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Sektion Historische Bildungsforschung der DGfE in Verbindung mit der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) : Jahrbuch für Historische Bildungsforschung

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Academic year: 2022

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Marcelo Caruso / Ute Frevert Einleitung in den Schwerpunkt

Vermutlich nichts ist allgegenwärtiger – und kontroverser – im pädagogi- schen Diskurs als Emotionen. Wie viel „Herz“ und wie viel „Verstand“ in Erziehungs- und Bildungsprozesse eingehen und daraus hervorgehen sollten, darüber schieden und scheiden sich die Geister, innerhalb wie außerhalb der Erziehungswissenschaften. Wenig hingegen haben letztere dazu beigetragen, Emotionen im Sinne von Erfahrungen, die bewegen – im englischen Wort- spiel e-motions – und gesellschaftliche Entwicklungen gestalten, analytisch zu erfassen und historisch zu rekonstruieren.

Von der Geschichtswissenschaft gehen derweil starke Impulse aus, Emotio- nen in ihren wechselnden soziokulturellen Codierungen, Ausdrucksformen, Kommunikations- und Wirkungsweisen in den Blick zu nehmen. Was ein solcher emotional turn für die Bildungsgeschichte bedeuten kann, ist das Schwerpunkt-Thema dieses Jahrbuchs. Die große Resonanz, die unser call for papers hatte, belegt, wie anschlussfähig die emotionsgeschichtliche Per- spektive inzwischen ist. Die hier abgedruckten Beiträge bilden nur einen kleinen Ausschnitt der vorgeschlagenen Themen ab. Sie zeugen von einem intensiven Interesse an Subjektivierungsformen und expressiven Praktiken, die sie zugleich an die institutionellen Bedingungen erzieherischen und päda- gogischen Handelns zurückbinden.

In Schulen organisiert, aber an ein breiteres Publikum gerichtet, waren die Theaterdarstellungen in Jesuitenkollegs, die Ralf Müller (München) als pä- dagogische Momente präsentiert und in ihrer Funktion für die „Reinigung der Affekte“ untersucht. Sieglinde Jornitz und Stefanie Kollmann (Berlin/ Frank- furt am Main) analysieren die Gefühle, die Johann Heinrich Campe in seiner reich bebilderten „Kleinen Seelenlehre für Kinder“, einem modernen päda- gogischen Schlüsseltext, vorzeigt. Die Autorinnen erkennen darin eine regel- rechte Regie für Gespräche zur Gefühlserziehung, die allerdings weniger im schulischen Kontext als im privaten Bereich greifen.

Auf die Schule im „langen“ 19. Jahrhundert konzentrieren sich demgegen- über die beiden Beiträge von Ute Frevert und Timm Hoffmann (Berlin) so- Jahrbuch für Historische Bildungsforschung, Band 18

ISBN 978-3-7815-1897-1

Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2013

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10 Marcelo Caruso / Ute Frevert wie Pablo Toro Blanco (Santiago de Chile). Frevert/Hoffmann beleuchten unter dem Stichwort „Herzensbildung“ ein zentrales Motiv pädagogischer Semantik mit starker Wirkung auf die Ausformung des Lehrer-Schüler- Verhältnisses. Wie sich dieses Verhältnis aus der Sicht der Schüler darstellte, wird in einem kritischen Moment – 1968 – offenbar. Die deutsche Perspekti- ve, die hier maßgebend ist, wird in Blancos Text durch den Blick auf Chile und die dort geltenden emotionalen Standards humanistischer Sekundarschul- bildung erweitert. Wie dissonant und umkämpft solche Standards sein konn- ten, zeigt Mikhail Suslov (Moskau) für das zaristische Russland. Schulbücher historischen Inhalts unterbreiteten sehr unterschiedliche emotionale Angebo- te, die die Geschlossenheit suggerierenden Botschaften autokratischer Re- gime unterliefen.

Stärker auf den außerschulischen Kontext zielt Stephanie Olsen (Berlin) in ihrem Beitrag, der Praktiken emotionaler Konditionierung in männlichen Jugendgruppen Großbritanniens um 1900 untersucht und sie als Mechanis- men ansieht, mit denen als negativ charakterisierte Modernisierungsfolgen bearbeitet werden sollten. Mit dem gemeinschaftlichen Singen nimmt Juliane Brauer (Berlin) abschließend eine solche Praktik genauer in den Blick und beobachtet, wie sie in der frühen DDR als Mittel emotionaler Identitätsbil- dung eingesetzt wurde.

Die chronologisch angeordneten Texte veranschaulichen eine theoretische und thematische Vielfalt, die damit bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Sie legen beispielhaft dar, welche Rolle und Bedeutung Gefühlen in Bildungs- und Erziehungsprozessen jeweils beigemessen wurde, wie sie begriffen, bearbeitet und vermittelt wurden und welche (erwünschten oder verketzerten) Wirkungen sie entfalteten. Damit konturieren die Beiträge ein Forschungs- feld, dessen Potenziale in bildungshistorischer Hinsicht erheblich sind.

Jahrbuch für Historische Bildungsforschung, Band 18 ISBN 978-3-7815-1897-1

Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2013

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