@fh-swf.de

Abbildung

Abbildung 2: Links ist eine konvexe, rechts eine nichtkonvexe Kurve. In konvexen Kurven befindet sich jede Verbindungsgerade zweier Punkte des Innern komplett innerhalb der Kurve

Referenzen

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