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Modernisierung des Arbeitnehmerschutzes notwendig | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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40 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 4-2014

Nur rund die Hälfte der Schweizer Arbeit- nehmenden geniesst den Schutz eines Ge- samtarbeitsvertrages (GAV). Die meisten Schweizer GAV müssen sich im internationa- len Vergleich punkto Leistungen zwar nicht verstecken. Aber leider gibt es viel zu wenige davon. Viele Arbeitgeber weigern sich, GAV abzuschliessen. So beispielsweise die Schwei- zer Filialen der internationalen Kleider- und Schuhdetailhandelsketten, welche notabene in Ländern mit strengeren Vorschriften GAV abgeschlossen haben. Andere Länder mit ei- ner ähnlich tiefen GAV-Abdeckung haben wenigstens einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt.

Neue Arbeitsverhältnisse

Bis Anfang der 1990er-Jahre wurde der schwache Arbeitnehmerschutz durch eine tiefe Arbeitslosigkeit wenigstens teilweise kompensiert. Seither sind die Arbeitslosigkeit und der Druck auf die Arbeitnehmenden ge- stiegen. Atypische Arbeitsverhältnisse wie die Temporärarbeit nehmen zu. Die Arbeitgeber in den neuen, stark wachsenden Dienst- leistungsbranchen (z. B. Callcenter, Kuriere, Kosmetikinstitute etc.) sind nicht oder nur sehr schlecht organisiert. Hier kann es des- halb auf absehbare Zeit keine GAV geben. Die Grossbetriebe haben viele Arbeitsplätze in andere Branchen ausgelagert (z. B. Reinigung, Gastronomie). Zahlreiche Firmen sind heute in ausländischem Besitz oder werden von ausländischen Führungskräften geführt, die mit der Schweizer Sozialpartnerschaft nicht vertraut sind. Eine Modernisierung des Arbeitnehmerschutzes ist notwendig.

Falsche Lohnentwicklung

Die Lohnentwicklung ist besorgniserre- gend. Die Gewerkschaften konnten zwar ver- hindern, dass die tiefen Löhne gegenüber den mittleren weiter in Rückstand gerieten.

Doch auch in der Schweiz hat sich eine Lohnschere geöffnet. Insbesondere die Löh- ne der obersten 10% stiegen stärker als die übrigen Gehälter. Die Reallöhne der Arbeit- nehmenden mit Lehre stagnierten hingegen von 2002 bis 2010. Diese Lohnschere ist we- niger auf «Marktkräfte» zurückzuführen, sondern vielmehr die Folge von lohnpoliti-

schen Entscheiden in den Unternehmen. Das zeigte auch die OECD im Rahmen der Studie

«Divided We Stand». Die Individualisierung der Lohnpolitik (Bonus-Lohnsysteme u. a.) hat vor allem den Kadern genützt. Dazu kamen Auslagerungen von öffentlichen Be- trieben, welche den Kadern eine massive Erhöhung ihrer Löhne ermöglichten. Weil weniger als die Hälfte der Beschäftigten durch Mindestlöhne geschützt sind, ist die Schweiz der Gefahr von Lohndruck beson- ders ausgesetzt. Ungelöst ist auch das Prob- lem der Lohndiskriminierung von Frauen.

Gesamtarbeitsverträge als Königsweg Der Königsweg für eine Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes sind GAV mit guten Mindestlöhnen. Dadurch sind die Löhne ge- gen Lohndruck und Missbräuche geschützt.

Wenn es gute Mindeststandards mittels GAV gibt, ist die Lohndiskriminierung von Frauen wesentlich geringer, wie beispielsweise ein Vergleich der GAV-Branche Gastgewerbe mit der Detailhandelsbranche zeigt. GAV führen zu einer ausgeglicheneren Lohnverteilung.

Wenn Löhne kollektiv verhandelt werden, kommen alle in den Genuss von Lohnerhö- hungen. Bei einer individualisierten Lohn- politik profitieren die Gutverdiener stärker.

Das zeigt die ökonomische Forschung.

In der Schweiz legt der Staat den GAV durch strenge gesetzliche Bestimmungen Steine in den Weg, statt sie zu fördern. Kein Land in Europa hat so hohe Hürden für die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von GAV. Beispielsweise ist das «Arbeitgeber- quorum» eine Schweizer Besonderheit. Zu- dem verteilt der Staat Milliardensubventio- nen (z. B. Landwirtschaft), ohne Auflagen zu den Arbeitsbedingungen zu machen. Das Arbeitgeberquorum muss abgeschafft wer- den, damit eine beschäftigungsmässige Min- derheit von Kleinstfirmen die AVE nicht mehr blockieren kann. Wer staatliche Aufträ- ge und Subventionen erhält, muss einer GAV-Verhandlungspflicht unterstellt sein.

Für die Bereiche ohne GAV braucht es einen gesetzlichen Mindestlohn von 22 Franken

pro Stunde.

Modernisierung des Arbeitnehmerschutzes notwendig

Beim Arbeitnehmerschutz dele- giert die Schweizer Politik einen grossen Teil an die Sozialpartner, die über Gesamt arbeitsverträge branchennahe Regelungen ausar- beiten sollen. Das funktioniert leider nur teilweise. Im Vergleich zu ihren ausländischen Kollegen sind Schweizer Arbeitnehmende relativ schlecht gegen Missbräu- che geschützt. Rund die Hälfte hat keinen Gesamtarbeitsvertrag – obwohl der Druck auf die Ar- beitsbedingungen zugenommen hat. Deshalb muss der Arbeitneh- merschutz in der Schweiz moder- nisiert werden.

Daniel Lampart Leiter Sekretariat und Chefökonom des Schweiz.

Gewerkschaftsbundes SGB

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